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DGIM Innere Medizin
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Verfasst von:
Andreas Link und Michael Böhm
Publiziert am: 28.01.2015

Akute Herzinsuffizienz

Die akute Herzinsuffizienz ist das plötzliche Auftreten von Symptomen einer Herzinsuffizienz bzw. deren Verschlechterung, die einer notfallmäßigen Therapie bedürfen. Zu den Symptomen gehören Ruhe- oder Belastungsdyspnoe, Volumenüberladung (pulmonalvenöse Stauung, periphere Ödeme), körperliche Erschöpfung, funktionelle oder strukturelle Störung des Herzens in Ruhe. Klinische Zeichen der Herzinsuffizienz sind Rasselgeräusche beim Lungenödem, das Auftreten eines 3. oder 4. Herztones, gefolgt von Jugularvenenstauung, Leberstauung, positivem hepatojugulären Reflux und peripheren Ödemen. Ein 12-Kanal-EKG gehört zur Basisdiagnostik, daneben sind klinische Untersuchung (Rasselgeräusche oder S3-Galopp), Echokardiographie, Röntgen-Thorax und Labor von Bedeutung. Je nach Symptomatik und Therapie benötigen die Patienten eine nicht invasive, invasive und/oder hämodynamische Überwachung. Die Behandlung beruht im Wesentlichen auf der ursachen- (koronare Reperfusion beim akuten Myokardinfarkt) und symptomorientierten Therapie. Die symptomorientierte Therapie besteht aus Sauerstoffgabe, Analgosedierung und hämodynamischer Stabilisierung (Diuretika, Vasodilatatoren, positiv inotrope Substanzen, Vasopressoren, mechanische Kreislaufunterstützungssysteme).

Definition

Das Syndrom Herzinsuffizienz beschreibt das Unvermögen des Herzens, eine adäquate Auswurfleistung (Herzminutenvolumen) zu erzeugen, um eine ausreichende Organdurchblutung zu gewährleisten.
Herzinsuffizienz ist ein Syndrom, das durch folgende Symptome charakterisiert ist:
  • Zeichen der Ruhe- oder Belastungsdyspnoe
  • Zeichen der Volumenüberladung (pulmonalvenöse Stauung, periphere Ödeme)
  • Zeichen der körperlichen Erschöpfung
  • Zeichen einer funktionellen oder strukturellen Störung des Herzens in Ruhe.
Die akute Herzinsuffizienz ist definiert als das plötzliche Auftreten von Symptomen einer Herzinsuffizienz bzw. deren Verschlechterung, die einer notfallmäßigen Therapie bedürfen. Es handelt sich um eine neu aufgetretene Herzinsuffizienz („acute heart failure“) oder um eine Verschlechterung einer bereits manifesten chronischen Herzinsuffizienz („acutely decompensated chronic heart failure“).

Systematik

Klinische Manifestationsformen (Dickstein et al. 2008):
  • Akutes Lungenödem: Klinische Zeichen sind Tachypnoe, Orthopnoe, feuchte Nebengeräusche über den Lungenarealen.
  • Hypertensive Herzinsuffizienz: Symptome der Linksherzinsuffizienz verbunden mit erhöhten systemarteriellen Blutdruckwerten und einer meist erhaltenen systolischen Pumpfunktion.
  • Kardiogener Schock: Symptome der Kreislaufzentralisation wie marmoriertes Hautkolorit, Kaltschweißigkeit, Oligurie/Anurie, kognitive Leistungs- oder Vigilanzminderung, systemarterielle systolische Blutdruckwerte <90 mmHg, Abfall des mittleren arteriellen Drucks um mehr als 30 mmHg. Ein normaler systemarterieller Blutdruck schließt einen kardiogenen Schock nicht aus. Im kardiogenen Schock kann der systemarterielle Blutdruck anfangs noch normal sein, da es trotz Abnahme der myokardialen Pumpfunktion und des Herzzeitvolumens durch die schockbedingte sympathische Gegenregulation zu einer peripheren Vasokonstriktion und einer Nachlaststeigerung kommt.
  • Akute dekompensierte Herzinsuffizienz: Symptome einer progredienten Verschlechterung einer bekannten chronischen Herzinsuffizienz unter fortgesetzter Herzinsuffizienztherapie.
  • Akutes Koronarsyndrom: 15 % aller Patienten mit akutem Koronarsyndrom haben Symptome einer akuten Herzinsuffizienz (akutes Lungenödem, kardiogener Schock).
  • Isolierte Rechtsherzinsuffizienz: Symptome der Jugularvenenstauung, Leberstauung und peripheren Ödeme bei fehlenden pulmonalvenösen Stauungszeichen.

Pathophysiologie

Der akuten Herzinsuffizienz liegt ein myokardiales Pumpversagen zugrunde, das in der Regel mit einer Abnahme der Auswurfleistung einhergeht und zu einer Minderperfusion der peripheren Organe (Vorwärtsversagen) oder zu einer Rückstauung in das proximal befindliche Kreislaufsystem führt (Rückwärtsversagen).
Die myokardiale Pumpfunktionsstörung kann sowohl die Systole als auch die Diastole betreffen. Bei der systolischen Herzinsuffizienz („heart failure with reduced ejection fraction“, HFrEF) kommt es infolge einer Kontraktionsstörung zu der verminderten Auswurfleistung, einem Anstieg des Ventrikelvolumens und des linksventrikulären enddiastolischen Drucks. Eine reine systolische Funktionsstörung ist sehr selten, da die Volumenüberladung häufig mit einer Dilatation und einer verminderten Dehnbarkeit (Compliance) der Ventrikel und mit einer Einzelzellendysfunktion mit Relaxationsstörungen assoziiert ist. Auch bei erhaltener systolischer Pumpfunkton und normalen Ventrikelgrößen kann es bei etwa einem Drittel der Patienten zu einer rein diastolischen Herzinsuffizienz („heart failure with preserved ejection fraction“, (HFpEF)) kommen. Dieser liegen eine verminderte frühdiastolische Erschlaffung (Relaxationsstörung) oder eine verminderte spätdiastolische Dehnbarkeit (Compliancestörung) der Ventrikel zugrunde.
Diesen veränderten Kontraktions-, Relaxations- und Complianceverhalten liegen folgende myokardiale Strukturänderungen ursächlich zugrunde:
  • Störung des myokardialen Kalziumstoffwechsels durch einen verminderten Abfall der diastolischen Kalziumkonzentration (Abb. 1)
  • Störung der Kraft-Frequenz-Beziehung (Bowditch-Effekt) durch strukturelle Veränderungen kontraktiler Proteine und Störung der Kalziumhomeostase
  • Störung der Kraft-Längen-Beziehung (Frank-Starling-Mechanismus) durch strukturelle Veränderungen kontraktiler Proteine und Störung der Kalziumhomeostase
Ferner kommt es zu Änderungen autonomer Regulationsmechnismen:
  • Empfindlichkeitsverlust der Barorezeptoren; daraus resultiert eine Zunahme der Sympathikus- und eine Abnahme der Parasympathikusaktivität.
  • Aktivierung des sympathischen Nervensystems; daraus resultieren β-Adrenozeptor-Desensibilisierung und „Down“-Regulation, Abnahme der β-Rezeptorendichte und verminderte inotrope Stimulierbarbeit.
  • Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems; daraus resultieren Konstriktion der glomerulären Vasa efferentia, verminderte Nierenperfusion, Hyperhydratation, Aldosteronfreisetzung, Natriumretention und eine weitere Hyperhydratation.
  • Aktivierung des kardialen Renin-Angiotensin-Systems; AT1-Rezeptoren bewirken am Herzen eine Noradrenalinfreisetzung, Vasokonstriktion, myokardiale Apoptose, Myokardfibrose und Hypertrophie.

Epidemiologie

Die Prävalenz der chronischen Herzinsuffizienz beträgt in der europäischen Bevölkerung zwischen 0,3 % und 2 % und steigt altersabhängig auf bis zu 13 % bei Menschen über 65 Jahren an (McMurray und Stewart 2000). Mit dieser Prävalenz ist eine hohe Hospitalisierungsrate wegen akuter Herzinsuffizienz assoziiert; in Europa ist die akute Herzinsuffizienz für 1–2 % aller Krankenhausaufnahmen verantwortlich (Abraham et al. 2005).

Ätiologie

Die häufigste Ursache der Verschlechterung der Herzfunktion ist eine Zerstörung oder der Verlust von Herzmuskelgewebe. Dies ist bedingt durch eine akute (30–40 %) oder chronische Myokardischämie (40–70 %), einen Anstieg des Gefäßwiderstandes bei arterieller Hypertonie (40–70 %), die Entwicklung einer Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern (20–30 %), Klappenerkrankungen (10 %) oder Kardiomyopathien (5–10 %) (Abraham et al. 2005; Cleland et al. 2000; Gheorghiade et al. 2006; Nieminen et al. 2006). Das Fehlen einer arteriellen Hypertonie schließt diese als Ursache der Herzinsuffizienz nicht aus, da sich der Blutdruck mit zunehmender Funktionsverschlechterung der systolischen linksventrikulären Funktion vermindern kann.

Klinik

Führende Symptome der akuten Herzinsuffizienz sind das rasche Auftreten von akuter Belastungsdyspnoe, Ruhedyspnoe und Orthopnoe. Zeichen der Herzinsuffizienz sind Rasselgeräusche beim Lungenödem, das Auftreten eines dritten Herztons (S3-Galopp) oder eines vierten Herztones, gefolgt von Jugularvenenstauung, Leberstauung, positivem hepatojugulären Reflux und peripheren Ödemen. Im Falle eines drohenden oder manifesten Schocks treten klinische Zeichen einer Kreislaufzentralisation und systemischen Minderperfusion auf. Wichtige Zeichen sind dann ein marmoriertes Hautkolorit, Kaltschweißigkeit, kühle Extremitäten, ggf. eine Vigilanzminderung oder eingeschränkte kognitive Leistungen und eine Nierenfunktionseinschränkung (Oligurie/Anurie <30 ml/h). Ein normaler systemarterieller Blutdruck schließt einen kardiogenen Schock nicht aus.

Diagnostik

Klinische Zeichen
Rasselgeräusche oder ein S3-Galopp haben eine hohe Spezifität von 90 %, aber nur eine geringe Sensitivität von 30 % für die Diagnose der akuten Herzinsuffizienz.
Elektrokardiogramm (EKG)
Ein 12-Kanal-EKG gehört zur Basisdiagnostik, um einen akuten Myokardinfarkt oder relevante tachykarde oder bradykarde Herzrhythmusstörungen zu erkennen, wie z. B. ventrikuläre Tachykardien, Vorhofflimmern oder höhergradige AV-Blockierungen.
Echokardiographie
Mit der transthorakalen Echokardiographie können die linksventrikuläre Pumpfunktion, ein relevantes Klappenvitium (z. B. hochgradige Aortenstenose, Mitralinsuffizienz) oder eine Perikardtamponade beurteilt werden.
Röntgenuntersuchung des Thorax
Beurteilt werden Kardiomegalie, Infiltrate, pulmonalvenöse Stauungszeichen und Pleuraergüsse.
Labor
Laboruntersuchungen umfassen die Bestimmung von Natrium, Kalium, Harnstoff, Kreatinin, Glukose, Albumin, Leberenzyme und Gerinnungsstatus, Troponin, Kreatininkinase (CK, CK-MB), B-natriuretisches Peptid (BNP, NT-proBNP) und eine Blutgasanalyse.

Monitoring

Nicht invasives Monitoring

Alle Patienten mit akuter Herzinsuffizienz bedürfen einer nicht invasiven Überwachung bestehend aus Atemfrequenz, Herzfrequenz, EKG-Monitoring, nicht invasiver Blutdruckmessung, Sauerstoffsättigung und Urinausscheidung.

Invasives Monitoring

Eine invasive arterielle Druckmessung sollte bei allen hämodynamisch instabilen Patienten, bei Einsatz rasch wirksamer vasoaktiver Medikamente sowie bei gleichzeitig bestehenden pulmonalen Erkrankungen, die einer arteriellen Blutgasanalyse bedürfen, erfolgen.
Der zentrale Venenkatheter ermöglicht die Gabe vasoaktiver Substanzen.
Der Einsatz eines Pulmonalarterienkatheters bei der akuten Herzinsuffizienz bringt keinen prognostischen Vorteil, sondern dient der besseren Diagnostik und Therapiesteuerung (Binanay et al. 2005; Dickstein et al. 2008; McMurray et al. 2012; Shah et al. 2005).
Das PiCCO-System (Pulskontur-Herzzeitvolumen-System) ist bei akuter Herzinsuffizienz und bei relevanten Herzrhythmusstörungen aufgrund der zugrunde liegenden Methode der arteriellen Pulskonturanalyse bisher noch nicht evaluiert.

Hämodynamisches Monitoring

Das hämodynamische Monitoring dient zur Kontrolle des Therapieregimes. Dabei geht es nicht um die Normalisierung wichtiger hämodynamischer Parameter, sondern darum, ob sich diese in die richtige Richtung bewegen; hierzu gehören (Abb. 2):
  • Gemischtvenöse Sauerstoffsättigung (SvO2, norm: >70 %)
  • Zentralvenöse Sauerstoffsättigung (ScvO2, norm: >60 %)
  • Herzzeitvolumen (HZV/KÖF, norm: >2,5 l/min/m2)
  • „Cardiac Power Index“ (CPI, norm: 0,5–0,7 W/m2)
  • CPI = HZV/KÖF × MAP × 0,0022 (MAP = mittlerer systemarteriellen Druck)

Therapie

Die Therapie der akuten Herzinsuffizienz beruht im Wesentlichen auf den beiden Säulen ursachenorientierte Therapie und symptomorientierte Therapie (Abb. 3, Tab. 1).
Tab. 1
Säulen der Therapie der akuten Herzinsuffizienz
Ursachenorientierte Therapie
Symptomorientierte Therapie
Koronare Reperfusion beim akuten Myokardinfarkt
Sauerstoffgabe, ggf. nicht invasive/invasive Beatmung
Analgosedierung
Hämodynamische Stabilisierung
-Bei Volumenüberladung: Diuretika
-Zur Vor- und Nachlastreduktion: Vasodilatatoren
-Positiv inotrope Substanzen
-Vasopressoren
-Mechanische Kreislaufunterstützungssysteme

Koronare Reperfusionstherapie

Wichtigstes Ziel bei einer akuten Herzinsuffizienz auf dem Boden eines akuten Myokardinfarktes ist die rasche koronare Reperfusion mittels Akutkoronarangiographie mit perkutaner Koronarintervention (PCI; Empfehlungsgrad I, Evidenz B; Hamm et al. 2011; McMurray et al. 2012; Steg et al. 2012). Der Vorteil der PCI liegt in der Wiedereröffnung des Infarktgefäßes, die die wesentliche Determinante für den Erhalt der linksventrikulären Pumpfunktion und das Überleben des Patienten darstellt.

Symptomorientierte Therapie

Sauerstoffgabe, ggf. nicht invasive/invasive Beatmung
Bei hypoxämischen Patienten sollte so früh wie möglich eine arterielle Sauerstoffsättigung ≥95 % (bei COPD >90 %) angestrebt werden (Empfehlungsgrad I, Evidenz C; McMurray et al. 2012). Bei Patienten mit schwerer obstruktiver Atemwegerkrankung sollte die Sauerstoffgabe mit besonderer Vorsicht erfolgen, um eine Hyperkapnie zu vermeiden. Sollte trotz Sauerstoffapplikation die Hypoxämie persistieren, ist eine nicht invasive oder eine invasive Beatmung erforderlich. Die nicht invasive Beatmung ist aufgrund ihrer positiven Effekte auf Hämodynamik und Atempumpe einer invasiven Beatmung vorzuziehen (Empfehlungsgrad IIa, Evidenz B; McMurray et al. 2012). Eine invasive Beatmung sollte erfolgen bei Zeichen der respiratorischen Erschöpfung, beim manifesten kardiogenen Schock sowie bei vigilanzgeminderten Patienten.
Analgosedierung
Bei akuter Herzinsuffizienz, besonders bei Patienten mit Unruhe, Dyspnoe, Angst oder Angina pectoris, ist eine Analgosedierung mit Morphin oder Morphinderivaten indiziert (Empfehlungsgrad IIa, Evidenz C; McMurray et al. 2012). Morphin reduziert die Dyspnoesymptomatik und verbessert die Kooperation unter anderem auch bei einer nicht invasiven Beatmung (Link und Böhm 2009).
Diuretika
Bei Zeichen der Volumenüberladung sollten Schleifendiuretika intravenös gegeben werden (Empfehlungsgrad I, Evidenz B; McMurray et al. 2012). Die hochdosierte Gabe von Schleifendiuretika kann zu einer schweren Hypovolämie, Hypotonie, Hyponatriämie und Verschlechterung der Nierenfunktion führen. Daher ist eine Kombinationstherapie aus Schleifendiuretika, Thiaziden und/oder Aldosteronantagonisten in niedriger Dosis effektiver als eine hochdosierte Schleifendiuretika-Monotherapie.
Vasodilatatoren
Vasodilatatoren (Nitrate, Natriumnitroprussid) relaxieren die glatte Gefäßmuskulatur und senken den system- und den pulmonalvaskulären Widerstand. Dies führt zu einer Abnahme der ventrikulären Füllungsdrücke, der myokardialen Wandspannung und des myokardialen Sauerstoffverbrauches. Bei erhaltener myokardialer Reserve kommt es durch die Widerstandserniedrigung zu einem Anstieg des Herzzeitvolumens. In diesen Fällen bleibt der systemarterielle Blutdruck stabil. Bei fehlender myokardialer Reserve können schwere Hypotonien auftreten. Daher sollten Vasodilatatoren vorsichtig in einschleichender Dosierung bis zu systemarteriellen Blutdruckwerten >110 mmHg systolisch gegeben werden (Empfehlungsgrad II, Evidenz B; McMurray et al. 2012).
Nitrate wirken überwiegend venodilatatorisch und können oral/sublingual oder als kontinuierliche Infusion gegeben werden. Um Blutdruckabfälle zu vermeiden, wird eine langsame Dosissteigerung unter engmaschiger Blutdruckkontrolle empfohlen. Eine Toleranzentwicklung tritt gewöhnlich nach 24–48 Stunden auf; dies hat meist eine Dosissteigerung zur Folge.
Natriumnitroprussid ist ein potenter balancierter Vasodilatator mit kombinierter Vor- und Nachlastsenkung und sollte in einschleichender Dosierung intravenös gegeben werden. Da abrupte Hypotonien häufig berichtet werden, ist eine invasive Druckmessung erforderlich. Aufgrund der kurzen Wirkdauer von Natriumnitroprussid erfährt diese Substanz in der Intensivmedizin eine Renaissance, zumal die früher gefürchteten Intoxikationen mit Cyaniden erst in höheren Dosierungen auftreten und durch eine begleitende Therapie mit Thiosulfat, welche die Umwandlung von Cyaniden in Thiocyanate fördert, vermieden werden kann. Dieses ist in Deutschland nicht mehr verfügbar.
Nesiritid, ein rekombinantes humanes Brain Natriuretic Peptide (rhBNP), ist ein venöser und arterieller Vasodilatator mit mäßiggradiger diuretischer und natriuretischer Wirkung. Diese Substanz wurde von der Food and Drug Administration (FDA) bereits 2001 zugelassen und wurde auch in die aktuellen europäischen Leitlinien zur Therapie der akuten Herzinsuffizienz aufgenommen (Dickstein et al. 2008; McMurray et al. 2012). Bei fehlender Reduktion der Mortalität (O'Connor et al. 2011) verwehrte die European Medicine Agency (EMEA) für Europa die Zulassung.
Positiv inotrope Substanzen
Positiv inotrope Substanzen sollten bei systemarterieller Hypotonie (systolischer Blutdruck <85 mmHg) nur dann eingesetzt werden, wenn trotz ausreichender Hydratation Zeichen der Kreislaufzentralisation persistieren (Empfehlungsgrad IIa, Evidenz C; McMurray et al. 2012). Wenngleich sie in der Akutphase die hämodynamische Situation und die Organperfusion verbessern, können sie den myokardialen Sauerstoffverbrauch steigern – bei Noradrenalin, Dobutamin, jedoch nicht bei Levosimendan – und proarrhythmogene Effekte induzieren. Daher sollten sie so niedrig wie möglich dosiert und so schnell wie möglich wieder ausgeschlichen werden. Ihre Wirkungsweise ist in Abb. 4 schematisch dargestellt.
Dobutamin steigert durch seine führende β1-Stimulation das Herzzeitvolumen ohne wesentliche Zunahme des systemvaskulären Widerstandes. Dieses Wirkprofil macht Dobutamin unter den positiv inotropen Substanzen zum Medikament der ersten Wahl (Empfehlungsgrad IIa, Evidenz C; McMurray et al. 2012). Die Dosierung richtet sich nach der Besserung der klinischen Symptomatik, dem diuretischen Ansprechen und dem hämodynamischen Status.
Levosimendan, ein Kalziumsensitizer, steigert die myokardiale Kontraktilität durch Erhöhung der Kalziumempfindlichkeit der kontraktilen Proteine, die durch eine Bindung an das kardiale Troponin C hervorgerufen wird. Durch seine milde Phoshodiesterasehemmung induziert es eine Vasodilatation. Die Levosimendanwirkung bleibt aufgrund aktiver Metabolite mehrere Tage erhalten. Um Hypotonien zu vermeiden, sollte auf eine Bolusgabe verzichtet werden. Neben schweren Hypotonien sind ventrikuläre und supraventrikuläre Tachykardien die wichtigsten Nebenwirkungen (Cleland et al. 2006; Majure und Teerlink 2011). Levosimendan ist eine mögliche Alternative bei Patienten mit ineffektiver β-adrenerger Stimulation beispielsweise infolge einer vorbestehenden β-Blockertherapie. Vergleichende Studien zwischen Levosimendan und Dobutamin fanden bezüglich der Mortalität keinen signifikanten Unterschied, wenngleich sich unter Levosimendan mehr Patienten klinisch besser fühlten (Cleland et al. 2006; Mebazaa et al. 2007). Levosimendan ist in den USA und in vielen europäischen Ländern bereits seit Jahren zugelassen (Empfehlungsgrad IIb, Evidenz C; McMurray et al. 2012). In Deutschland ist die Substanz nur über die internationale Apotheke zu beziehen.
Phosphodiesterase-III-Inhibitoren (Amrinom, Milrinon, Enoximon) wirken positiv inotrop sowie vasodilatierend. Sie wirken intrazellulär und damit unabhängig von einer Adrenorezeptor-„Down“ Regulation oder einer begleitenden β-Blockertherapie. Aufgrund ihrer vasodilatatorischen Wirkung sollte auf die Bolusapplikation verzichtet und mit einer kontinuierlichen Gabe mit langsamer Dosissteigerung begonnen werden (Empfehlungsgrad IIb, Evidenz C; McMurray et al. 2012). Ihr Einsatz ist mit einem erhöhten Risiko von Herzrhythmusstörungen, schweren Hypotonien und bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung mit einer erhöhten Mortalität assoziiert (Felker et al. 2003).
Herzglykoside wirken positiv inotrop und sind bei Patienten mit akuter Herzinsuffizienz und schnellem Vorhofflimmern zur Verlangsamung der ventrikulären Stimulation sinnvoll (Empfehlungsgrad IIb, Evidenz C; Dickstein et al., 2008). Sie sind aber beim kardiogenen Schock infolge eines akuten Myokardinfarktes kontraindiziert. Gründe hierfür sind myokardiale Reinfarzierungen und das Auftreten lebensbedrohlicher ventrikulärer Arrhythmien.
Vasopressoren
Vasopressoren (Noradrenalin) sind erst bei Blutdruckwerten <85 mmHg indiziert, wenn die Kombination aus „fluid challenge“ und positiv inotropen Substanzen versagt. Eine Kombination aus Noradrenalin mit positiv inotropen Substanzen (Dobutamin, PDE-III-Inhibitor) kann sinnvoll sein, um die Vasopressordosis möglichst gering zu halten.
Begleittherapie
Eine vorbestehende β-Blockertherapie sollte fortgesetzt werden, sofern keine hämodynamische Instabilität besteht. Dies gilt auch für ACE-Hemmer, wobei hier auf eine mögliche Verschlechterung der Nierenfunktion und hypotone Kreislaufreaktionen zu achten ist. Wichtig ist, dass alle herzinsuffizienten Patienten vor Entlassung erneut leitliniengetreu auf β-Blocker, ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten, Aldosteronantagonisten und Diuretika eingestellt werden, da dadurch Rehospitalisationsrate und Mortalitätsrisiko gesenkt werden können (Böhm et al. 2011; Howlett 2011).
Mechanische Kreislaufunterstützung
Durch den rechtzeitigen Einsatz mechanischer Kreislaufunterstützungssysteme soll die hämodynamische Situation verbessert, Organminderperfusionen vermieden und das Auftreten eines Multiorgandysfunktionssyndroms verhindert werden. Die Zahl prospektiv randomisierter Studien zur mechanischen Kreislaufunterstützung bei akuter Herzinsuffizienz ist sehr limitiert. Die Indikationsstellung zur mechanischen Kreislaufunterstützung ist daher immer eine fallbezogene individuelle Entscheidung. Folgende Faktoren sollten dabei bedacht werden (Abb. 5):
  • Lebensalter, Allgemeinsituation und Begleiterkrankungen des Patienten
  • Notwendigkeit zur links-, rechts- oder biventrikulären Kreislaufunterstützung
  • Kreislaufunterstützungssystem als „bridge to recovery“
  • Kreislaufunterstützungssystem als „bridge to transplant“

Verlauf und Prognose

Um die Prognose der akuten Herzinsuffizienz einschätzen zu können, sind ihre klinischen Manifestationsformen richtungsweisend. Die Krankenhaussterblichkeit liegt im kardiogenen Schock bei 40–50 %, bei einer Erstmanifestation einer akuter Herzinsuffizienz, beim Lungenödem und bei der Rechtsherzinsuffizienz jeweils bei 8–10 %, bei der akuten Dekompensation einer chronischen Herzinsuffizienz bei 5–8 % und bei der hypertensiven Herzinsuffizienz bei 1 % (Nieminen et al. 2006). Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz, die trotz optimaler Herzinsuffizienztherapie weiterhin Symptome im NYHA-Stadium IV aufweisen, werden wiederholt intensivmedizinisch behandelt und haben eine äußerst ungünstige Prognose. In solchen Fällen sollten auch immer palliativmedizinische Maßnahmen mit dem Patienten und seinen Angehörigen erörtert und sichergestellt werden (Empfehlungsgrad I, Evidenz C; Dickstein et al., 2008).
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