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Kalium

Verfasst von: O. Müller-Plathe
Englischer Begriff
potassium
Definition
Kalium (chemisches Symbol: K) ist mengenmäßig das wichtigste Kation des intrazellulären Raums mit großer Bedeutung für die neuromuskuläre Erregbarkeit.
Molmasse
Relative Atommasse: 39,098.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Aufnahme und Bedarf: Tägliche Kaliumaufnahme mit der Nahrung etwa 1 mmol (ca. 39 mg) pro kg Körpermasse, also ca. 64–77 mmol (2,5–3,0 g). Mindestbedarf 25 mmol (ca. 1 g).
Bestand: Bei 70 kg Körpermasse etwa 3500 mmol (ca. 137 g), davon rasch austauschbar 2800 mmol (ca. 109 g).
Verteilung:
  • Intrazellulärer Raum (IZR) 90 %
  • Knochensubstanz 8 %
  • Extrazellulärer Raum (EZR) 2 %
Die hohe intrazelluläre Kaliumkonzentration (im Skelettmuskel 160 mmol/L, im Erythrozyten 100 mmol/L) wird bewirkt durch die Na-K-ATPase, die K+ energieabhängig in das Zellinnere transportiert. Die Aufrechterhaltung des Konzentrationsgradienten ist Voraussetzung für die nervale Reizleitung und für die Kontraktilität von Herz- und Skelettmuskel.
Elimination: mit dem Urin >90 %, mit dem Stuhl <10 %.
Funktion – Pathophysiologie
Renale Ausscheidung Das glomerulär filtrierte K+ wird zu 70–80 % im proximalen Tubulus und zu 10–20 % in der Henleschen Schleife reabsorbiert. Im distalen Tubulus wird K+ mithilfe der Na-K-ATPase im Austausch mit Na+ sezerniert. Dieser Vorgang wird vor allem durch die folgenden Faktoren beeinflusst:
  • Extrazelluläre K+-Konzentration: Hierdurch werden Unterschiede in der Kaliumzufuhr mit einer Anpassungsbreite von <10 mmol/Tag bei K+-Mangel, bis zu mehreren Hundert mmol/Tag bei K+-Überschuss, ausgeglichen.
  • Plasma-pH: Alkalose führt in den Tubuluszellen zur Zunahme der zellulären K+-Konzentration, damit zu erhöhter K+-Ausscheidung und in vielen Fällen zur Hypokaliämie. Umgekehrt verhält es sich bei der Azidose.
  • Aldosteron: Es stimuliert die aktive Na+-Reabsorption und fördert dadurch die K+-Sekretion. Jede Aktion der Funktionskette Renin → Angiotensin → Aldosteron → distales Nephron (Wasserhaushalt) beeinflusst daher auch den Kaliumstoffwechsel.
  • Distal-tubuläre Harnflussmenge: Ist sie hoch, wie bei osmotischer Diurese oder Saluretikagabe, wird K+ vermehrt sezerniert. Ist sie stark erniedrigt, wie bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz, wird zu wenig K+ ausgeschieden.
Kaliumverteilungsstörungen Normalerweise ist das Plasmakalium gut mit dem Gesamtkalium des Organismus korreliert. Eine Veränderung um 1 mmol/L entspricht bei Hypokaliämie einem Kaliumdefizit von 200–400 mmol und bei Hyperkaliämie einem Kaliumüberschuss von 100–200 mmol. Das gilt jedoch nicht, wenn durch einen der folgenden Faktoren die normale Kaliumverteilung zwischen Extrazellularraum (EZR) und Intrazellularraum (IZR) gestört ist:
  • Plasma-pH: Alkalose, sowohl metabolischer als auch respiratorischer Natur, führt zur Kaliumverschiebung in die Zellen und damit zur Hypokaliämie. Acidose, die metabolische stärker als die respiratorische, geht mit Kaliumaustritt aus den Zellen einher und führt damit zur Hyperkaliämie. Eine pH-Änderung um 0,1 vermindert bei der Alkalose oder erhöht bei der Acidose das Plasmakalium um etwa 0,5 mmol/L.
  • Insulin fördert die Kaliumaufnahme in Muskel- und Leberzellen.
  • Katecholamine stimulieren die zelluläre Kaliumaufnahme und steigern zudem über eine vermehrte Reninausschüttung die distal-tubuläre Kaliumsekretion.
Folgen von Hypokaliämie
  • Skelettmuskulatur: Adynamie, Reflexabschwächung, schlaffe Lähmungen, Atemlähmung
  • Abdominalorgane: Magen- und Darmatonie, paralytischer Ileus, Blasenentleerungsstörungen
  • Myokard: (Tachy-)Arrhythmie, Verstärkung von Digitaliswirkungen, charakteristische EKG-Veränderungen (ST-Senkung, flache T-Welle, TU-Verschmelzung)
  • Stoffwechsel: kaliopenische Alkalose. Kaliummangel im EZR führt zum Ausstrom von K+ aus dem IZR im Austausch mit Na+ und H+. Die distale Tubuluszelle reagiert durch gesteigerter K+-Reabsorption und vermehrter H+-Sekretion mit der Folge einer metabolischen Alkalose.
Folgen von Hyperkaliämie Sie zeigen sich bevorzugt am Myokard durch bradykarde Rhythmusstörungen und Überleitungsstörungen. Abschwächung von Digitaliswirkungen. Im EKG QRS-Verbreiterung und hohe spitze T-Zacken. Kammerflimmern.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Für herkömmliche Messung als Gesamtkalium: Heparinplasma oder Serum nach venöser Abnahme. Abtrennung von den Blutzellen innerhalb von 1 Stunde. Hämolytisches Material inakzeptabel! Wegen Kaliumaustritt aus den Thrombozyten bei der Gerinnung (ΔK+ normalerweise 0,3–0,5 mmol/L, bei Thrombozytose bis 2,0 mmol/L) ist Heparinplasma das bevorzugte Material.
Für Messung als „Ionisiertes Kalium“: Heparinblut, am besten in einer mit lyophilisiertem, elektrolytadaptierten Heparin präparierten Plastikspritze abgenommen.
Urin: Einzelproben oder 24-Stunden-Sammelurin.
Weitere Flüssigkeiten: Sekrete, Dränageflüssigkeiten, Schweiß u. a. zur Feststellung von Elektrolytverlusten.
Probenstabilität
Plasma, Serum: bei 25 °C und bei 4–8 °C 1 Woche, bei −20 °C 1 Jahr.
Heparinblut: Messung innerhalb 1 Stunde erforderlich.
Präanalytik
Bei venöser Abnahme Stauung <2 Minuten; keine Muskelkontraktion. Kapillarblut ist wegen Kontamination mit Zellflüssigkeit ungeeignet für die K+-Messung.
Analytik
1.
Flammenatomemissionsspektrometrie (FAES), „Flammenphotometrie“ (Flammenatomabsorptionsspektrometrie/-spektroskopie): sehr zuverlässiges, mechanisierbares Verfahren mit geringen Reagenzienkosten. Kaum zu integrieren in klinisch-chemische Analysenautomaten. Sicherheitsauflagen wegen der Benutzung brennbarer Gase. Grundlage der IFCC-Referenzmethode.
 
2.
Ionenselektive Elektrode nach Verdünnung der Probe (ISE, indirekt): Meistens mit Valinomycin beschickte Membranelektrode. Weit verbreitetes, zuverlässiges Routineverfahren, mechanisierbar und gut in Analysegeräte zu integrieren. Zur Differenzierung zwischen „direkter“ und „indirekter“ ISE siehe auch Potenziometrie.
 
3.
Enzymatische Methoden: photometrische Methode Photometrie, Spektrometrie/Spektroskopie), beruhend auf der Aktivierung von Pyruvatkinase (Berry et al. 1989) oder Tryptophanase (Kimura et al. 1992).
 
4.
Ionophormethode: photometrische Methode mit Hilfe eines K+-spezifischen makrozyklischen Ionophors, dessen Chromophoranteil bei Bindung von K+ an den Ionophoranteil sein Absorptionsspektrum ändert (Kumar et al. 1988).
 
5.
Ionenselektive Elektrode im unverdünnten Heparinblut oder Heparinplasma (ISE, direkt): sehr schnelle Messung im Vollblut (<1 Minute), ohne den Aufwand der Zentrifugation und der Probendilution. Nicht geeignet für Messungen in anderen Flüssigkeiten. Siehe auch Potenziometrie.
 
Die Methoden 3 und 4, die ohne zusätzliche Messeinrichtungen in Analysegeräte integriert werden können, sind wegen höherer Kosten weniger verbreitet.
Die Methoden 1–4 erfassen messtechnisch unmittelbar die molare Kaliumkonzentration im Plasma. Sie sind auf den Konzentrationsbereich im Plasma eingestellt. Bei Messungen in anderen Medien muss auf den Linearitätsbereich der Methode geachtet und ggf. die Verdünnung entsprechend angepasst werden.
Methode 5 erfasst messtechnisch die Aktivität des ionisierten Kaliums im Plasmawasser, also die molale Aktivität (Elektrolyte). Durch ein entsprechendes Kalibrationsverfahren wird das Messsignal jedoch auf ein Plasma mit normalem Protein- und Lipidgehalt, also auf ein etwa 7,2 % größeres Verteilungsvolumen bezogen, um die Ergebnisse kompatibel mit denen der konventionellen Kaliumbestimmung zu machen. Es handelt sich also um eine „justierte Molalitätmessung“, für die in Analogie zum ionisierten Calcium (Calcium, ionisiertes) die Bezeichnung „ionisiertes Kalium“ eingeführt wurde. Im Prinzip bestehen zwischen Gesamtkalium und ionisiertem Kalium die gleichen Unterschiede wie zwischen den analogen Natriumgrößen. Sie würden sich beim Kalium jedoch nur in der 2. Dezimalstelle auswirken und sind daher klinisch bedeutungslos (Natrium).
Konventionelle Einheit
mval/L oder mEq/L.
Internationale Einheit
mmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
1.
Referenzbereich – Erwachsene
Plasma: 3,5–4,5 mmol/L; Serum: 3,5–5,1 mmol/L; 24-Stunden-Sammelurin: 35–100 mmol/Tag.
Referenzbereich – Kinder.
Serum: Neugeborene 3,7–5,9 mmol/L; Kleinkinder 4,1–5,3 mmol/L.
Indikation
K+ im Plasma oder Serum: Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Nierenkrankheiten, endokrine Erkrankungen (Nebennieren, Hypothalamus), Störungen des Säure-Basen-Haushalts, Erbrechen, Durchfallerkrankungen, Entgleisung anderer Elektrolyte, Einnahme von Diuretika und Laxantien, intensivmedizinische Überwachung.
K+ im Urin: Klassifizierung der Hypo- und Hyperkaliämie.
Interpretation
Ist von Bedeutung bei:
Vorkommen der Hypokaliämie
Verminderte Kaliumzufuhr oder erhöhte gastrointestinale Verluste (Urin-Kalium <10 mmol/L):
  • Fehlerhafte parenterale Ernährung
  • Diarrhö, Ileus, Laxantienabusus
Kaliumverluste renaler Ursache (Urin-Kalium >30 mmol/L):
Kaliumumverteilung: K+ → IZR (Urin-Kalium unterschiedlich):
Vorkommen der Hyperkaliämie
Vermehrte Kaliumzufuhr (Urin-Kalium >60 mmol/L):
  • Zu hoch dosierte i.v. Kaliumapplikation (Cave >20 mmol/h!)
Renale Kaliumretention (Urin-Kalium <30 mmol/L):
  • Oligurie, Nierenversagen (Glomeruläre Filtationsrate (GFR) <15 mL/min)
  • Störung der tubulären Kaliumsekretion
  • Verminderte Mineralokortikoidwirkung: primärer Hypoaldosteronismus (M. Addison), hyporeninämischer Hypoaldosteronismus (z. B. bei diabetischer und interstitieller Nephropathie), 21-Hydroxylasemangel, tubuläre Resistenz gegen Aldosteron (Pseudohypoaldosteronismus), ACE-Hemmer, Angiotensin- und Aldosteronantagonisten
  • Diuretika: Triamteren, Amilorid
Kaliumumverteilung: K+ → EZR (Urin-Kalium >60 mmol/L):
  • Metabolische Acidose
  • Insulinmangel (dekompensierter Diabetes mellitus)
  • Massiver Zellzerfall (intravasale Hämolyse, gastrointestinale Massenblutung, Rhabdomyolyse, zytostatische Therapie, maligne Hyperthermie)
  • Familiäre hyperkaliämische Lähmung
Diagnostische Wertigkeit
Hypokaliämie: 3,0–3,5 mmol/L meistens symptomlos, <2,5 mmol/L fast immer mit klinischer Symptomatik, <2,0 mmol/L akute Lebensgefahr.
Hyperkaliämie: ab 6,5 mmol/L Lebensgefahr, bei 9–10 mmol/L Tod durch Kammerflimmern.
Literatur
Berry MN, Mazzachi RD, Pejakovic M, Peake MJ (1989) Enzymatic determination of potassium in serum. Clin Chem 35:817–820PubMed
Kimura S, Asari S, Hayashi S et al (1992) New enzymatic method with tryptophanase for determining potassium in serum. Clin Chem 38:44–47PubMed
Kumar A, Chapoteau E, Czech BP, Gebauer CR, Chimenti MZ, Ralmondo O (1988) Chromogenic ionophor-based methods for spectrophotometric assay of sodium and potassium in serum and plasma. Clin Chem 34:1709–1712PubMed