Die Progressionsverzögerung der
Niereninsuffizienz sowie die Senkung der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität stehen für Patienten mit diabetischer Nephropathie im Vordergrund. Möglicherweise haben die zur Verfügung stehenden Interventionen einen günstigen Einfluss auf beide Behandlungsziele. Als besonders vorteilhaft hat sich eine an Therapiezielen orientierte antidiabetische, antihypertensive und lipidmodifizierende Langzeittherapie erwiesen. Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes ist das Therapieziel die normnahe Glykämie (HbA1c 6,5–7,5 %). Nach Ergebnissen der DCCT („Diabetes Control and Complication Trial“) sind die intensivierte vs. konventionelle Insulintherapie sowie das Ausmaß der täglichen Blutglucoseschwankung von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend ist die erzielte Absenkung des HbA1c-Wertes. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass die Manifestation und Progression einer diabetischen Nephropathie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes durch eine normnahe glykämische Kontrolle günstig beeinflusst werden kann. Allerdings sollte eine zu aggressive Absenkung des HbA1c-Wertes, insbesondere durch viele Medikamente, vermieden werden, da sie in der ACCORD-Studie zu einem Anstieg der Mortalität führte. Bei makroangiopathischen Komplikationen sowie Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen sollte ein HbA1c von 7–7,5 % angestrebt werden, im höheren Alter sogar von 7,5–8 %.
Schwere Hyopglykämien, Gewichtszunahme sowie Kombination von oralen Antidiabetika und
Insulin stehen in Verdacht, die Mortalität sowie Morbidität von Patienten mit Typ-2-Diabetes zu erhöhen. Um positive Effekte der antidiabetischen Therapie auf das Überleben zu erzielen, kann eine Behandlungsdauer von mindestens 10 Jahren notwendig sein. Aufgrund dieser Zusammenhänge sollte die Vereinbarung von individuellen Stoffwechselzielen frühzeitig erfolgen. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und eingeschränkter Nierenfunktion sind die Therapieempfehlungen und Kontraindikationen der Antidiabetika
bei der
Niereninsuffizienz zu beachten (Tab.
1). In Bezug auf patientenrelevante Langzeiteffekte sind Sulfonylharnstoffe und Metformin am besten evaluiert. Die Langzeiteffekte von Gliniden, Gliptinen und GLP-1-Analoga sind bisher unzureichend evaluiert.
Tab. 1
Langzeiteffekte und Kontraindikationen für antidiabetische Medikamente. (Modifiziert aus Sämann u. Wolf 2012)
Metformin | Metformin reduziert diabetesbedingte Langzeitkomplikationen sowie die Mortalität bei übergewichtigen Patienten mit Typ-2-Diabetes ohne erhöhtes Hypoglykämierisiko Es gibt keine einheitliche Empfehlung, ab welcher glomulären Filtrationsrate die Metformingabe beendet werden sollte (gewöhnlich im Stadium 2b) |
Sulfonylharnstoffe | Verringern mikrovaskuläre Komplikationen Erhöhen das Risiko schwerer Hypoglykämien, insbesondere bei normnaher Glykämie Sollten ab dem Stadium 2c beendet werden (hochgradige Niereninsuffizienz) |
Repaglinid | Die Langzeiteffekte sind unklar Die Belege für die Reduktion von Hypoglykämien sind schwach Repaglinid kann in allen Stadien der Niereninsuffizienz gegeben werden |
Gliptine | Die Langzeiteffekte sind unklar Sitagliptin,Vildagliptin und Linagliptin können in allen Stadien der Niereninsuffizienz gegeben werden Bei Gliptionen sollten bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz eine Dosisreduktion erfolgen |
Exenatid/Liraglitid | Die Langzeiteffekte sind unklar Kontraindikation bei Niereninsuffizienz im Stadium 2b (Liraglutid) bzw. 2c (Exenatid) Insulin kann in allen Stadien der Niereninsuffizienz sowie bei Nierenersatztherapie gegeben werden Eine Insulindosisanpassung ist bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz notwendig |
Der Verlauf der diabetischen Nephropathie sowie die Überlebensprognose lassen sich durch eine antihypertensive Therapie beeinflussen. Bei Patienten mit
Diabetes mellitus soll der Blutdruck entgegen früheren Empfehlungen nicht unter 135/80 mmHg gesenkt werden. Insbesondere sollten
ACE-Hemmer oder AT1-Blocker zur einer Verminderung des erhöhten glomerulären Filtrationsdruckes und zu einer Stabilisierung der glomerulären Ultrafiltrationsbarriere eingesetzt werden. Auch die Abschwächung der verschiedenen multiplen renalen Effekte von Angiotensin II führt zu einer Progressionsverzögerung der diabetischen Nephropathie. Entsprechend der Begleiterkrankungen sollten andere
Antihypertensiva kombiniert werden, wobei die unter
Betablockern beobachtbare Gewichtszunahme eine ungünstige Begleiterscheinung darstellt. Daher sollten stoffwechselneutrale Antihypertensiva
wie
Kalziumantagonisten bevorzugt werden. Bei einer Proteinurie >1 g/24 h kann trotz guter Blutdruckeinstellung in Ausnahmefällen unter enger Überwachung eine Doppelblockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Quotienten mittels eines ACE-Hemmers oder eines AT1-Blockers sinnvoll sein. Generell kann dieses Vorgehen allerdings nicht mehr empfohlen werden, da kardiovaskuläre Risikopatienten in der ONTARGET-Studie unter Doppelblockade ein erhöhtes Auftreten von akutem
Nierenversagen zeigt. Deshalb muss unbedingt eine
Arteriosklerose bzw. eine manifeste Nierenarterienstenose vor Therapiebeginn ausgeschlossen werden. Die Erwartung an die Medikamentengruppe der Renin-Inhibitoren (Aliskiren) konnte nicht erfüllt werden. Die ALTITUDE-Studie zeigte bei einer Zwischenauswertung in der Gruppe der mit Aliskiren + ACE-Hemmer oder Aliskiren + AT1-Blocker behandelten Patienten einen relevanten Anstieg von Schlaganfällen und renalen Komplikationen. Deshalb wurde die Studie abgebrochen. Aufgrund einer Neubewertung durch die
European Medicine Agency (EMA) ist die Kombination von Aliskiren mit ACE-Hemmern oder AT1-Blockern seit Februar 2012 für Diabetes mellitus sowie bei eingeschränkter Nierenfunktion (GFR <60 ml/min) kontraindiziert. Durch eine Begrenzung der Kochsalzzufuhr (Ziel 6 g/Tag) kann die
arterielle Hypertonie oftmals besser eingestellt werden. Eine Trinkmengenrestriktion auf unter 2 l kann die Blutdruckeinstellung erleichtern, eine Trinkmenge von mehr als 2 l wirkt einer Nierenschädigung nicht entgegen, sondern fördert diese aufgrund der schon vorliegenden Hyperperfusion. Von überragender Bedeutung im Bezug auf kardiovaskuläre und renale Komplikationen ist die Beendung eines Nikotinkonsums. Ein aktiver Lebensstil mit körperlicher Bewegung im Alltag und regelmäßiger sportliche Betätigung (3-mal wöchentlich ca. 40 min) sollte, eine ausreichende Sporttauglichkeit vorausgesetzt, jedem Patienten empfohlen werden. Patienten mit einer diabetischen Nephropathie sollten im Rahmen der Behandlung auf eine kontrollierte Proteinzufuhr hingewiesen werden (0,8–1,0 g Protein/kg KG/Tag). Allerdings ist unklar, ob diese Therapie auch unter optimaler Blockade des Renin-Angiotensin-Systems die Progression der diabetischen Nephropathie verhindern kann. Insbesondere bei Patienten mit höhergradiger
Niereninsuffizienz muss eine übermäßige Eiweißrestriktion unbedingt vermieden werden, um Mangelzuständen an essentiellen
Aminosäuren und einer katabolen Stoffwechsellage vorzubeugen.
Kontrovers diskutiert wird weiterhin, ob eine lipidmodifizierende Therapie mit Statinen
die Progression einer diabetischen Nephropathie verlangsamt. Möglicherweise stehen hier pleiotrope Effekte von Statinen im Vordergrund und weniger die Senkung des LDLs. Während in frühen Stadien einer durch diabetische Nephropathie eingeschränkten Nierenfunktionsstörung eine Statintherapie die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität reduzieren kann, sind die Ergebnisse bei fortgeschrittenen dialysepflichtigen Patienten eher enttäuschend („numbers needed to treat“ >30). Daher sollte frühzeitig mit einer Statintherapie bei Patienten mit diabetischer Nephropathie begonnen werden. Bei einer GFR <50 ml/min müssen die Medikamente Novastatin, Simvastatin und Rosovastatin in der Dosis reduziert werden. Patienten mit terminaler
Niereninsuffizienz sollten nach den Richtlinien für Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz behandelt werden. Die beste
Nierenersatztherapie für Diabetiker ist die
Nierentransplantation, bei Typ-1-Diabetikern auch als kombinierte Nieren-Pankreas-Transplantation. Eine Behandlung der
renalen Anämie und des sekundären Hyperparathyreoidismus sollte nach den Empfehlungen für Patienten mit
chronischer Niereninsuffizienz erfolgen.