Wachstum und Körperhöhe
Kinder und Jugendliche mit Übergewicht und
Adipositas haben vor der
Pubertät und in der frühen pubertären Phase meist eine erhöhte Körperhöhe und ein akzeleriertes Skelettalter, wachsen dann aber in der Pubertät geringer, sodass sie eine Endgröße im familiären Zielgrößenbereich erreichen.
Dementsprechend sind eine verminderte Körperhöhe und ein retardiertes Skelettalter bei adipösen Kindern und Jugendlichen auffällige Befunde, die weiter abgeklärt werden müssen. Im Zusammenhang mit dem präpubertär-akzelerierten Körperhöhenwachstum ist die Steigerung der Wachstumsgeschwindigkeit während des pubertären Wachstumsschubes vermindert. Longitudinale Daten über das Wachstum schwedischer Schulkinder zeigten, dass eine Zunahme des
Body-Mass-Indexes (BMI) von einer Einheit im Alter zwischen 2–8 Jahren mit einer Vorverlagerung des pubertären Wachstumsschubes um 0,11 Jahre assoziiert war (He und Karlberg
2001). Einige klinische Studien lassen vermuten, dass auch die Endgröße von Individuen, die während der Kindheit und der Jugendzeit adipös waren und ein akzeleriertes Längenwachstum zeigten, vermindert ist.
Die Wachstumshormon-IGF-I-Achse zeigt bei adipösen Individuen typische Veränderungen (s. Übersicht).
Der Mangel an zirkulierendem
Wachstumshormon kann zu einer erniedrigten Lipolyseaktivität im Fettgewebe und zu einer erniedrigten Proteinsyntheserate im Muskelgewebe beitragen. Die verminderte hypothalamische Wachstumshormonsekretion ist vorwiegend auf eine Reduktion der Pulsamplitude und weniger auf eine Reduktion der Frequenz der Pulse zurückzuführen. Teilweise sind für diese Hemmung die zirkulierenden freien
Fettsäuren verantwortlich, die zu einer verminderten GH(„Growth hormone“)-Antwort auf die Gabe von GHRH („Growth hormone releasing hormone“) führen. Eine Gewichtsabnahme führt zu einer Normalisierung dieser Veränderungen, die deshalb als sekundär zur
Adipositas einzustufen sind.
Eine Darstellung der Veränderungen der Wachstumshormon-IGF-I-Achse bei
Adipositas wäre ohne die Erwähnung von
Ghrelin unvollständig. Ghrelin ist ein sog. GH-Sekretagoge und kann über den GH-Sekretagogrezeptor (GHSR) die hypophysäre Wachstumshormonsekretion durch einen vom GHRH unabhängigen Mechanismus stimulieren. Ghrelin besteht aus 28
Aminosäuren und wird in neuroendokrinen Zellen des Magen-Darm-Traktes, vorwiegend im Magenfundus und im Nucleus arcuatus des Hypothalamus gebildet. Die Ghrelinsekretion ist im Magen-Darm-Trakt im Nüchternzustand erhöht und nimmt postprandial deutlich ab. Adipöse Kinder haben erniedrigte Ghrelinspiegel im Nüchternzustand.
Ghrelin hat unterschiedliche Wirkungen: Im Magen-Darm-Trakt wirkt es motilitätssteigernd und führt zu einer erhöhten Säureproduktion im Magen. Ghrelin wirkt zentral appetitsteigernd und verbindet damit die Regulation der Energiebilanz mit der Aktivität der Wachstumshormon-IGF-I-Achse.
IGF-I wird in großen Mengen neben der Leber auch im Fettgewebe gebildet. Bei Überernährung scheinen beide Produktionsorte für die erhöhte IGF-I-Menge verantwortlich zu sein. In einer Querschnittsuntersuchung an adipösen Kindern und Jugendlichen konnte gezeigt werden, dass die zirkulierenden IGF-I-Spiegel vor und in der frühen pubertären Phase erhöht sind. Dies war assoziiert mit einem akzelerierten Skelettalter. Die IGF-I-Spiegel korrelierten dabei mit dem Maß der Skelettalterakzeleration. Dieser Zusammenhang war unabhängig vom Geschlecht und dem Pubertätsstadium (Reinehr et al.
2006; Wabitsch et al.
1996).
Das normale bzw. akzelerierte Körperhöhenwachstum bei adipösen Kindern ist wahrscheinlich durch die erhöhte Verfügbarkeit von freien biologischen aktiven IGF-I bedingt. Es ist unklar, ob die Veränderungen der GH-IGF-I-Achse bei adipösen Kindern als Anpassungsvorgang zu verstehen sind oder pathologische Veränderungen sind, die ggf. sogar einer Behandlung bedürften. Nach einer Gewichtsreduktion kommt es bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen zu einer Abnahme des Quotienten aus IGF-I/IGFBP-3. Dies kann für eine reduzierte Menge an freiem IGF-I sprechen. Diese Veränderung ist mit einem Abfall der Wachstumsgeschwindigkeit nach Gewichtsabnahme assoziiert.
Schilddrüse
Bei Kindern und Jugendlichen mit
Adipositas werden häufig leicht erhöhte thyreoideastimulierende Hormon(TSH
)-Spiegel gemessen. Auch die T
3-Spiegel liegen im oberen Referenzbereich oder sind sogar erhöht. Letzterer Befund kann im Zusammenhang mit dem bei der Adipositas erhöhten Grundumsatz gesehen werden. Die leichte Erhöhung der TSH-Werte ist dabei nicht mit einem Jodmangel oder einer
Autoimmunthyreoiditis assoziiert. Die
Prävalenz der Hashimoto-Thyreoiditis bei Kindern mit Adipositas ist allerdings im Vergleich zu normalgewichtigen Kindern leicht erhöht. Leicht erhöhte TSH-Werte sind aufgrund der erhöhten peripheren Schilddrüsenhormonspiegel eher nicht als latente
Hypothyreose zu interpretieren. Es wird davon ausgegangen, dass hier eine sekundäre Anpassungsveränderung vorliegt. Dabei gibt es Hinweise, dass erhöhte zirkulierende Leptinspiegel über Leptinrezeptoren auf
Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) sezernierende Neuronen des Nucleus paraventricularis stimulierend auf die TSH-Sekretion wirken. Die Veränderungen von TSH, T
3 und T
4 sind nach einer Gewichtsabnahme reversibel (Reinehr und Andler
2002). Eine Substitutionsbehandlung mit Thyroxin führt nicht zu einer Beeinflussung des Körpergewichtes bei Patienten mit leicht erhöhten TSH-Werten. Daher ist eine Schilddrüsenhormongabe bei adipösen Kinder und Jugendlichen mit leichter TSH-Erhöhung (<10 mU/l) und normalen fT
4-Werten nicht indiziert.
Obgleich eine
Hypothyreose durch eine Gewichtszunahme klinisch bemerkt werden kann, ist sie als primäre Ursache für eine
Adipositas sehr selten. Kinder mit einer Hypothyreose fallen eher durch eine verminderte Wachstumsrate und einen Leistungsknick in der Schule auf.
Dennoch sind Schilddrüsenhormone wichtige Regulatoren der Energiehomöostase. Während des Fastens, einer Überernährung und bei
Adipositas sind charakteristische Veränderungen der Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse
zu finden (Abb.
1). Experimentelle Untersuchungen bei Menschen bestätigen, dass die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse durch die Ernährung beeinflusst wird. Eine Überernährung führt zu einem Anstieg der Serumkonzentrationen von T
3 und zu einem Abfall der R-T
3-Spiegel, wogegen Fasten zu einem Abfall der freien T
3- und T
4-Spiegel bei Adipösen führt. Zudem wird die 5-Dejodinase-Aktivität durch die Nahrungszufuhr kontrolliert. Sie reguliert die Konversion von T
4 zu T
3. Zusammengefasst ist festzustellen, dass sich die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse der Ernährungssituation mit dem Ziel anpasst, das Körpergewicht und die Muskelmasse konstant zu halten.
Nebennierenrindenfunktion
Adipositas ist mit komplexen Veränderungen der hypothalamo-hypophysär-adrenalen Achse
assoziiert (s. Übersicht).
Insbesondere bei präferenziell abdomineller Körperfettakkumulation liegt eine gesteigerte Aktivität dieser Achse vor und eine gesteigerte stressbezogene Antwort der Kortisolausschüttung. Die vermehrte Expression der β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase im viszeralen Fettgewebe und die dadurch bedingte erhöhte lokale Produktion von
Kortisol kann zudem die Entstehung der abdominellen
Adipositas fördern und ist mit den Faktoren des metabolischen Syndroms assoziiert (Reinehr et al.
2014). Die gesteigerte adrenokortikale Funktion und die gesteigerte Kortisolclearance sind mit einer erhöhten adrenalen Androgenproduktion und einer erhöhten Ausscheidung von
17-Ketosteroiden im Sammelurin assoziiert.
Bei Kindern mit
Adipositas wird zusammen mit der Akzeleration des Längenwachstums und der Skelettreife häufig eine
prämature Adrenarche beobachtet (l’Allemand et al.
2002). Bereits vor Beginn der
Pubertät korrelieren die erhöhten
Dehydroepiandrosteronsulfat(DHEAS)-Spiegel mit dem Leptinkonzentrationen und dem BMI. In einer Querschnittsuntersuchung von über 1000 übergewichtigen Kindern und Jugendlichen wurden erhöhte DHEAS-Spiegel über das ganze Altersspektrum von 8–18 Jahren gefunden (Denzer et al.
2007).
In einer Querschnittsuntersuchung zeigten Mädchen mit
Adipositas im Alter zwischen 10–14 Jahren auch erhöhte Testosteronspiegel. Dabei ist der Produktionsort des
Testosterons sowohl adrenal als auch ovariell. Zusammen mit erniedrigten sexualhormonbindenden Globulin(SHBG)-Spiegeln haben übergewichtige Mädchen im Adoleszentenalter gelegentlich erhöhte freie Testosteronspiegel und zeigen eine Virilisierung
. Auch diese Veränderungen der Nebennierenrindensteroide und die
Hyperandrogenämie bei Mädchen mit Adipositas sind nach einer Gewichtsreduktion reversibel (Wabitsch et al.
1995).
Pubertätsentwicklung
Im letzten Jahrhundert haben sich in den Industrienationen der Zeitpunkt und der Ablauf der Pubertätsentwicklung bei Jungen und Mädchen deutlich verändert. Das Menarchealter ist gesunken. Diese Beobachtung und der klinische Eindruck, dass übergewichtige Mädchen eine frühere Pubertätsentwicklung zeigen als normalgewichtige, stimmen mit der Hypothese von Frisch überein.
Die Hypothese von Frisch besagt, dass eine kritische Fettmasse vorliegen muss, bevor die Menarche eintritt und Regelblutungen auftreten (Frisch et al.
1973).
Im Gegensatz zu einigen klinischen Studien zum Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht und der Pubertätsentwicklung bei Mädchen gibt es kaum Daten, die diesen Zusammenhang bei Jungen untersuchten. In einer klinischen Querschnittsuntersuchung an über 1000 adipösen Kindern und Jugendlichen in Deutschland wurden keine Hinweise dafür gefunden, dass sich bei Jungen die Pubarche und die Entwicklung der Pubesbehaarung von den
Referenzwerten der Züricher Longitudinal Studie unterscheiden (Denzer et al.
2007). Ebenfalls unterschied sich die Gonadenentwicklung bei Jungen nicht von diesen Referenzwerten (Denzer et al.
2007). Die Studie zeigte allerdings, dass die Brustentwicklung bei adipösen Mädchen früher abläuft als bei der Züricher
Referenzpopulation. Dies entspricht auch dem Ergebnis mehrerer aktueller amerikanischer Untersuchungen.
Interessanterweise zeigte ein Studie zur Dynamik der Pubertätsentwicklung unter Gewichtsabnahme, dass eine BMI-SDS-Reduktion bei übergewichtigen Jungen mit einem gondadotropinabhängigen früheren Einsetzen der
Pubertät und bei übergewichtigen Mädchen mit einem späteren Pubertätsbeginn assoziiert ist (Reinehr et al.
2017).
Bei adipösen Jungen scheint eine offensichtliche Dissoziation zwischen der Entwicklung verschiedener pubertärer Parameter vorzuliegen. Adipöse Jungen zeigen ein beschleunigtes Längenwachstum verbunden mit einem akzelerierten Skelettalter und einer frühen Aktivierung der Nebennierenrindenfunktion. Dagegen liegt eine altersentsprechende Entwicklung der Pubesbehaarung und des Gonadenwachstums vor und es werden im Vergleich zu den
Referenzwerten niedrige Testosteronspiegel gemessen.
Der Befund erniedrigter Testosteronspiegel bei pubertierenden Jungen entspricht dem Befund erniedrigter Testosteronspiegel bei adipösen erwachsenen Männern. Die Ursache für diese Hypoandrogenämie ist nicht bekannt. Erniedrigte SHBG-Spiegel und eine erhöhte Aromataseaktivität im Fettgewebe können dies teilweise erklären. Allerdings wird bei adipösen Mädchen keine Hypoandrogenämie beobachtet, sodass letztlich der Unterschied für diese geschlechtsspezifischen Charakteristika ungeklärt bleibt.
Polyzystisches-Ovar-Syndrom
Für das Jugendalter werden die folgenden Kriterien zur Diagnosestellung eines polyzystischen Ovar-Syndroms (
PCOS) von der Endocrine Society vorgeschlagen (Legro et al.
2013):
Eine Oligomenorrhö ist im Jugendalter definiert als ein Zyklusintervall >45 Tage oder weniger als 9 Blutungen pro Jahr. Bei einem Hirsutismus finden sich typischerweise Haare im Gesicht, vom Schambereich bis hin zum Bauchnabel und um die Brustwarzen. Der bei erwachsenen Kaukasierinnen evaluierte Ferriman-Gallwey Hirsutism Score ist für das Jugendalter nicht überprüft. Haare an Unterarmen, Unterschenkel und im Rücken entstehen nicht durch eine
Hyperandrogenämie, sondern sind eher familiär oder ethnisch bedingt (Hypertrichose). Da
Akne und Seborrhö im Pubertätsalter häufig sind, eignen sich diese nicht als klinisches Kriterium für einen Hyperandrogenismus. Eine Alopezie tritt im Jugendalter bei
PCOS meist noch nicht auf und eignet sich daher ebenfalls nicht als Kriterium für einen Hyperandrogenismus.
Die
Hyperandrogenämie zeigt sich beim
PCOS typischerweise in grenzwertig erhöhten Androstendion- (als ovarieller Marker) und Testosteronwerten bei erniedrigtem SHBG, sodass die freien Testosteronwerte erhöht sind (Franks
2008). Die DHEA-S-Werte als adrenaler Marker sind in der Regel normwertig. Einen neuen laborchemischen Parameter stellt das
Anti-Müller-Hormon (AMH) dar, welches als ovarieller Marker bei polyzystischen Ovarien erhöht ist. Auch Jugendliche mit PCOS scheinen höhere AMH-Werte zu zeigen, Normwerte für das Jugendalter fehlen jedoch noch.
Das
PCOS ist jedoch immer eine Ausschlussdiagnose, d. h., andere Ursachen für eine
Hyperandrogenämie und/oder Zyklusstörungen, wie Tumoren der Nebennierenrinde, Enzymdefekte (z. B.
adrenogenitales Syndrom),
Hypothyreose,
Hyperprolaktinämie und Akromegalie müssen sicher ausgeschlossen sein. Die Diagnose eines PCOS im Jugendalter zu stellen gestaltet sich häufig schwierig, da ein regelmäßiger Zyklus mit Ovulationen z. T. erst 3–5 Jahre postmenarchal eintritt und polyzystische Ovarien zu Beginn der Erkrankung häufig noch nicht nachweisbar sind. Auf der anderen Seite können polyzystische Ovarien zudem auch bei gesunden Mädchen in der
Pubertät beobachtet werden. Daher sind die Diagnosekriterien aus dem Erwachsenenalter für das Jugendalter nur begrenzt tauglich. Ein PCOS sollte jedoch frühzeitig auch bereits im Jugendalter erkannt und ggf. behandelt werden, weil
-
eine 2/3-Wahrscheinlichkeit besteht, dass ausgeprägte Zyklusunregelmäßigkeiten auch nach der Pubertät weiter bestehen,
-
die Höhe des in der Pubertät vorliegenden Androgenspiegels maßgebend für die Androgenämie während des Erwachsenenalters ist und
-
durch jegliche Hyperandrogenämie eine ovarielle Fehlentwicklung mit Hyperthekose und Stromahypertrophie entstehen kann und
-
ein unbehandeltes PCOS zur Infertilität führt.
Noch nicht abschließend geklärt ist, wodurch ein
PCOS zustande kommt (Legro et al.
2013; Franks
2008). Die überwiegende Mehrheit der Mädchen mit PCOS ist adipös. Interessanterweise ist eine erhöhte Androgenproduktion bereits bei adipösen präpubertären Kindern nachweisbar. Eine Assoziation des PCOS zur
prämaturen Adrenarche und zum Small-for-gestational-age(SGA)-Status ist insbesondere bei normalgewichtigen Jugendlichen mit PCOS beschrieben.
Schlanke Mädchen mit
PCOS zeigen wie auch adipöse Mädchen eine erhöhte Insulinresistenz. Insbesondere eine
androgene Fettverteilung mit Neigung zur chronischen Inflammation führt zur Insulinresistenz
. Adipozytokine wie Tumornekrosefaktor(TNF)-α, Retinol-Binding-Protein und
Leptin verschlechtern die Insulinsensitivität, während das bei Adipösen nur in geringerer Konzentrationen zu messende Adipozytokin Adiponektin die Insulinresistenz verbessert. Eine Insulinresistenz zeigt sich klinisch in Form einer
Acanthosis nigricans, die neben einer vermehrten Pigmentierung vor allem durch ein vergröbertes Hautrelief imponiert. Die durch die Insulinresistenz ausgelöste Hyperinsulinämie stimuliert ovariell und adrenal die Androgensynthese durch Aktivierung der 17-β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (17-β-HSD) und durch vermehrte Ausschüttung des luteinisierenden Hormons (LH). Eine Insulinresistenz führt ferner zur Erniedrigung des SHBG und erhöht somit den freien Anteil von
Testosteron. Zudem wird das stark wirksame Androgen Testosteron im omentalen Fettgewebe aus dem nur schwach wirksamen Androgen
Androstendion durch die 17-β-HSD Typ 3 gebildet. Das Adipozytokin Leptin ist maßgeblich an der Regulation von LH-Releasing-Hormon (LHRH) beteiligt, welches die Ausschüttung von LH reguliert.
Da die Insulinresistenz die Grundlage des
PCOS darstellt, treten gehäuft mit Insulinresistenz assoziierte Erkrankungen wie z. B. die gestörte Glukosetoleranz oder die Fettlebererkrankung beim PCOS auf. Daher sollte bei der Diagnose eines PCOS immer gezielt nach diesen gesucht werden.
Die Therapie
der Wahl des
PCOS stellt bei adipösen Mädchen eine Übergewichtsreduktion dar, welche sich im klinischen Alltag jedoch häufig schwer realisieren lässt (Legro et al.
2013; Lass et al.
2011). Eine Übergewichtsreduktion führt sowohl zur Verbesserung des Hirsutismus und der Regelstörungen als auch zur Verbesserung der
Lebensqualität und vor allem des kardiovaskulären Risikoprofils.
Bei allen adipösen Mädchen, bei denen keine Gewichtsreduktion möglich ist, und bei normalgewichtigen Mädchen mit
PCOS bzw. Zeichen der
Hyperandrogenämie sollte über eine medikamentöse Therapie nachgedacht werden. Diese sollte jedoch nicht vor dem Tanner-Stadium IV–V eingeleitet werden. Die medikamentöse Behandlung richtet sich nach den im Vordergrund stehenden Symptomen bzw. Therapiezielen (Tab.
1) und dem kardiovaskulären Risikoprofil. Stehen Zyklusstörungen und/oder ein Hirsutismus im Vordergrund, sollten orale Kontrazeptiva mit ggf. einem antiandrogenen Gestagen verwendet werden. Diese führen zu einer Regulation des Zyklus, gewährleisten einen Schutz des Endometriums und führen zu einer Verbesserung des Hirsutismus und der
Akne. Die Ovulationshemmung unterdrückt die LH-Produktion und die
Östrogene führen zu einem Anstieg von SHBG, sodass die bioaktiven
Androgene reduziert werden. Bei Raucherinnen und bei Patientinnen mit angeborenen Gerinnungsstörungen oder Thrombosen oder Thrombembolien in der Familienanamnese besteht ein deutlich erhöhtes Thromboserisiko unter der Behandlung mit oralen Kontrazeptiva, sodass deren Einsatz sehr kritisch abgewogen werden muss. Eine
Gerinnungsdiagnostik (Aktiviertes-Protein-C[APC]-Resistenz,
Protein-C/S-Mangel, Antithrombin[AT]-III-Mangel, Faktor-V-Mangel) sollte vor Beginn einer oralen Hormontherapie durchgeführt werden (Legro et al.
2013). Durch eine Östrogen-/Gestagentherapie kann sich das kardiovaskuläre Risikoprofil verschlechtern.
Tab. 1
Therapeutische Ansätze bei PCOS
Gewichtsabnahme | + | + | + |
Metformin | 0 | + | + |
Ovulationshemmer | + | + | 0 bis (–) |
Antiandrogene | + | 0 bis – | 0 bis (–) |
Bei Patientinnen mit gestörter Glukosetoleranz oder
Diabetes mellitus Typ 2 sollte primär das orale Antidiabetikum Metformin
eingesetzt werden. Metformin führt zu einer Verbesserung der Insulinsensitivität bzw. zu einer Abnahme der Insulinresistenz und der Hyperinsulinämie, sodass sich auch die Faktoren des metabolischen Syndroms verbessern und das Auftreten eines Typ-2-Diabetes bei pathologischer Glukosetoleranz hinausgezögert werden kann. Weiterhin konnte auch eine Verbesserung der Zyklusstörung beobachtet werden, während der Hirsutismus unter Metformintherapie nicht beeinflusst wird. Zudem wird unter Metformin eine minimale Gewichtsabnahme beobachtet.
Antiandrogene, wie Cyproteronacetat, Spironolacton und Flutamid, sind effektiv in der Therapie des Hirsutismus und der
Akne, jedoch für das Jugendalter nicht zugelassen. Zur Haarentfernung im Gesicht kommen primär
Laserbehandlungen oder andere Epilationstherapien zur Anwendung.