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Pädiatrie
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Publiziert am: 08.01.2019

Harnwegsinfektionen bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Rolf Beetz
Harnwegsinfektionen zählen zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im Säuglings- und Kleinkindesalter. Sie gehen mit dem potenziellen Risiko für persistierende Nierenparenchymschäden einher. Nicht zuletzt deswegen ist die rasche Diagnose einer Pyelonephritis durch die Untersuchung einer geeigneten Urinprobe und die zügige Einleitung einer kalkulierten antibakteriellen Therapie notwendig. Durch weiterführende bildgebende und funktionelle Diagnostik lassen sich Rezidiv- und Schädigungsrisiko bei konnatalen Harntraktanomalien und Blasenfunktionsstörungen einschätzen und einer gezielten Therapie oder Prophylaxe zuführen.
Definition
Eine Besiedlung des Harntrakts mit Keimen, die mit einer lokalen und/oder systemischen Entzündungsreaktion einhergeht, wird als Harnwegsinfektion bezeichnet. Von einer asymptomatischen Bakteriurie wird gesprochen, wenn eine bakterielle Besiedlung ohne lokale oder systemische Entzündungsreaktion vorliegt – definitionsgemäß besteht in diesem Falle keine Harnwegsinfektion.
Infektionen der Harnwege lassen sich nach Lokalisation, Symptomen und nach dem Vorliegen oder Fehlen komplizierender Faktoren einteilen (Tab. 1).
Tab. 1
Klassifikation von Harnwegsinfektionen
Nach Lokalisation
• Urethritis (z. B. Chlamydien, Mykoplasmen)
• Zystitis (entzündliche Blasenschleimhautreaktion)
Pyelonephritis (entzündliche Nierenparenchymreaktion)
Nach Symptomatik
• Asymptomatische Bakteriurie (isolierte Bakteriurie ohne Symptome)
• asymptomatische Harnwegsinfektion (Bakteriurie und Leukozyturie ohne Symptome)
• symptomatische Harnwegsinfektion (Symptome, Bakteriurie und Leukozyturie)
Nach Komplikationen
• Unkomplizierte Harnwegsinfektion (bei normalem Harntrakt, normaler Blasenfunktion, normaler Nierenfunktion, Immunkompetenz)
• komplizierte Harnwegsinfektion (bei Nierenfehlbildung, Harntraktfehlbildung, vesikorenalem Reflux, Harnabflussbehinderung, Harnwegskonkrementen, neuropathischer Blasenfunktionsstörung, Immundefizienz, Diabetes mellitus, Fremdkörpern [z. B. transurethraler Katheter], Niereninsuffizienz, Zustand nach Nierentransplantation)
Nach Abfolge
• Erste Harnwegsinfektion: die erste diagnostizierte Harnwegsinfektion
• Rezidiv bzw. Reinfektion: erneute Harnwegsinfektion mit einem von der Erstinfektion mindestens serotypisch unterschiedlichen Erreger
• Relaps: erneute Infektion mit dem serotypisch gleichen Erreger wie bei der vorangegangenen Harnwegsinfektion. Dies ist u. a. möglich a) bei einer inadäquat behandelten Harnwegsinfektion (z. B. bei resistentem Erreger, unzureichendem Medikamentenspiegel im Urin) und b) bei Wiederauftreten einer Harnwegsinfektion nach vorübergehender Urinsterilität (z. B. bei Harnwegskonkrementen oder Fremdkörpern mit Biofilmbildung, die als Nidus für erneutes Bakterienwachstum dienen)
• rezidivierende Harnwegsinfektionen: 2 oder mehr Episoden innerhalb von 6 Monaten und 3 oder mehr Episoden im zurückliegenden Jahr
Epidemiologie
Über 7 % aller Mädchen und 1,6 % aller Jungen erleiden bis zum Alter von 6 Jahren mindestens eine Harnwegsinfektion. Ihre erste symptomatische Harnwegsinfektion erleben mehr als die Hälfte dieser Kinder bereits in den ersten 3 Lebensjahren. Im ersten Lebenshalbjahr werden überwiegend Jungen von Harnwegsinfektionen betroffen, während in der weiteren Kindheit Mädchen 10- bis 20-fach häufiger als Jungen erkranken.
Mit einem Rezidiv muss bei einem Drittel 20–30 % der Kinder gerechnet werden.
Ätiologie und Pathogenese
Harnwegsinfektionen werden in der Regel durch uropathogene Bakterien aus dem Darmtrakt verursacht. Besondere Merkmale dieser Keime sind die Fähigkeit zur Besiedlung des Perineums und Präputiums, rasches Wachstum in Urin, Adhäsion an Uroepithelzellen und Aszension in den Harnwegen. In ca. 80 % der Fälle sind für die erste symptomatische Harnwegsinfektion uropathogene Stämme von Escherichia coli (E. coli) verantwortlich, ansonsten u. a. Enterobacteriaceae (Klebsiella, Enterobacter, Citrobacter, Proteus, Providencia, Morganella, Serratia und – selten – Salmonellen) sowie Pseudomonaden, Staphylokokken und Enterokokken. Pilzinfektionen der Harnwege (z.  B. durch Candida) und virale Infektionen (z.  B. durch Adenoviren) sind sehr selten.
Normalerweise stellt das Uroepithel eine immunologisch wirksame Barriere gegen die bakterielle Invasion dar. Durch die Interaktion bakterieller Membranstrukturen (u.  a. Lipopolysaccharide und „Pili“) mit uroepithelialen Rezeptoren (Toll-like-Rezeptoren und Glykolipidrezeptoren) wird eine intrazelluläre Signalkaskade ausgelöst, die zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren und u. a. über die Expression epithelialer Defensine zur Abtötung adhärenter Keime führt. Störungen dieser Prozesse scheinen die Infektionsanfälligkeit zu erhöhen. Aber auch Blasenfunktionsstörungen (z.  B. mit Restharnbildung) begünstigen rezidivierende Harnwegsinfektionen.
Im Anschluss an eine Pyelonephritis lassen sich bei ca. 10–40 % der Patienten Nierenparenchymschäden im Dimercaptosuccinylsäure-Scan (DMSA-Scan, Di-mercapto-succinyl-acid-Scan) nachweisen. Für die Entstehung entzündlicher Parenchymdefekte ist die Infiltration durch polymorphkernige Leukozyten, die toxische Metabolite freisetzen, von zentraler pathogenetischer Bedeutung. Zu den Risikofaktoren für pyelonephritische Parenchymschäden zählen insbesondere die Verzögerung einer adäquaten antibakteriellen Therapie, geringes Alter und ein dilatierender vesikorenaler Reflux. In vielen Fällen entstehen Nierennarben auch unabhängig vom Vorliegen eines vesikoureteralen Refluxes.
Klinische Symptome
Die klinischen Symptome variieren mit dem Alter.
Neugeborene
Beim Neugeborenen können Trinkschwäche, grau-blasses Hautkolorit, Ikterus und Berührungsempfindlichkeit Symptome einer Pyelonephritis oder einer beginnenden Urosepsis sein.
Säuglinge
Säuglinge mit Harnwegsinfektionen fallen oft nur durch hohes Fieber auf. Durchfälle, Erbrechen oder meningitische Zeichen sind nicht selten und können anfangs zur Fehldiagnose verleiten. Es kann zu Salzverlust, Elektrolytentgleisungen und septischem Schock kommen.
Kleinkinder
Kleinkinder zeigen bei einer Zystitis oft eine Pollakisurie und neu einsetzendes Einnässen nach erreichter Harnkontinenz. Schmerzen oder „Brennen“ beim Wasserlassen und Unterbauchbeschwerden sind weitere Hinweise. Bei einer Pyelonephritis fehlen diese Symptome häufig. Die fiebernden Kinder geben stattdessen oft Bauchschmerzen an; lokalisierte Flankenschmerzen können Kinder meist erst nach dem 4.–5. Lebensjahr äußern.
Ältere Kinder
Ältere Kinder mit Zystitis leiden insbesondere unter Pollakisurie, imperativem Harndrang, Unterbauchschmerzen und gegebenenfalls Dranginkontinenz. Bei einer Pyelonephritis bestehen in der Regel ein- oder beidseitige Flankenschmerzen und Fieber über 38,5 °C.
Diagnose
Entscheidend für die Diagnose ist der Urinbefund. Bei Kindern mit bereits vorhandener Blasenkontrolle kann Mittelstrahlurin gewonnen werden. Bei Säuglingen und Kindern mit (noch) nicht vorhandener Blasenkontrolle gibt es prinzipiell vier verschiedene Möglichkeiten, um Urin zu gewinnen (Tab. 2).
Tab. 2
Möglichkeiten zur Uringewinnung
Methode
Durchführung
Bemerkungen
Mittelstrahlurin
Der Urinbecher wird nach Verwerfen der initialen Urinportion kurz in den Harnstrahl gehalten
Bei Kindern mit vorhandener Blasenkontrolle das bevorzugte Verfahren zur Uringewinnung
Urinbeutel
Nach gründlicher Reinigung mit klarem Wasser und Abtrocknen des Genitals wird ein selbstklebender Urinbeutel befestigt und die spontane Miktion abgewartet
Für die mikrobiologische Urinkultur eignet sich der „Beutelurin“ wegen der sehr häufigen Kontaminationen und falsch-positiven Befunde nicht
„Clean-catch-Urin“
Um frischen Blasenurin aufzufangen, wird das Kind von einem Elternteil bzw. von einem Mitglied des Pflegeteams mit entblößtem Genitale auf dem Schoß gehalten, nach größerer Trinkmenge die spontane Miktion abgewartet und der Urin mit einem sterilen Gefäß aufgefangen
Die Kontaminationsrate ist vergleichsweise gering und ähnelt der beim Mittelstrahlurin. Die Methode ist allerdings sehr aufwändig
Transurethraler Einmalkatheterismus
Bei Frühgeborenen kann eine Magensonde, bei Neugeborenen und älteren Säuglingen ein 6-Charr-Einmalkatheter verwendet werden. In der Klinik sind dabei sterile Bedingungen unabdingbar
Vor allem bei weiblichen Säuglingen und Kleinkindern eine mögliche Alternative zur suprapubischen Blasenpunktion
Suprapubische Blasenpunktion
Nach sonografischer Prüfung der Blasenfüllung und gründlicher Hautdesinfektion wird ca. 1 cm oberhalb des Schambeins punktiert und die Urinprobe in einer 2- bis 5-ml-Spritze gewonnen
Geeignetes Verfahren zur sterilen Uringewinnung, insbesondere bei männlichen Säuglingen und Kleinkindern
Vorgehen zur Uringewinnung im Säuglings- und Kleinkindalter
Für die Interpretation mikrobiologischer Kulturergebnisse ist die Art der Uringewinnung von besonderer Bedeutung. Bei Säuglingen und Kleinkindern wird in den aktuellen Leitlinien der American Academy of Pediatrics (AAP) die suprapubische Blasenpunktion insbesondere dann empfohlen, wenn die Einleitung einer antibakteriellen Therapie aus klinischen Gründen dringlich erscheint (z. B. bei septischem Krankheitsbild). In den übrigen Fällen kann zunächst die Gewinnung eines Beutelurins zur Mikroskopie und Teststreifenuntersuchung erfolgen. Ergeben sich daraus Hinweise für eine Pyelonephritis, wird zur Uringewinnung für die mikrobiologische Untersuchung die suprapubische Blasenpunktion oder der transurethrale Katheterismus empfohlen, bevor die kalkulierte antibakterielle Therapie eingeleitet wird (Abb. 1).
Urinuntersuchung mittels Teststreifen
Mittels Teststreifen können die Leukozytenzahl und Nitrit gemessen werden.
Leukozyten-Esterase-Reaktion
Die Leukozyten-Esterase-Reaktion dient zur semiquantitaiven Bestimmung der Leukozytenzahl. Eine Leukozyturie macht eine Harnwegsinfektion wahrscheinlich, hat aber als isolierte Untersuchung eine relativ geringe Spezifität.
Nitritprobe
Die Nitritprobe erfasst die Fähigkeit der meisten uropathogenen Keime, Nitrat zu Nitrit zu reduzieren. Dieser Prozess benötigt Zeit, sodass die Testempfindlichkeit vor allem bei Säuglingen wegen ihrer häufigen Miktionen gering ist. Bei Mädchen jenseits des Kleinkindalters liegt die Wahrscheinlichkeit einer Harnwegsinfektion bei positivem Nitrittest bei mehr als 98 %, sodass ein positiver Test zusammen mit einer Leukozyturie eine Harnwegsinfektion nahelegt.
Urinuntersuchung im Mikroskop
Die Untersuchung erfolgt in frischem Nativurin in einer Zählkammer (z. B. Fuchs-Rosenthal-Zählkammer).
Bakteriologische Diagnostik
Die sog. signifikante Keimzahl bei sauber gewonnenem Mittelstrahlurin liegt bei ≥ 100.000/ml. Es werden jedoch auch geringere Keimzahlen im Mittelstrahlurin bei Patienten mit Symptomen einer Harnwegsinfektion gefunden, die durch Blasenpunktion bewiesen ist. Zeichen für eine Kontamination der Urinprobe sind niedrige Keimzahlen, Mischkulturen, unterschiedliche Keime in seriellen Proben oder Keime, die gewöhnlich nicht bei Harnwegsinfektionen gefunden werden.
Höhenlokalisation der Harnwegsinfektion
Eine Unterscheidung zwischen Pyelonephritis und Zystitis allein aufgrund der klinischen Symptomatik ist schwierig. Für die alltägliche Praxis lässt sich dafür die Beurteilung von Leukozytenzahl, Differenzialblutbild, C-reaktivem Protein (CRP) zusammen und der Sonografie hinzuziehen. Einer der sensitivsten prädiktiven Parameter für die Diagnose einer Pyelonephritis ist das Serum-Prokalzitonin.
Weiterführende bildgebende Diagnostik
Mögliche weiterführende Diagnostik umfasst Sonografie, Refluxdiagnostik und DMSA-Scans.
Sonografische Diagnostik
Vor allem bei fieberhafter Harnwegsinfektion im Säuglingsalter erfolgt die Sonografie so früh wie möglich, um konnatale Uropathien oder eine Urolithiasis nicht zu übersehen.
Refluxdiagnostik
Etwa 30 % aller Säuglinge und jungen Kinder mit symptomatischen Harnwegsinfektionen weisen einen vesikoureteralen Reflux auf. Er erhöht die Wahrscheinlichkeit einer pyelonephritischen Narbenbildung. Zur Refluxprüfung stehen neben dem konventionellen radiologischen Miktionszysturethrogramm (MCU) die kontrastmittelunterstützte Miktionsurosonografie (MUS) sowie die direkte und die indirekte Radionuklidzystografie zur Verfügung. Im Säuglings- und Kleinkindalter empfehlen aktuelle Leitlinien ein MCU bei Pyelonephritisrezidiv oder nach erster Pyelonephritis dann, wenn sonografisch auffällige Befunde oder ein atypischer Verlauf der Harnwegsinfektion vorliegen.
Diagnose von Nierenparenchymschäden
Der DMSA-Scan ist ein statisches nuklearmedizinisches Untersuchungsverfahren, mit dem akute oder chronische Perfusions- und Funktionsausfälle im Nierenparenchym diagnostiziert werden können. Er gilt heute als Goldstandard zur Diagnose einer Pyelonephritis, insbesondere im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Fragestellungen. Wird die Untersuchung innerhalb der ersten Monate nach einer Pyelonephritis durchgeführt, so sind reversible, passagere Perfusionsstörungen nicht von bleibenden Defekten zu unterscheiden. Erst mehrere Monate nach einer Pyelonephritis ist eine sichere Aussage über das Vorhandensein irreversibler Parenchymnarben (Einziehungen der Außenkontur) möglich. Die MR-Urografie (Magnetresonanz-Urografie) stellt aus Gründen der Verfügbarkeit und ihres technischen Aufwandes noch keine echte Konkurrenz zum DMSA-Scan dar.
Weiterführende Funktionsdiagnostik
Bei anamnestischen und klinischen Hinweisen für eine Blasenentleerungsstörung (Harninkontinenz, auffälliges Miktionsverhalten, Restharn, sonografisch verdickte Blasenwand) bringen Uroflowmetrie und Beckenboden-EMG als orientierende, nichtinvasive Methoden weitere Klärung.
Therapie
Bei der Therapie müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden:
Kriterien zur Auswahl des Antibiotikums
Meist erfordert die symptomatische Harnwegsinfektion eine kalkulierte antibakterielle Therapie, bevor der Erreger bekannt ist und das Ergebnis der Resistenztestung vorliegt. Vor Einleitung der Therapie sollte eine Urinkultur angelegt werden, um gegebenenfalls die Therapie entsprechend dem Kultur- und Resistenzergebnis später modifizieren zu können. Die Wahl der Therapiestrategie richtet sich u. a. nach dem Alter des Kindes und nach der Schwere der Harnwegsinfektion (Tab. 3). Für die erste Harnwegsinfektion sind in ca. 80 % der Fälle uropathogene E.-coli-Keime verantwortlich. Bei Säuglingen finden sich jedoch häufiger als in der späteren Kindheit Non-E.-coli-Bakterien, z. B. Enterokokken. Pseudomonas, Proteus oder andere, sonst seltener auftretende Keime sind bei Harnwegsanomalien oder Blasenfunktionsstörungen zu erwarten. Vor allem nach antibakterieller Vorbehandlung oder unter antiinfektöser Prophylaxe muss mit ESBL (extended spectrum betalactamase)-Bildnern bzw. MRGN (multiresistente gramnegative Bakterien) gerechnet werden.
Tab. 3
Möglichkeiten zur kalkulierten antibakteriellen Therapie einer Pyelonephritis in Abhängigkeit von Lebensalter und Schweregrad
Erkrankung
Therapievorschlag
Applikationsform
Gesamte Therpiedauer
Pyelonephritis in den ersten 3 Lebensmonaten
Aminoglycosid + Ampicillin oder Ceftazidim bzw. Cefotaxim + Ampicillin
Parenteral bis 2 Tage nach Entfieberung, dann orale Therapie nach Antibiogramm
10(–14) Tage
Unkomplizierte Pyelonephritis jenseits des frühen Säuglingsalters (> 3 Lebensmonate)
Cephalosporin Gruppe 3 oder Aminoglycosid + Ampicillin
Oral, gegebenenfalls initial parenteral;
parenteral, anschließend orale Therapie nach Antibiogramm
7–10 Tage
Komplizierte Pyelonephritis jenseits des frühen Säuglingsalters
Aminoglycosid + Ampicillin oder Piperacillin/Tazobactam oder Aminoglycosid + Ampicillin
Parenteral bis mindestens 2 Tage nach Entfieberung, dann orale Therapie nach Antibiogramm
10(–14) Tage
Neugeborene und Säuglinge
Bei Neugeborenen und jungen Säuglingen ist eine parenterale Behandlung mit Ampicillin in Kombination mit einem Aminoglykosid (Tobramycin, Gentamicin) oder mit einem Cephalosporin der Gruppe 3 üblich. Ein wichtiges Argument für Ampicillin in der Kombinationstherapie ist die „Enterokokkenlücke“ des Kombinationspartners, die durch Ampicillin geschlossen wird.
Unkomplizierte Pyelonephritis
Bei unkomplizierter Pyelonephritis jenseits des frühen Säuglingsalters kann nach sorgfältiger Abwägung die ambulante antibakterielle Behandlung mit einem Oralcephalosporin der Gruppe 3 oder Amoxycillin/Clavulansäure erfolgen, sofern eine gute Compliance eine ärztliche Therapieüberwachung gewährleistet ist.
Komplizierte Pyelonephritis
Bei komplizierten fieberhaften Harnwegsinfektionen muss häufiger mit Non-E.-coli-Keimen gerechnet werden. Im Falle einer hochgradigen Harntransportstörung und Pyonephrose kann unter Umständen eine perkutane Harnableitung (z .B. Nephrostomie) notwendig sein, um eine rasche Sanierung zu erreichen.
Zystitis
Bei Zystitis sind Trimethoprim oder Cotrimoxazol einsetzbar. In Regionen mit erhöhter Resistenzquote von E. coli gegen Trimethoprim (> 20 %) wird jedoch die kalkulierte Therapie mit einem Oralcephalosporin, Amoxycillin/Clavulansäure oder Nitrofurantoin empfohlen. Die Therapiedauer liegt bei 3(–5) Tagen.
Rezidivierende Zystitiden gehören zu den häufigsten Komorbiditäten bei Kindern mit Blasenfunktionsstörung und Harninkontinenz. Am häufigsten findet sich bei ihnen das Bild einer „überaktiven Blase“ (urodynamisch: Detrusorhyperaktivität), eine dyskoordinierte Miktion (urodynamisch: Detrusor-Sphinkter-externus-Dyskoordination) oder ein Miktionsaufschub. Für den dauerhaften Therapieerfolg ist die Behandlung dieser Blasenfunktionsstörungen essenziell.
Prophylaxe
Nach einer symptomatischen Harnwegsinfektion ist im Durchschnitt bei ca. 20–30 % der Kinder mit einem Rezidiv zu rechnen.
Antibakterielle Langzeitprophylaxe
Bei besonders hohem Rezidiv- und Schädigungsrisiko kann nach sorgfältiger Abwägung eine antibakterielle Langzeitinfektionsprophylaxe sinnvoll sein. Zu den Indikationen zählen häufig rezidivierende Pylonephritiden, ein stark dilatierender vesikorenale Reflux und schwere obstruktive Uropathien (z. B. Urethralklappen, hochgradige Megaureter). Nitrofurantoin und Trimethoprim sind Standardpräparate für die antibakterielle Infektionsprophylaxe bei Risikokindern.
Supportive prophylaktische Maßnahmen
Finden sich auch im infektionsfreien Intervall Zeichen einer Blasenfunktionsstörung, so ist ihre Behandlung mitentscheidend für die Verhinderung weiterer Rezidive. Nicht selten besteht eine Kombination von Harninkontinenz und Stuhlentleerungsstörung, die mit der Infektanfälligkeit assoziiert ist. Durch wirksame Regulation des Stuhlverhaltens kommt es nachweislich zu einer Verminderung der Infektionshäufigkeit.
Prognose
Viele Patientinnen leiden auch im Jugend- und Erwachsenenalter weiterhin unter Harnwegsinfektionen. Nach Pyelonephritiden können längerfristige, reversible Verzögerungen des Nierenwachstums beobachtet werden. Irreversibel sind segmentale Nierennarben, die sich nach akuter Pyelonephritis bei ca. 15 % der betroffenen Nieren nachweisen lassen. Sie gehen in Abhängigkeit vom Ausmaß des Nierenparenchymschadens mit einem erhöhten Risiko für eine renale arterielle Hypertonie einher. Eine Nierenfunktionseinschränkung ist lediglich bei ausgedehnten bilateralen (pyelonephritischen) Nierenparenchymdefekten zu erwarten.
Weiterführende Literatur
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