Mit der
Kreatinin-Clearance kann leicht die erforderliche Dosisanpassung berechnet werden. Dazu muss man für das Pharmakon wissen, welcher Anteil extrarenal eliminiert wird. Dieser Wert Q
0 kann verschiedenen Tabellen entnommen werden (z. B. Tabelle AII-1 in Goodman & Gilman’s, The pharmacological basis of therapeutics, 12. Auflage, 2011;
www.dosing.de) (die Bestimmung des renal eliminierten Anteils 1-Q
0 geschieht dadurch, dass die im
Urin ausgeschiedene Menge durch die verabreichte Dosis dividiert wird). Die Anpassung der Dosierung an die Nierenfunktion ist besonders wichtig, wenn der extrarenal eliminierte Anteil Q
0 unter 0,5 liegt. Wie oben schon erwähnt, ist die Gesamtkörper-Clearance die Summe aus extrarenaler und renaler Clearance. Der extrarenal eliminierte Anteil Q
0 bleibt bei
Niereninsuffizienz unverändert, der renal eliminierte Anteil (1-Q
0) wird im gleichen Ausmaß wie die Kreatinin-Clearance vermindert. Die normale Kreatinin-Clearance beträgt 100 ml/min. Eine Kreatinin-Clearance von 50 ml/min bedeutet daher, dass die renale Elimination eines Pharmakons auf die Hälfte abfällt. Damit kann man die erforderliche Dosisanpassung leicht berechnen. Die normale Dosis pro Zeit muss mit folgendem Faktor (Q) multipliziert werden (Dettli-Formel), der einen renalen und extrarenalen Anteil berücksichtigt
$$ {Q}_0=\left(1-{Q}_0\right) \times Kreatinin- Clearance\ \left[ ml/ min\right]/100\ \left[ ml/ min\right] + {Q}_0 $$
Beispiel: Amoxicillin hat einen Q
0-Wert von 0,1 und wird damit zu 90 % renal eliminiert. Bei einer Kreatinin-Clearance von 50 ml/min muss eine übliche Dosis von 2.000 mg/d mit dem folgenden Faktor multipliziert werden
$$ \left(1\hbox{--} 0,1\right) \times 50\ ml/ min/100\ ml/ min + 0,1 = 0,55 $$
d. h. es werden nur 1.100 mg/d verabreicht.
Als nächstes stellt sich die Frage, ob das Dosierungsintervall oder die Einzeldosis verändert werden soll. Das Dosierungsintervall kann flexibler angepasst werden als die Einzeldosis. Verlängert man das Dosierungsintervall, werden die Plasmaspiegel stärker schwanken als bei einer Erniedrigung der Einzeldosis. Variable Plasmaspiegel beeinträchtigen die konzentrationsabhängige Wirksamkeit der Aminoglykosidantibiotika weniger als die zeitabhängige Wirksamkeit der β-Lactamantibiotika. Andererseits ist die therapeutische Breite der β-Lactamantibiotika größer als die der Aminoglykoside.
Eine andere Auswirkung einer erniedrigten Gesamt-Clearance bei
Niereninsuffizienz muss in Notfallsituationen berücksichtigt werden, wenn Pharmaka schnell wirken müssen. Es kommt nämlich durch die geringere Clearance zu einer verlängerten
Halbwertszeit T
1/2. Dadurch verzögert sich nicht nur die Elimination, sondern es dauert bei konstanter Dosierung auch länger, bis sich ein Steady State eingestellt hat (s. Abschn.
1 – Halbwertszeit) und therapeutische Plasmaspiegel erreicht werden. Dieses Problem kann durch eine schnellere Aufdosierung umgangen werden. Nach der Halbierungsregel von Kunin wäre zunächst die normale Startdosis von Nierengesunden zu verwenden. Danach wird nach jeder Halbwertszeit die Hälfte der Startdosis verabreicht. Für die Anwendung dieser Regel muss die Halbwertszeit für die vorliegende
Kreatinin-Clearance berechnet werden, indem man die Halbwertszeit eines Nierengesunden durch den obigen Faktor Q dividiert. Im Fall von Amoxicillin verlängert sich die Halbwertszeit bei einer Kreatinin-Clearance von 50 ml/min (s. o.) von 1,2 h auf 1,2/0,55 h = 2,2 h.
Wenn möglich, wird man bei
Niereninsuffizienz Pharmaka anwenden, die nicht wesentlich durch die Niere eliminiert werden. Tab.
5 gibt einen Überblick über Pharmaka, die überwiegend renal oder extrarenal eliminiert werden.
Tab. 5
Pharmaka, die renal oder extrarenal eliminiert werden. (Nach Hartmann et al.
2010)
Analgetika | | Fentanyl, Levomethadon |
| Ciprofloxacin, Levofloxacin | Moxifloxacin |
Antidiabetika | Glibenclamid, Glimepirid, Nateglinid, Sitagliptin | Gliquidon, Gliclacid, Pioglitazon |
| | |
Antikonvulsiva | | |
Gicht- und Rheumamittel | | Colchicin, Hydroxychloroquin, Leflunomid |
Lipidsenker | Bezafibrat, Fenofibrat | |
| | |
Virustatika | Aciclovir | Brivudin |