Die biologischen Strukturen, die sich in der Evolution herausgebildet haben, mögen eine unüberschaubar scheinende Vielfalt darstellen, und dennoch beruhen die Mechanismen der Gestaltbildung und auch die damit verbundenen Funktionen auf den wenigen Grundprinzipien der Physik, wie Diffusion und Materiefluss, aber auch auf den Symmetrieregeln der Geometrie. Da alle lebenden Systeme nur fernab des chemischen Gleichgewichts unter steter Energiezufuhr existieren und dazu biochemischen Kontrollmechanismen unterliegen, müssen diese naturwissenschaftlichen Prinzipien um das Konzept der selbstorganisierten Entstehung von Ordnung (dissipative Strukturen), der nicht linearen Funktionen (nichtprognostizierbare Verläufe von Zeitserien) und um die fraktale Geometrie (Selbstähnlichkeit oder Größeninvarianz) erweitert werden. Ohne diese Zusammenhänge ist die biologische Stabilität des Gesunden, aber auch der Krankheiten nicht zu erklären. Selbst die Genexpression ist Teil dieser phänotypischen Selbstorganisation. In diesem Kontext ist das von Reiber (J Neurol Sci 122:189–203, 1994) entwickelte Blut-Liquor-Schrankenmodell zu verstehen. Die Diffusion der Proteine (Proteinstrom) zwischen Blut und Liquorraum werden moduliert durch den abtransportierenden Liquorfluss. Diese Rückkopplung zwischen Molekülstrom und Materiefluss ist die Basis für die Ausbildung eines selbstorganisierenden Fließgleichgewichts der Proteinkonzentrationen im Liquor, das, wie alle rückgekoppelten Systeme, durch einen nicht linearen Funktionszusammenhang beschreibbar ist. Mit der möglichen Reduktion auf die biophysikalischen Zusammenhänge wird deutlich, dass auch für die Beschreibung der pathophysiologischen Prozesse die Beschreibung der Dynamik in der Physiologie Vorrang vor der strukturellen anatomischen Beschreibung hat. Dennoch wird das Gebiet der Schrankendysfunktion immer noch mehr von den Strukturdiskussionen mit bestenfalls linearen Modellen beherrscht. Oftmals wird auch nicht zwischen Blut-Hirn-Schranke und Blut-Liquor-Schrankenfunktion unterschieden. Mit der Arbeit von Reiber (J Neurol Sci 122:189–203, 1994) wurde eine geschlossene Theorie der normalen und pathologischen Blut-Liquor-Schrankenfunktion und deren mathematisch korrekte Behandlung gefunden, mit der auch die Dynamik der Hirnproteine und leptomeningealen Proteine des Liquors eine quantitative Erklärung findet: Die Erklärung der Blut-Liquor-Schrankenstörung als reduzierte Flussgeschwindigkeit ist hinreichend für alle Arten neurologisch-pathophysiologischer Prozesse, wie bakterielle, virale oder parasitenbedingte entzündliche Prozesse ebenso wie mechanische Blockaden des spinalen Flussweges durch Tumoren, Stenosen und Parasiten oder durch Behinderungen des Abflussweges bei Entzündungen im Bereich der Spinalwurzeln. Neben molekülgrößenabhängiger Diffusion und Liquorfluss werden keine zusätzlichen Annahmen über Änderungen an den vielfältigen morphologischen Strukturen der Blut-Hirn-Schranke nötig, um eine Blut-Liquor-Schrankendysfunktion quantitativ zu beschreiben. Neben der Dynamik der Serumproteine wurde auch die Dynamik der Hirnproteine und der leptomeningealen Proteine als Ausdruck der Variation des Liquorflusses quantitativ beschreibbar.
Die biologischen Strukturen, die sich in der Evolution herausgebildet haben, mögen eine unüberschaubar scheinende Vielfalt darstellen und dennoch beruhen die Mechanismen der Gestaltbildung und auch die damit verbundenen Funktionen auf den wenigen Grundprinzipien der Physik, wie Diffusion und Materiefluss, aber auch auf den Symmetrieregeln der Geometrie. Da alle lebenden Systeme nur fernab des chemischen Gleichgewichts unter steter Energiezufuhr existieren und dazu biochemischen Kontrollmechanismen unterliegen, müssen diese naturwissenschaftlichen Prinzipien um das Konzept der selbstorganisierten Entstehung von Ordnung (dissipative Strukturen), der nicht linearen Funktionen (nichtprognostizierbare Verläufe von Zeitserien) und um die fraktale Geometrie (Selbstähnlichkeit oder Größeninvarianz) erweitert werden. Ohne diese Zusammenhänge ist die biologische Stabilität des Gesunden, aber auch der Krankheiten nicht zu erklären. Selbst die Genexpression ist Teil dieser phänotypischen Selbstorganisation (Prigogine 1985; Reiber 2012).
In diesem Kontext ist das von Reiber (1994) entwickelte Blut-Liquor-Schrankenmodell zu verstehen. Die Diffusion der Proteine (Proteinstrom) zwischen Blut und Liquorraum werden moduliert durch den abtransportierenden Liquorfluss. Diese Rückkopplung zwischen Molekülstrom und Materiefluss ist die Basis für die Ausbildung eines selbstorganisierenden Fließgleichgewichts der Proteinkonzentrationen im Liquor, das, wie alle rückgekoppelten Systeme, durch einen nicht linearen Funktionszusammenhang beschreibbar ist (Reiber 1994, 2003, 2017).
Mit der möglichen Reduktion auf die biophysikalischen Zusammenhänge wird deutlich, dass auch für die Beschreibung der pathophysiologischen Prozesse die Beschreibung der Dynamik in der Physiologie Vorrang vor der strukturellen anatomischen Beschreibung hat: Solange z. B. das grundlegende Transportprinzip für Proteine die Diffusion ist, spielt es keine Rolle für die Beschreibung der Dynamik, ob die Behinderung durch Tight Junctions, Gap Junctions oder durch fenestrierte Kapillarendothelien bewirkt wird.
Seit der ersten Originalarbeit zur Physiologie des Liquors von Quinke (1878) und den richtungsweisenden Arbeiten von Davson (1956) wurde die Bedeutung des Liquorflusses für die Blut-Liquor-Schrankenfunktion unübersehbar. Dennoch wird das Gebiet der Schrankenfunktionen immer noch mehr von den Strukturdiskussionen mit bestenfalls linearen Modellen beherrscht (Bradbury 1979; Rapoport und Pettigrew 1979; Abbott et al. 2010). Oftmals wird auch nicht zwischen Blut-Hirn-Schranke und Blut-Liquor-Schrankenfunktion unterschieden (Moody 2006). Mit der Arbeit von Reiber (1994) wurde eine geschlossene Theorie der normalen und pathologischen Blut-Liquor-Schrankenfunktion und deren mathematisch korrekte Behandlung gefunden, mit der auch die Dynamik der Hirnproteine und leptomeningealen Proteine des Liquors eine quantitative Erklärung findet (Reiber 2003, 2016):
Die Erklärung der Blut-Liquor-Schrankenstörung als reduzierte Flussgeschwindigkeit ist hinreichend für alle Arten neurologisch-pathophysiologischer Prozesse, wie bakterielle, virale oder immunologisch bedingte entzündliche Prozesse, ebenso wie mechanische Blockaden des spinalen Flussweges durch Tumoren, Stenosen und Parasiten oder durch Behinderungen des Abflussweges bei Entzündungen im Bereich der Spinalwurzeln.
Neben molekülgrößenabhängiger Diffusion und Liquorfluss werden keine zusätzlichen Annahmen über Änderungen an den vielfältigen morphologischen Strukturen der Blut-Hirn-Schranke nötig, um eine Blut-Liquor-Schrankenstörung quantitativ zu beschreiben.
Neben der Dynamik der Serumproteine wurde auch die Dynamik der Hirnproteine und der leptomeningealen Proteine als Ausdruck der Variation des Liquorflusses quantitativ beschreibbar.
Der normale wasserklare Liquor hat eine niedrige Zellzahl (0–4 Zellen/μl) und einen niedrigen Proteingehalt (<0,2 % der normalen Gesamtproteinkonzentration des Blutes). Die Salzkonzentrationen sind vergleichbar mit denen des Blutes. Der Großteil der Proteine stammt aus dem Blut mit molekülgrößenabhängigen Konzentrationsgradienten (Tab. 1), ein kleinerer Teil kommt aus den Hirnzellen und den Leptomeningen. Der Liquor wird in den Ventrikeln gebildet, fließt in die Zisternen, wo er in einen lumbalen und einen kortikalen Zweig aufgeteilt wird (Abb. 1). Der Abfluss erfolgt hauptsächlich über ventilartige Arachnoidalzotten und entlang der spinalen Nervenwurzeln.
Tab. 1
Molekülgrößenabhängige Konzentrationsgradienten zwischen Blut und Liquor (Ser:CSF). Die angegebenen Verhältnisse beziehen sich auf eine Gruppe mit einem normalen mittleren Albuminquotienten QAlb = 5 × 10−3. (Nach Reiber 1994)
Ig Immunglobulin, R mittlerer molekularer Radius (Felgenhauer 1974), MG Molekulargewicht
×
Serumproteine diffundieren entlang des gesamten Flussweges in den Liquor und für Hirnproteine ist die Nettodiffusion umgekehrt aus dem Liquor heraus. Die Konzentrationen der Serumproteine nehmen damit entlang des rostrokaudalen Flussweges des Liquors von den Ventrikeln zum spinalen Subarachnoidalraum nicht-lineare zu (Tab. 2; Abb. 8). Dagegen nehmen die Konzentrationen der Hirnproteine im Liquor zwischen Ventrikel und lumbalem Subarachnoidalraum linear ab und die der leptomeningealen Proteine steigen linear an (Tab. 2; Abschn. 8) (Reiber 2003; Seyfert et al. 2003; Wildemann et al. 2010).
Tab. 2
Rostrokaudale Konzentrationsgradienten im Liquor. Der Liquor-Serum-Quotient stellt eine normalisierte, dimensionslose Liquorkonzentration dar, in der die serumbedingte Variation, hier beim Albumin, eliminiert wurde. Dagegen werden die Konzentrationen der neuronenspezifischen Enolase (NSE) und des leptomeningealen β-Trace-Proteins als primär aus dem Hirn stammende Proteine (>99 %) in absoluten Konzentrationen verglichen (umfangreichere Datensammlung in Reiber 2001, 2003)
QALB
NSE
β-Trace
×103
mg/l
mg/l
Ventrikelliquor
2,0
22,0
1,5
Zisternaler Liquor
3,3
–
–
Lumbaler Liquor
5,0
10,8
16,6
×
Physiologische Funktionen des Liquors
Die gesicherten physiologischen Funktionen des Liquors sind:
Das Gehirn gegen schnelle Bewegungen und Stöße abzupuffern. Das Gehirn schwimmt quasi im Liquor und wird durch den Auftrieb leichter.
Das Flüssigkeitssystem mit seinen flexiblen Hüllen puffert die Druckpulse, die von den physiologischen Funktionen wie Atmung und Herzrhythmus herrühren.
Beständige Elimination der aus dem Blut und Hirn stammenden Substanzen mit dem Liquorabfluss („sink“) als funktionale Kompartimentierung.
In der Medizin gewinnt der Liquor als In-vivo-Information über Gehirnfunktionen eine besondere Bedeutung. Die qualifizierte Liquordiagnostik (Kap. „Liquordiagnostik“) stellt einen unersetzbaren Teil der Differenzialdiagnostik neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen dar. Für die wissensbasierte Interpretation der Liquordaten ist ein Verständnis der Physiologie und Pathophysiologie des Liquors daher unerlässlich.
Liquorbildung und Liquorfluss
Liquorbildung
Das Hauptvolumen des Liquors wird kontinuierlich in den Plexus choroidei der 4 Ventrikel gebildet (Abb. 1). Das Hauptmerkmal eines stetigen Liquorflusses ist die kontinuierliche Produktion von Wasser. Die hohe Konzentration einer apikalen Na-K-ATPase erhöht die Natriumkonzentration und erniedrigt die Kaliumkonzentration im Liquor. Zusammen mit dem luminalen Natrium/Bicarbonat-Kotransporter wird ein starker osmotischer Gradient aufgebaut. Dieser osmotische Gradient vom Blut zum Liquor ist die treibende Kraft für den Wasserstrom („water flux“) in den Liquor. Der Wasserstrom wird erleichtert durch das Wasserkanalprotein Aquaporin 1, das primär in der luminalen Membran lokalisiert ist. Die Aquaporine machen die Permeabilität der Biomembranen für den Wasserstrom 10-fach höher als in reinen Lipid-Bilayer-Membranen. Diese sekretorische Funktion des Plexus wird durch die durchlässigen, fenestrierten Kapillaren im Plexus unterstützt, die durch den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) aufrechterhalten werden. Der freie Übergang von Molekülen mit der Extrazellulärflüssigkeit in den Ventrikelliquor wird allerdings durch die mit Tight Junctions abgedichtete Epithelzellschicht eingeschränkt.
Wird eine der enzymatischen Funktionen der Na-K-ATPase, der Carboanhydrase oder die Präsenz der Aquaporine und die VEGF-Produktion gestört, verlangsamt sich die Liquorproduktion. Das hat zur Folge, dass die Konzentrationen der Serumproteine im Liquor ansteigen, was dann als Blut-Liquor-Schrankenstörung interpretiert würde. Die experimentelle Elimination der Plexus stoppt den Liquorfluss, führt aber nicht zum Kollabieren des Liquorraumes (Gennis 1986; Weller 2005; Wolburg und Paulus 2010).
Die früher gängige Bezeichnung des Liquors als Ultrafiltrat des Serums ist falsch. Die Selektivität der Proteinpassage durch die Schranken beruht auf der molekülgrößenabhängigen Verzögerung der Diffusion.
Ventrikelliquor
Neben der sekretorischen Funktion des Plexus („Urliquor“) diffundieren Serumproteine in der restlichen Ventrikeloberfläche (Nicht-Plexus-Flächen) aus den Kapillaren mit weniger dichten Ependymzellschichten (Gap Junctions) leichter in den ventrikulären Liquor ein. Aber auch in Hirnzellen und im Plexus selbst synthetisierte Proteine tragen zur Zusammensetzung des Ventrikelliquors bei. Die choroidale Flüssigkeit ist deshalb nicht direkt messbar und kann so auch keine direkten Hinweise auf den sekretorischen Charakter der Plexusfunktion geben (Segal 2000; Reiber 2003; Wolburg und Paulus 2010; Wildemann et al. 2010).
Der Ventrikelliquor entsteht aus einer Mischung verschiedener Transfermechanismen wie Sekretion, Diffusion und Freisetzung aus lokalen Zellen.
Liquorvolumen und Umsatzgeschwindigkeit
Mit einem variablen Ventrikelvolumen zwischen 7 und 60 ml variiert auch die Größe der Plexus choroidei und damit das Produktionsvolumen an Liquor von Mensch zu Mensch. Eine Altersabhängigkeit der Produktionsrate vergrößert zusätzlich die biologische Varianz (Abschn. 2.6).
Die mittlere Bildungsgeschwindigkeit des Liquors ist altersabhängig abnehmend zwischen 0,4 ml/min oder 500 ml/Tag im jungen Erwachsenen und 0,19 ml/min entsprechend 250 ml/Tag beim älteren Menschen mit entsprechend höheren Serumproteinwerten im Liquor.
Das Gesamtvolumen des Liquors im Erwachsenen von ca. 140 ml einschließlich einem mittleren Ventrikelvolumen von 12–23 ml und 30 ml im spinalen Subarachnoidalraum (Abb. 2) wird also je nach Alter 2- bis 4-mal täglich erneuert. Die aktive Sekretion im Plexus zusammen mit den zirkumventrikulären Organen macht etwa 60–70 % des lumbalen Liquors aus, der Rest kommt als Extrazellulärflüssigkeit (ECF) entlang des Liquorflussweges im leptomeningealen und kortikalen Subarachnoidalraum hinzu. Der Beitrag der Extrazellulärflüssigkeit ist nicht genau zu bestimmen, mag aber überschätzt werden, da die ECF-Flussgeschwindigkeit mit nur 10 % der Liquorflussgeschwindigkeit bestimmt wurde (May et al. 1990; Davson und Segal 1996; Bozanovic-Sosic et al. 2001; Abbott 2004).
Liquorflussweg
Der Liquor fließt von den Ventrikeln durch das Foramen Magendie und die beiden Foramina Luschkae in die basalen Zisternen. Die Größe des Foramen Magendie zwischen 4. Ventrikel und der Cisterna magna mit einer mittleren Größe von 16 mm2 variiert zwischen 1 mm2 und einer Größe, die es schwierig macht, den Übergang in die Cisterna magna zu bestimmen.
Im Zisternalraum teilt sich der Liquor in einen kortikalen und lumbalen Zweig des Subarachnoidalraums. Durch die Arachnoidalzotten in den Pacchioni-Granulationen wird der Liquor komplett, ohne Filtration („bulk flow“), in das venöse Blut dräniert. Arachnoidalzotten sind vor allem im kranialen Bereich (Sinus sagittalis) zu finden. Im spinalen Bereich kann der Liquor neben den Arachnoidalzotten auch entlang der spinalen Nervenwurzeln abfließen (Abb. 1).
Druckgradienten
Die treibende Kraft für den Liquorfluss ist die Druckdifferenz zwischen arteriellem und venösem Blut. Im Gleichgewicht zwischen Bildung und Abflusswiderstand besteht ein mittlerer Liquordruck von 1,4 kPa.
Neben dem Druck/Fluss-Zusammenhang ist auch der Liquor-Volumen/Druck-Zusammenhang wichtig.
Druckpulse durch Herzschlag und Atmung
Durch Herzfunktion, Atmung, Husten oder Wechsel der Körperhaltung ändert sich das Liquorvolumen temporär mit Hin-und-her-Bewegungen des Liquors. Die mit bildgebenden Verfahren gemachten Beobachtungen der Druckpulse aus Atmung und Herzschlag haben zu einiger Verwirrung über den Nettofluss geführt. Die strahlähnlichen Flüssigkeitsbewegungen durch die Apertur zurück in den 4. Ventrikel sind beeindruckend, suggerieren aber einen falschen Gesamteindruck bezüglich des Nettoflusses und dem Ausmaß der Durchmischung. Die schnellen Druckpulse der Herztätigkeit (60/min) stören jedoch keinesfalls den nicht linearen rostrokaudalen Konzentrationsgradienten für Serumproteine im spinalen Subarachnoidalraum (Abb. 2) Diese biologischen Einflüsse scheinen also nicht wesentlich zur Vermischung entfernter Bereiche beizutragen. Das hat zumindest zwei Gründe:
Der Subarachnoidalraum ist keine unflexible Röhre, sondern ein die Druckpulse mit lokalen Volumenverschiebungen elastisch aufnehmendes biologisches System.
Als Verbindung zwischen Pia und Arachnoidea durchziehen kapillarenhaltige Trabekel den Subarachnoidalraum und stellen so eine weitere Behinderung einer freien Bewegung des Liquors über größere Distanzen dar.
Die biologische Beweglichkeit des Liquorraums zu verstehen, ist also wichtig, um die 10-fach schnelleren lokalen Pulsationen in der Wirkung auf den Nettofluss des Liquors nicht überzubewerten (Abbott 2004; Benveniste et al. 2015; Bechter 2011; Linninger et al. 2016).
Die molekularen Messdaten zeigen einen eindeutigen rostrokaudalen Liquorfluss: Die Konzentrationszunahme der Proteine aus dem Blut in Richtung lumbalem Liquor und auch die Nichtlinearität des rostrokaudalen Gradienten sind nicht anders erklärbar.
Behinderung von Fluss und Abfluss
Die spinale Abflussrate beim Gesunden (Edsbagge et al. 2004) wurde mit 0,11–0,23 ml/min bei einer CSF-Produktionsrate von 0,34 ± 0,13 ml/min bestimmt. Die Differenz mag durch den kortikalen Abflussweg mitbedingt sein. Die lokale mittlere Umsatzrate im lumbalen Liquor war 20 ± 13 %/h, wobei sie doppelt so hoch beim Aktiven gegenüber dem ruhenden Probanden war.
Die Abflussrate kann in zweierlei Weise vermindert werden: Durch lumbalen Block oder Abflussstörung an den spinalen Nervenwurzeln. Zur Charakterisierung der Unterschiede zwischen einer Spinalstenose oder einem lumbalen Tumor oder einer Guillain Barré-Poliradikulitis (GBS) (Abschn. 7.2) kann das Verhältnis der Konzentrationen der Hirnproteine zu den Serumproteinen verwendet werden.
Liquor und Lymphsystem
Die bei Schafen beobachteten nasalen Abflusswege des Liquors in das Lymphsystem spielen beim Menschen keine wesentliche Rolle. Dies ist insbesondere an der Entwicklung beim Neugeborenen (Abschn. 2.5) zu sehen, wo initial kein bis kaum Abfluss da ist, bevor nicht der Liquorfluss durch die reifenden Arachnoidalzotten beginnt. Dadurch fallen die Proteinkonzentrationen in den ersten 4 Monaten bis auf ein Zehntel der Konzentrationen bei der Geburt (QAlb in Abb. 3a). Es hat also ohne den Liquorfluss über die Arachnoidalzotten ins venöse Blut keinen merklichen anderen Abfluss gegeben (Abschn. 2.5). Das ist ein wichtiges Argument für einen Nettofluss des Liquors durch den Subarachnoidalraum, ebenso wie die oben genannten Abflussverhältnisse im Bereich des spinalen Subarachnoidalraums.
×
Eine mögliche Beteiligung des Lymphsystems an den pathophysiologischen Zusammenhängen ändert grundsätzlich nichts an den Fakten der Liquordynamik (Abschn. 7.2) (Bradbury 1978; Davson und Segal 1996; Seyfert und Faulstich 2003; Edsbagge et al. 2004; Koh et al. 2005; Weller et al. 2005, 2009; Nedergaard 2013; Hladky und Barrand 2014).
Die kortikalen und lumbalen Arachnoidalzotten und der Fluss entlang der spinalen Nervenwurzeln machen den Hauptteil des Liquorabflusses aus. Eine bei einigen Tierspezies mögliche Drainage des Liquors zum Lymphsystem ist beim Menschen offensichtlich nicht relevant.
Frühe Entwicklung und altersabhängige Veränderungen
Das normale menschliche Neugeborene hat extrem hohe Proteinkonzentrationen im Liquor mit QAlb-Werten bis zu 30 × 10−3, die in den ersten 4 Monaten stark abnehmen (Abb. 3a). Frühere Interpretationen unterstellten eine nicht ausgereifte Blut-Liquor-Schrankenfunktion mit unzureichender Selektivität und hoher Permeabilität. Die Blut-Hirn-Schranke ist aber bereits in der frühen Fötalphase ausgebildet (Catala 1997; Miyan 2009). Das zeigt auch das Verhältnis verschieden großer Moleküle (QIgG:QAlb), das bereits zum Zeitpunkt der Geburt derselben Hyperbelfunktion (Qmean in Abb. 3b) folgt wie beim Erwachsenen.
Tatsächlich ist es also der Beginn des Liquorflusses zum Zeitpunkt der Geburt, der zu einer Reduktion der Proteinkonzentrationen im Liquor mit zunehmender Flussgeschwindigkeit führt. Dieser Prozess ist einer späten Reifung der Arachnoidalzotten in den Pacchioni-Granulationen mit einer maximalen Liquordränage in das venöse Blut etwa um den 4. Lebensmonat zuzuordnen. Die mit zunehmendem Alter wieder zunehmenden Proteinkonzentrationen im Liquor sind einer normalen, abnehmenden Liquorproduktionsrate im Plexus zuzuordnen (Abschn 3.2) (Papaiconomou et al. 2004; Abbott 2010; Reiber 1994, 2016).
Interindividuelle Variation der Liquorflussgeschwindigkeit
Die interindividuellen Variationen der Liquorflussgeschwindigkeit bei normalen Kontrollpersonen kommen durch die unterschiedlich großen Plexus choroidei mit unterschiedlicher Liquorproduktionsmenge (Abschn. 2.1) und die unterschiedlich großen Widerstände für den Liquorfluss (z. B. unterschiedlich große Öffnung der Foramina Magendie) zustande. Die Daten für eine Gruppe erwachsener Kontrollpersonen (Tab. 3) zeigen, dass zusätzlich zur biologischen Variation der Serumkonzentrationen von Albumin (Serum-Variationskoeffizient [VK] = 15 %) eine vom Serum unabhängige größere Variation für die Liquorkonzentration von Albumin existiert (CSF–VK = 25,5 %). Dies kommt durch den Varianzanteil der aus der interindividuell variablen Liquorflussgeschwindigkeit stammt. Bei Molekülen aus den Hirnzellen oder Leptomeningen kann der VK im Liquor niedriger sein als im Serum, was bei einem Serumprotein ausgeschlossen ist (Abschn. 8).
Tab. 3
Variationskoeffizienten (VK) in Serum und Liquor des aus dem Blut stammenden Albumins, des aus dem Hirn stammenden Neopterins und des aus den Leptomeningen stammenden Mannose-bindenden Lektins (MBL). Die Daten stammen von normalen Kontrollen; Albumin: N = 20, Alter 36–50 Jahre; Neopterin: N = 26; MBL: N = 13. (Kuehne et al. 2013; Reiber et al. 2012)
CSF-VK (%)
Serum-VK (%)
Albumin
25,5
15,0
Neopterin
9,7
24,5
MBL
66
146
Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schranken
Das biologische Schrankenkonzept
Da für Proteine keine aktiven oder erleichterten Transportmechanismen existieren, ist der in Tab. 1 gezeigte Zusammenhang zwischen der Konzentration eines Proteins im Serum und im Liquor nur von der Diffusion durch die Hindernisse auf dem Diffusionsweg abhängig. Da aber die im Liquor ankommenden Moleküle durch den fließenden Liquor abtransportiert werden, ist an den in Tab. 1 gezeigten Konzentrationen auch die Liquorflussgeschwindigkeit beteiligt (Abb. 1).
Entsprechend der Molekülgröße variiert der Konzentrationsgradient und auch die Zeit für die Einstellung eines Gleichgewichts der Proteinkonzentration zwischen Blut und Liquor: Für Albumin ist weniger als ein Tag und für Immunglobulin M (IgM) sind mehrere Tage nötig (Frick et al. 1954).
Diese Behinderung, eigentlich nur zeitliche Verzögerung, eines freien Austausches zwischen den Hirnkapillaren und dem Gehirn bzw. Liquor wurde 1900 mit dem Begriff „Blut-Hirn-Schranke“ (Lewandowsky in Davson und Segal 1996) beschrieben.
Die Proteine sind am besten geeignet, die Schrankenverhältnisse funktional zu beschreiben, da sie nur durch Diffusion ins Gehirn gelangen und ihre Konzentrationen nicht durch einen erleichterten (z. B. Aminosäuren) oder aktiven Transport (z. B. Glukose oder Vitamin C) verändert werden. Bei den kleinen Molekülen sind diese Ansätze nur für Neopterin gültig (Kühne et al. 2012). Es ist auch deutlich, dass eine neuropathologische Untersuchung zwar die beteiligten anatomischen Strukturen aufzeigen kann, aber für eine funktionale Interpretation nicht geeignet ist. Zur Veranschaulichung: Beim IgM mögen auf einer Seite der Tight Junctions 3300 Moleküle sichtbar gemacht werden, nicht aber das eine Molekül auf der Hirnseite (Tab. 1).
Biochemische Schrankendefinition
Als eine biologische Schranke wird im weitesten Sinne des Wortes jede Art von Struktur oder dynamische Funktion verstanden, die zu einem stabilen Konzentrationsunterschied (z. B. als Fließgleichgewicht) zwischen wasserbasierten Kompartimenten durch eingeschränkten Molekülstrom („molecular flux“) und Flüssigkeitsaustausch („solvent flow“) führt.
Morphologische Vielfalt der Blut-Hirn-Schranken
Als Blut-Hirn-Schranke bezeichnet man heute die morphologisch beschreibbaren Strukturen um das Kapillarendothel zusammen mit einer Basalmembran und einer perivaskulären astroglialen Zellschicht. 600 km Kapillaren mit einer Oberfläche von 12–18 m2 versorgen das Hirn mit aus dem Blut stammenden Molekülen. Mit einem mittleren Abstand zwischen den Kapillaren von 40 μm werden die Hirnzellen mit ihrem hohen Energie- und Materiebedarf optimal versorgt.
Die klassischen Hirnkapillaren, deren Endothelzellschicht eine sehr dichte Struktur mit Tight Junctions haben, stellen jedoch keine einheitliche Struktur im Zentralnervensystem dar.
Ein Protein aus dem Blut, wie z. B. Albumin, kann den Liquor sowohl über die Ventrikel, die Zisternen als auch den lumbalen und kortikalen Subarachnoidalraum erreichen. Auf diesem Weg kann es sehr verschiedene Strukturen an den verschiedenen Orten passiert haben: den Plexus choroideus mit fenestrierten Kapillaren und der Epithelzellschicht, die mit Tight Junctions verbunden ist; die restliche Ventrikeloberfläche mit weniger dichten Ependymschichten (Gap Junctions) und den damit verbundenen geringeren Einschränkungen für die Extrazellulärflüssigkeit, um mit dem Liquor zu kommunizieren; die zirkumventrikulären Organe (CVO) mit fenestrierten Kapillaren, aber dichter Ependymzellschicht; den kaudalen Subarachnoidalraum mit dichten Kapillaren in der Pia mater und arachnoidea (Leptomeningen), die wie im Plexus oder CVO als zweite dichte Barriere die durchlässigen Kapillaren der Dura abschirmen. Der gesamte Subarachnoidalraum stellt ein Netz von Kapillaren dar, deren Zellwände meist durch Gap Junctions verbunden sind, die den Zugang der Moleküle zur ECF wenig behindern. Entlang des gesamten Subarachnoidalraums kann die Extrazellulärflüssigkeit leicht durch die Glia/Pia-Epithelschicht mit Gap Junctions passieren.
Die komplexe Vielfalt von Strukturen hat eines gemeinsam: die aus dem Blut stammenden Proteine im Liquor, die mit mehr oder weniger Verzögerung durch Diffusion oder über den Bulk Flow mit der Extrazellulärflüssigkeit in den Liquor gelangen, passieren dieselben Wege nur verschieden schnell durch die unterschiedlichen Molekülgrößen.
Es wird zwar nie möglich sein, die absolute Konzentration eines Serumproteins im Liquor korrekt zu berechnen, sofern wir nicht das Liquor-Serum-Verhältnis eines anderen Moleküls kennen (z. B. Albumin). Aber damit kennen wir die Verhältnisse aller anderen Moleküle, deren Diffusionskonstanten bekannt sind. Dies ist eine wichtige biophysikalische Grundlage der Liquordiagnostik.
Blut-Liquor-Schrankenfunktion
Die Blut-Liquor-Schrankenfunktion wird zusätzlich zu den Charakteristika der Blut-Hirn-Schranke wesentlich durch den Liquorfluss definiert. Nach der Produktion des Liquors im Plexus (Abschn. 2.1) beginnt ein doppelter Einfluss auf die Liquorkonzentration eines Serummoleküls
a.
sowohl durch die entlang des Flussweges ständig eindiffundierenden Moleküle.
b.
als auch durch die von der Liquorflussgeschwindigkeit abhängende Eliminationsrate dieser Moleküle.
Hugh Davson hatte schon 1956 beschrieben, dass Serummoleküle im Liquor keine Sättigung erreichen, sondern in einem Fließgleichgewicht sind. Ohne Liquorfluss (wie z. B. kurz nach dem Tod in der Leiche) wird nach einiger Zeit im Liquor dieselbe Konzentration wie im Serum erreicht. Im Falle einer pathologischen Störung des Liquorflusses wird aber noch etwas anderes deutlich: a) und b) sind gekoppelt, der Fluss beeinflusst die Diffusionsrate durch die Schranke: wenn der Liquor langsamer fließt, steigt die Liquorkonzentration und damit auch der Molekülstrom J (Abb. 1). Das ist das Thema der Biophysik Teil II (Abschn. 6).
Die oftmals genannte morphologische Lokalisation der Blut-Liquor-Schranke im Plexus choroideus wird also den komplexen Gegebenheiten keinesfalls gerecht.
Die Vielfalt der Strukturen und die funktionellen Zusammenhänge, die die Konzentration eines Serumproteins im Liquor bestimmen, haben dazu geführt, von einer Blut-Liquor-Schrankenfunktion zu sprechen.
Während also die Blut-Hirn-Schranke eine morphologische Definition hat, ist die Definition der Blut-Liquor-Schranke eine funktionelle Einheit aus molekularer Diffusion und Liquorfluss.
Diese funktionale Definition wird schon aus der diagnostischen Praxis deutlich: Die Konzentration eines Serumproteins im Liquor wird fernab des Liquorproduktionsortes nach einem langen Flussweg mit verschiedenen Schrankenstrukturen im lumbalen Liquor bestimmt und mit den Serumkonzentrationen im irgendwo abgenommenen venösen Blut verglichen. Das kann nur funktional interpretiert werden, indem auf den Albumin-Liquor/Serum-Quotienten als Maß aller passierten Strukturen und Flussmodulationen bezogen wird.
Ein erhöhter Albuminquotient ist a priori noch keine strukturelle Schrankenstörung (Leakage, Breakdown, Impairment). Zu viele Komponenten können den Turnover des Liquors beeinflussen und damit zur Erhöhung der Konzentration des Albumins im Liquor führen.
Biophysik der normalen Blut-Liquor Schrankenfunktion (Biophysik I)
Folgende empirische Fakten hat ein biophysikalisches Modell zu beschreiben:
1.
Die Schrankenpassage ist durch molekülgrößenabhängige Gradienten charakterisiert, was für Diffusion spricht (Tab. 1).
2.
Die Blut-Liquor-Schrankenfunktion ist nicht auf den Plexus reduzierbar, wie die in Abb. 2 gezeigte Zunahme der Serumproteinkonzentrationen entlang des Liquorflussweges zeigt. Im lumbalen Liquor stammen nur 40 % des Albumins aus den Ventrikeln, der größere Teil von 60 % kommt erst entlang des Liquorflussweges hinzu.
3.
Die Konzentrationszunahme entlang des rostrokaudalen Gradienten ist eine nicht-lineare Funktion, die einer Hyperbelfunktion entspricht (Seyfert et al. 2003).
4.
Die Proteinkonzentrationen im Liquor haben je nach Ursprung verschiedene rostrokaudale Konzentrationsgradienten, die mit dem Liquorfluss erklärt werden können (Tab. 2) (Reiber 2003).
5.
Die interindividuellen Konzentrationsvariationen der Serumproteine im Liquor hängen mit der Variation der Liquorflussgeschwindigkeit zusammen (Tab. 3).
6.
Die absoluten Konzentrationen der Serumproteine im Liquor hängen mit der altersabhängigen Liquorproduktionsrate (Turnover) zusammen (Tab. 4), was mit der altersabhängigen Veränderung im Stroma des Plexus assoziert werden kann (Weller 2005).
Tab. 4
Altersbezogener Anstieg der Albuminkonzentrationen (QAlb) im Liquor. Mittelwerte aus Altersgruppen mit N ≈ 20 (17–29)
Alter (Jahre)
7–11
14
22–24
28–29
36–50
QAlb (×103)
3,2
3,9
4,8
5,1
5,6
Albuminquotient
Für das biophysikalische Modell nehmen wir als Referenzprotein Albumin als ein Protein, das nur außerhalb des Gehirns synthetisiert wird und so die Passage vom Blut in den Liquor zusammen mit der liquorflussabhängigen Dynamik beschreibt ohne ein Handicap durch andere Transportmechanismen neben der Diffusion. Mit der Bildung der Liquor-Serum-Konzentrationsquotienten wurde an einer alten Tradition festgehalten, um eine normierte Liquorkonzentration des Albumins zu verwenden, die unabhängig von der individuellen Serumvariabilität des Albumins ist und so einen präziseren Datensatz hat für die Charakterisierung der biophysikalischen Zusammenhänge als dies die absoluten Konzentrationen wären.
QAlb = Albuminkonzentration (CSF)/Albuminkonzentration (Serum)
Mathematisch heißt das, wir bekommen mit dem Quotienten eine normalisierte Liquorkonzentration eines Proteins, also einen dimensionslosen Quotienten mit Werten zwischen „0“ und „1“ (Q = 1 bedeutet Liquorkonzentration = Serumkonzentration).
Diffusion und Liquorfluss
Für den Zusammenhang zwischen Diffusion und Liquorfluss beim normalen Liquor (Abb. 1) werden die Gesetze der Biophysik angewendet. Die aktuelle lokale Konzentration des Albumins im Liquor, QAlb, ist ein Gleichgewicht zwischen molekülgrößenabhängigem „Molekülstrom“ („molecular flux“) durch die Schranken und dem Abtransport durch den Liquorfluss („bulk flow“, r in Abb. 1).
Der Molekülstrom durch ein Gewebe, J, wird mit dem 1. Fick’schen Diffusionsgesetz beschrieben:
$$ J=-D\frac{dc}{dx} $$
(1)
Dabei ist D der Diffusionskoeffizient und dc/dx der lokale Konzentrationsgradient an der Grenze zum Liquorraum (Abb. 1), nicht der Gesamtgradient zwischen Blut und Liquor. Das ist später für das Verständnis pathologischer Prozesse wichtig. Insbesondere darin unterscheiden sich die früheren unzureichenden Modelle, die (CBlut–CCSF)/Δx als Gradient an der Schranke einsetzten (Abschn. 6.1; Abb. 6). Die Dimension des Molekülstroms J ist mol/cm2·s, wobei mol die molekulare Dichte (Konzentration) darstellt. Der Konzentrationsgradient dc/dx ist negativ, da die Steigung negativ ist in Richtung des Molekülstroms.
Diffusion und Molekülstrom
Moleküle bewegen sich in einer Lösung aufgrund der Wärmebewegung der Elementarbausteine gleichermaßen in alle Richtungen. Wenn irgendwo die Moleküldichte kleiner ist, sind dort weniger behindernde Zusammenstöße der Moleküle zu finden, und mehr Moleküle bewegen sich in diese als in die entgegengesetzte Richtung, bis ein Gleichgewicht erreicht ist. Dieser Prozess wird als Diffusion entlang eines Konzentrationsgradienten dc/dx bezeichnet. Das ist ein passiver Molekülstrom (J), im Vergleich zu aktiven Transportprozessen, die evtl. entgegen einem Konzentrationsgradienten (Vitamin C) transportieren. Da der Liquor ständig die eindiffundierten Moleküle abtransportiert, erhält man einen stetigen Molekülstrom vom Blut durch das Gewebe, der im Gleichgewicht (Steady State) mit dem Abtransport durch den Liquorfluss ist.
Die charakteristische Größe der Diffusion ist der Diffusionskoeffizient D (cm2/s), der neben physikalischen Konstanten die Molekülgröße und die Viskosität des Mediums berücksichtigt. Je größer das Molekül und je höher die Viskosität ist, desto langsamer ist die Bewegung des Moleküls. Das ist der einzige Grund, warum z. B. IgM (971 kD) langsamer aus dem Blut durch das Gewebe diffundiert als Albumin (69 kD) und deshalb auch der mittlere Serum/Liquor-Gradient für IgM (3300:1) größer ist als für Albumin (200:1) (Tab. 1).
Permeabilität
Der Begriff Permeabilität wurde entwickelt, um die Passage eines Moleküls durch eine Biomembran (Zellmembran, Lipid-Bilayer) zu charakterisieren. Der Permeabilitätskoeffizient, P = K·Dm/d (cm/s), ist das Produkt des Verteilungskoeffizienten zwischen Wasserphase und Lipidphase K, mit dem Diffusionskoeffizienten in der Membran Dm dividiert durch die Dicke der Membran d. Dieser Begriff ist nicht geeignet, um die Passage eines Proteins vom Blut durch eine Vielzahl von Strukturen in das Gehirn und den Liquor zu beschreiben. Dafür ist der Molekülstrom J besser geeignet (Gennis 1989).
Liquorflussgeschwindigkeit und Albuminquotient
Die Liquorflussgeschwindigkeit r (Abb. 1) variiert im Liquorraum je nach Querschnitt. Mit einer Produktionsrate des Liquors, d. h. gesamter Volumenfluss des Liquors von z. B. F = 0,3 ml/min, werden dann a molAlbumin/min transportiert. Mit einem lokalen Querschnitt des Liquorraums, A cm2, wird die lokale Geschwindigkeit des Liquors r = F/A cm/min und entsprechend der gekoppelte Molekültransport r(m) = a mol Albumin/s·cm2 (Molekülstrom, J und r haben damit dieselbe Dimension).
Wenn nun F kleiner wird, steigt die Konzentration von Albumin wie die aller Serumproteine im Liquor stetig an durch den langsameren Liquorabtransport bei initial unveränderter Moleküldiffusion aus dem Gewebe (J).
Die Änderung der Serumproteinkonzentrationen im Liquor (z. B. des QAlb-Wertes) hängt reziprok mit der Änderung der Liquorflussgeschwindigkeit zusammen:
Der Änderung der Liquorkonzentrationen, QA, QB, QC etc. (Abb. 7) folgt aber unausweichlich eine stetige Änderung von dc/dx oder dJ/dt. Das bedeutet einen Übergang vom 1. zum 2. Fick’schen Gesetz. Dies wird ausführlich für den Fall einer pathologischen Blut-Liquor-Schrankenfunktionsstörung beschrieben (Abschn. 6.1).
Pathophysiologie
Schrankenstörung versus intrathekale Synthese
Die pathologischen, meist entzündlichen Prozesse im Gehirn (Kap. „Liquordiagnostik“) sind mit zwei grundsätzlichen Veränderungen im Liquor zu charakterisieren:
der Erhöhung aller Serumproteine im Liquor, als Schrankenstörung bezeichnet, und
der aus der intrathekalen Synthese oder Freisetzung aus Hirnzellen bewirkten Erhöhung eines oder mehrerer Einzelproteine (Immunglobuline, karzinoembryonales Antigen [CEA] etc.).
Ziel der Diagnostik ist es, diese beiden Fälle zu trennen, d. h. die Fraktion aus einer intrathekalen Synthese eines Proteins im Liquor von seiner aus dem Blut stammenden Fraktion zu unterscheiden. Der Bezug des IgG-Quotienten, QIgG, zum Albuminquotienten, QAlb, ist das älteste Verfahren, das zuerst als numerischer IgG-Index (QIgG/QAlb) eine lineare Referenzlinie verwendete. Die falsch-positiven Interpretationen (Reiber und Peter 2001) werden wegen der Einfachheit des Verfahrens noch heute in Kauf genommen. Die anschaulichere Darstellung in Quotientendiagrammen (QIgG versus QAlb) ist ebenfalls schon alt. Was aber hier fehlte, war der wissenschaftlich fundierte Referenzbereich für die aus dem Blut stammenden Moleküle im Liquor. Als erste empirisch gut fundierte Lösung wurde eine Hyperbelfunktion für den Referenzbereich berichtet (Reiber und Felgenhauer 1987). Auf der Basis eines 10-fach größeren Kollektivs mit der Erweiterung in einen Bereich schwerster Schrankenstörungen (QAlb = 150 × 10−3) wurde der nicht lineare, hyperbolische Referenzbereich mit der Grenzlinie QLim neu gefittet (Abb. 4). Zusammen mit der Diffusions-Fluss(„Flux-Flow“)-Theorie von Reiber (1994) wurde die hyperbolische Funktion auch theoretisch begründet. In Abb. 4 sind die 3 Konstanten a,b,c gezeigt, mit denen eine Hyperbelfunktion (hier ein Teilbereich) charakterisiert wird. Die aktuellen Daten sind mehrfach berichtet (Reiber 1994, 2003; Reiber und Peter 2001; Wildemann et al. 2010).
×
Die Blut-Liquor-Schrankenstörung im Quotientendiagramm
Die empirischen Daten für Kontrollen und Patienten mit Schrankenstörung ohne intrathekale IgG-, IgA- und IgM-Synthese sind in Abb. 4 dargestellt. Die Daten wurden zusammen über den gesamten Bereich für QAlb = 0,5–150 × 10−3 mit Hyperbelfunktionen (QLim, Qmean, Qlow) für IgG, IgA und IgM gefittet, aber in zwei getrennten Diagrammen dargestellt (Reiber 1994).
Dies sind definitiv Hyperbelfunktionen, die bis zu den höchsten verfügbaren Daten von QAlb =700 × 10−3 (theoretisch maximaler Wert QAlb = 1000 × 10−3 = 1) gültig sind, wie aus den Daten in Tab. 5 geschlossen werden kann.
Tab. 5
Liquor-Serum-Quotienten bei Einzelfällen mit schwerer Störung der Blut-Liquor-Schrankenfunktion (Liquorflussbehinderung)
aFrühe Phase vor Beginn einer humoralen Immunreaktion
Der für den Referenzbereich (QLim–Qlow) umfasst 99 % der Patientendaten (N = 4300) für den Bereich Mittelwert + 3 Standardabweichungen (SD) (Abb. 5). Werte oberhalb der Grenzlinie (QIgG>QLim) sind also mit >99 % Wahrscheinlichkeit (Mittelwert +3 SD) als intrathekale Synthese interpretierbar. Für praktische Zwecke wurde der linearen Darstellung eine doppelt logarithmische Form der Quotientendiagramme vorgezogen, von Kollegen auch als Reiber-Diagramme bezeichnet. Darin sind die häufigsten pathologischen Werte am besten sichtbar (Abb. 9 und 10 und Kap. „Liquordiagnostik“).
×
Gültigkeit der Hyperbelfunktion
Die hyperbolische Funktion umfasst mit einem Datensatz von N = 4300 Patienten das größte Referenzkollektiv, das im Liquor untersucht wurde. Die Hyperbelfunktion gilt über den gesamten Bereich von QAlb und stellt eine Kontinuität zwischen normalen Kontrollen und Patienten mit einer Schrankenstörung dar. Die einzelnen Krankheitsgruppen sind alle symmetrisch um den Mittelwert verteilt (Abschn. 7). Damit ist das ein generell gültiger Ansatz für alle Krankheitsgruppen, entzündlich und nicht entzündlich, die bisher untersucht wurden. Die Quotientendiagramme sind mit QLim für Ventrikel, zisternalen und lumbalen Liquor gleichermaßen gültig. Selbst für das Kammerwasser des Auges ist das Konzept anwendbar (Quentin und Reiber 2004).
Die Gültigkeit der Hyperbelfunktion ist empirisch begrenzt im unteren Bereich, solange QIg<QAlb ist, und im oberen Bereich, wenn durch Tod des Patienten der Liquorfluss zum Stillstand kommt und damit das 2. Diffusionsgesetz nicht mehr gilt. Praktisch waren das Werte bis ca. QAlb = 800 × 10−3. Mit Stillstand des Liquorflusses geht das Fließgleichgewicht (Abschn. 4.2) mit einer sigmoiden Funktion gegen QAlb = 1 (Liquorkonzentration ist identisch mit Serumkonzentration). Die molekülgrößenabhängige Selektivität geht verloren.
Die Hyperbelfunktion ist Ausdruck eines lebenden Systems, das nur fernab des chemischen Gleichgewichts existiert.
Schrankenzusammenbruch oder Flussbehinderung
Wenn der Liquor langsamer fließt, wird weniger abtransportiert und die Proteinkonzentration steigt im Liquor an. In Abschn. 7 sind pathophysiologische Mechanismen bei verschiedenen Krankheiten aufgezeigt. Der grundlegende Fehler eines Leakage-Modells ist sein unbiologischer Ansatz, der der Fluidität von Lipidmembranen (Reiber 1978) und Protein-Lipid-Wechselwirkungen, ganz allgemein der selbstorganisierenden Stabilität biologischer Strukturen, nicht gerecht wird:
Wenn man einen Stein in einen See wirft, erwartet man ja auch nicht, dass ein Loch im Wasser bleibt.
Porenmodelle der Schrankenstörung
Auch jedes noch so differenzierte Porenmodell, das die empirischen Beobachtungen bei Schrankenstörungen erklären will, muss aufzeigen, wie diese Poren aussehen sollen. Es war die ursprüngliche Idee, dass das mit den dichtesten Strukturen, den Tight Junctions, zu tun haben muss. Die Morphologie der Tight Junctions war primär aus Gefrierbruch („freeze fracture“)-Experimenten beschrieben worden. Daraus wurde deutlich, dass die sog. dichte („tight“) Endothelzellschicht jedoch viele Unterbrechungen („sites of high epithelial conductance“) hat, also nicht undurchlässig ist. Die Interpretation dieser Lücken als Poren bestimmter Größe war ein widerlegter Irrtum. Es fehlen notwendige stabilisierende Strukturen, wie dies bei Ionenkanälen zu beobachten ist. Es gibt auch kein physikalisches Prinzip, das dazu beschrieben wurde. Es ist eher umgekehrt, die Fenestrierung von Hirnkapillaren muss durch enzymatische Aktivitäten aktiv aufrechterhalten werden. Ein Zusammenbruch würde die Proteinpassage also eher einschränken (Reiber 1978; Rapoport und Pettigrew 1979; Kluge et al. 1986; Wolburg und Lippoldt 2002).
Es gibt kein Modell, das einen sog. Schrankenzusammenbruch (Leakage, Impairment etc) für die vorhandenen Messdaten biophysikalisch beschreiben kann.
Biophysik II
Das Diffusions-Fluss-Modell der Blut-Liquor-Schrankendysfunktion
In Abb. 6 sind zwei Modelle der Schranke dargestellt, die beide von der Annahme ausgehen, dass bei der Passage von Molekülen verschiedener Größe durch dasselbe Gewebe das Verhältnis der Diffusionskonstanten nicht verändert wird und damit für den Vergleich der Dynamik verschiedener Moleküle (z. B. QIgG:QAlb bei reduziertem Fluss) das inhomogene Gewebe als homogen idealisiert werden kann (Abschn. 3.3). Die normalisierten Konzentrationen im Blut (Cser = 1) und Liquor (Q = 1) erlauben den Vergleich verschieden großer Proteine mit verschiedenen Blutkonzentrationen. Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass die Blutkonzentration der Proteine durch die Diffusion relativ kleiner Mengen konstant bleibt (die Proteine werden ja außerdem ins Blut zurückgeführt), d. h., Cser = konstant. Man kann nun ein Gedankenexperiment machen: Wird eine fiktive Trennwand zwischen Blut und initial proteinfreiem Gewebe weggenommen, beginnen die Proteine vom Blut (X=0) durch das Gewebe zu diffundieren. Bei X=Xp (Abb. 6) ist der Liquor erreicht. Die Kurven im Gewebe repräsentieren den Konzentrationsverlauf von drei verschieden großen Molekülen (C, D, E). Das größte, C, diffundiert am langsamsten und das kleinste, E, am schnellsten. Gelangen die Proteine in den Liquor, werden sie mit dem Fluss weggeschwemmt, es entstehen nach einiger Zeit Fließgleichgewichte mit verschieden hohen Gleichgewichtskonzentrationen im Liquor, QC, QD, QE. Reale Gleichgewichtsverhältnisse für Proteine im Liquor sind in Tab. 1 beschrieben. Durch den Abfluss mit dem Liquor wird im Fließgleichgewicht also ein ständiger Diffusionsstrom, J, durch das Gewebe aufrechterhalten.
×
In den beiden Modellen in Abb. 6 werden die verschiedenen mathematischen Ansätze für die Berechnung des Molekülstroms, J, (Gl. 1; Abschn. 3.3) verglichen. Im Modell a (Abb. 6a) wird entsprechend der Diffusionsphysik der lokale Konzentrationsgradient dc/dx (s. auch Abb. 1) betrachtet, während im Modell b (Abb. 6b) der historisch häufig verwendete lineare Gradient über alles (Cblut-CCSF)/Δx verwendet wird. Dabei wird sofort ein Widerspruch im Modell b deutlich: Das kleinere Molekül (z. B. Albumin), obere Kurve, hat einen kleineren lokalen Konzentationsgradienten (Cblut–CCSF)/Δx als das große Molekül und würde so langsamer in den Liquor diffundieren, was aber nicht stimmt (Frick et al. 1954). Das würde vor allem für den Fall einer Proteinzunahme bei einer Schrankenstörung problematisch: Je höher die Liquorkonzentration, desto langsamer die Diffusion. Das ist ein negativer Feedback mit Selbstlimitierung der Schrankenstörung und führt z. B. zu einem sigmoiden Referenzbereich. Da ist aber experimentell widerlegt (Abb. 4).
Abb. 7 zeigt dagegen die Konsequenz einer Konzentrationserhöhung im Liquor mit den nicht-lineare veränderten lokalen Gradienten dc/dx (Steigung der Tangente an die Kurve an der Stelle xp). Mit der Erhöhung der Konzentration im Liquor steigt die Steigung der Tangente nicht-lineare bis QAlb = 0,5 und nimmt dann wieder ab.
×
Wenn wir nun bei der Schrankenstörung, d. h. beim reduzierten Fluss eine Verschiebung der Gleichgewichtskonzentrationen (dQ/dt) erhalten (Abb. 7), dann muss mit dJ/dt das 2. Fick’sche Diffusionsgesetz zur Anwendung kommen:
Das 2. Fick’sche Diffusionsgesetz ist eine Differenzialgleichung 2. Grades, die keine explizite Lösung hat. Das ist der Grund, warum in 200 Jahren Diffusionsforschung seit Gauss nur implizite Lösungen beschrieben wurden, die eben nur für bestimmte Rahmenbedingungen möglich waren. (Crank 1975; Reiber 1994).
Für das in Abb. 6a gezeigte Diffusionsmodell lässt sich für die Rahmenbedingung einer Diffusion in einem semiunendlichen („semi infinite“) Medium mit konstanter Konzentration C0 an einer Oberfläche (x=0) mit der Integration einer elementaren Lösung der Gl. 2 und Spiegelung an der Grenze x=0 (Crank 1975, S. 14) eine Funktion ableiten: die sog. Error Function für den Diffusionsweg z, erf (z). Diese gilt, wenn z im Bereich kleiner Werte (z<<X0,5, Wendepunkt der Kurve in Abb. 6, Reiber 1994) liegt oder aber als Error Function Complement [erfc (z)=1–erf(z)] im Bereich großer Werte (z>>X0,5). Es gibt also keine für alle Bereiche des Gradienten einheitliche Behandlung (Reiber 1994, 2003). Letztere Bedingung (z>>X0,5) ist hier in diesem Modell zutreffend an der Stelle für xp in Abb. 6a. Damit erhalten wir als Basis der Kurvenfunktion
Die Auflösung des Integrals wird implizit als Annäherung mit einer trigonometrischen Reihe möglich (Reiber 1994).
Die Kurven für die verschieden großen Moleküle in Abb. 6a haben dieselbe mathematische Funktion. Sie unterscheiden sich lediglich durch die mittlere molekulare Verschiebung mit der Funktion
$$ \overline{x}=\sqrt{2 Dt} $$
(4)
Wenn wir nun die Konzentration von QD (auf Kurve D bei xp) auf die Kurve von C projizieren, hat diese Konzentration dort die Diffusionsstrecke x′. Damit ist auf derselben Kurve das Verhältnis von QD(x′) und QC(xp) abgebildet.
Daraus ist das Verhältnis mit den Diffusionskoeffizienten beschreibbar:
Für das Konzentrationsverhältnis zweier Moleküle (z. B. QIgG/QAlb) mit wachsender Liquorkonzentration (z. B. QAlb) (Abb. 6 und 7) erhalten wir die Funktion (7):
Wenn man nun Punkt für Punkt mit Tabellenwerten für die trigonometrische Reihe erfc aus QAlb-Werten die Konzentrationen von QIgG berechnet und diese mit den Werten aus der bekannten Hyperbelfunktion (Gl. 8) vergleicht, bekommt man eine Übereinstimmung über drei Größenordnungen von Konzentrationen bis zur 4. Dezimale (Tabelle in Reiber 1994). Die theoretisch abgeleitete Gl. 7 ist also eine hyperbolische Funktion, in der das nicht lineare Verhältnis von QIgG:QAlb für ein vorgegebenes QAlb nur von den Diffusionskoeffizienten DIgG/DAlb abhängt (Reiber 1994).
Die Gl. 8 ist die bereits früher von Reiber auf rein empirischer Basis (Kurvenfit in Abb. 4) eingeführte Funktion (Reiber und Felgenhauer 1987). Die Parameter a/b, b2 und c (Abb. 4) wurden dabei durch eine empirische Kurvenanpassung an die gemessenen Liquordaten bestimmt. Mit einem größeren Datensatz (4300 Patienten) wurden später die Funktionsparameter (Kap. „Liquordiagnostik“) verbessert (Reiber 1994). Diese sind die Grundlagen der aktuellen Quotientendiagramme und numerischen Auswertungen in der Liquordiagnostik (Kap. „Liquordiagnostik“).
Diese Hyperbelfunktionen sind gültig für den ventrikulären, zisternalen und lumbalen Liquorraum. Diese Funktionen sind prinzipiell gültig für alle aus dem Blut stammenden Proteine (Abb. 8a) (Reiber und Felgenhauer 1987; Reiber 1994, 2003, 2017).
×
Die Schrankendysfunktion im Diffusions-Fluss-Modell
Im obigen Modell in Abb. 6a ist für die Schrankenstörung oder Dysfunktion als einzige pathologische Veränderung die Verlangsamung des Liquorflusses angenommen worden. Die Reduktion des Liquorflusses ist in diesem theoretischen Modell also hinreichend, um den empirischen Verlauf der erhöhten Proteinkonzentrationen im Liquor zu beschreiben:
Die Blut-Liquor-Schrankenstörung ist eine Konsequenz des reduzierten Liquorflusses. Weitere Parameter wie eine morphologische Veränderung der Blut-Hirn-Schranken (Leakage, Poren etc.) sind nicht nötig.
Beobachtungsfundierte Argumente
Für den Liquorfluss als alleinige Ursache der mit einer Blut-Liquor-Schrankenstörung verbundenen Beobachtungen sprechen die folgenden Argumente aus der Biophysik (Abschn. 7.1) und auch aus der klinischen Neuropathologie (Abschn. 7.2).
Biophysik
1.
Trotz schwerster Blut-Liquor-Schrankenfunktionsstörung (Tab. 5) bleibt die Selektivität für verschieden große Moleküle erhalten. Selbst bei Albuminquotienten von 730 × 10−3, d. h., die Liquorkonzentration hat 73 % der Blutkonzentration erreicht, sind die Konzentrationsgradienten zwischen Blut und Liquor für das größere Molekül (z. B. IgM) größer als für das kleinere Molekül (z. B. Albumin). Die obere Gültigkeitsgrenze der Hyperbelfunktion endet mit dem Tod/totalen Stillstand des Flusses, dann endet die Gültigkeit des 2. Diffusionsgesetzes und die Serumproteine gehen im Liquor mit einer Sättigungsfunktion der Serumkonzentration entgegen.
2.
Der biologische Variationskoeffizient der Liquorproteinkonzentrationen einzelner Proteine bleibt trotz schwerster Schrankenstörung konstant: In Tab. 6 und 3 ist für QIgG±3 SD der Variationskoeffizient VK = 15 % über den ganzen Bereich des ansteigenden Albuminquotienten konstant. Das ist nur möglich, wenn die Proteinpassage auch bei schwerster Schrankenstörung gleichermaßen diffusionskontrolliert bleibt. Die Verteilung ist symmetrisch (Abb. 9 und 10). Die früher berichtete Konstanz des Populations-VK war beim IgM bei niedrigen Werten höher (Reiber 1994), das macht biologisch aber keinen Sinn und ist der größeren analytischen Variabilität bei niedrigen IgM-Werten zu schulden.
3.
Der rostrokaudale Gradient bei Serumproteinen folgt einer Hyperbelfunktion, der dieselben Erklärungen zugrunde gelegt werden können wie bei einem pathologisch lokal erhöhten QAlb (Abb. 2).
4.
Serumproteine erscheinen deshalb auch schneller im lumbalen als im Ventrikelliquor (Frick und Scheid-Seydel 1958).
5.
Die Kinetik der Proteinpassage mit schnellerer Diffusion für das kleinere Molekül ist im akuten pathologischen Prozess ebenfalls zu sehen (Tab. 7): Ein Patient mit einer bakteriellen Meningitis wurde am 1. und 2. Tag nach Beginn der klinischen Symptomatik punktiert. Beide Punktionen liegen vor dem Beginn einer intrathekalen IgG-, IgA-, IgM-Synthese. Zum Zeitpunkt der ersten Punktion erreichte die Albuminkonzentration 47 % des Wertes vom 2. Tag, im Vergleich mit 21 % für IgG, 12 % für IgA oder nur 5 % für IgM. Der relative Anstieg zwischen normalen Werten und den Werten am ersten Tag (Tab. 7) müsste jedoch bei einem „Leakage-Modell“ (mit Verlust der Selektivität) prinzipiell für das größere Molekül (IgM) mit dem steileren Blut/Liquor-Gradienten größer sein als für ein kleineres Molekül (Albumin). Dies ist offensichtlich aber nicht der Fall. Dies erklärt auch die in Tab. 5 gezeigten Verhältnisse, die bei den verschiedenen Erkrankungen nicht die gleichen Selektionsverhältnisse zeigen. Je nach Zeitpunkt der Punktion im krankheitstypischen Verlauf hat Albumin das Gleichgewicht mehr oder weniger schon erreicht, aber die größeren Moleküle folgen langsamer.
6.
Auch bei Krankheiten, die nichts mit einer Schranke zu tun haben, sondern nur mit einem mechanischen Block des Liquorflusses einhergehen (Bandscheibenvorfall, Lumbalstenose, spinaler Tumor), wird eine erhöhte Proteinkonzentration (nicht wirklich eine „Schrankenstörung“) unterhalb des Blocks beobachtet (Abb. 9).
7.
Die Dynamik der Hirnproteine im Liquor (aus Glia, Neuronen und leptomeningealen Zellen) (Abb. 8) hängen nicht von einer Blut-Hirn-Schrankenpassage ab, sind aber bei einer Blut-Liquor-Schrankenstörung quantitativ über die Veränderung des Liquorflusses erklärbar (Abschn. 8). Das wäre bei einem Leakage-Modell nicht möglich.
Tab. 6
Variationskoeffizienten (VK). Mit wachsender Albuminkonzentration (Mittelwert [MW] von QAlb) im Liquor bleiben die VK der Immunglobuline konstant, was bei abnehmender Liquorflussgeschwindigkeit auf eine unveränderte Passage für die Diffusion vom Blut in den Liquor spricht. Die mittleren VK sind molekülgrößenabhängig. R ist der mittlere Molekülradius
N
QAlb
QIgG
QIgA
QIgM
MW
Bereich
VK
VK
VK
×103
×103
(%)
(%)
(%)
63
6,7
5–9
19,3
23,2
45,2
57
17,1
15–20
13,2
21,4
47,7
39
32,7
30–35
16,1
22,0
57,2
23
42,9
40–45
18,3
26,3
52,5
30
64,8
60–70
15,9
26,8
59,3
VK mittel (%)
16,6
23,9
52,4
R (nm)
5,34
5,68
12,1
Tab. 7
Kinetik der Liquor-Serum-Konzentrationsquotienten bei einer bakteriellen Meningitis
QAlb (×103)
QIgG (×103)
QIgA (×103)
QIgM (×103)
Zellzahl/μl
Normala
5
2,3
1,3
0,3
2
1. Tag
146
42
22
5
872
2. Tag
311
203
184
105
154.000
aMittelwerte normaler Kontrollen
×
×
Klinische Neuropathologie
Mit dem Diffusions-Fluss-Modell können viele bislang unerklärte Beobachtungen bei neurologischen Erkrankungen in einem neuen Licht gesehen werden. Diese pathologischen biologischen Prozesse sind auch der Beleg dafür, dass eine Reduktion des Liquorflusses (Liquor-Turnovers) als alleinige pathophysiologische Ursache der Blut-Liquor-Schrankenstörung hinreichend ist.
Es ist ein entscheidender Aspekt dieses Modells, dass es nicht zwischen den verschiedenen Ursachen wie reduzierter Produktionsrate, einem mechanischem Block des Flusses und Abflussbehinderung unterscheiden muss.
Purulente bakterielle Meningitis
Hier werden eine erhöhte Liquorviskosität und meningeale Verklebungen beobachtet. Ebenfalls wurden post mortem Proteinkomplexe und Zellablagerungen in den Arachnoidalzotten nachgewiesen. Alle diese Aspekte stellen eine starke Restriktion für den Liquorfluss dar.
Leukämie des ZNS
Bei der Leukämie des Zentralnervensystems, die eine primär arachnoidea-bezogene Erkrankung mit Veränderung der Trabeculae darstellt, konnte aus histopathologischen Untersuchungen auf einen reduzierten Liquorfluss geschlossen werden.
Spinale Blockaden
Im Falle einer Spinalstenose oder eines spinalen Tumors werden kaudal zur Blockade im lumbalen Liquor hohe Proteinwerte gemessen (Abb. 9). Auch in diesem Fall ist die molekülgrößenabhängige Diskriminierung (Selektivität) für den Proteintransfer zwischen Blut und Liquor nicht gestört (Abb. 9). Dies ist ein besonders eklatantes Beispiel mit einer rein räumlichen Flussbehinderung ohne Änderung an irgendwelchen Schranken. Dabei nehmen im Gegensatz zu den blutabhängigen Proteinen die Konzentrationen der aus dem Hirn stammenden Proteine, wie Präalbumin (Transthyretin), unterhalb der spinalen Blockade ab.
Entsprechende Beispiele sind bei einem Bandscheibenvorfall oder durch blockierende Zystizerken bei einer extraparenchymalen Neurozystizerkose (Kap. „Liquordiagnostik“) zu beobachten.
Guillain-Barré-Polyradikulitis
Die bis zu 20-fach erhöhten Proteinwerte (QAlb) im lumbalen Liquor (Abb. 10) sind aufgrund der Pathophysiologie mit Schwellungen im Bereich um die Spinalwurzeln nur durch eine Abflussbehinderung entlang der spinalen Nervenwurzeln erklärbar. Auch hier wird die für das Flux-Flow-Modell typische symmetrische Verteilung im Referenzbereich gefunden, charakteristisch für diffusionsabhängige Prozesse (Abb. 10). Die Beobachtung, dass aus dem Hirn stammende Proteine wie Präalbumin auch beim Guillain-Barré-Syndrom (GBS) im lumbalen Liquor eine unveränderte Konzentration haben, ist ein Hinweis auf die universelle Richtigkeit des Flux-Flow-Modells. Ein entsprechendes Beispiel stellt die Rückenmarkschistosomiasis (Kap. „Liquordiagnostik“) dar, bei der der Parasit nicht wie die Zystizerken den Flussweg blockiert, sondern den Abfluss entlang der Spinalwurzeln stört.
Multiple Sklerose (MS)
Bei MS-Patienten wird häufig eine vermehrte Diffusion von Gadolinium in das Gehirn beobachtet (MRT). Diese lokale Störung der Blut-Hirn-Schranke im Bereich der Plaques korreliert aber nicht mit der Beobachtung oftmals normaler Albuminquotienten bei diesen Patienten. Die erhöhten Albuminquotienten haben häufig mit einer spinalen Lokalisation der Entzündungsprozesse zu tun (May et al. 1990; Reiber 1994, 2003). Interessanterweise wird Gadolinium sehr schnell nach Infusion auch im lumbalen Subarachnoidalraum gefunden.
Die EAE mit schubförmig remittierendem Verlauf beim Meerschweinchen Stamm 13 (Suckling et al. 1983) ist primär eine Entzündung der Meningen und zeigt eine schwere Schrankenstörung ohne intrathekale IgG-Synthese im zisternalen Liquor.
Die Tight Junctions scheinen nicht gestört zu sein. Auch hier kann bei einem meningeal lokalisierten Prozess als Ursache der Schrankenstörung von einer alleinigen Behinderung des Liquorabflusses ausgegangen werden (Suckling et al. 1986).
Universelle Gültigkeit des Diffusions-Fluss(Flux-Flow)-Schrankenmodells
Hirnproteine und leptomeningeale Proteine
Da Hirnproteine und leptomeningeale Proteine im Liquor, wenn überhaupt, meist nur vernachlässigbare Fraktionen aus dem Blut haben, ist der Bezug zu den Serumwerten nicht sinnvoll. Es wäre ein Fehler, Liquor-Serum-Quotienten zu verwenden.
Normale rostrokaudale Konzentrationsgradienten
Da bei diesen Proteinen die Konzentrationen im Blut meist niedriger als im Liquor sind, ist entlang des rostrokaudalen Flussweges der Nettofluss vom Liquor zum Blut gerichtet. Wie zu erwarten, nehmen also die Konzentrationen der aus den Hirnzellen freigesetzten Moleküle auf dem Flussweg vom Ventrikel zum lumbalen Liquor ab (Tab. 2). Die Konzentrationen der in den Leptomeningen freigesetzten Proteine, wie z. B. das β-Trace-Protein, nehmen mit der Länge des Flussweges zu (Tab. 2).
Blut-Liquor-Schrankenstörung
Bei einer Schrankenstörung (langsamerer Liquorfluss) sind die erwartbaren, in Abb. 8b und c gezeigten Prozesse zu beobachten.
Die aus den Hirnzellen stammenden Proteine sind in ihrer lumbalen Liquorkonzentration konstant, d. h. unabhängig von der Liquorflussgeschwindigkeit, wie es von der Theorie her zu erwarten ist (Reiber 1994, 2003): Wenn der Liquor langsamer fließt, dann werden mehr Hirnproteine im Ventrikelliquor anlangen, es werden aber auch in der längeren Laufzeit mehr Proteine rausdiffundieren. Das gleicht sich offensichtlich aus (Abb. 8b).
Die lumbalen Konzentrationen der leptomeningealen Proteine (z. B. β-Trace-Protein) sind aber flussabhängig (Abb. 8c): Je langsamer der Fluss, desto weniger Proteine werden abtransportiert mit dem Liquorfluss. Da die Proteine auf dem Flussweg ständig einströmen, nimmt die Konzentration zu, trotz des Netto-Molekülstroms vom Liquor zum Blut. Dadurch dass kein positiver Feedback auf die Freisetzung aus den leptomeningealen Zellen existiert, bleibt aber die Konzentrationszunahme der leptomeningealen Proteine mit von der sich verändernden Liquorflussgeschwindigkeit abhängenden Konzentrationszunahme linear (Reiber et al. 2003; Reiber 2001, 2003; Thompson 2005; Zettl et al. 2005).
Das Flux-Flow-Modell für die Blut-Liquor-Schrankenfunktion der aus dem Blut stammenden Proteine erlaubt gleichzeitig auch die Erklärung der Dynamik der aus dem Hirn stammenden Proteine im Liquor zu machen, ohne dass diese etwas mit der Schranke zu tun haben. Auch hier ist also die Änderung des Liquorflusses hinreichend zur quantitativen Erklärung der Dynamik der aus Glia und Neuronen oder aus den Leptomeningen stammenden Proteine. Die Theorie ist also universell gültig.
Auge und Kammerwasserfluss
Das menschliche Auge stellt mit der unmittelbaren Beobachtbarkeit von Gefäßstörungen ein ideales Untersuchungsobjekt dar, um vergleichend die Rolle des Kammerwasserflusses zu untersuchen. Mit seinen zu den Meningen analogen Strukturen und den der Produktion und dem Abfluss des Liquors entsprechenden Prozessen ist die krankheitsbezogene Dynamik des Kammerwassers schon früh untersucht worden (Davson 1956). Die Entzündungen, die im vorderen Bereich des Auges liegen, wo das Kammerwasser fließt, haben auch schwere Schrankenstörungen, die bei Entzündungen im hinteren Teil des Auges fehlen. Das ist eine ideale Bestätigung der Universalität des Diffusions-Fluss-Modells (Quentin und Reiber 2004).
Systematische Beiträge zur Liquorforschung
Durch die unterschiedliche Dynamik der aus dem Blut, dem Hirn oder aus den Leptomeningen stammenden Proteine lässt sich leicht der Ursprung eines neuen Moleküls im Liquor bestimmen. Eine Systematik ist in Tab. 8 dargestellt. Zuerst wird festgestellt, wo die höhere Konzentration ist, im Liquor oder Blut, dann werden die Variationskoeffizienten in Liquor und Blut verglichen (Tab. 3). Ein höherer Variationskoeffizient im Liquor spricht für ein aus dem Blut stammendes Molekül.
Tab. 8
Unterschiedliche Dynamik der aus dem Blut, dem Hirn und aus den Leptomeningen stammenden Proteine im Liquor. CSF-Blut-Konzentrationsverhältnis, Variationskoeffizient (VK), rostrokaudaler Konzentrationsgradient und Schrankenstörung mit zunehmendem QAlb
Ursprung
CSF/Blut
VK (%)
Rostrokaudaler Gradient
Schrankenstörung
Blut
<<1
CSF>Blut
nicht-lineare Zunahme
Nicht lineare Zunahme
Hirn
≥1
CSF<Blut
Abnahme
Invariant
Leptomeningen
>1
CSF<Blut
Anstieg
Linearer Anstieg
Der flussabhängige Konzentrationsverlauf (Abb. 8a-c) gibt weiteren Aufschluss. Die Konzentrationsverhältnisse zwischen Ventrikelliquor und lumbalem Liquor (Abb. 2) sind selten verfügbar. An zwei Beispielen wurde das Konzept erst kürzlich erfolgreich dokumentiert. Neopterin im Liquor stammt aus dem Hirn (Kuehne et al. 2012) und das Mannan-binding lectin (MBL) stammt aus den Leptomeningen (Reiber et al. 2012).
Als besonders erfolgreiches Beispiel mit unerwartetem Ergebnis kann die Dynamik des löslichen Anteils des interzellulären Adhäsionsmoleküls, sICAM, (in Abb. 8d) gezeigt werden. Wenn der Liquorfluss langsamer wird, steigt die Konzentration des löslichen Molekülteils an, da weniger abtransportiert wird. Dieser Anstieg folgt aber einer Michaelis-Menton-Kinetik mit Annäherung an einen konstanten Wert bei hohen Konzentrationen. Daraus kann geschlossen werden, dass der lösliche Anteil, sICAM, im Liquor im chemischen Gleichgewicht mit dem gebundenen Gesamtmolekül stehen muss (Lewczuk et al. 1998).
Facharztfragen
1.
Erklären Sie den Unterschied zwischen Blut-Hirn-Schranke und Blut-Liquor-Schrankenfunktion.
2.
Welche Rolle spielt der Liquorfluss für die Proteinkonzentrationen im Liquor?
3.
Erklären Sie den Unterschied der rostrokaudalen Konzentrationsgradienten zwischen Serumproteinen und Hirnzellproteinen.
4.
Geben Sie Gründe für den Anstieg der Liquorkonzentrationen von Serumproteinen an.
5.
Erklären Sie den Unterschied der Proteinkonzentrationen oberhalb und unterhalb eines lumbalen Blocks wie z. B. Lumbalstenose.
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