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Moyamoya-Erkrankung/Moyamoya-Syndrom

Verfasst von: Dierk A. Vagts, Heike Kaltofen, Uta Emmig und Peter Biro
Moyamoya-Erkrankung/Moyamoya-Syndrom.
Synonyme
Engl. Spontaneous occlusion oft he circle of Willisii, („moyamoya“ japanisch, bedeutet Rauchwolke, Nebel, da sich in der Angiographie das Netz aus Kollateralen wie eine Wolke darstellt).
Moyamoya Erkrankung: Symptome sind eigenständig.
Moyamoya-Syndrom: identisches Erscheinungsbild, Symptome werden aber durch andere Grunderkrankung hervorgerufen oder begünstigt.
Oberbegriffe
Zerebrovaskuläre ischämische Erkrankung, okklusive vaskuläre Erkrankung.
Organe/Organsysteme
A. carotis interna C1-Bereich, intrazerebrale Gefäße (meist A. cerebri media und anterior), Gehirn.
Inzidenz
Selten, weltweit über 600 Fälle (1983), Prävalenz 1–3 von 100.000 in japanischer Bevölkerung, 10-mal mehr Japaner und Koreaner als Europäer betroffen, Gynäkotropie 1:1,5 und zweigipfelige Erstmanifestation (5 Jahre und 40 Jahre). Mortalität 10 % bei Erwachsenen, 4,3 % bei Kindern.
Radiologische Zeichen ohne Symptome in Japan mit Inzidenz 1:2000. Junge Patienten, die nur einseitig betroffen sind, entwickeln in 40 % beidseitige Symptomatik.
Erhöhte Mortalität.
Ätiologie
Autosomal-rezessiv (10–15 % der Fälle), idiopathisch oder sekundär; bei vererbter Form wurden 4 verschiedene Genloci mit Veränderungen gefunden: MYMY1 (3p24-p26), MYMY2 (17q25), MYMY3 (8q23) und ein vierter Locus auf Chromosom 6.
Bei dieser Erkrankung kommt es zur Ausbildung von Gefäßstenosen durch Verdickungen der Intima, netzartigen Gefäßstrukturen – die wie Zigarettenrauch aussehen – und Aneurysmen im Bereich der A. carotis interna, vorwiegend an der Hirnbasis in den vorderen zwei Dritteln des Circulus arteriosus willisii.
Moyamoya-Syndrom kann auch durch andere Erkrankungen ausgelöst werden, z. B. durch allgemeine weit fortgeschrittene Arteriosklerose, Trisomie 21, zerebrale Vaskulitis, Sichelzellenanämie, Strahlentherapie, Neurofibromatose Typ I Recklinghausen, Williams-Beuren-Sy.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Zerebrovaskuläre Insulte, Apoplexien anderer Genese, intrazerebrale Aneurysmen, intrakranielle raumfordernde Prozesse, Vaskulitiden (Riesenzellarteriitis, Panarteriitis nodosa).

Symptome

Anamnestische Hinweise ergeben sich aufgrund von Kopfschmerzen, der altersatypischen apoplektiformen Manifestation: transitorische ischämische Attacken (TIA) (häufiger bei Kindern), Hemiparesen (typisch: rezidivierend und alternierend), durch zerebrale Blutungen (häufiger bei Erwachsenen), Sprachstörungen, Kopfschmerzen, Krämpfe, Hemichorea, Erbrechen, Bewusstseinsstörungen (Hirndrucksymptomatik).
Radiologischer Nachweis der Gefäßanomalien (Rauchwolke oder „puff of smoke“) und von Subarachnoidalblutungen mittels CT, MRT, Angiographie.
Vergesellschaftet mit
Gefäßerkrankungen (generalisierte Arteriosklerose, Panarteriitis nodosa, Koarktation der Aorta, Schädel-Hirn-Trauma, Strahlenschäden, parasellärer Tumor), Infektionen (Leptospirose und tuberkulöse Meningitis), Myopathien, hämatologische Erkrankungen (Sichelzellenanämie, aplastische Anämie, Fanconi-Anämie, Vorhandensein von Lupusantikoagulans = Antikörper verschiedener Immunglobulinklassen, die gegen Phospholipid-Protein-Komplexe gerichtet sind), kongenitale Erkrankungen (Neurofibromatose, Kollagenosen, Apert-Sy, Marfan-Sy, Turner-Sy, M. Hirschsprung).
Vereinzelt Down-Sy, Fallot-Tetralogie, Urogenitalmissbildungen, Gliom, Kraniopharyngeom.
Diagnostik
Im CT/MRT findet man unterschiedlich alte ischämische Herde und/oder Blutungen, veränderte Hirnbasisarterien.
Angiograpie zur Diagnosesicherung (s. o.).
Therapie
Derzeit nicht heilbar; Therapieoptionen werden kontrovers beurteilt (Abwägung von Ischämie- und Blutungsrisiko): Chirurgische direkte oder indirekte Revaskularisierung, Enzephaloduroarteriosynangiosis, Steroide, Rheologika, bei Vasospasmen Kalziumantagonisten, Vorgehen ist stets eine Fall-zu-Fall-Entscheidung.

Anästhesierelevanz

Ein wesentliches Problem bei dieser Erkrankung ist die reduzierte O2-Versorgung der betroffenen Gehirnabschnitte. Das anästhesiologische Vorgehen hat die Steigerung des O2-Angebots, die Senkung des O2-Verbrauchs und die Vermeidung eines Stealphänomens und einer Hirndrucksteigerung zum Ziel.
Spezielle präoperative Abklärung
Angiographische Evaluation der zerebralen Gefäßversorgung (Kollateralisation), EEG, neurologischer Status, Gerinnungsstatus bei antikoagulatorischer Therapie (in der Regel ASS).
Wichtiges Monitoring
Kontinuierliche invasive Blutdruckmessung (auch bei nicht Moyamoya-bedingten Operationen, z. B. in Geburtshilfe), Blutgasanalysen, Kapnographie, Pulsoxymetrie, kontinuierliche Temperaturkontrolle, „Near infrared spectrocopy“ (NIRS) kann zum frühzeitigen Erkennen von Hypoxien hilfreich sein, Relaxometrie obligat, ZVK insbesondere bei direkter Revaskularisierung, große Zugänge für Volumen, SSEP, ggfs. EEG.
Vorgehen
Für diagnostische Maßnahmen und operative Versorgung der Patienten werden Anästhesieverfahren und Anästhesiemedikamente empfohlen, die eine geringe Wirkung auf den peripheren Gefäßtonus haben. Da die zerebralen Arterien in der Regel schon maximal dilatiert sind, kann die zerebrale Durchblutung nicht bei Blutdruckabfall durch Vasodilatation kompensiert werden. Ein Blutdruckabfall, z. B. durch ausgeprägte periphere Vasodilatation muss ebenso wie eine zu starke periphere Vasokonstriktion vermieden werden. Am günstigsten sind Methoden und Substanzen, die eine Stabilisierung und Konstanthaltung der Hirndurchblutung und des Herzzeitvolumens auf einem optimalen Niveau ermöglichen. Dies wird gewährleistet, wenn Normokapnie und Normotonie vorherrschen. Hyperkapnie und Hypokapnie müssen vermeiden werden, ebenso Blutdruckabfälle und -spitzen. Eine Senkung des Hirnstoffwechsels (z. B. durch Barbiturate, Propofol) ist erwünscht. Eine Auskühlung ist wegen der Gefahr von Vasospasmen zu vermeiden (Isolation, Wärmematte, Low-flow- oder Minimal-flow-Beatmung).
Einige Kliniken empfehlen eine erhöhte präoperative Volumenzufuhr, wobei hier auch an die Gefahr eines cerebralen Ödems gedacht werden muss. Normovolämie ist aber auf jeden Fall anzustreben.
Bei der indirekten Revaskularisierungs-OP als Therapie des Moyamoya-Syndroms setzt man auf eine Neo-Angiogenese, die allerdings Monate dauert. Die Patienten sind postoperativ deshalb genauso als ischämiegefährdet zu behandeln wie vor dieser OP.
Bei Patienten mit antikonvulsiver Therapie an mögliche Interaktionen mit Anästhetika denken (z. B. Wirkungsverlängerung von Relaxantien).
Transfusionsrisiko ist erhöht, insbesondere bei Patienten mit Sichelzellenanämie und vorhergehenden Transfusionen an irreguläre Antikörper denken, bei Sichelzellenanämie evtl. präoperative Transfusion von EK zur relativen Reduktion der geschädigten Erythrozyten.
Eine perioperative regionalanästhesiologische Skalp-Blockade (skull-block) trägt erheblich zur hämodynamischen Stabilität bei und sollte bei Revaskularisierungseingriffen durchgeführt werden.
Postoperativ erneut neurologischen Status erheben.
Cave
Periphere vasoaktive Substanzen, Hypokapnie, Hypoxie, Hypovolämie, labiler Blutdruck, Hypothermie, Hypotension.
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