Einleitung
Klappenvitien
gehen meist mit einer Druck- oder Volumenbelastung von linkem Vorhof bzw. linkem Ventrikel einher. Eine Insuffizienz der Trikuspidalklappe ist häufig Spätfolge eines Mitral- oder Aortenvitiums mit
pulmonaler Hypertonie und rechtsventrikulärer Dilatation. Vitien der Pulmonalklappe sind eine Rarität. Bei hochgradigen Vitien finden sich häufig die Zeichen der Links- bzw. Rechtsherzinsuffizienz sowie Rhythmusstörungen.
Nicht selten werden Patienten erst im Rahmen der
Prämedikationsvisite durch ein
Herzgeräusch auffällig. Die häufigsten, perioperativ bedeutsamen Klappenerkrankungen sind die Aortenstenose und die
Mitralinsuffizienz. Ob eine Senkung perioperativer Komplikationen resultiert, wenn man Patienten mit einem bislang unbekannten bzw. nicht abgeklärten Herzgeräusch präoperativ echokardiographisch untersucht, ist unklar. Derzeit erscheint es jedoch sinnvoll, vor Eingriffen mit einem mittleren oder hohen Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen (Kap. „Anästhesie bei Patienten mit Erkrankungen von Herz und Kreislauf: Allgemeine Prinzipien“) bei Patienten mit nicht (vor)bekannten oder bislang nicht abgeklärten Herzgeräuschen auch bei normaler Belastbarkeit eine Echokardiografie zu erwägen und Rücksprache mit einem Kardiologen zu nehmen [
1,
6].
Das Fehlen einer ventrikulären Hypertrophie, abnormer P-Wellen, Arrhythmien sowie von Erregungsausbreitungs- und Rückbildungsstörungen im
EKG bzw. einer abnormen Herzsilhouette im Thoraxröntgenbild schließt schwere Erkrankungen der Herzklappen nicht aus, macht diese jedoch unwahrscheinlich [
7].
Patienten mit symptomatischen Stenosen weisen ein erhöhtes Risiko von Kammerflimmern und Schock auf. Eine perkutane Valvulotomie
bzw. ein operativer (bei Aortenstenose ggf. auch perkutaner) Klappenersatz vor dem elektiven nichtkardiochirurgischen Eingriff kann hier das perioperative kardiale Risiko senken [
2]. Dagegen können selbst schwere Insuffizienzvitien – außer bei stark eingeschränkter Linksherzfunktion – auch noch nach dem nichtkardiochirurgischen Eingriff operativ saniert werden [
2]
Die Auswahl des Narkoseverfahrens bei Patienten mit Klappendefekt muss berücksichtigen, inwieweit die hämodynamischen Auswirkungen der Anästhesie (z. B. Änderungen von Herzfrequenz, Herzrhythmus, Blutdruck, peripherem und systemischem Gefäßwiderstand) mit der Pathophysiologie des Klappendefekts interferieren. Die meisten Vitien können medikamentös nur unzureichend behandelt werden. Ziel der Anästhesie ist daher die Erhaltung einer stabilen, nicht jedoch die Herstellung einer normalen Hämodynamik.
Liegen mehreren Vitien gleichzeitig vor, so hat die Aortenstenose bezüglich des Anästhesiemanagements immer die höchste Priorität.
Aortenstenose
Die Öffnungsfläche (KÖF) der gesunden Aortenklappe beträgt 3–4 cm
2 [
7]. Eine Obstruktion kann durch Verkalkung oder als Spätfolge eines rheumatischen Fiebers auftreten. Patienten mit hämodynamisch wirksamer Stenose weisen meist ein KÖF <1 cm
2 und einen transvalvulären Druckgradienten von mehr als 50 mmHg auf. Einteilung der Aortenstenose nach Schweregraden:
-
schwer: Klappenöffnungsfläche <1 cm2,
-
mittel: Klappenöffnungsfläche 1,0–1,5 cm2,
-
leicht: Klappenöffnungsfläche >1,5 cm2.
Pathophysiologisch kommt es infolge des chronisch erhöhten intraventrikulären Drucks zu einer
konzentrischen Hypertrophie des linken Ventrikels mit Zunahme des myokardialen O
2-Verbrauchs. Im Gegensatz dazu ist das myokardiale O
2-Angebot reduziert, da die subendokardialen Koronararterien durch den erhöhten linksventrikulären Druck komprimiert werden. Dies erklärt das häufige Auftreten von Angina pectoris (50–70 % d. Fälle) trotz fehlender Koronarsklerose (Kap. „Anästhesie bei Patienten mit Herzinsuffizienz“). In 15–30 % der Fälle kommt es zu
Synkopen. Die dekompensierte Aortenstenose
ist charakterisiert durch die Zeichen der akuten Linksherzinsuffizienz (Kap. „Anästhesie bei Patienten mit Herzinsuffizienz“) mit ventrikulärer Dilatation, Lungenödem und konsekutivem Rechtsherzversagen. Treten Symptome auf, hat der Patient mit Aortenstenose eine Lebenserwartung von weniger als 5 Jahren.
Bei alten Menschen findet sich eine Aortensklerose in 30 % der Fälle und erhöht – unabhängig von operativen Eingriffen – das Risiko, innerhalb von 5 Jahren an einem kardiovaskulärem Grund zu versterben von 6,1 auf 10,1 %.
Die schwere Aortenstenose stellt den größten Risikofaktor bei nichtherzchirurgischen Eingriffen dar. Bei Patienten mit symptomatischer Aortenstenose dürfen daher keine elektiven Eingriffe erfolgen.
Bei Patienten mit schwerer, aber
asymptomatischer Aortenstenose wird eine präoperative Reevaluation empfohlen, sofern die letzte Untersuchung mehr als 1 Jahr zurückliegt [
8]. Patienten mit Indikation zum Klappenersatz weisen eine perioperative Letalität von 10 % auf, wenn sie sich unbehandelt einem nichtkardiochirurgischen Eingriff unterziehen.
Für den
aortalen Klappenersatz stehen heute neben dem primär chirurgischen Vorgehen auch weniger invasive, kathetergestützte Verfahren zur Verfügung (TAVI = trans aortic valve implantation
; Kap. „Anästhesie in der Chirurgie des Herzens und der herznahen Gefäße“): Beim
transfemoralen Zugang wird die Klappe über die A. femoralis retrograd bis in die Klappenebene eingebracht und dort entfaltet. Verhindert eine hochgradige
pAVK diesen Zugangsweg, kann auch über eine Minithorakotomie der Katheter
transapikal direkt in den linken Ventrikel eingebracht werden. Anwendung findet dieses Verfahren derzeit bei inoperablen und Hochrisikopatienten. Erste Studienergebnisse mit kleinen Fallzahlen sind vielversprechend, müssen aber noch durch große verfahrensvergleichende Studien bestätigt werden.
Perioperatives Management
Die Prämedikation muss eine ausreichende Sedierung gewährleisten, um stressbedingte Tachykardien zu vermeiden.
Kommt dennoch ein Regionalverfahren
zur Anwendung, so sollte die Periduralanästhesie gewählt werden. Eine Hypotension tritt hierbei im Vergleich zur
Spinalanästhesie verzögert auf und ist therapeutisch besser beherrschbar.
Bei der Allgemeinanästhesie sollten Medikamente vermieden werden, die eine Myokarddepression, Hypotension, Tachykardie bzw. Arrhythmien auslösen können. Allerdings wirken praktisch alle zur Aufrechterhaltung einer Anästhesie einsetzbaren Narkotika negativ inotrop. Volatile Anästhetika vermindern zudem die Aktivität des Sinusknotens und können Knotenrhythmen induzieren. Bei Patienten mit Aortenstenose und schwerer linksventrikulärer Dysfunktion wird daher eine opioidbasierte Anästhesie empfohlen und der Einsatz von Narkotika auf die zur sicheren Ausschaltung des Bewusstseins erforderlichen Dosen bzw. Konzentrationen limitiert.
Der linke Ventrikel des Patienten mit Aortenstenose weist eine niedrige
Compliance auf und benötigt daher einen hohen Füllungsdruck, um ein normales Schlagvolumen zu gewährleisten.
Bei den Patienten muss daher noch vor Narkosebeginn eine ausreichende Volumensubstitution erfolgen und eine perioperative
Hypovolämie vermieden werden.
Der größte Anteil der linksventrikulären Nachlast ist durch die stenotische Aortenklappe verursacht.
Eine systemische Hypotension muss daher rasch durch die Gabe von Volumen sowie Vasopressoren (z. B. Noradrenalin) behandelt werden, selbst wenn das Schlagvolumen durch die vasopressorinduzierte periphere Vasokonstriktion vorübergehend reduziert wird.
Eine Herzfrequenz von 50–70 Schlägen/min ist daher anzustreben. Persistierende
supraventrikuläre Tachykardien können durch fraktionierte Gabe eines kurzwirksamen β-Blockers (z. B. Esmolol 10–100 mg) behandelt werden. Dieser muss jedoch wegen der Gefahr einer akuten Linksherzinsuffizienz vorsichtig titriert werden.
Ventrikuläre Tachykardien bzw. akutes
Vorhofflimmern sollten pharmakologisch oder durch Kardioversion beendet werden.
Insbesondere die Therapie eines neu aufgetretenen
Vorhofflimmerns ist wichtig, da die Vorhofkontraktion bei Aortenstenose bis zu 40 % der ventrikulären Füllung leistet.
Allerdings kann auch eine plötzliche Bradykardie wegen der fehlenden Möglichkeit, das Schlagvolumen kompensatorisch zu erhöhen, zu einer akuten Überfüllung des linken Ventrikels und damit zur Hypotension führen. Knotenrhythmen und extreme Bradykardien müssen daher umgehend, ggf. mit Hilfe eines passageren Schrittmachers, beseitigt werden.
Das Schlagvolumen wird durch eine normale Kontraktilität stabilisiert. Eine mäßige Abnahme der myokardialen Kontraktilität wird jedoch meist besser toleriert als eine Steigerung. Dies gilt auch für Patienten mit vorausgegangener kardialer Dekompensation. β-Blocker sind nicht grundsätzlich kontraindiziert, können jedoch vereinzelt einen Anstieg des linksventrikulären Füllungsvolumens, eine Reduktion des Herzzeitvolumens und – selten – eine Linksherzdekompensation zur Folge haben.
Wegen der Vielzahl möglicher hämodynamischer Komplikationen ist eine arterielle Druckmessung bei Patienten mit hochgradiger Aortenstenose bereits vor Narkoseeinleitung indiziert.
Dagegen sollte die Indikation zur Platzierung eines Pulmonaliskatheters wegen der bei diesem Patientenkollektiv gehäuft auftretenden, schweren Rhythmusstörungen streng gestellt werden.
Aorteninsuffizienz
Die Aorteninsuffizienz ist durch den diastolischen Rückfluss von Blut aus der Aorta über die insuffizient schließende Klappe in den linken Ventrikel gekennzeichnet. Das Ausmaß der Regurgitation ist dabei abhängig von der Öffnungsfläche der Aortenklappe, dem diastolischen Druckgradienten zwischen linkem Ventrikel und Aorta sowie der Dauer der Diastole (Kap. „Anästhesie in der Chirurgie des Herzens und der herznahen Gefäße“).
Bei einer Regurgitationsfraktion von >50 % liegt eine schwere Aorteninsuffizienz vor. Tachykardie verkürzt die Diastole und vermindert so das Regurgitationsvolumen. Ebenso reduziert ein Abfall des peripheren Gefäßwiderstands die Regurgitationsfraktion.
Im Gegensatz zur chronischen wird eine akute Aorteninsuffizienz schlecht toleriert. Die aus der plötzlichen Volumenüberlastung resultierende, ventrikuläre Dysfunktion kann einen sofortigen Klappenersatz notwendig machen.
Das perioperative Risiko von Patienten mit Aorteninsuffizienz korreliert mit der Schwere und Dauer der linksventrikulären Dysfunktion und steigt mit abnehmender körperlicher Leistungsfähigkeit an. Echokardiographisch sind eine Verkürzungsfraktion von <25 % und ein endsystolischer Durchmesser von >55 mm, ventrikulographisch eine linksventrikuläre Auswurffraktion unter 40–50 % Prädiktoren einer erhöhten Letalität [
7].
Perioperatives Management
Obwohl eine Senkung der linksventrikulären Nachlast bei Aorteninsuffizienz das Regurgitationsvolumen reduziert und daher theoretisch Vorteile bietet, wird dennoch meist die
Allgemeinanästhesie den neuroaxialen Blockaden vorgezogen und von Patienten mit milder bis moderater Aorteninsuffizienz auch gut toleriert. Dagegen kann die durch eine
rückenmarknahe Regionalanästhesie induzierte Sympathikolyse – besonders bei
Spinalanästhesie – unkontrollierbar sein, die rasche Gabe von Volumen und Vasopressoren erfordern und damit das labile Gleichgewicht zwischen linksventrikulärer Vor- und Nachlast stören. Bei
Titration des Lokalanästhetikums über einen Katheter lässt sich die erwünschte Anästhesiehöhe jedoch auch unter
Regionalanästhesie gefahrlos erreichen.
Bei Aorteninsuffizienz ist der Erhalt von Normovolämie unabdingbar und erfordert eine adäquate und rechtzeitige Substitution von Volumenverlusten. Da eine Bradykardie durch die Verlängerung der Diastole zu einer akuten linksventrikulären Volumenüberlastung führen kann, wird eine normale bis leicht erhöhte Herzfrequenz angestrebt.
Die
Gabe von β-Blockern ist daher relativ kontraindiziert. Zur Narkoseeinleitung eignen sich alle gängigen
Hypnotika, sofern sie streng nach Wirkung titriert und hämodynamische Änderungen engmaschig überwacht werden.
Ketamin bietet den Vorteil einer Herzfrequenzerhöhung, steigert jedoch auch den systemischen Gefäßwiderstand. Zur neuromuskulären Blockade können alle nichtdepolarisierenden
Muskelrelaxanzien verwendet werden. Succinylcholin ist wegen der Gefahr einer Bradykardie weniger geeignet. Zur Narkoseaufrechterhaltung wird bei Patienten ohne ausgeprägte linksventrikuläre Dysfunktion eine opioidbasierte Anästhesie in Kombination mit volatilen Anästhetika empfohlen.
Inhalationsanästhetika wirken sich wegen ihrer peripher vasodilatierenden Wirkung günstig auf das Schlagvolumen aus. Bei manifester Linksherzinsuffizienz sollten sie allerdings nur in niedriger Konzentration zur Anwendung kommen.
Zeichen einer linksventrikulären Kontraktionsstörung können durch Senkung der Nachlast (z. B. Nitroglycerin, Natrium-Nitroprussid) bzw. mit inotropen Substanzen (z. B. Dopamin, Dobutamin) behandelt werden. Bei der
Beatmung sollte auf Normokapnie geachtet werden, da Hyperventilation eine unerwünschte periphere Vasokonstriktion auslöst. Bei kleineren operativen Eingriffen ist eine invasive Überwachung selten notwendig. Eine blutige arterielle Druckmessung und ein ZVK sind bei Patienten mit hochgradiger Aorteninsuffizienz indiziert, wenn intraoperativ größere Flüssigkeitsverschiebungen erwartet werden. Ergänzend erlaubt die TEE die direkte Überwachung der Linksherzfunktion sowie eine Einschätzung des Insuffizienzgrads und dessen intraoperative Veränderungen.
Mitralstenose
Die
Mitralstenose ist durch eine mechanische Obstruktion der linksventrikulären Füllung mit reaktiver Erhöhung des linksatrialen und pulmonalvenösen Drucks gekennzeichnet. Der Blutfluss über die stenotische Mitralklappe ist dabei von einer adäquaten Vorlast und einer ausreichenden Ejektionszeit abhängig.
Müdigkeit und Dyspnoe unter Belastung treten auf, wenn die Klappenöffnungsfläche (KÖF) auf unter 50 % des Normalwerts sinkt (d. h. von 4–6 cm
2 auf <2,5 cm
2). Bei einer KÖF >1,5 cm
2 finden sich meist keine Ruhesymptome [
1]. Beträgt die KÖF <1 cm
2, so ist bereits ein linksatrialer Druck von 25 mmHg notwendig, um in Ruhe ein normales Herzzeitvolumen aufrechtzuerhalten.
Dies erklärt, warum ein plötzlicher Abfall des systemischen Gefäßwiderstands bei
Mitralstenose schlecht toleriert wird. Andererseits erhöht ein zu hoher linksatrialer Druck wegen des damit verbundenen Druckanstiegs im kleinen Kreislauf die Transsudation von Flüssigkeit in das pulmonale Interstitium und damit die Gefahr eines Lungenödems. Gleichzeitig droht ein akutes Rechtsherzversagen. Etwa 30–40 % aller Patienten mit symptomatischer Mitralstenose entwickeln ein
Vorhofflimmern und kommen mit einer Vormedikation (Digitalis, β-Blocker, Ca
2+-Antagonisten, Antikoagulation) zur Operation.
Die operative Korrektur einer
Mitralstenose vor einem nichtkardiochirugischem Eingriff ist jedoch nur indiziert, wenn die Schwere des Klappendefekts unabhängig von der bevorstehenden Operation eine Intervention erfordert hätte [
2].
Perioperatives Management
Hypoxämie und Hyperkapnie infolge zu tiefer Sedierung erhöhen den PVR und müssen vermieden werden. Eine moderate medikamentöse Prämedikation
wird dagegen hämodynamisch meist gut vertragen. Wegen eines häufig (30 %) bestehenden chronischen
Vorhofflimmerns sind viele Patienten digitalisiert und sollten diese Medikation auch bis zur Operation einnehmen. Dagegen wird die Antikoagulation mit Marcumar
präoperativ meist auf Heparin umgestellt („Bridging“) und dieses dann unmittelbar (d. h. ca. 2–3 h) präoperativ abgesetzt. Allerdings wird dieses „Bridging“ mit Heparin für Patienten mit VHF oder biologischem Klappenersatz zunehmend kritisch bewertet, da in zwei aktuellen Untersuchungen die perioperative Umstellung auf ein Heparin mit einem erhöhten Blutungsrisiko einherging, ohne die Gefahr für
Thromboembolien zu erniedrigen [
3,
4].
Der Zeitpunkt der postoperativen Wiederaufnahme der Antikoagulation variiert abhängig von der Art des Eingriffs und dem potenziellen Blutverlust.
Die Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose sollte mit wenig kreislaufwirksamen Pharmaka erfolgen. Für die Induktion ist daher Etomidat gut geeignet. Die Anästhesie wird dann opioidbetont fortgeführt. Zur Aufrechterhaltung der Narkose eignen sich sowohl volatile Anästhetika als auch Propofol, solange deren Dosierung moderat ist und keine wesentliche Reduktion des systemischen Gefäßwiderstands auftritt. Ein Pulmonaliskatheter kann bei hochgradiger Stenose in Verbindung mit großen operativen Eingriffen indiziert sein, da er ein auf die kritischen Volumen- und Druckverhältnisse angepasstes, hämodynamisches Management ermöglicht.
Eine Hypotension infolge peripherer Vasodilatation ist rasch durch Gabe von Vasopressoren (z. B. Noradrenalin) zu beheben. Andererseits muss eine linksatriale Überdehnung (z. B. durch exzessive Volumenzufuhr, Kopftieflage, Autotransfusion durch postpartale Uteruskontraktion, extreme Bradykardie) vermieden werden.
Die Aufrechterhaltung von Normovolämie ist bei Patienten mit
Mitralstenose von herausragender Bedeutung.
Bei Patienten mit
pulmonaler Hypertonie können
Hypoxämie und Hyperkapnie ein akutes Rechtsherzversagen auslösen. Auf Lachgas sollte wegen dessen pulmonal vasokonstriktiver Wirkung verzichtet werden. Bei manifestem Rechtsherzversagen sind zusätzlich Inotropika (z. B.
Katecholamine, Phosphodiesterasehemmer) erforderlich.
Der Blutfluss über die stenotische Klappe erfolgt in der Diastole. Bei akutem
Vorhofflimmern ist eine rasche medikamentöse (z. B.
Amiodaron) oder elektrische Kardioversion indiziert.
Mitralinsuffizienz
Die
Mitralinsuffizienz ist durch eine systolische Regurgitation von Blut aus dem linken Ventrikel in den linken Vorhof gekennzeichnet. Hieraus resultieren eine Volumenbelastung des linken Vorhofs sowie eine Reduktion des effektiven Schlagvolumens. Das regurgitierte Volumen steigt mit Zunahme des Klappendefekts, der Ejektionszeit sowie des Druckgradienten zwischen linker Kammer und Vorhof an.
Beträgt das Regurgitationsvolumen mehr als 50 % des Schlagvolumens, so liegt eine hochgradige, meist operationspflichtige
Mitralinsuffizienz vor.
Bei akuter Insuffizienz der Mitralklappe bleibt dem linken Vorhof nicht genug Zeit, sich durch Zunahme der linksatrialen Größe und
Compliance an das Pendelvolumen zu adaptieren. Eine relativ kleine Regurgitationsfraktion kann unter diesen Umständen zu einer schweren pulmonalen Stauung mit konsekutiver
pulmonaler Hypertonie, rechtsventrikulärer Dilatation und schließlich akuter Rechtsherzdekompensation führen. Im Gegensatz dazu ist der linke Vorhof bei chronischer
Mitralinsuffizienz dilatiert, ein Rückstau von peripherem Blut in das rechte Herz ist selten.
Patienten mit
Mitralinsuffizienz und linksatrialer Dilatation weisen häufig – ähnlich wie Patienten mit
Mitralstenose – ein chronisches
Vorhofflimmern auf. Eine Antikoagulation mit Marcumar muss dann präoperativ auf Heparin umgestellt werden.
Perioperatives Management
Ziel der Narkoseführung bei Patienten mit
Mitralinsuffizienz ist es, sowohl einen plötzlichen Abfall von Herzfrequenz und Myokardkontraktilität als auch einen Anstieg des peripheren Gefäßwiderstands zu vermeiden bzw. rasch zu therapieren.
Wenngleich sich eine periphere Vasodilatation bei
Mitralinsuffizienz günstig auswirkt, wird wegen der Unvorhersagbarkeit von Zeitpunkt und Ausmaß der Hypotension bei rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren
meist die
Allgemeinanästhesie vorgezogen. Hierbei können alle gebräuchlichen Anästhetika unter Beachtung ihrer spezifischen Nebenwirkungen eingesetzt werden. Auf Succinylcholin sollte wegen der Gefahr der Bradykardie verzichtet werden. Volatile Anästhetika sind zwar prinzipiell wegen ihrer vasodilatierenden Komponente gut geeignet; ihre Konzentration sollte jedoch bei stark eingeschränkter Kontraktilität 1 MAC nicht überschreiten.
Eine Einschränkung der Kontraktilität kann eine schwere linksventrikuläre Dysfunktion oder gar Dekompensation auslösen. Dagegen steigern positiv inotrope Substanzen das Schlagvolumen. Darüber hinaus vermindern sie die Regurgitationsfraktion durch Konstriktion des Mitralrings. Auch eine adäquate linksventrikuläre Vorlast trägt zu einem ausreichenden Vorwärtsschlagvolumen bei. Eine allgemeine Empfehlung für eine Steigerung der Vorlast ist jedoch problematisch, da die resultierende Dilatation von Vorhof und Ventrikel den Klappenring dehnt und damit die
Mitralinsuffizienz verschlechtert. Eine vorsichtige, individuell titrierte Volumengabe ist daher erforderlich.
Die Herzfrequenz des Patienten mit
Mitralinsuffizienz sollte normal bis erhöht sein. Meist haben die Patienten eine absolute Arrhythmie bei
Vorhofflimmern und sind digitalisiert. Die präoperative Bestimmung der Konzentrationen von
Kalium und
Digoxin bzw.
Digitoxin im Blut ist daher für eine optimale Betreuung wertvoll.
Die Senkung der Nachlast steht daher im Mittelpunkt der Therapie. α-adrenerge Substanzen sollten aus diesem Grund zugunsten von Vasodilatanzien (z. B. Nitroglycerin, Natriumnitroprussid) vermieden werden. Dobutamin ist hier in zweifacher Hinsicht günstig; es hebt die Herzfrequenz und senkt die Nachlast.
Viele Patienten mit schwerer
Mitralinsuffizienz entwickeln eine
pulmonale Hypertonie mit Rechtsherzinsuffizienz. Faktoren, die zu einer pulmonalen Vasokonstriktion führen (z. B. Azidose,
Hypoxie, Lachgas, Vasokonstriktoren), müssen daher vermieden werden.
Zur Therapie von
pulmonaler Hypertonie und Rechtsherzversagen eignen sich Inodilatatoren (z. B. Dobutamin, Milrinon) sowie inhalierte Vasodilatatoren (z. B.
Stickstoffmonoxid, Iloprost; beide hierfür nicht zugelassen).
Patienten mit asymptomatischer
Mitralinsuffizienz benötigen während kleinerer operativer Eingriffe meist kein invasives Monitoring
. Bei Patienten mit hochgradiger Mitralinsuffizienz dagegen liefert die invasive arterielle bzw. zentralvenöse Druckmessung, ggf. auch ein Pulmonaliskatheter, die Basis einer rationalen Pharmakotherapie. Die Quantifizierung der V-Welle während des Wedgemanövers gestattet es zudem, perioperative Veränderungen des Insuffizienzgrads abzuschätzen. Die TEE ermöglicht die beste Beurteilung der Myokardfunktion, ist jedoch in der Praxis nicht regelhaft verfügbar.
Trikuspidalinsuffizienz
Eine isolierte Trikuspidalinsuffizienz ist meist Folge einer bakteriellen
Endokarditis und wird v. a. bei Drogenabhängigen beobachtet. Vielfach ist die Trikuspidalinsuffizienz jedoch mit anderen Vitien vergesellschaftet. So gehen Defekte an der Aorten- oder Mitralklappe häufig mit einer
pulmonalen Hypertonie einher und führen letztlich zum Rechtsherzversagen mit Trikuspidalinsuffizienz. Infolge der systolischen Regurgitation von Blut aus dem rechten Ventrikel in den rechten Vorhof kommt es zur zentralvenösen Stauung. Hämodynamisch imponiert häufig eine hohe V-Welle in der zentralvenösen Druckkurve (Kap. „Anästhesie bei Patienten mit Herzinsuffizienz“).
Perioperatives Management
Primäres Ziel der Narkoseführung ist es, eine Verminderung des venösen Rückstroms (z. B. infolge hoher Atemwegsdrücke,
Hypovolämie, Vasodilatation) bzw. eine Erhöhung der rechtsventrikulären Nachlast (z. B. infolge
Hypoxie, Hyperkapnie, Azidose, N
2O) zu vermeiden.
Zur inotropen Stimulation eignen sich Inodilatatoren wie Dobutamin oder PDE-Hemmer, da diese gleichzeitig eine Vasodilatation im Lungenkreislauf bewirken.
Inhalierte Vasodilatatoren (z. B. NO, PGI2-Analoga) senken vielfach den PVR, sind jedoch bislang außerhalb herzchirurgischer Eingriffe (hier besteht eine Zulassung für NO) für diese Indikation nicht zugelassen.
Sind mehrere Klappen betroffen, richtet sich das Management nach den meist im Vordergrund stehenden pathophysiologischen Veränderungen der anderen Herzklappenfehler.