Während Morphin im anästhesiologischen Alltag immer mehr durch die synthetisch hergestellten Opioide (Fentanyl, Sufentanil, Remifentanil) ersetzt wird, bleibt es im Kontext der Kardioprotektion weiterhin relevant und vielversprechend. Dabei werden die kardioprotektiven Eigenschaften über Bindung an die G‑Protein-gekoppelten Opioidrezeptoren und folglich Aktivierung oben beschriebener Signalkaskaden (
RISK und
SAFE, mitochondriale Kaliumkanäle, reaktive Sauerstoffspezies und microRNA) vermittelt [
53‐
55]. An dieser Stelle ist die unterschiedliche Expression der Opioidrezeptoren im humanen Herzen unter gesunden und krankhaften Bedingungen von besonderem Interesse. So konnte tierexperimentell gezeigt werden, dass insbesondere die μ‑Opioid-Rezeptoren in ischämischen Kardiomyozyten deutlich hochreguliert sind, wohingegen sie im gesunden Herzgewebe nahezu fehlen [
53,
56]. Daher erscheint nicht nur die Wahl der Substanz, sondern auch die Affinität zu den verschiedenen Opioidrezeptoren von großer Bedeutung im Kontext der pharmakologischen Konditionierungsstrategie. Zudem ist erwähnenswert, dass die remifentanilinduzierte Kardioprotektion sowohl bei Diabetes als auch unter akuter Hyperglykämie im Tiermodell vollständig aufgehoben wird – vermutlich über den gesteigerten oxidativen Stress und damit die Beeinträchtigung des RISK- und SAFE-Signalweges [
57]. Morphin scheint dahingegen den Vorteil zu bieten, dass eine postischämische Behandlung nicht nur zu einer Abnahme der Infarktgröße, sondern auch zur Reduktion der myokardialen Dysfunktion, Fibrose und des Remodeling führt und damit die linksventrikuläre Funktion nach stattgefundenem Myokardinfarkt verbessert [
58]. Dabei werden die kardioprotektiven Eigenschaften von Morphin, neben Aktivierung der oben genannten Signalwege, insbesondere über eine gesteigerte NO-Synthese vermittelt, wie sowohl in tierexperimentellen Studien als auch in Untersuchungen an humanem Gewebe gezeigt werden konnte [
59]. Interessanterweise scheint auch das zentralnervöse System an der Vermittlung kardioprotektiver Effekte von Morphin beteiligt zu sein, vornehmlich über eine verminderte Expression vom „nerve growth factor“ und Aktivierung sensorischer Ionenkanäle in Nervenzellen [
60]. Neben den bekannten Signalwegen der Kardiomyozyten scheinen also auch extrakardiale und extrazelluläre Prozesse im Kontext der Kardioprotektion von Bedeutung zu sein.