Kommentar
Mit der ersten randomisierten Phase III-Studie zum Thema Bestrahlung beim retroperitonealen Sarkom, einer seltenen Erkrankung mit einer anspruchsvollen Therapie, hat die Studiengruppe eine beachtliche Leistung erbracht. Ihre Qualität zeichnet sich auch durch eine hohe Rate an protokollgerechten Behandlungen aus (93 %), was für die therapeutische Expertise der teilnehmenden Institutionen spricht. Die Aussage dieser Studie mit der momentan höchsten Evidenz ist somit als richtungsweisend hinsichtlich der Behandlungsempfehlungen für die lokale Therapie von retroperitonealen Sarkomen zu verstehen.
In einer Post-hoc-Analyse, in der der Progress unter neoadjuvanter Bestrahlung in Kombination mit einer makroskopisch vollständigen Resektion nicht als Endpunkt gewertet wurde, lag das abdominal rezidivfreie Überleben nach 3 Jahren bei 58,7 % (95 %-KI 49,5–66,7) in der Op.- und 66 % (57,1–73,5) in der RT-plus-Op.-Gruppe. In der größten Subgruppe, den Liposarkomen, zeigte sich in der Post-hoc-Analyse ein Trend zu einem besseren abdominal rezidivfreien Überleben durch Radiotherapie (65,2 % in der Op.-Gruppe vs. 75,7 % in der RT-plus-Op.-Gruppe, HR 0,62, n. s.).
Zwei wichtige Aussagen der Studie waren für die bislang etablierte Strahlentherapie negativ. Erstens zeigte sich kein Überlebensvorteil durch die Strahlentherapie, nicht einmal im Trend. Zweitens gab es auch im primären Endpunkt der abdominalen Rezidivfreiheit keinen signifikanten „benefit“ durch die zusätzliche Strahlentherapie. Eher zeigte sich ein höheres Nebenwirkungsprofil, insbesondere für Lymphopenien im Strahlentherapiearm. Jedoch zeigen sich nach sorgfältiger Analyse der Details und der im Supplement publizierten zusätzlichen Daten doch einige Hinweise auf einen positiven Effekt der Strahlentherapie versteckt: Erstens, zusammenhängend mit der Definition des primären Endpunkts, ergab sich hier nämlich überhaupt kein Vorteil für die Strahlentherapie, da in mehreren Fällen lokale Progressionen bereits unter der neoadjuvanten Strahlentherapie vor der Op. aufgetreten waren (Größenzunahme nach RECIST). Das betraf 15 Patienten, immerhin also mehr als 10 % der RT-plus-Op-Gruppe. Diese Patienten konnten alle komplett R0 reseziert werden, und 4 von ihnen (27 %) entwickelten später ein Lokalrezidiv; das entspricht etwa der Lokalrezidivrate des Studienarms mit alleiniger Op. Die Strahlentherapie scheint also diesbezüglich nicht nachteilig gewesen zu sein. Wenn man diese Patienten (wie in der Post-hoc-Analyse gemacht) nicht als Progression werten würde (weil sie ja durch die anschließende Op. kontrolliert wurden), ergibt sich dann ein Trend zugunsten einer besseren lokalen Kontrolle durch die Strahlentherapie. Zweitens zeigte sich in der Subgruppe der Liposarkome (welche etwa drei Viertel aller Patienten ausmachte) ein Trend für ein besseres lokalrezidivfreies Überleben. Nach der Analyse des Independent Data Monitoring Committee, das allerdings nur im „supplementary appendix“ enthalten ist, wird unser Befund sogar noch deutlicher. Denn es traten ja bei den Liposarkomen Lokalrezidive bei 32/100 Patienten nach der Op. und bei 14/98 Patienten nach RT-plus-Op. auf. Drittens trennen sich die Kaplan-Meier-Kurven der Lokalrezidivfreiheit mit zunehmender Nachbeobachtungszeit immer deutlicher, vor allem bei den Liposarkomen. Die absolute Differenz – im Text nicht ausdrücklich erwähnt, aber aus den Kurven ablesbar – beträgt in der Lokalrezidivfreiheit etwa 5 %-Punkte nach einem Jahr, etwa 10 %-Punkte nach 3 Jahren und mehr als 20 %-Punkte nach mehr als 5 Jahren. Die Hazard Ratio für die Verhinderung von Lokalrezidiven bei Liposarkomen ist mit 0,62 durchaus respektabel, erreichte aber formal keine Signifikanz.
Die Konsequenz dieser Studie ist somit, dass die (präoperative) Strahlentherapie für dieses Kollektiv keinen Vorteil bringt und unterlassen werden sollte. Das heißt aber nicht, dass man im Einzelfall nicht trotzdem eine Strahlentherapie diskutieren sollte.
Fazit
Vor allem gibt EOTRC 62092 Hinweise auf einen „benefit“ durch die Strahlentherapie in der Subgruppe der Liposarkome, und hier insbesondere der Low-grade-Liposarkome. Hierzu folgt inzwischen eine weitere Studie der EORTC-Studiengruppe. Für die klinische Praxis bleibt festzuhalten, dass es bei Vorliegen von Weichteilsarkomen mit hohem Lokalrezidivrisiko auch weiterhin gute Argumente für eine prä- bzw. postoperative Strahlentherapie gibt.
Ann-Kristin Kalisch und Andreas Dunst, Kiel
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