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Klinische Neurologie
Info
Publiziert am: 06.02.2019

Parkinson-Plus-Syndrome

Verfasst von: Andrés Ceballos-Baumann
Ein akinetisch-rigides Syndrom oder Parkinson-Syndrom tritt neben dem idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) bei weiteren neurodegenerativen Krankheiten auf. An klinischer Bedeutung steht das Parkinson-Syndrom bei der Multisystematrophie (MSA), bei der progressiven supranukleären Blickparese (PSP) und der kortikobasalen Degeneration im Vordergrund. Diese Parkinson-Syndrome zeichnen sich durch eine Parkinson-Plus-Symptomatik aus; d. h., es treten zusätzliche neurologische Zeichen neben den Kardinalsymptomen Akinese, Rigor, Tremor und/oder posturale Instabilität auf. Der progressiven supranukleären Blickparese (PSP) und der kortikobasalen Degeneration (CBD) ist gemeinsam, dass charakteristische neuropsychologische Defizite im Vordergrund stehen. Bei der PSP entwickelt sich eine subkortikale Demenz, bei der CBD Zeichen kortikaler Dysfunktion wie Apraxie. Mit Ausnahme des IPS und der MSA sind in der Regel die „weiteren“, „atypischen“ bzw. Parkinson-Plus-Syndrome durch eine schnell im Vordergrund stehende oder dem Parkinson-Syndrom vorausgehende Demenz charakterisiert, insbesondere die Lewy-Body-Demenz, das Parkinson-Syndrom spät im Verlauf bei der Alzheimer-Demenz, bei der subkortikalen vaskulären Enzephalopathie (SVE) und beim Normaldruckhydrozephalus. Diese Parkinson-Syndrome mit demenzieller Entwicklung treten fast ausschließlich im höheren Erwachsenenalter auf. Bei „Jungen“, d. h. unter 50-Jährigen, ist an eine Reihe von seltenen Krankheiten zu denken. Die Multisystematrophie (MSA) wird in diesem Abschnitt nicht behandelt, weil eine frühe Demenz nicht typisch ist.
Ein akinetisch-rigides Syndrom oder Parkinson-Syndrom tritt neben dem idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) bei weiteren neurodegenerativen Krankheiten auf. An klinischer Bedeutung steht das Parkinson-Syndrom bei der Multisystematrophie (MSA), bei der progressiven supranukleären Blickparese (PSP) und der kortikobasalen Degeneration im Vordergrund. Diese Parkinson-Syndrome zeichnen sich durch eine Parkinson-Plus-Symptomatik aus; d. h., es treten zusätzliche neurologische Zeichen neben den Kardinalsymptomen Akinese, Rigor, Tremor und/oder posturale Instabilität auf. Der progressiven supranukleären Blickparese (PSP) und der kortikobasalen Degeneration (CBD) ist gemeinsam, dass charakteristische neuropsychologische Defizite im Vordergrund stehen. Bei der PSP entwickelt sich eine subkortikale Demenz, bei der CBD Zeichen kortikaler Dysfunktion wie Apraxie. Mit Ausnahme des IPS und der MSA sind in der Regel die „weiteren“, „atypischen“ bzw. Parkinson-Plus-Syndrome durch eine schnell im Vordergrund stehende oder dem Parkinson-Syndrom vorausgehende Demenz charakterisiert, insbesondere die Lewy-Body-Demenz, das Parkinson-Syndrom spät im Verlauf bei der Alzheimer-Demenz, bei der subkortikalen vaskulären Enzephalopathie (SVE) und beim Normaldruckhydrozephalus. Diese Parkinson-Syndrome mit demenzieller Entwicklung treten fast ausschließlich im höheren Erwachsenenalter auf. Bei „Jungen“, d. h. unter 50-Jährigen, ist an eine Reihe von seltenen Krankheiten zu denken. Die Multisystematrophie (MSA) wird in diesem Kapitel nicht behandelt, weil eine frühe Demenz nicht typisch ist.

Progressive supranukleäre Blickparese (PSP, Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom)

Definition
Als progressive supranukleäre Blickparese (PSP) wird eine häufige neurodegenerative Erkrankung mit Parkinson-Syndrom bezeichnet, deren differenzierendes klinisches Zeichen eine supranukleäre Ophthalmoplegie mit vertikaler Blickparese darstellt. Hinzu kommen weitere neurologische Zeichen. Synonym wird der Begriff des Steele-Richardson-Olszewski-Syndroms verwendet. Diese Autoren beschrieben Anfang der 1960er-Jahre eine Serie von Patienten zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr mit einer progressiven Hirnstammdegeneration, die klinisch eine supranukleäre Ophthalmoplegie, eine axiale Dystonie, eine Dysarthrie, eine Pseudobulbärparalyse und eine leichtere Demenz aufwiesen (Steele et al. 1964). Die für die typische und am häufigsten vorkommende Form verwendeten diagnostischen Kriterien sind in den folgenden Übersichten aufgeführt.
Symptome und Zeichen bei progressiver supranukleärer Blickparese (Steele-Richardson-Olszewski Syndrom)
  • Vertikale Blickparese (diagnostisch entscheidend)
  • Stand- und Gangunsicherheit mit Tendenz, häufig (nach hinten) zu fallen
  • Bradykinese und Rigor, vorwiegend axial
  • Axiale Dystonie
  • Gesichtsausdruck des „Staunens“
  • Lidöffnungs-/-schluss-Apraxie, Inhibition (prätarsaler Blepharospasmus)
  • Konvergenzschwäche
  • Ausfallen des Bell-Phänomens
  • Pseudobulbäre Paralyse (Dysarthrie, Dysphagie)
  • Subkortikale Demenz
Klinische Kriterien für die Diagnose einer progressiven supranukleären Blickparese
(Litvan et al. 1996; Osaki et al. 2004)
  • Möglich
    • Langsam progrediente Erkrankung mit Beginn frühestens im 40. Lebensjahr oder meist später
    • Vertikale supranukleäre Blickparese nach oben und/oder unten oder
    • Verlangsamung vertikaler Sakkaden und posturale Instabilität mit Stürzen im ersten Jahr der Erkrankung
    • Keine anderen Erkrankungen, die die Symptomatik erklären könnten
  • Wahrscheinlich
    • Kriterien wie unter „Möglich“
    • Anstatt Verlangsamung vertikaler Sakkaden vertikale Blickparese
  • Sicher
    • Kriterien von „Möglich“ und „Wahrscheinlich“ sowie histopathologischer Nachweis der charakteristischen subkortikalen Änderungen
Die hier gelisteten diagnostischen Kriterien sind im klinischen Alltag hilfreich als Orientierung, sie haben eine exzellente Spezifität, aber ihre Sensitivität ist für diejenigen PSP-Varianten sehr limitiert, die nicht der klassischen PSP-Erscheinung, dem Richardson-Syndrom, entsprechen. Deswegen wurden erweiterte diagnostische Kriterien entwickelt. Die verschiedenen PSP-Varianten sind im Folgenden aufgeführt.
Varianten der progressiven supranukleären Blickparese (PSP)
(nach Höglinger et al. 2017)
  • PSP-R mit Richardson-Syndrom: klassische PSP
  • PSP-PGF mit „progressive gait freezing“, früher auch PAFG („pure akinesia with freezing of gait“)
  • PSP-P mit im Vordergrund stehendem Parkinson-Syndrom, mitunter anfangs gut auf Levodopa ansprechend
  • PSP-OM mit prädominierender Okulomotorikstörung
  • PSP-F mit prädominierender frontaler Symptomatik. Die Patienten fallen initial vorwiegend durch Verhaltensstörungen auf und entsprechen dem „behavioural type “ der frontotemporalen Demenz (bvFTD)
  • PSP-SL mit prädominierender Sprachstörung einschließlich der semantischen, der nichtflüssigen agrammatischen sowie der logopenischen Variante der primär progressiven Aphasie
  • PSP-CBS mit prädominierendem kortikobasalen Syndrom (CBS)
Häufigkeit und Vorkommen
Die Prävalenz beträgt 1–2 pro 100.000. Die jährliche Inzidenz pro 100.000 Personen beträgt 5,3 bei den 50- bis 99-Jährigen und liegt damit höher als bei der MSA mit 3 pro 100.000. Es ist eine Krankheit der betagteren Bevölkerung (Inzidenz pro 100.000 1,7 bei den 50- bis 59-Jährigen; 14,7 bei den 80- bis 99-Jährigen). Die mittlere Überlebenszeit beträgt übereinstimmend in verschiedenen Studien 5–7 (1–17) Jahre. Männer sind etwas häufiger betroffen. Eine arterielle Hypertonie in der Vorgeschichte wurde im Unterschied zu anderen Parkinson-Syndromen als ein signifikanter Risikofaktor für die PSP beschrieben. Dies ist nach neuropathologisch gesicherten PSP-Fällen aber darauf zurückzuführen, dass subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathien (SAE) klinisch einer PSP gleichen können (Colosimo et al. 2003).
Pathologie
Neuropathologisch finden sich ein Verlust von Nervenzellen und eine Gliose mit zahlreichen neurofibrillären Fäden („tangles“) in typischer Verteilung:
1.
im pallidosubthalamischen Komplex,
 
2.
in der Pars compacta der Substantia nigra und
 
3.
im Colliculus superior, dem periaquäduktalen Höhlengrau, den prätektalen Gebieten mit ihren für die Kontrolle der Augenbewegung zuständigen Kernen und den Nuclei pontis.
 
Darüber hinaus sind auch andere Hirnregionen betroffen.
Klinik
Die vertikale Blickparese zusammen mit einem symmetrischen Parkinson-Syndrom (ohne Tremor) mit Fallneigung ist die Leitsymptomatik der PSP-R (Richardson-Syndrom). Eine Blickparese nach unten gilt als typischer für die PSP als eine Blickparese nach oben, da Letztere in gewissem Maße auch im Rahmen des normalen Alterns auftritt. Als Parkinson-Syndrom imponieren in erster Linie der Rigor(in der ursprünglichen Publikation auch als Dystonie beschrieben), die symmetrische Bradykinese sowie die Stand- und Gangunsicherheit mit häufigen Stürzen insbesondere nach hinten, oft bereits zu Beginn der Erkrankung. Der für das IPS charakteristische Ruhetremor stellt bei der PSP eher eine Rarität dar. Weitere häufige über das Parkinson-Syndrom hinausgehende Zeichen (Parkinson-Plus) sind eine Pseudobulbärparalyse mit Dysarthrie und Dysphagie, die Apraxie der Lidöffnung/des Lidschlusses (prätarsaler Blepharospasmus, Lidöffnungsinhibition (Kap. „Augenbewegungsstörungen“) und ein fast aufgehobenes Lidblinken mit weit geöffneten Augen, wodurch der charakteristische „erstaunte“ Gesichtsausdruck (>90 % der Patienten) entsteht.
Mehr als 50 % der Patienten entwickeln eine Demenz. Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz („kortikale“ Demenz mit Aphasie, Apraxie und Akalkulie) stellt die PSP den Prototyp der sog. „subkortikalen“ Demenz dar, bei der Bradyphrenie, Perseveration, Aufmerksamkeitsstörungen, Abulie, Initiativlosigkeit im Vordergrund stehen. Kortikale Funktionen wie Stereognosie, Graphästhesie, Praxie, Sprache, Rechnen sind hingegen relativ intakt. Gedächtnisleistungen wie Wiedererkennen und Abrufen sind bei Patienten mit kortikaler und subkortikaler Demenz betroffen, doch ist das Wiedererkennen bei subkortikaler Demenz lange erhalten.
Neben der klassischen PSP (Richardson-Syndrom) werden (siehe oben) weitere Varianten aufgeführt, die schwierig in vivo zu diagnostizieren sind. Etwa ein Drittel der neuropathologisch als PSP diagnostizierten Patienten fallen unter die Rubrik PSP-P, die durch einen asymmetrischen Beginn, Tremor und ein mäßiges Ansprechen auf L-Dopa gekennzeichnet ist, weswegen sie zunächst als IPS diagnostiziert wurden (Williams et al. 2005). Weitere Varianten mit einem längeren Verlauf sind die PSP-PGF („progressive gait freezing“), auch PAFG („pure akinesia with freezing of gait“), bei der eine auffällige durch motorische Blockaden gekennzeichnete Gangstörung den typischen Zeichen um Jahre vorausgehen kann. Ähnliches gilt für die kortikalen Varianten PSP-F, PSP-SL PSP-CBS (siehe oben), bei denen sich Überlappungen zu den frontotemporalen Demenzen und den kortikobasalen Syndromen ergeben.
Verlauf
Eine Gangstörung mit subjektivem „Schwindel“ und Stürzen ist das häufigste Initialsymptom bei der klassischen PSP, der Richardson-Variante. Eine leise Dysarthrophonie kommt früh hinzu. Die Akinese betrifft in erster Linie die axiale Muskulatur mit Starthemmung beim Gehen und Aufstehen. Der Gang ist im Gegensatz zum IPS aufrecht, der Rigor ist eher in der axialen Muskulatur lokalisiert und zeigt sich häufig mit einer Hyperextension im Nacken. Mit weiterem Fortschreiten der Erkrankung weisen die Patienten den charakteristischen starren und erstaunten Blick auf: Die Augen sind aufgerissen, das Oberlid retrahiert und die Stirn in Falten gelegt. Bei etwa 10 % der Patienten besteht eine Lidöffnungs/-schlussinhibition. Im Frühstadium der Erkrankung fällt initial meist nur eine vertikale supranukleäre Blickparese nach oben auf. Im Verlauf kommt es dann zu einer leichten Verlangsamung der willkürlichen Blicksakkaden nach unten, einem verschlechterten vertikalen optokinetischen Nystagmus und einer gestörten Suppression des vertikalen vestibulookulären Reflexes. Die Patienten werden im Spätstadium schwer akinetisch und bettlägrig. Bei vielen Patienten tritt dann eine komplette vertikale Ophthalmoplegie ein, die schließlich zu einer Fixation der Bulbi in Primärstellung führt (bei erhaltenem vertikalen Puppenkopfphänomen = intakter vertikaler vestibulookulärer Reflex). Der Patient muss den Kopf wenden, um die Blickrichtung zu ändern. Schluckstörungen mit dem Risiko der Aspiration treten regelhaft auf. Gelegentlich wird eine emotionale Labilität mit unkontrolliertem Weinen beobachtet. Rigor führt zu Kontrakturen an den Extremitäten und manchmal zu einem Opisthotonus. Die Patienten sterben an internistischen Komplikationen wie Pneumonie oder Lungenembolie.
Diagnostik
Die Diagnosestellung erfolgt klinisch und kann mit letzter Sicherheit nur neuropathologisch gesichert werden. Die diagnostischen Kriterien sind in den Übersichten im Abschn. „Definition“ zusammengestellt. Die Diagnose einer PSP erfordert das Vorliegen einer vertikalen supranukleären Blickparese, die jedoch auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen vorliegen kann.
Differenzialdiagnose der PSP: Krankheiten mit akinetisch-rigidem Syndrom und/oder Demenz und/oder supranukleärer Blickparese
  • Kortikobasales Syndrom (CBS) (kortikobasale Degeneration – CBD)
  • Frontotemporale Demenzen einschließlich der primär progressiven Aphasie
  • Diffuse Lewy-Körperchen-Krankheit
  • Alzheimer-Krankheit
  • Multisystematrophie (MSA)
  • „Vaskuläres“ Parkinson-Syndrom (subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie – SAE)
  • Nieman-Pick Typ C bei jüngeren Patienten
  • Whipple-Krankheit (typisch: okulomastikatorische Myorhythmien)
  • Postenzephalitscher Parkinson (okulogyre Krisen)
  • Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (Myoklonus, Verlauf < 1 Jahr, EEG-Auffälligkeiten, Liquorbefund)
Gerade zu Beginn der Krankheit ist die diagnostische Einordnung schwierig. Klinische Unterscheidungsmerkmale zum IPS und anderen Parkinson-Plus-Syndromen bzw. zu Erkrankungen mit gleichzeitigem Auftreten von Demenz und Parkinson-Zeichen sind in Tab. 1 aufgeführt.
Tab. 1
Differenzierung verschiedener neurodegenerativer Erkrankungen mit Parkinson-Zeichen
Symptomatik
PSP
CBS
Lewy-Body-Demenz
MSA
SVE/NPH
Parkinson-Krankheit
Akinese
Symmetrisch häufig, axial Extremitäten, Starthemmungen
Asymmetrisch, häufig
Häufig vor Beginn der Demenz
Spät im Verlauf, gelegentlich
Asymmetrisch, häufig
„Lower body Parkinsonism“, in den Beinen als Starthemmungen, motorische Blockaden „freezing of gait“
Asymmetrisch zu Beginn
Ruhetremor
Selten
Gelegentlich Myoklonus
Selten
Selten
Gelegentlich
Selten
Häufig, asymmetrisch
Dystonie/Rigor
Axial (Nacken/Rumpf) stärker ausgeprägt als an den Extremitäten
Gehört zu den diagnostischen Kriterien, meist am Arm zusammen mit „Alien-limb-Gefühl“
In leichter Form häufig vor Beginn der Demenz
Spät im Verlauf, häufig, schwer von Paratonie zu unterscheiden, terminal Flexionsparaplegie
Häufig, gelegentlich mit Pyramidenbahn- und/oder zerebellären Zeichen
Eher Pyramidenbahnzeichen an den Beinen
An Extremitäten stärker ausgeprägt als axial
Stürze und/oder gestörte posturale Reflexe
„Zug-Test“
Früh im Verlauf
Häufig im späteren Verlauf
Häufig, gehört zu den diagnostischen Kriterien
Spät im Verlauf, gelegentlich
Häufig
Häufig
Erst spät im Verlauf
Gang
Unsicher, Starthemmungen
Bizarr, Starthemmungen
Kleinschrittig
Unspezifisch
Kleinschrittig
Breitbasig, Starthemmungen, Magnetgang
Kleinschrittig
Rumpfhaltung beim Gehen
Aufrecht
Aufrecht, gelegentlich bizarr
Gebunden
Unspezifisch
Gebunden
Aufrecht
Gebunden
Armmitschwingen
Schwingt beim Gehen mit
Durch Armdystonie reduziert
Reduziert
Unspezifisch
Früh gestört
Schwingt, „rudert“ mit den Armen
Früh asymmetrisch gestört
Gesichtsausdruck
Erstaunt, Augen weit geöffnet, Hypomimie, Stirnfalten, hochgezogene Augenbrauen
Häufig kaum beeinträchtigt
Hypomimie bis Amimie
Häufig kaum beeinträchtigt
Hypomimie bis Amimie
Nicht beeinträchtigt
Hypomimie bis Amimie
L-Dopa-Effekt
Nicht oder kaum (10 %)
Nicht
Gelegentlich positiv auf Motorik
Gelegentlich positiv auf Motorik
Häufig zu Beginn
Minimal, wenn überhaupt
Gut
Dopaminergika-induzierte Dyskinesien
Induktion von Dystonien wie Blepharospasmus
Nicht beschrieben
Nicht beschrieben
Nicht beschrieben
Atypische Dyskinesien, häufig, z. B. im Gesicht
Dopa meist wirkungslos
Häufig, > 50 % nach 5 Jahren L-Dopa
Neuropsychologische Veränderungen
Früh, Prototyp der „subkortikalen“ Demenz
Früh, Apraxie, „alien limb“
Früh, spontane visuelle Halluzinationen und Demenz
„Kortikale Demenz“
Spät
Spät, „subkortikale Demenz“
Spät
Zusatzuntersuchungen
Das EEG ist bei den meisten Patienten normal. Im Elektronystagmogramm können subklinische Auffälligkeiten der Okulomotorik dargestellt werden: Störungen der vertikalen Augenbewegungen mit Sakkadenverlangsamung, die sich zunächst nach oben ausgeprägter als nach unten darstellen, sowie eine Störung der raschen Phasen des optokinetischen und vestibulären Nystagmus.
In der kranialen Bildgebung zeigt sich eine Vergrößerung des 3. Ventrikels mit Erweiterung der Cisterna interpeduncularis und der Cisterna magna bei Mittelhirnatrophie (Abb. 1). Das Kleinhirn ist in der Regel nicht atrophiert. Eher findet sich eine leichtgradige kortikale Atrophie mit frontotemporaler Betonung.
Therapie
Dopaminergika erzielen bei der klassischen PSP-Form nur bei etwa 10 % der Patienten zu Beginn des Verlaufs eine bescheidene und kurz anhaltende Besserung. Bei einem Therapieversuch mit L-Dopa (langsam aufsteigend bis 1000 mg/Tag) muss darauf geachtet werden, dass der motorische Zustand nicht iatrogen verschlechtert wird: Einige Patienten entwickeln schmerzhafte Dystonien, die nach Absetzen der Medikamente wieder sistieren (Barclay und Lang 1997). Darüber hinaus wird ein Versuch mit Amantadin und niedrig dosiertem Amitriptylin empfohlen, wenn auch keine guten Studien zu diesen Substanzen vorliegen.
Dopaminagonisten und Cholinesterasehemmer sind nicht hilfreich (Litvan et al. 2001).
Botulinumtoxin kann bei fokalen Dystonien im Rahmen der PSP versucht werden (bei Blepharospasmus, prätarsale Injektionen!). Im Endstadium kann im Rahmen eines palliativen Settings wegen der Dysphagie eine perkutane Gastrostomie erwogen werden. Aktivierende Therapien, insbesondere die Sturzprophylaxe mit entsprechender Hilfsmittelversorgung durch z. B. Hüftprotektoren bis hin zum Tragen von Helmen wie bei Anfallspatienten, sowie die Beratung durch Sozialdienste haben eine besondere Bedeutung in der Betreuung dieser Patienten.

Kortikobasale Degeneration (CBD)

Definition
Der Terminus kortikobasale Degeneration (CBD) oder kortikobasalganglionäre Degeneration wurde Ende der 1960er geprägt. Damals wurde eine langsam progrediente Krankheit mit dem neuropathologischen Zeichen einer kortikodentatonigralen Degeneration mit neuronaler Achromasie bei drei Patienten beschrieben. Viele der Patienten werden initial als Parkinson-Patienten fehldiagnostiziert. Im weiteren Verlauf entwickelt sich jedoch ein durchaus charakteristisches akinetisch-rigides Syndrom mit zusätzlichen kortikalen Zeichen wie z. B. einer Apraxie. Die zugrunde liegende Pathologie ist nicht einheitlich, deswegen ist es günstiger, von einem kortikobasalen Syndrom zu sprechen. Die CBD wird neuropathologisch unter die Gruppe der frontotemporalen Demenzen subsumiert zusammen mit Morbus Pick, der primären progressiven Aphasie und der primären Lateralsklerose. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass klinisch gesehen Überlappungen dieser Syndrome häufig sind (Hodges et al. 2004).
Häufigkeit und Vorkommen
Epidemiologische Untersuchungen zur Häufigkeit der CBD wurden bisher nicht durchgeführt. Wahrscheinlich wird die Krankheit zu selten diagnostiziert und das Syndrom fälschlicherweise als PSP, IPS oder als ein anderes neurodegeneratives bzw. demenzielles Syndrom verkannt.
Pathologie
Histologisch zeigt sich ein Verlust von Nervenzellen und eine Gliose im Kortex und in den Basalganglien. Allerdings werden geschwollene achromatische Neurone oder ein Neuronenverlust auch im lateralen Thalamus, in Mittelhirnkernen und im Nucleus caudatus beschrieben. Die Neurone insbesondere im frontoparietalen Kortex erscheinen ödematös, aufgebläht und achromatisch. In Regionen mit ausgeprägtem Neuronenverlust kommt es zu einer Desorganisation des laminären Musters im Kortex, und im Marklager sind geschwollene und demyelinisierte Axone mit einer spongiformen Veränderung des Neuropils nachweisbar. Lewy- (Kap. „Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS)“) und Oligodendroglia-Einschlusskörperchen (Kap. „Multiple Systematrophie“) sowie Antikörper gegen gliales fibrilläres saures Protein (GFAP) und Tau (Kap. „Alzheimer-Demenz und andere degenerative Demenzen“) fehlen.
Klinik
Die Krankheit beginnt um das 60. Lebensjahr schleichend und bei über zwei Dritteln der Patienten ähnlich wie ein IPS mit einer ausgeprägten Seitenasymmetrie der hypokinetischen Symptomatik. Ein asymmetrischer Halte- und Aktionstremor (unregelmäßiger als beim IPS) bzw. Myoklonien eines Armes können schon im Anfangsstadium vorkommen. Durch taktile Reize kann ein sog. stimulussensitiver Myoklonus an den Extremitäten ausgelöst werden. Kleinschrittigkeit, Starthemmung, Wendeschwierigkeiten und ausgeprägte Schwellenphänomene treten häufig frühzeitig im Verlauf der Erkrankung auf. Sensorische Symptome wie Astereognosie, gestörte Zweipunktediskrimination und Graphhypästhesie gehören ebenfalls zur Anfangssymptomatik, fallen aber nur bei genauer Untersuchung auf. Die akinetisch-rigiden Symptome schreiten bei CBD im Vergleich zum IPS schneller fort: Die Haltungsanomalie der Hand geht über die typische „Pillendreherform“ beim IPS hinaus und wird zu einer zunehmend fixierten, häufig schmerzhaften Beugedystonie. Parallel oder zeitlich dieser Dystonie voraus entwickelt sich 1–3 Jahre nach Symptombeginn das charakteristische, aber nicht bei allen Patienten eruierbare Gefühl, eine Ich-fremde Gliedmaße zu besitzen („Alien-limb-Phänomen“) als Zeichen einer kortikalen Dysfunktion. Weitere sensorische Störungen, eine ideomotorische, orobukkofaziale und/oder okuläre Apraxie, eine Aphasie (Dysphasie) sowie Störungen des Gedächtnisses, wie sie bei anderen Syndromen mit fokaler kortikaler Atrophie (Pick-Syndrom, primäre progressive Aphasie, Alzheimer-Demenz) vorkommen, können ebenfalls auftreten.
Diagnostische Kriterien der kortikobasalen Degeneration
  • Diagnostische Kriterien: mindestens drei der folgenden
    • Bradykinese und Rigor
    • „Alien-hand/limb-Phänomen“
    • Ideomotorische Apraxie
    • Fokale Dystonie einer Extremität (meist distal betont)
    • Supranukleäre Blickparese
  • Weitere Zeichen
    • Andere Zeichen kortikaler Dysfunktion neben der ideomotorischen Apraxie orobukkolingual, okulomotorisch; kortikale sensomotorische Störung – Astereognosie, verringerte Graphästhesie, gestörte Zweipunktediskrimination
    • Sprechapraxie mit paraphasischen Störungen
    • Pyramidenbahnzeichen
    • Aktions-/Haltetremor: Schnell, unregelmäßig mit Übergängen zum Myoklonus
    • Stimulussensitiver Myoklonus
    • Supranukleäre Blickparese/gestörte Willkürsakkaden
    • Primitivschablonen: Palmomentalreflex, Greifreflex, Schnauzphänomen
Diskrete Paresen bei Pyramidenbahnbeteiligung, die Dystonie und die Akinese komplizieren bei der CBD im weiteren Verlauf das Erkennen einer Apraxie.
Okulomotorikstörungen sind bei der CBD häufig. Die Patienten verlieren die Fähigkeit, schnelle Sakkaden auf verbale Aufforderung durchzuführen (okulomotorische Apraxie). Nach 3–5 Jahren erreichen die meisten Patienten das Stadium der Pflegebedürftigkeit. Häufig ist eine Dysphagie mit Gefahr der Aspiration. Die Patienten sterben 5–10 Jahre nach Symptombeginn, meistens an Aspirationspneumonie oder Sepsis.
Diagnostik
Differenzialdiagnostisch müssen Krankheiten mit Parkinson-Symptomatik und langsam progredienten kortikalen Dysfunktionen (Apraxie, Aphasie, sensorische Diskriminationsstörungen) in Betracht gezogen werden. Im Frühstadium hilft das Ausbleiben einer Motorikbesserung nach Dopa in ausreichender Testdosierung (800 mg/Tag), um die CBD von einem IPS zu differenzieren.
Zusatzuntersuchungen
Im MRT lässt sich schon häufig im Anfangsstadium eine fokale frontoparietale kortikale asymmetrische Atrophie kontralateral zur initial betroffenen oberen Extremität nachweisen (Abb. 2). Die lateralen Ventrikel sind erweitert. Das Volumen der zerebralen weißen Substanz, des Corpus callosum und der Pedunculi cerebri kann atrophiert sein.
Das EEG ist im Frühstadium meistens normal; asymmetrische, im Spätstadium auch bilaterale Allgemeinveränderungen können jedoch nachweisbar sein. Die somatosensorisch evozierten Potenziale weisen häufig eine verkleinerte Amplitude bei normaler oder verzögerter Latenz auf.
Therapie
Eine gesicherte Therapie für die CBD ist nicht bekannt. Amantadine oder Baclofen können versucht werden, Botulinumtoxin kann einen palliativen Effekt auf die schmerzhaften Dystonien an den Extremitäten haben und die Pflege erleichtern. Die Versorgung des Patienten mit einer funktionsorientierten Physio-/Ergotherapie, Beratung durch Sozialdienste (häusliche Hilfen etc.) und ggf. Logopädie ist bei dieser Diagnose wesentlich.

Lewy-Body-Demenz und weitere Parkinson-Plus-Syndrome

Neben der MSA, der PSP und der CBD finden sich noch weitere Krankheiten mit Parkinson-Syndrom und zusätzlicher neurologischer Symptomatik (Parkinson-Plus-Syndrome) (s. Übersicht).
Während bei der MSA eine demenzielle Entwicklung erst spät im Verlauf augenfällig wird, ergeben sich in der Regel bei den anderen Parkinson-Plus-Syndromen frühzeitig Hinweise auf eine subkortikale bzw. kortikale Demenz. Der Normaldruckhydrozephalus (Kap. „Liquorzirkulationsstörungen“) und die subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE) (Kap. „Vaskulär bedingte Demenz“) weisen eine Gangstörung (Parkinson-Syndrom der unteren Körperhälfte) als Leitsymptom auf, die durch eher breitbasige Schritte mit Starthemmung (Magnetgang) und gelegentlichem „Rudern“ der Arme bei fehlender Akinese der oberen Extremitäten gekennzeichnet ist.
Ein häufiges demenzielles Syndrom im Alter mit Parkinson-Zeichen stellt die Lewy-Body-Demenz dar (Synonyme Alzheimer-Demenz mit Parkinson, Demenz mit kortikalen Lewy-Körpern, diffuse Lewy-Körper-Erkrankung). Zwischen der Lewy-Body- und der Alzheimer-Demenz sowie zur vaskulären Demenz gibt es fließende Übergänge und Mischformen. Während bei der Alzheimer-Demenz Parkinson-Zeichen nur in fortgeschrittenen Stadien auftreten, gehören bei der Lewy-Body-Demenz Parkinson-Zeichen früh im Verlauf zu den diagnostischen Kriterien.
Eine klare Trennung zwischen IPS und Lewy-Körper-Demenz wird aber in den 2015 veröffentlichten klinischen Diagnosekriterien (Walker et al. 2015) zugunsten des Postulats eines Kontinuums aufgegeben, das unter dem Oberbegriff Lewy-Körper-Erkrankungen drei IPS-Varianten subsumiert: 1. das IPS ohne, 2. mit später und 3. mit früher Demenz, d. h. bereits im ersten Jahr des Auftretens motorischer Symptome.
Parkinson-Plus-Syndrome
a.
Bei neurodegenerativen Erkrankungen
  • Parkinson-Syndrome bei Multisystematrophien (MSA, ca. 20 %)
  • Progressive supranukleäre Blicklähmung (PSP)
  • Parkinson-Syndrom bei seniler Demenz vom Alzheimer-Typ
  • Lewy-Body-Demenz
  • Kortikobasale Degeneration
  • Parkinsonismus-Demenz-ALS-Komplex
  • Familiäres rasch progredientes Parkinson-Dystonie-Syndrom
  • Huntington-Krankheit (Westphal-Variante)
  • Hallervorden-Spatz-Krankheit
  • Neuroakanthozytose
  • Machado-Joseph-Krankheit
 
b.
Sekundäre
  • Basalganglienläsionen bei
    • Stammganglieninfarkten, -blutungen
    • entzündlichen Affektionen (MS, SLE)
    • Zustand nach infektiösen Prozessen (z. B. postenzephalitisch)
    • Raumforderungen
    • Wilson-Krankheit
 
Parkinson-Zeichen bei der Alzheimer-Krankheit sind mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet (Lopez et al. 1997). Bei der Lewy-Körper-Demenz (mit 15 % zweithäufigste Demenzursache im Alter) besteht eine ausgeprägte Empfindlichkeit, auf die Gabe von Neuroleptika extrapyramidale Störungen zu entwickeln, weshalb derartige Präparate vermieden werden sollten.
Die in diesem Kapitel behandelten Krankheiten treten fast ausschließlich im höheren Erwachsenenalter auf. Parkinson-Syndrome mit zusätzlicher neurologischer Symptomatik sind bei jungen Patienten selten. Meist kommt es bei Stoffwechselstörungen und frühen Systemdegenerationen im jungen Erwachsenenalter zu Dystonien und anderen hyperkinetischen Bewegungsmustern. Ein Morbus Wilson jenseits des 50. Lebensjahres ist äußerst unwahrscheinlich. Allerdings äußert sich die neurologische Symptomatik dieser Kupferstoffwechselstörung beim späten Beginn typischerweise mit einem Parkinson-Plus-Syndrom neben neuropsychiatrischen Veränderungen. Ferner ist an die Westphal-Variante der Huntington-Krankheit und an die Pantothenat-Kinase-2(PANK2)-assoziierte Neurodegenerationen bei jüngeren Patienten mit einem Parkinson-Plus-Syndrom zu denken. Die akinetisch-rigide Verlaufsform der Huntington-Krankheit lässt sich durch einen direkten Gentest ausschließen. Die PANK2-assoziierte Neurodegenerationen (NBIA-Syndrome: „neurodegeneration with brain iron accumulation“ = Nervendegeneration mit Ansammlung von Eisen im Gehirn, auch neuroaxonale Dystrophie und vormals Hallervorden-Spatz genannt) zeigt im T2-gewichteten MRT hyperintense symmetrische Veränderungen im Globus pallidus. Ferner kommt ein Parkinson-Syndrom mit Demenz bei den nichtklassischen Varianten der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit vor. Hier lassen sich die ansonsten typischen EEG-Auffälligkeiten und Myoklonien der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit nicht nachweisen. Als ein meist mit Ataxie einhergehendes behandelbares Demenz-Parkinson-Syndrom ist der Morbus Whipple zu nennen. PSP-ähnliche Verläufe (supranukläre Blicklähmung) bei Patienten unter 50 finden sind bei einer lysosomalen Speichererkrankung, der adulten Form der Niemann-Sacks Typ C, bei der mit Miglustat eine Behandlung zur Verfügung steht.
Klinische Charakteristika und diagnostische Kriterien der Lewy-Körperchen-(Body-)Demenz (LBD) (frei übersetzt nach McKeith et al. 2005)
1.
Kardinalsymptome (Voraussetzung für die Diagnose einer möglichen oder wahrscheinlichen LBD)
  • Diese wird als ein derartig einschneidender progredienter Verlust kognitiver Fähigkeiten verstanden, dass eine Störung normaler sozialer und/oder beruflicher Funktionen angenommen werden muss
  • Ausgeprägte oder persistierende Gedächtnisstörungen müssen nicht notwendigerweise in den frühen Stadien vorkommen, werden aber bei Progression regelhaft offensichtlich
  • Defizite bei Prüfung von Aufmerksamkeit, exekutiven Funktionen und visuell-räumlichen Fähigkeiten
    Diese können typischerweise besonders auffällig sein
 
2.
Kernsymptome (zwei sind ausreichend für die Diagnose einer wahrscheinlichen LBD, eine für eine mögliche LBD)
  • Fluktuierende Kognition mit ausgeprägten Schwankungen in Aufmerksamkeit und Vigilanz
  • Wiederkehrende visuelle Halluzinationen, die typischerweise ausgeprägt plastisch und detailliert sind
  • Spontane Symptome eines Parkinson-Syndroms
 
3.
Hinweisende Symptome (Wenn eine oder mehrere dieser vorhanden sind, kann – vorausgesetzt, es finden sich ein oder mehrere Kernsymptome – die Diagnose einer wahrscheinlichen LBD ausgesprochen werden. In Ermangelung von Kernsymptomen sind ein oder mehrere hinweisende Symptome ausreichend für eine mögliche LBD. Eine wahrscheinliche LBD sollte nicht aufgrund von hinweisenden Charakteristiken allein diagnostiziert werden
  • REM-Schlafverhaltensstörung
  • Ausgesprochene neuroleptische Sensitivität
  • Niedriger Dopamintransporter-Uptake in den Basalganglien im SPECT oder PET
 
4.
Die Diagnose unterstützende Symptome (häufig präsent, aber ihre diagnostische Spezifität ist nicht bewiesen)
  • Häufige Stürze und Synkopen
  • Vorübergehender, unerklärter Bewusstseinsverlust
  • Ausgeprägte autonome Dysfunktion (z. B. orthostatische Hypotension und Harninkontinenz)
  • Halluzinationen in anderen Sinnesmodalitäten
  • Systematisierte Wahnvorstellungen
  • Depression
  • Relative, wenig betroffene mediale Temporallappenstrukturen im cCT/MRT
  • Generalisierter erniedrigter Uptake im SPECT/PET-Perfusions-Scan mit reduzierter okzipitaler Aktivität
  • Abnormale (erniedrigte Uptakes) in MIBG-Myokardszintigrafie
  • Ausgeprägte, langsame Wellenaktivität im EEG mit transienten scharfen Wellen im Temporallappen
 
5.
Eine Diagnose der LBD ist unwahrscheinlich
  • Bei Vorhandensein von fokalneurologischen Zeichen oder Hinweisen in der strukturellen Hirnbildgebung auf relevante zerebrovaskuläre Störungen
  • Bei Vorhandensein einer anderen organischen Erkrankung oder Hirnstörung, ausreichend, um das klinische Syndrom zu erklären
  • Wenn das Parkinson-Syndrom zum ersten Mal zu einem Zeitpunkt von schon schwerster Demenz auftritt
 
6.
Zeitliche Sequenz der Symptome
Eine LBD sollte diagnostiziert werden, wenn die Demenz vor oder zeitgleich mit dem Parkinson-Syndrom (falls dieses vorhanden ist) auftritt. Der Begriff Demenz bei idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPS) oder Parkinson-Demenz (Parkinson’s disease dementia = PDD) sollte nur für die Demenz verwendet werden, die im Verlauf eines klinisch erwiesenermaßen vorhandenen idiopathischen Parkinson-Syndroms auftritt (Kap. „Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS)“). Für klinische Situationen sollte der Begriff gewählt werden, der für die klinische Situation am geeignetsten ist. Lewy-Body-Erkrankung als übergeordneter Begriff für IPS und LBD ist hier hilfreich. In wissenschaftlichen Studien, in denen eine Differenzierung zwischen Lewy-Body-Demenz und Demenz bei IPS erwünscht ist, wird die bestehende 1-Jahres-Regel weiterhin empfohlen (bei einem IPS sollte das Parkinson-Syndrom ein Jahr vor der demenziellen Symptomatik begonnen haben). Das Verwenden von anderen zeitlichen Latenzen würde zu Verwirrung bei Datenpools und Vergleichen zwischen Studien führen. Bei anderen wissenschaftlichen Fragestellungen wie in klinisch-pathologischen und klinischen Studien können beide klinische Phänotypen zusammen unter einer Kategorie wie Lewy-Body-Erkrankung oder α-Synukleinopathie gebraucht werden.
 

Facharztfragen

1.
Was verstehen wir unter Parkinson-Plus-Syndromen?
 
2.
Inwieweit unterscheidet sich das therapeutische Vorgehen bei Parkinson-Plus-Syndromen und dem idiopathischen Parkinson-Syndrom?
 
3.
Nennen Sie die diagnostischen Kriterien der PSP.
 
4.
Welche Varianten der PSP gibt es?
 
Literatur
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