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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 28.04.2021

Gastrointestinalsystem

Verfasst von: Wulf Pankow
Im Schlaf sind wichtige physiologische Mechanismen des Verdauungstrakts anders reguliert als im Wachzustand. Dabei überlagern Mechanismen des zirkadianen Rhythmus den Schlaf-Wach-Rhythmus. Bestimmte physiologische Besonderheiten im Schlaf können bei entsprechender Prädisposition Krankheitsprozesse hervorrufen oder unterstützen. Im Schlaf erreicht die Magensäureproduktion ein Maximum. Gleichzeitig sind wichtige Clearance-Mechanismen von Säure, die in den Ösophagus zurückfließt so verändert, dass die Kontaktzeit zur Ösophagusschleimhaut deutlich verlängert ist. Im Schlaf ist der Tonus des oberen Ösophagussphinkters herabgesetzt. Dadurch kann ein laryngopharyngealer Reflux auftreten, der Magensäure in den Rachenraum und in das Bronchialsystem der Lunge spült und so Schäden hervorruft. Besonderheiten der Säureproduktion und der Magenmotorik im Schlaf sind wichtig für die Pathogenese und die Therapie der Ulkuskrankheit.

Synonyme

Magen-Darm-Trakt; Verdauungstrakt

Englischer Begriff

gastrointestinal system

Definition

Im Schlaf sind wichtige physiologische Mechanismen des Verdauungstrakts anders reguliert als im Wachzustand. Dabei überlagern Mechanismen des zirkadianen Rhythmus den Schlaf-Wach-Rhythmus (siehe auch „Chronobiologie“; „Schlafregulation“). Soweit Besonderheiten der Physiologie bekannt sind, ist der spezifische Einfluss des Schlafs und der unterschiedlichen Schlafphasen in Abgrenzung zu den zirkadianen Einflüssen noch wenig erforscht. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Messmethodik gastrointestinaler Funktionen in aller Regel die intraluminale Applikation von Sonden erfordert und dadurch die Schlafqualität negativ beeinflusst wird.
Bestimmte physiologische und immunologische Besonderheiten im Schlaf können bei entsprechender Prädisposition Krankheitsprozesse hervorrufen oder unterstützen. Im Schlaf erreicht die Magensäureproduktion ein Maximum. Gleichzeitig sind wichtige Clearance-Mechanismen von Säure, die in den Ösophagus zurückfließt so verändert, dass die Kontaktzeit zur Ösophagusschleimhaut deutlich verlängert ist. Wichtige schlafbezogene Determinanten sind dabei die verminderte Schluckfrequenz, die Abnahme der säureneutralisierenden Speichelproduktion und die reduzierte Perzeption des Säurekontakts an der Schleimhaut. Diese Faktoren sind bedeutsam für die Pathogenese der gastroösophagealen Refluxkrankheit („Gastroösophagealer Reflux“).
Im Schlaf ist der Tonus des oberen Ösophagussphinkters herabgesetzt. Dadurch kann ein laryngopharyngealer Reflux auftreten, der Magensäure in den Rachenraum und in das Bronchialsystem der Lunge spült und so Schäden hervorruft (siehe auch „Asthma bronchiale“; „Plötzlicher Säuglingstod“). Besonderheiten der Säureproduktion und der Magenmotorik im Schlaf sind wichtig für die Pathogenese und die Therapie der Ulkuskrankheit.

Grundlagen

Physiologische Besonderheiten des Gastrointestinaltrakts im Schlaf

Die Verbindung zwischen dem Gastrointestinaltrakt und und dem Nervensystem wird als gut-brain-axis bezeichnet. Sie reguliert physiologische Prozesse mit Hilfe neuronaler, enteroendokriner und immunologischer Mechanismen. Ein bidirektionales Netzwerk umfasst das Zentralnervensystem (ZNS), das autonome Nervensystem und das enteritische Nervensystem (ENS). Sympathikus und Parasympathikus steuern afferente Signale vom Intestinum zum ZNS und efferente Signale vom Intestinum zum ZNS. Dabei sind feed-back-Mechanismen wirksam, die den zirkadianen Rhythmus und die Schlafregulation beeinflussen. Schlafstörungen stehen mit diesen physiologischen Prozessen in Verbindung (Khanijow et al. 2015).
Physiologische Untersuchungen der Verdauungsorgane im Schlaf sind methodisch schwierig. Daher liegen nur für Einzelaspekte valide Untersuchungsergebnisse vor. Durch das klinische Interesse an der Ulkuskrankheit und der gastroösophagealen Refluxkrankheit sind die sekretorischen und motorischen Funktionen des oberen Gastrointestinaltrakts im Schlaf besser untersucht als die Darmphysiologie.
Schluckakt
Der Schluckakt ist eine fein regulierte Abfolge von Kontraktionen des Ösophagus und einer phasischen Erschlaffung des oberen und unteren Ösophagussphinkters. Als Funktion der Nahrungsaufnahme ist der Schluckakt in der Regel eine willkürliche Funktion und als solche an den Wachzustand gebunden. Der obere Ösophagussphinkter ist mit einem Druck von 40 mmHg dauerhaft kontrahiert, um die Atemwege vor zurückfließender Speise und Magensäure zu schützen. Im Schlaf sinkt der Sphinkterdruck auf 8 mmHg ab.
Die willkürlichen oder primären Kontraktionen des Ösophagus nehmen vom Leicht- zum Tiefschlaf kontinuierlich ab. Erwachsene haben tagsüber eine Schluckfrequenz von durchschnittlich 25 Ereignissen pro Stunde. Nachts sinkt die Frequenz auf fünf Ereignisse ab. Die Mehrzahl der nächtlichen Schluckakte tritt während kurzer motorisch induzierter Arousals im NREM-Schlaf auf. Spontane oder sekundäre Ösophaguskontraktionen verhalten sich gleichsinnig. Sie nehmen gegenüber dem Wachzustand im NREM-Schlaf vom Leicht- zum Tiefschlaf ab. Im REM-Schlaf sind sie wieder stärker ausgeprägt.
Der Tonus des unteren Ösophagussphinkters unterliegt dagegen keinen wesentlichen tageszeitlichen Schwankungen. Mit dem Schlafbeginn wird außerdem die Speichelproduktion eingestellt (siehe auch „Salivation und Schlucken“).
Magensäuresekretion
Die Sekretion von Magensäure unterliegt einem zirkadianen Rhythmus mit einem Minimum in den Morgenstunden und einem Maximum um Mitternacht. Dabei ist nicht bekannt, ob der Schlaf diesen Rhythmus zusätzlich beeinflusst. Wegen der beträchtlichen Nacht-zu-Nacht-Variation wurden bei Probanden Untersuchungen im Schlaflabor an fünf aufeinander folgenden Nächten durchgeführt. Dabei fand sich kein Zusammenhang zwischen verschiedenen Schlafstadien und der Säuresekretion.
Magenmotorik
Die Magenmotorik dient der Entleerung des Mageninhalts in den Dünndarm. Verschiedene Magenabschnitte haben dabei unterschiedliche Funktionen. Der Fundus kontrolliert den Transport flüssiger Nahrungsbestandteile in das Duodenum. Das Antrum ist für die Entleerung fester Bestandteile zuständig. Untersuchungen mit radioaktiv markierten Substanzen haben gezeigt, dass die Magenentleerung einem zirkadianen Rhythmus folgt, mit einer deutlichen Verzögerung in den Abendstunden. Die Sekretion von Säure und Wasser und die Magenentleerungsfrequenz ist im Schlaf deutlich geringer als im Wachzustand. Dabei bestehen keine Unterschiede zwischen NREM- und REM-Schlaf.
Die Magenmotorik kann mittels Aufzeichnung der elektrischen Aktivität an der Körperoberfläche kontinuierlich gemessen werden, der sogenannten Elektrogastrographie. Im NREM-Schlaf nehmen die langsamen Kontraktionswellen ab, die in einer Frequenz von zwei bis vier Zyklen pro Stunde auftreten. Im REM-Schlaf nehmen sie wieder zu und sind mit den Verhältnissen im Wachzustand vergleichbar.
Auch die Kapselendoskopie mit begleitender Polysomnographie wurde zur Untersuchung der Magen- und Darmmotorik im Schlaf verwendet. Dabei bestätigte sich eine Abnahme der Magenmotorik mit zunehmender Schlaftiefe. Der Sondenvorschub im Dünndarm wurde dagegen nicht durch die Schlaftiefe beeinflusst. Die basale Kolonaktivität war im Leicht- und Tiefschlaf supprimiert (Haase et al. 2015).
Darmmotilität
Die Absorption von Flüssigkeit aus dem Darmlumen ist von der Transportzeit und damit von der motorischen Darmaktivität abhängig. Beschleunigter Transport bedingt Durchfall mit Flüssigkeitsverlust, verlangsamter Transport Obstipation. Die Darmmotorik ist an phasische elektrische Aktivierungen gebunden, die als Migrating Motor Complex (MMC) bezeichnet werden. Der MMC unterliegt der vom ZNS unabhängigen autonomen Steuerung durch das ENS. Die Kontraktionswellen beginnen im Magen und pflanzen sich über den Dünndarm zum Dickdarm hin fort. Zwischen den Mahlzeiten hat ein MMC-Zyklus die Dauer von zirka 90 min. Im Schlaf ändert sich die periodische Aktivität des MMC. Die Anzahl der Kontraktionen und die Zykluslänge nehmen ab. Die Darmaktivität weist zwischen NREM- und REM-Schlaf keine Unterschiede auf. Auch die elektrische Aktivität und die Kontraktionen der Dickdarmmuskulatur sind im Schlaf herabgesetzt. Weckreaktionen bewirken die Aktivierung der Darmperistaltik. Den physiologischen Schwankungen entsprechen das fehlende Bedürfnis, nachts Stuhl abzusetzen und das Defäkationsbedürfnis in den Morgenstunden.
Die Defäkation ist an komplexe motorische Aktivierungen und Deaktivierungen verschiedener analer Muskelgruppen gebunden, die als interner und externer Sphinkter bezeichnet werden. Der hohe Druck im internen Sphinkter ist für die Kontinenzerhaltung wichtig. Spontane Defäkation wird so verhindert. Die Funktion des externen Sphinkters unterliegt dagegen willkürlichen Einflüssen. Obwohl der Druck im Analkanal im Schlaf abnimmt, bleibt er höher als im Rektum. Spontaner Stuhlverlust wird auch dadurch verhindert, dass im Schlaf vermehrt spontane Kontraktionen im Rektum auftreten, die retrograd gerichtet sind. Siehe auch „Gastrointestinale Motilität“.

Pathophysiologie des Gastrointestinaltrakts im Schlaf

Immunsystem und Schlaf
Zytokine als Mediatoren des Immunsystems modulieren den Schlaf-Wach-Rhythmus. Sie sind aber auch an den meisten Entzündungsprozessen im Gastrointestinaltrakt beteiligt. Zytokine steuern Entzündungsmechanismen bei der Gastrointestinalen Refluxkrankheit, bei Helicobakter pylory-induzierten Ulcera, bei Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und beim Kolorektalen Karzinom. Schlafdeprivation führt zu einer Aktivierung bestimmter Zytokine, wie Versuche an Probanden gezeigt haben. Im Tierversuch werden Entzündungen im Darm durch Schlafentzug induziert. Es ist daher wahrscheinlich, dass Schlafstörungen an der Pathogenese entzündlicher Magen-Darm-Erkrankungen und möglicherweise auch beim Kolorektalen Karzinom beteiligt sind (Khanijow et al. 2015).
Gastroösophagealer Reflux im Schlaf
Das nächtliche Zurückfließen von Magensäure in den Ösophagus kann Schlafstörungen, Schleimhautschäden und respiratorische Symptome wie Husten oder Asthmaanfälle verursachen („Langzeitregistrierung von Lungengeräuschen“). Die kontinuierliche Messung des pH-Werts mit Sonden wird als pH-Metrie bezeichnet. Als gastroösophagealer Reflux wird ein Abfall des pH-Werts auf unter vier für eine Zeitspanne von mehr als 30 s bezeichnet. Refluxepisoden tagsüber treten gewöhnlich nach der Nahrungsaufnahme auf. Es handelt sich dabei um physiologische Ereignisse. Die Säure wird durch die primäre Ösophagusperistaltik im Rahmen eines willkürlichen Schluckakts schnell in den Magen entleert. Durch den verschluckten Speichel werden Säurereste im Ösophagus zusätzlich neutralisiert. Im Schlaf sind Refluxereignisse zwar sehr viel seltener, die Säure-Clearance ist aber deutlich verlangsamt. Bereits der Wechsel der Körperposition in die Horizontale bewirkt eine verlängerte Kontaktzeit der Säure, bedingt durch den Einfluss der Gravitation. Die verminderte Speichelproduktion, die geringe Schluckfrequenz und die verminderte Perzeption des Säurekontakts im Schlaf sind weitere Faktoren, welche die Säure-Clearance verlangsamen.
Refluxereignisse im Schlaf sind meistens an die vorübergehende Tonusabnahme des unteren Ösophagussphinkters gekoppelt. Dadurch entsteht funktionell ein kontinuierliches Lumen zwischen Magen und Speiseröhre. Der Reflux löst in der Regel ein Arousal aus, das die Clearance-Mechanismen initiiert. Umgekehrt können auch Arousals den Reflux von Magensäure verursachen, wenn sie mit einer Aktivierung der Bauchmuskulatur einhergehen und der abdominale Druck größer als der Sphinkterdruck ist, wozu Adipositas permagna prädisponiert. Bei experimentellen Untersuchungen wurde Säure in den unteren Ösophagus appliziert. Im Schlaf war die Clearance-Zeit dann fast doppelt so lang wie im Wachzustand. Weitere Experimente haben gezeigt, dass die Clearance durch das Refluxvolumen und den Säuregrad beeinflusst wird. Ein niedriger pH-Wert und ein größeres Volumen beschleunigen den Abtransport der Säure.
Gastrointestinale Refluxkrankheit
Schlafstörungen und die Gastrointestinale Refluxkrankheit sind eng miteinander verknüpft. Die Krankheit ist charakterisiert durch Symptome oder Gewebsschäden, die durch gesteigerten Reflux bedingt sind. Mehr als 10 % der Bevölkerung leiden unter dieser Erkrankung. Die Schleimhautveränderungen reichen von der einfachen Ösophagitis bis zur Ösophagusstriktur. Sie entstehen als Folge einer durch die Magensäure induzierten chronischen Entzündung. Als Spätfolge kann die normale Ösophagusschleimhaut durch Magenschleimhaut ersetzt werden (Barrett-Ösophagus). Dabei ist das Risiko für Speiseröhrenkrebs gesteigert. Leitsymptom der gastrointestinalen Refluxkrankheit ist das Sodbrennen. Jedoch treten Refluxereignisse häufig auch ohne Beschwerden auf. Gesteigerter nächtlicher Reflux gilt als wichtiger Mechanismus für Schleimhautschäden im Ösophagus. Die wirksame Unterdrückung der nächtlichen Säureproduktion ist daher eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der medikamentösen Therapie der Refluxkrankheit. Untersuchungen mit nächtlicher Instillation von Säure in den Ösophagus haben dagegen keine Unterschiede in der Geschwindigkeit der Säure-Clearance zwischen Patienten und Gesunden gefunden. Bei Patienten mit Barrett-Ösophagus ist die Clearance sogar gesteigert. Patienten mit gastrointestinaler Refluxkrankheit haben aber nachts häufigere Refluxereignisse als gesunde Kontrollpersonen. Demnach ist die höhere Frequenz der nächtlichen Refluxereignisse für die entzündlichen Veränderungen im Ösophagus wohl wichtiger als die verzögerte Säure-Clearance im Schlaf. Die gastroösophageale Refluxkrankheit beeinträchtigt die Schlafqualität (Orr et al. 2020). Einer großen amerikanischen Studie zufolge haben 79 % der Patienten mit Sodbrennen nächtliche Beschwerden. Ein- und Durchschlafstörungen traten bei 75 % auf und bei 40 % ist die Leistungsfähigkeit am Tage dadurch negativ beeinflusst (Shaker et al. 2003). Patienten mit Insomnie haben häufiger Symptome einer Gastrointestinalen Refluxkrankeit als Menschen ohne Schlafstörungen. Siehe auch „Gastrointestinalsystem, spezielle Messverfahren im Schlaf“.
Gastroösophagealer Reflux und Obstruktive Schlafapnoe
Die gastroösophageale Refluxkrankheit und die Obstruktive Schlafapnoe sind häufig vergesellschaftet. Gastroösophagealer Reflux tritt bei Patienten mit Schlafapnoe häufiger auf als bei Gesunden. Obstruktive Apnoen können den Säurereflux über mehrere Mechanismen begünstigen. Der negative intrathorakale Druck während der Apnoephasen steigert den transdiaphragmalen Druck und damit auch den Druckgradienten über dem unteren Ösophagussphinkter. Apnoeassoziierte Arousals und Körperbewegungen steigern über die passagere Aktivierung der Bauchmuskulatur ebenfalls den abdominellen Druck. Andererseits wird der Druck des oberen und unteren Ösophagussphinkters während der Apnoen erhöht und dadurch eine Reflx-hemmende Barriere gebildet. Zudem treten Refluxepisoden auch ohne zeitliche Verbindung zu den Apnoen und begleitenden Arousal auf (Penzel et al. 1999). Daher nicht bewiesen.
Patienten mit Schlafapnoe und gastroösophagealer Refluxkrankheit berichten über eine deutliche Linderung ihrer Refluxbeschwerden unter Therapie mit „CPAP“ (Continuous Positive Airway Pressure). Messungen haben gezeigt, dass CPAP den Säurereflux fast vollständig eliminiert. Allerdings tritt dieser Effekt auch bei Patienten mit Refluxkrankheit ohne zusätzliche Schlafapnoe auf. Es handelt sich demnach um eine apnoeunabhängige Folge der therapiebedingten intrathorakalen Drucksteigerung, aus der sich kein Rückschluss auf den Einfluss der Schlafapnoe auf die Refluxpathogenese ziehen lässt.
Als begleitender Faktor ist die mit Schlafapnoe vergesellschaftete Adipositas beim Gastroösophalealen Reflux bedeutsam. Aufgrund der beschriebenen Befunde ist unklar, ob die Schlafapnoe einen eigenen Stellenwert in der Pathogenese der Gastroösophagealen Refluxkrankheit hat. Die Diagnostik und Therapie der Obstruktiven Schlafapnoe mit CPAP ist aber bedeutsam bei Patienten, die unzureichend auf eine säurehemmende Therapie Medikation ansprechen.
Gastroösophagealer Reflux und nächtliches Asthma
Aus mehreren Untersuchungen ist bekannt, dass Patienten mit gastroösophagealer Refluxkrankheit mehr asthmatypische Beschwerden haben als Gesunde (Emilsson et al. 2013). Experimentelle Studien haben zudem gezeigt, dass Asthmatiker mit einer Bronchokonstriktion reagieren, wenn die Schleimhaut im mittleren Ösophagus säureexponiert wird. Dieser Reflex ist vagusvermittelt. Die medikamentöse säurehemmende Therapie hat variable Effekte auf die Beschwerden und auf die Lungenfunktion bei Asthmatikern gezeigt. In einer doppelblinden kontrollierten Untersuchung an mehr als 100 Patienten reduzierte die Therapie mit dem Protonenpumpenhemmer Omeprazol die Beschwerden tagsüber, aber nicht in der Nacht. Es lässt sich daher aktuell nicht abschließend beantworten, ob eine Kausalbeziehung zwischen beiden Erkrankungen besteht. Im Einzelfall kann ein medikamentöser Therapieversuch mit einem Protonenpumpenhemmer Aufschlüsse darüber geben, inwieweit die Refluxkrankheit in die Pathomechanismen des „Asthma bronchiale“ eingreift. Mit der gastroösophagealen pH-Metrie und der „Langzeitregistrierung von Lungengeräuschen“ im Schlaf liegen ausgereifte Messverfahren vor, die in Kombination mit der KRPSH in Zukunft eine bessere Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Reflux und Asthma im Schlaf ermöglichen.
Laryngopharyngealer Reflux und Mikroaspiration im Schlaf
Mechanismen, die die Säure-Clearance aus dem Ösophagus behindern, und der reduzierte Tonus des oberen Ösophagussphinkters im Schlaf steigern die Gefahr für einen Reflux in die oberen Atemwege. Dabei kann Magensäure auch in die Lunge aspiriert werden. Bei pH-Messungen im proximalen Ösophagus wurde gezeigt, dass nachts mehr Säure in den mittleren und oberen Ösophagus zurückfließt als im Wachzustand. Dieser Effekt war eindeutig schlafbezogen und nicht abhängig von der liegenden Körperposition. Es wurde bereits erwähnt, dass die Arousal-Reaktion von dem Volumen und dem pH-Wert der Säure abhängt. Da die schädigende Wirkung des Refluxats bei einem größeren Volumen und einem niedrigeren pH-Wert größer ist, schützt der Arousal-Mechanismus auch den Rachen und die Lunge. Weitere protektive Reflexe werden durch den Säurekontakt im oberen Ösophagussphinkter, im Larynx und in den Bronchien ausgelöst (Fass et al. 2004).
Mehrere Symptome und Erkrankungen werden mit nächtlichem laryngopharyngealen Reflux in Beziehung gebracht. Dazu gehören
  • chronischer Husten,
  • Heiserkeit,
  • posteriore Laryngitis,
  • nächtliches Asthma.
Der Säurereflux bei Patienten mit posteriorer Laryngitis erreicht während der Nacht häufiger die proximal gelegenen Ösophagusregionen als bei Gesunden. Refluxassoziierter Husten kann durch die Säurestimulation von Vagusrezeptoren und durch Mikroaspiration ausgelöst werden. Zum Nachweis von Mikroaspiration wurde abends radioaktiv markiertes Material in den Magen appliziert und morgens in der Lunge szintigraphisch detektiert. In einer Untersuchung an sechs Patienten mit verstärkten Refluxbeschwerden und pulmonalen Symptomen wurden bei drei Patienten Mikroaspirationen nachgewiesen. Wenn bei gesunden Probanden im Schlaf radioaktives Material in den hinteren Rachenraum eingebracht wird, kann am nächsten Morgen bei jedem Zweiten eine Aspiration in der Lunge nachgewiesen werden. Mit dieser Methodik wurde Mikroaspiration auch bei Asthmatikern, die gleichzeitig unter der gastroösophagealen Refluxkrankheit litten, nachgewiesen. Die pathophysiologischen Implikationen von pharyngolaryngealem Reflux und Mikroaspiration sind aber wesentlich weniger erforscht als bei der gastroösophagealen Refluxkrankheit. Dies hängt damit zusammen, dass valide Messverfahren für die Routinediagnostik bisher nicht zur Verfügung standen und pH-Messungen im proximalen Ösophagus unzureichend standardisiert sind. Hilfsweise wird der Effekt der säurehemmenden Therapie als Indikator für den Zusammenhang zwischen laryngopharyngealem Reflux und pulmonalen Erkrankungen herangezogen. Die geringe Anzahl kontrollierter Studien lässt dabei noch keine definitiven Schlussfolgerungen zu.
Ulkuskrankheit und Schlaf
Duodenale Ulzera haben eine komplexe Pathogenese. Dabei spielen die Schleimhautbesiedlung mit Helicobacter pylori und die nächtliche Magensäuresekretion eine dominante Rolle. Bei Patienten mit Ulkuskrankheit ist der zirkadiane Rhythmus der Säuresekretion mit einem Maximum in den frühen Nachtstunden und einem Minimum am Tage erhalten, die Säuremenge insgesamt aber größer. Die Bedeutung der nächtlichen Säuresekretion für die Pathogenese der Ulkuskrankheit ist am Effekt der säurehemmenden Therapie erkennbar. Nur die effektive Unterdrückung der Säureproduktion während der Nacht gewährleistet, dass die Ulzera abheilen. Umgekehrt ist bei Therapieversagen regelmäßig eine unzureichende nächtliche Säurehemmung nachweisbar.
Melatonin ist ein Hormon, das einer zirkadianen Steuerung unterliegt und im Dunkeln ausgeschüttet wird. Das Hormon wird durch neuroendokrine Zellen in der Magen- und Duodenalschleimhaut gebildet. Es unterdrückt die Säurefreisetzung im Magen und unterstützt die Schleimhautregeneration. Bei Patienten mit geringerer Melatoninfreisetzung ist die Abheilung von Stressulcera verzögert. Einnahme von Melatonin scheint die Abheilung durch die antioxidativen Eigenschaften von Melatonin zu begünstigen. Allerdings ist der Therapieeffekt erst in wenigen Studien untersucht worden (Vaughn et al. 2014). Schichtarbeiter haben ein erhöhtes Risiko für die Ulkuskrankheit. Diskutierte Faktoren sind neben Schlafstörungen die unregelmäßige Nahrungsaufnahme und arbeitsbedinger Stress (Emilsson et al. 2013).
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und Schlaf
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) entstehen durch Entzündungen in unterschiedlichen Abschnitten des Magen-Darm-Traktes. Klinisch am bedeutsamsten sind der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa. Der Schlaf wird durch CED negativ beeinflusst (Gîlcă-Blanariu et al. 2020). Symptome wie Durchfälle und abdominelle Schmerzen verzögern den Schlafbeginn, fragmentieren den Schlaf und reduzieren die Gesamtschlafdauer. Auch die medikamentöse Therapie der CED u.a. mit Kortikosteroiden beeinträchtigt die Schlafqualität. Selbst wenn die Erkrankung in klinischer Remission ist, kann der Schlaf gestört sein. Durch die Entzündung werden Zytokine freigesetzt, die ebenfalls den Schlaf beeinflussen können. Einige Zytokine wirken schlaffördernd, andere dagegen verursachen Insomnie. Umgekehrt kann auch Schlafdeprivation das Immunsystem aktivieren. Im Tierversuch führt die Schlafrestriktion zu einer vermehrten Bildung von proinflammatorischen Zytokinen und einer verstärkten Entzündung im Kolon. Die chronische Entzündung wirkt sich umgekehrt ungünstig auf die Schlafqualität aus, so dass ein Teufelskreis entsteht (Khanijow et al. 2015). Gestörter Schlaf ist mit einem erhöhten Risiko für CED assoziiert. Somit können Schlafstörungen und CED sich gegenseitig beeinflussen. Die Forschung über diese Zusammenhänge steht jedoch ganz am Anfang.
Reizdarmsyndrom und Schlaf
Der Schlaf ist gekennzeichnet durch eine vorübergehende funktionelle Dekortikation. Untersuchungen im Schlaf ermöglichen daher die Unterscheidung von Einflüssen des Kortex von solchen des „Autonomen Nervensystems“ auf die Motorik des Magen-Darm-Trakts. Dies ist bedeutsam für das Verständnis funktioneller Beschwerden des Gastrointestinaltrakts. Sie gehen häufig mit psychischen Besonderheiten wie Stressintoleranz und depressiver Störung einher. Zu diesen Beschwerden gehört das Reizdarmsyndrom. Dabei bestehen abdominelle Schmerzen über mindestens drei Monate, die mit Veränderungen der Stuhlfrequenz beziehungsweise der Stuhlzusammensetzung einhergehen. Untersuchungen haben gezeigt, dass dabei die Darmmotorik am Tag gesteigert ist. Im Schlaf bestehen dagegen keine Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollpersonen: Die Motorik ist deutlich geringer als tagsüber. Die Beobachtungen sprechen gegen eine intrinsische Störung der Darmmotorik und unterstützen die Auffassung, dass psychische Faktoren entscheidend sind (Marinelli et al. 2020) (siehe auch „Affektive Störungen“).
Neben der Motorik wurde auch die Schlafstruktur beim Reizdarmsyndrom untersucht. Die Ergebnisse sind uneinheitlich. Bei einer Untersuchung war die Schlafstruktur normal, obwohl die Schlafqualität als reduziert empfunden wurde (Ali und Orr 2014, Elsenbruch et al. 1999). Andere Studien zeigten eine deutliche Schlaffragmentation mit häufigen Arousals und verminderten Tiefschlafanteilen. Umgekehrt ist das Reizdarmsyndrom häufiger bei Individuen, die an Schlafstörungen leiden (siehe auch „Stress und Hyperarousal“). Aufgrund der engen Beziehungen zwischen Schlafstörungen und Reizdarmsyndrom lag es nahe, eine medikamentöse Therapie mit Melatonin zu versuchen. Melatonin lindert die Beschwerden und verbessert die Lebensqualität ohne dass Veränderungen in der Schlafstruktur beobachtet wurden (Khanijov et al. 2015).
Literatur
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