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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 15.03.2018

Intensivmedizinische Aspekte der Antibiotikatherapie

Verfasst von: Sebastian Lemmen, Karl Lewalter und Wolfgang Krüger
Während viele Maßnahmen in der Intensivmedizin supportiv sind, ermöglichen Antibiotika eine kausale Therapie. Die Auswahl erfolgt jedoch meist vor dem mikrobiologischen Nachweis, sodass sich die kalkulierte Therapie an den wahrscheinlichsten Erregern orientieren muss. Deutliche regionale Unterschiede bedingen, dass für viele Infektionen zwar ein typisches, aber nicht allgemein gültiges Erregerspektrum angegeben werden kann.

Allgemeine Aspekte der Antibiotikatherapie

Während viele Maßnahmen in der Intensivmedizin supportiv sind, ermöglichen Antibiotika eine kausale Therapie. Die Auswahl erfolgt jedoch meist vor dem mikrobiologischen Nachweis, sodass sich die kalkulierte Therapie an den wahrscheinlichsten Erregern orientieren muss. Deutliche regionale Unterschiede bedingen, dass für viele Infektionen zwar ein typisches, aber nicht allgemein gültiges Erregerspektrum angegeben werden kann.

Kalkulierte Therapie

Die kalkulierte Initialtherapie wird deshalb nur dann erfolgreich sein, wenn die speziellen Erreger- und Resistenzspektren der jeweiligen Institution bekannt sind und für das Initialregime berücksichtigt werden.
Jede Intensivstation sollte daher in etwa 6- bis 12-monatigem Abstand von ihrem mikrobiologischen Labor Angaben über die 5 häufigsten Erreger wichtiger nosokomialer Infektionen einschließlich der Antibiotikaempfindlichkeiten erhalten.
Die kalkulierte Therapie orientiert sich aber nicht nur am Erregerspektrum, sondern auch an pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Aspekten.
Es muss gewährleistet sein, dass die Antibiotika den Infektionsort in ausreichender Konzentration über einen ausreichend langen Zeitraum (v. a. β-Laktame) erreichen ohne toxische Nebenwirkungen zu verursachen.
Diese Überlegungen gelten auch für die gezielte Therapie, wenn der mikrobiologische Nachweis vorliegt, da die Empfindlichkeit in vitro nicht mit Wirksamkeit in vivo gleichzusetzen ist. Beispiele sind die mangelnde Penetration von Antibiotika in Abszesshöhlen, in denen zusätzlich ein niedriger pH-Wert und eine niedrige O2-Konzentration die Wirkung von Aminoglykosiden deutlich reduzieren, auch wenn die Erreger in vitro hohe Empfindlichkeit zeigen.
Die Tab. 1 zeigt gängige Antibiotika, deren Einteilung, antimikrobielles Spektrum und Besonderheiten im Überblick.
Tab. 1
Einteilung, antimikrobielles Spektrum und Besonderheiten von β-Laktamen und anderen Antibiotika
Substanzklasse (Beispiele)
Antimikrobielle Eigenschaften
Besonderheiten
1. β-Laktame
Aminopenicilline (Ampicillin)
Strepto-, Enterokokken, Anaerobier, (Enterobacteriaceae)
Durch Kombination mit BLI verbesserte Wirkung gegen Staphylokokken, Haemophilus influenzae, Enterobacteriaceae und Bacteroides fragilis (z. B. Ampicillin/Sulbactam oder Amoxicillin/Clavulansäure oder Piperacillin/Tazobactam)
Acylaminopenicilline (Piperacillin)
Verbesserte Wirkung gegen gramnegative Stäbchen inklusive P. aeruginosa
Penicillinasefeste Penicilline (Oxacillin, Flucloxacillin)
Fast ausschließlich Staphylokokken
Hepatotoxizität
Cephalosporine
 
Enterokokkenlücke
1. Generation (Cefazolin)
Staphylokokken, einige Enterobacteriaceae
Mittel der Wahl bei MSSA-Infektionen
2. Generation (Cefuroxim, Cefotiam)
Verbesserte Wirkung gegen Enterobacteriaceae
 
3. Generation
3a: Cefotaxim, Ceftriaxon
3b: Ceftazidim
Ausgeprägte Wirkung gegen Enterobacteriaceae, schwächer gegen Grampositive
3b mit guter Aktivität gegen P. aeruginosa; Cave: Staphylokokkenlücke bei Ceftazidim
4. Generation: Cefepim
Wirkprofil wie 3. Generation 3b mit zusätzlicher Wirkung im grampositiven Bereich
 
5. Generation: Ceftobiprol, Ceftarolin
Breites Spektrum gegen grampositive und gramnegative Erreger. Pseudomonaslücke bei Ceftarolin
Wirksamkeit gegen MRSA und Enterokokken
Carbapeneme (Imipenem, Meropenem, Ertapenem)
Extrem breites Spektrum gegengrampositive und gramnegative Bakterien und gegen Anaerobier
Cilastatin verhindert Spaltung von Imipenem durch renale Dehydropeptidase; Ertapenem: fehlende Pseudomonasaktivität
2. Weitere Antibiotika
Aminoglykoside (Gentamicin, Tobramycin)
Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, mit β-Laktamen additive Aktivität auch gegen Grampositive
Talspiegel möglichst <1 mg/l zur Vermeidung oto- und nephrotoxischer Nebenwirkungen; Gabe alle 24–48 h
Fluorchinolone (Cipro-, Levo-, Moxifloxacin)
Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, Legionellen, Staphylokokken
Moxifloxacin wirkt auch gegen einige Anaerobier aber nicht gegen Pseudomonas
Glycopeptide (Vancomycin, Teicoplanin, Telavancin)
Grampositive Bakterien (auch MRSA)
Anaphylaktoide Reaktion bei rascher Gabe von Vancomycin
Indikation für Telavancin: nosokomiale Pneumonie
Lincosamide (Clindamycin)
Orale Anaerobier, Staphylokokken
Cave: pseudomembranöse Kolitis (Clostridium difficile)
Makrolide (Erythromycin, Clarithromycin, Roxitromycin, Azithromycin)
Streptokokken, Legionellen
Erythromycin: Diarrhö, v. a. bei oraler Gabe durch Stimulation von Motilinrezeptoren
QT-Syndrom
Oxazolidinone (Linezolid)
Grampositive Bakterien, auch MRSA, vancomycinresistente Enterokokken
Tendenz zur Überlegenheit gegenüber Vancomycin bei MRSA-Pneumonie
Zyklische Lipopeptide (Daptomycin)
Grampositive Bakterien, MRSA, vancomycinresistente Enterokokken (VRE)
Indikation: schwere Haut- und Weichgewebsinfektionen, Endokarditis sowie begleitende Bakteriämie mit MRSA (keine Zulassung zur Therapie von VRE-Infektionen)
Glycylcycline (Tigecyclin)
Multiresistente grampositive Erreger (z. B. MRSA, VRE), ESBL-bildende gramnegative Stäbchen, atypische Erreger
Indikationen: schwere Haut- und Weichgewebsinfektionen, komplizierte intraabdominelle Infektionen; fehlende Aktivität gegen P. aeruginosa und Proteus spp.
Streptogramine (Quinupristin-Dalfopristin)
Grampositive Bakterien, auch MRSA; gegen E. faecalis nicht wirksam
Wegen Venenreizung Gabe über zentralen Venenkatheter
BLI β-Laktamase-Inhibitoren

Einfluss der Antibiotikatherapie auf die Prognose

In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass eine adäquate und früh initiierte antimikrobielle Therapie die Letalität bei schweren Infektionen wie Sepsis und Pneumonie im Vergleich zu einer inadäquaten und nur um wenige Stunden verzögerte Therapie signifikant senkt [5, 9].

Risiken der Antibiotikatherapie

Selektionsdruck
Systemisch applizierte Antibiotika wirken nicht selektiv am Infektionsort, sondern beeinflussen in unterschiedlichem Ausmaß die patienteneigene Mikroflora. Dies kann die Entstehung, v. a. aber die Ausbreitung resistenter Mikroorganismen fördern. Schwere, teils letal verlaufende Diarrhöen und pseudomembranöse Kolitiden durch Clostridium difficile sind v. a. mit Breitspektrumpenicillinen, Cephalosporinen und Clindamycin assoziiert, da sich C. difficile unter der Therapie selektiv im Darm vermehren kann.
Darm, Oropharynx und Haut der Patienten sind wichtige Reservoirs für Erreger, die zunächst kolonisieren, im weiteren Verlauf jedoch Infektionen hervorrufen können.
Nicht nur biliär eliminierte Antibiotika können die Darmflora entscheidend verändern. So erreichen Ciprofloxacin und andere Fluorchinolone durch transepitheliale Sekretion hohe Spiegel im Darmlumen. Dadurch werden regelmäßig bei i.v.-Gabe Escherichia coli und andere Enterobacteriaceae aus dem Darm eliminiert [6, 7]. Dieser Effekt ist teilweise therapeutisch nutzbar, doch können die Veränderungen der Mikroflora die Kolonisierung mit Candida spp. fördern. Auch Antibiotika, die lediglich subinhibitorisch wirksame Spiegel im Darm erreichen, werden als problematisch hinsichtlich der Resistenzentwicklung eingestuft. So kann die Cephalosporinresistenz bei Enterobacter spp. induziert werden. Dabei korreliert die Häufigkeit resistenter Stämme eindeutig mit dem Cephalosporinverbrauch [14].
Es ist bekannt, dass eine Therapie mit antimikrobiellen Substanzen einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Selektion/Induktion multiresistenter Erreger ist [z. B. für MRSA, VRE oder multiresistente gramnegative Stäbchen (MRGN)]. Infektionen mit diesen Erregern sind schwerer zu therapieren und erhöhen die Letalität sowie die Kosten.
Die Vorbehandlung mit Antibiotika gilt als Risikofaktor für Infektionen durch problematische und schwer therapierbare Erreger wie P. aeruginosa, Acinetobacter spp., MRSA, VRE, MRGN und Sprosspilze.
Toxizität
Nephro- und Ototoxizität sind schwere Nebenwirkungen von Aminoglykosiden. Da die Toxizität mit den Serumspiegeln korreliert, kann die Messung der Aminoglykosidspiegel das Risiko entscheidend vermindern (unten).
Krampfanfälle können v. a. bei zentralnervösen Vorschäden und durch zu hohe Dosierung von Imipenem bei Niereninsuffizienz auftreten. Diarrhöen und andere gastrointestinale Symptome zählen zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen von Antibiotika, sind aber nicht zwangsläufig auf bakterielle Fehlbesiedelung zurückzuführen. So wirkt Erythromycin bereits in geringen Dosen (50 mg i.v.) auf intestinale Motilinrezeptoren, was therapeutisch zur Stimulation der Darmperistaltik genutzt wird. Dies ist wegen des Risikos der Resistenzinduktion gerade bei Verwendung subinhibitorischer Dosen nicht zu empfehlen, zumal die Makrolidresistenz meist auch Resistenz gegen Clindamycin bedingt.
Allergische Reaktionen
Exantheme und andere allergische Reaktionen sind v. a. für Penicilline beschrieben. Da sie auch als Spätreaktion im Therapieverlauf auftreten können, ist die eindeutige Zuordnung zu einem Medikament bei Intensivpatienten oft schwierig.
In ca. 5 % der Fälle bestehen Kreuzallergien mit Cephalosporinen; sie sollten deshalb bei schweren anaphylaktischen Reaktionen auf Penicilline möglichst nicht verwendet werden.
Andererseits wäre es falsch, aufgrund vager Vermutung einer Penicillinallergie oder aufgrund leichter Unverträglichkeit Patienten eine ganze Substanzklasse wichtiger Antibiotika vorzuenthalten. Speziell unter längerer Therapie mit Ampicillin oder Amoxicillin können in bis zu 20 % der Fälle teils dosisabhängig makulöse Exantheme auftreten, die nur teilweise allergisch bedingt sind. Im Zweifelsfall kann eine Allergietestung durchgeführt werden.
Das Red-neck-Syndrom ist eine pseudoallergische Reaktion, die meist auf zu rasche Gabe von Vancomycin zurückzuführen ist und damit nicht zwangsläufig bei weiteren Gaben auftritt.
Antibiotika zählen zu den häufigsten Auslösern von medikamentenassoziiertem Fieber („drug fever“), das ebenfalls zu den pseudoallergischen Reaktionen gerechnet wird. Es soll bei ca. 10 % der hospitalisierten Patienten vorkommen, bei Intensivpatienten sogar noch häufiger. Die Differenzialdiagnose eines medikamenteninduzierten Fiebers zu infektiös bedingtem Fieber ist oft schwierig.
Exzessiv hohe Temperaturen sowie Dissoziation von Temperatur- und Pulsanstieg sprechen jedoch für „drug fever“, sofern die Herzfrequenz nicht durch β-Blocker verlangsamt ist (Tab. 2; [4]).
Tab. 2
Differenzialdiagnose des Fiebers bei Intensivpatienten
 
<39 °C
39–41 °C
>41 °C
Nichtinfektiös
Postoperativ, Myokardinfarkt, Lungenembolie, Pankreatitis, gastrointestinale Blutung
„Drug fever“, Transfusionsreaktion
„Drug fever“, maligne Hyperthermie, hypothalamische Dysregulation, Hitzschlag
Infektiös
Harnwegsinfektion, Wundinfektion, C.-difficile-Diarrhö
Pneumonie, Peritonitis, andere schwere Infektionen
Sehr selten infektiös
Aus den genannten Risiken ergibt sich, dass für den Einsatz von Antibiotika in jedem Fall klare Indikationen bestehen müssen und dass das Spektrum möglichst schmal und die Therapiedauer so kurz wie möglich sein muss.

Strategien der Antibiotikatherapie

Eskalation oder Deeskalation
Bei Verdacht auf potenziell lebensbedrohliche Infektionen muss die Behandlung unmittelbar nach Abnahme der Kulturen begonnen werden. Die kalkulierte Initialtherapie muss die 5 häufigsten Erreger sicher erfassen.
Wenn sich der initiale Infektionsverdacht nicht bestätigt, sollte die nicht indizierte Antibiotikatherapie – ungeachtet von der bisherigen Dauer – sofort beendet werden, um die Risiken dieser Therapie zu limitieren. Ein initial gewähltes Antibiotikum mit breitem Erregerspektrum sollte bei plausiblem Erregernachweis zurückgestuft werden, wenn der klinische Verlauf dies zulässt (Deeskalationsstrategie, z. B. bei Pneumonie oder schwerer Sepsis bzw. septischem Schock). Bei weniger gravierenden Infektionen kann u. U. das Kulturergebnis abgewartet werden, v. a. sollte sich die Initialtherapie nur auf die wahrscheinlichsten Erreger beschränken und bei Versagen erweitert oder geändert werden (Eskalationsstrategie, z. B. bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen).
Monotherapie oder Kombination
Für die Kombinationstherapie gibt es 3 Indikationen:
  • Erweiterung des antimikrobiellen Spektrums,
  • verbesserte Wirkung durch Synergismus bzw. Addition,
  • Verhinderung bzw. Verzögerung der Resistenzentwicklung im Laufe der Behandlung.
In einer randomisierten multizentrischen Studie mit 600 eingeschlossenen Patienten wurde der Effekt einer empirischen antibiotischen Therapie mit einer Kombination aus Moxifloxacin und Meropenem versus einer Monotherapie mit Meropenem auf die Organdysfunktion bei Sepsis untersucht. Es zeigte sich jedoch kein Unterschied in der Rate des Organversagens bzw. der Letalität nach 28 und 90 Tagen [3].
Sinnvolle und sinnlose Antibiotikakombinationen
  • Sinnvolle Kombinationen
    • Cephalosporine + Metronidazol: Erweiterung um Anaerobier
    • Penicilline/Cephalosporine/Carbapeneme + Makrolide oder Chinolone: Erweiterung um atypischer Erreger
    • Vancomycin + Rifampicin oder Fosfomycin: In-vitro-Synergismus bzw. -Addition (MRSA)
    • Isoniazid + Rifampicin + Ethambutol: Verzögerung der Resistenzentwicklung (Tuberkulose)
  • Sinnlose Kombination
    • Penicilline mit β-Laktamase-Inhibitor (z. B. Piperacillin/Tazobactam) + Metronidazol: Anaerobieraktivität ist bereits gegeben
    • Carbapeneme + Metronidazol
Synergismus
Synergismus bedeutet, dass sich die Einzelsubstanzen in ihrer Wirkung potenzieren. Dies setzt einen unterschiedlichen Wirkmechanismus der Antibiotika voraus (Tab. 3).
Tab. 3
Wirkmechanismen von Antibiotika
Substanzklasse (Beispiele)
Ansatzpunkt (Wirkmechanismus)
Wirkung
Aminoglykoside (Gentamicin, Tobramycin)
Proteinsynthese (Bindung an Ribosomen)
Bakterizid
β-Laktame (Penicilline, Carbapeneme, Cephalosporine)
Zellwandsynthese (Peptidoglycanpolymerisation)
Bakterizid (während Proliferationsphase)
Fluorchinolone (Cipro-, Levo, Moxifloxacin)
DNA-Replikation (inhibiert DNA-Gyrase)
Bakterizid
Glycopeptide (Vancomycin, Teicoplanin, Telavancin)
Zellwandsynthese (Peptidoglycansynthese)
Bakterizid (Enterokokken: bakteriostatisch)
Lincosamide (Clindamycin)
Proteinsynthese (blockiert Elongation)
Bakteriostatisch (hohe Konzentration bakterizid)
Makrolide (Erythro-, Clarithro-, Roxitro-, Azithromycin)
Proteinsynthese (blockiert Elongation)
Bakteriostatisch
Oxazolidinone (Linezolid)
Proteinsynthese (verhindert Bildung des Initiationskomplexes)
Bakteriostatisch (Pneumokokken: bakterizid)
Tetrazykline (Doxycyclin)
Proteinsynthese (hemmt Amino-Acyl-t-RNA-Bindung an Ribosomen)
Bakteriostatisch
Glycylcyclin (Tigecyclin)
Proteinsynthese (Bindung an 3 OS-Untereinheit der Ribosomen; 5-fach stärkere Affinität als Tetrazyklin)
Bakteriostatisch
Zyklische Lipopeptide (Daptomycin)
Ca++-abhängige Bildung von Membranporen
Bakterizid
Die Kombination von Antibiotika derselben Substanzklasse sollte nur seltenen Fällen vorbehalten sein, in denen gezielt das Spektrum erweitert werden soll (z. B. Cephazolin + Ceftazidim).
In einer Metaanalyse von 64 Einzelstudien wurden die Ergebnisse von Patienten mit einer β-Laktam-Monotherapie denjenigen von Patienten mit einer Kombination von β-Laktam-Antibiotika und Aminoglykosiden gegenübergestellt [11]. Es konnte gezeigt werden, dass die Monotherapie bezüglich Letalität sowie mikrobiologischer Eradikation der Kombination gleichwertig war; die Nebenwirkungsrate (Oto- und Nephrotoxizität) war jedoch bei Patienten mit der Kombination signifikant höher. Allerdings wurden in früheren Studien die Aminoglykoside – im Gegensatz zur heute üblichen täglichen Einmalgabe – mehrmals täglich gegeben. Für die klinische Praxis empfehlen wir daher, die Indikation für die empirische Therapie zu beschränken, bis die Antibiotikaempfindlichkeit der Erreger bekannt ist – oder im Einzelfall bei schweren lebensbedrohlichen Infektionen mit Multiorganversagen. Wegen oto- und nephrotoxischer Wirkungen sollten Aminoglykoside nach Möglichkeit nicht länger als 3 Tage gegeben werden.
Früher wurde empfohlen, bakterizid und bakteriostatisch wirksame Antibiotika nicht zu kombinieren. Die Grundlage hierfür sind jedoch überwiegend theoretischen Überlegungen, sodass aktuelle Therapieleitlinien diese Kombinationen empfehlen (z. B. bei ambulant erworbener Pneumonie: β-Laktame + Makrolide; Kap. Intensivmedizinisch relevante Infektionskrankheiten).
Bolusgabe oder Dauerapplikation
Schon in den 1950er-Jahren zeigte sich, dass die Gesamtdosis von Penicillin zur Heilung experimenteller Streptokokkeninfektionen niedriger war, wenn es niedrig dosiert in kurzen Zeitintervallen appliziert wurde. Allerdings konnten Staphylokokken und Streptokokken nicht unmittelbar nach Entfernung des Antibiotikums nachwachsen (postantibiotischer Effekt), weshalb die praktikablere Form der intermittierenden Gabe zum klinischen Standard wurde. Heute tragen Erreger mit reduzierter Empfindlichkeit, multimorbide Patienten und die Kostensteigerung im Gesundheitswesen dazu bei, dass pharmakodynamische Aspekte von Antibiotika erneut von Interesse sind.
Tierexperimenten und In-vitro-Studien zufolge nimmt die Wirksamkeit von β-Laktam-Antibiotika nicht weiter zu, wenn die Serumspiegel die minimale Hemmkonzentration (MHK) der Erreger ca. 4-fach überschreiten. So korreliert die antimikrobielle Aktivität von β-Laktam-Antibiotika am Besten mit der Zeitdauer der Wirkspiegel oberhalb der MHK. Die kontinuierliche Gabe von β-Laktam-Antibiotika erscheint daher aus pharmakologischer Sicht durchaus sinnvoll. Systematische Reviews und Metaanalysen zur kontinuierlichen Gabe von Antibiotika konnten aber meist keinen klaren Vorteil dieser Applikationstechnik zeigen [13]. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint die generelle Empfehlung zur kontinuierlichen Antibiotikagabe bei kritisch kranken Patienten nicht gerechtfertigt zu sein. So zeigte eine randomisierte, kontrollierte und verblindete Studie mit 432 Patienten welche bei Patienten auf Intensivstationen die kontinuierliche gegen die intermittierende Gabe von β-Laktam-Antibiotika verglich keine signifikanten Unterschiede im Outcome der Patienten. Kritisch anzumerken ist allerdings das lediglich bei 19 % der eingeschlossenen Patienten eine mikrobiologische Diagnostik mit Keimnachweis vorlag, so dass möglicherweise auch Patienten ohne Infektion antibiotisch behandelt wurden. Ebenso war die Rate an resistenten Erregern nur gering. Der Anteil an Patienten mit einer Niereninsuffizienz war mit 23 % bzw. 24 % in beiden Studienarmen relativ hoch, auch hier können Effekte auf die Applikationsform der Antibiotika nicht ausgeschlossen werden. Die Autoren empfehlen daher weitere Studien um mögliche Subgruppen von Intensivpatienten zu identifizieren, welche von einer bestimmten Darreichungsform besonders profitieren.
In folgenden klinischen Situationen könnte daher eine kontinuierliche Gabe von β-Laktam-Antibiotika nach Gabe eines initialen Bolus (loading dose) von Vorteil sein:
  • Initialtherapie bei septischem Schock,
  • persistierende Bakteriämie/Sepsis,
  • Verbrennung oder Pankreatitis,
  • Infektionen durch Erreger mit mäßiger Antibiotikaempfindlichkeit (MHK-Wert im Bereich des „breakpoint“ für das betreffende Antibiotikum; [8]).
  • Klinische Erfahrungen liegen v. a. für Ceftazidim und Piperacillin/Tazobactam vor, die sich durch ihre Stabilität bei Raumtemperatur zur Dauerapplikation eignen [10]. Für Carbapeneme wird aufgrund mäßiger Stabilität und postantibiotischer Wirkung eher eine prolongierte Infusion über 3–4 h empfohlen [12]. Doripenem ist für diese Applikationsform offiziell zugelassen, wurde jedoch 2014 in Deutschland vom Markt genommen. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint daher die Ausschöpfung der maximalen Dosierung der Antibiotika sinnvoller, z. B. Piperacillin/Tazobactam 18 g/Tag oder Meropenem 6 g/Tag.
  • In der Sepsis verändert sich die Pharmakokinetik von hydrophilen Antibiotika (z. B. β-Laktam-Antibiotika) rasch. Zunächst steigt das Verteilungsvolumen durch Capillary-leak-Syndrom und die hohe Volumensubstitution. Die Elimination ist häufig ebenfalls erhöht, da in der Frühphase der Sepsis die Nierenfunktion eher gesteigert ist. Im Verlauf kommt es dann allerdings häufig zu einer Abnahme des Volumenbedarfs und einer Verschlechterung der Nierenfunktion. Es besteht die Gefahr Antibiotika in der Sepsis unter- bzw. überzudosieren, vermutlich aber nur selten richtig zu dosieren. Hier könnte in Zukunft das therapeutische Drug Monitoring (TDM) Abhilfe schaffen, sofern eine schnelle und tägliche Analyse der Serumkonzentrationen gewährleistet werden kann [2].
Im Gegensatz dazu korreliert die Höhe der Spitzenspiegel von Aminoglykosiden mit dem klinischen Erfolg. Aminoglykoside haben zudem einen ausgeprägten postantibiotischen Effekt, sodass die Talspiegel ohne Beeinträchtigung der Wirksamkeit unterhalb der MHK liegen können.
Die Nephrotoxizität der Aminoglykoside beruht auf einer Aufnahme in Epithelzellen des proximalen Tubulussystems, die bei Serumkonzentrationen von ca. 10–15 mg/l einer Sättigungskinetik unterliegt. Während höhere Spiegel keine zusätzliche Akkumulation in Nierentubuluszellen verursachen, müssen die Talspiegel von Gentamicin oder Tobramycin unbedingt unterhalb von 1–2 mg/l liegen, um nephrotoxische Wirkungen zu vermeiden [1]. Aufgrund der Vorteile hinsichtlich Pharmakodynamik und Verträglichkeit wird heute für viele Indikationen die Tagesdosis auf einmal appliziert. Die Infusionszeit sollte nicht weniger als 30 min betragen, u. a. wegen der seltenen Nebenwirkung einer neuromuskulären Blockade.
Dosierung
Gentamicin und Tobramycin: 3–5 mg/kgKG über >30 min i.v.
Bei einer Kreatininclearance <40 ml/min ist eine erhöhte Toxizität zu befürchten.
Literatur
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