Das Vorliegen einer bekannten
hereditären Thrombophilie erhöht das VTE-Risiko in der Schwangerschaft
. Unter Berücksichtigung der physiologischen Veränderungen des Hämostasesystems kann eine Testung auf hereditäre
Thrombophilie in der Schwangerschaft und im
Wochenbett nicht empfohlen werden. Diese sollte in Ausnahmefällen und nur dann erfolgen, wenn aus dem Testergebnis eine therapeutische Konsequenz für die Schwangere abgeleitet werden kann. Das VTE-Risiko unterscheidet sich je nach zugrunde liegendem Defekt und wird bei Vorliegen von mehreren thrombophilen Defekten zusätzlich erhöht. Zu den evidenzbasierten thrombophilen Defekten gehören die genetisch bedingte Faktor V Leiden (FVL) sowie
Prothrombin G20210A Mutation (PGM) sowie ein hereditärer Mangel an den Gerinnungsinhibitoren Antithrombin,
Protein S und
Protein C (Linnemann und Hart
2019). Schwangere Frauen mit einer in der deutschen Bevölkerung häufig vorkommenden FVL oder PGM in heterozygoter Ausprägung haben ohne weitere Risikofaktoren und ohne vorausgegangene
VTE ein niedriges Risiko für eine ante- oder postpartale VTE (absolutes Risiko ~1 %). Bei Vorliegen einer homozygoten FVL oder PGM oder von kombinierten heterozygoten Mutationen liegt das absolute VTE-Risiko zwischen 4–14 %. Angeborene Mangelzustände der physiologischen Gerinnungsinhibitoren Antithrombin, Protein C und Protein S kommen generell in der Allgemeinbevölkerung und somit auch bei Schwangeren selten vor, so dass deren thrombophiles Risiko schwer abzuschätzen ist. Das VTE-Risiko erhöht sich mit zunehmender Aktivitätsminderung (z. B. Antithrombin <60 %, Protein C <50 %, Protein S <40 %) und wird beim Antithrombin-Mangel zusätzlich vom zugrunde liegenden Subtyp und molekularen Veränderungen bestimmt (Gerhardt et al.
2016). Quantitative Störungen im Antithrombin (Typ I) oder Mutationen im reaktiven Zentrum (Typ IIa) bzw. pleiotrope Defekte (Typ IIc) haben ein deutlich höheres VTE-Risiko als Mutationen im Bereich der Heparin-Bindungsstelle (Typ IIb). Das VTE-Risiko wird bei Vorliegen einer positiven Familienanamnese zusätzlich erhöht, insbesondere wenn erstgradige Verwandte von einer VTE betroffen sind. Bei einem hereditären Gerinnungsinhibitor-Mangel ohne positive Familienanamnese liegt das absolute VTE-Risiko bei ~1 %, bei positiver Familienanamnese erhöht sich das VTE-Risiko auf 2–6 %. Tab.
2 gibt einen Überblick über das VTE-Risiko der hereditären thrombophilen Defekte in der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der Familienanamnese (Middeldorp
2013).
Tab. 2
Hereditäre Thrombophilie und VTE-Risiko in der Schwangerschaft und im Wochenbett
FVL, heterozygot | 8,3 (5,4–12,7) | 3,1 (2,1–4,6) | 1,2 (0,8–1,8) |
FVL, homozygot | 34,4 (9,9–120) | 14,0 (6,3–25,8) | 4,8 (1,4–16,8) |
PGM, heterozygot | 6,8 (2,5–18,8) | 2,6 (0,9–5,6) | 1,0 (0,3–2,6) |
PGM, homozygot | 26,4 (1,2–559) | - | 3,7 (0,2–78,3) |
Antithrombin-Mangel** | 4,7 (1,3–17) | 3,0 (0,08–15,8) | 0,7 (0,2–2,4) |
Protein C-Mangel | 4,8 (2,2–10,6) | 1,7 (0,4–8,9) | 0,7 (0,3–1,5) |
Protein S-Mangel | 3,2 (1,5–6,9) | 6,6 (2,2–14,7) | 0,5 (0,2–1,0) |