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DGIM Innere Medizin
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Verfasst von:
Michael Manns, Natascha Cieplik und Sabine Schneidewind
Publiziert am: 29.11.2014

Gallesekretion und Cholestase

Die Leber als zentrales Stoffwechselorgan produziert nicht nur Proteine wie Albumin und Gerinnungsfaktoren, sondern spielt über die Produktion der Gallenflüssigkeit eine wesentliche Rolle bei der Elimination körpereigener und -fremder Substanzen und bei der Verdauung. Das folgende Kapitel beschäftigt sich zunächst mit der Zusammensetzung und der Funktion der Gallenflüssigkeit. Nachfolgend werden die Klinik und die unterschiedlichen Ursachen einer Cholestase behandelt und eine diagnostische Herangehensweise an einen Patienten mit Cholestase vorgestellt. Die verschiedenen Methoden zur apparativen und invasiven Diagnostik bei Cholestase und ihre jeweiligen Vorteile werden vorgestellt. Den Abschluss bildet ein Ausblick auf therapeutische Optionen bei Cholestase.

Gallesekretion

Täglich werden zwischen 500 und 1000 ml Galle produziert, wobei 80 % durch Hepatozyten (im Zytosol) und 20 % durch das Gallenwegssystem sezerniert werden. Hierfür erfolgt die Aufnahme der Ausgangssubstanzen durch Endozytose und die Abgabe der Endprodukte in die Kanalikuli durch ATP-abhängige Transporter. Die Flüssigkeit setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen, dazu gehören Gallensäuren, Phospholipide, Cholesterin, Bilirubin und Ausscheidungsprodukte.
Die Gallenflüssigkeit dient als Emulgator für Fette sowie als Aktivator von Pankreaslipase und Cholesterinesterase der Verdauung. Zusätzlich werden mit der Galle Konjugate körpereigener und körperfremder Substanzen ausgeschieden.
Sollte die Gallenflﺰssigkeit nicht zur unmittelbaren Verdauung benötigt werden, erfolgt eine Speicherung in der Gallenblase.
Es besteht ein Tagesbedarf an Gallensäuren von 3–5 g täglich, wobei nur 200–500 mg vom Körper neu produziert werden. Um dennoch ausreichend Gallensäuren bereitzustellen, werden diese im Rahmen des sog. enterohepatischen Kreislaufes wiederverwertet (Abb. 1): Im Ileum erfolgen die Dekonjugation der Gallensäuren sowie deren Resorption. Über die Pfortader gelangen sie in die Leber, wo sie über einen Natriumcotransporter in die Hepatozyten aufgenommen werden. Für eine ausreichende Bereitstellung von Gallensäuren muss dieser Kreislauf täglich 6- bis 8-mal durchlaufen werden. Letztendlich werden nur 3–4 % der Gallensäuren mit den Faeces ausgeschieden (Junqueira und Carneiro 2005; Heinrich et al. 2014).

Cholestase

Definition

Die Cholestase bezeichnet einen Gallestau, der durch verschiedene Ursachen bedingt sein kann. Entsprechend der Lokalisation kann eine extrahepatische von einer intrahepatischen Cholestase unterschieden werden. Eine extrahepatische Cholestase entsteht häufig durch eine Engstelle im Bereich der ableitenden Gallenwege. Diese wiederum kann durch einen Stein, einen entzündlichen Prozess, einen Tumor oder iatrogen verursacht sein.
Auslöser einer intrahepatischen Cholestase mit Störung der Gallesekretion können eine fortschreitende Hepatitis jeglicher Ätiologie, destruktive und autoimmune Prozesse der Gallenwege (PSC, PBC) oder seltene angeborene Transporterstörungen der kanalikulären Membran (Rotor-Syndrom, Gilbert-Syndrom, Dubin-Johnson-Syndrom) darstellen (Longo et al. 2012).

Klinik

Leitsymptom des Gallestaus ist die Gelbsucht (Ikterus), die durch Übertritt von Bilirubin ins Blut und die anschließende Ablagerung in Haut und Skleren bedingt ist. Die Ablagerung von Bilirubin und Gallensäuren in der Haut führen neben der Verfärbung auch zu einem Juckreiz, der für die davon betroffenen Patienten zu einer dramatischen Einschränkung der Lebensqualität führen kann.
Während ein Steinleiden mit typischen kolikartigen Oberbauchschmerzen und Übelkeit einhergeht, kann ein schmerzloser Ikterus auf einen malignen Prozess hinweisen.
Da die Gallepigmente den Darm aufgrund des Abflusshindernisses nicht erreichen und somit nicht zu Sterkobilin umgewandelt werden können, kommt es zu einer Entfärbung des Stuhls. Stattdessen wird das Bilirubin renal in Form von Urobilinogen eliminiert und führt zur Dunkelfärbung des Urins.
Weitere Symptome einer Cholestase sind Maldigestion und Malresorption mit resultierenden Fettstühlen durch die fehlende fettemulgierende Wirkung der Gallensäuren. Die dadurch bedingte Fettresorptionsstörung führt zu Hypovitaminosen der fettlöslichen Vitamine sowie Cholesterinabblagerungen in der Haut (Xanthelasmen) (Longo et al. 2012).

Diagnostik

Wegweisend für die Ursache der Cholestase ist neben einer ausführlichen Anamnese die Labordiagnostik. Die wichtigsten Parameter stellen dabei die Cholestaseparameter Bilirubin, γ-GT und alkalische Phosphatase dar. Die γ-GT ist dabei der sensitivste und gallenwegsspezifischste Wert. Sie ist intrazellulär im endoplasmatischen Retikulum und im Gallengangsepithel lokalisiert.
Die alkalische Phosphatase setzt sich aus den Isoenzymen aus Leber, Knochen, Dünndarm und ggf. Plazenta zusammen. Die hepatische Isoform befindet sich intramembranös in den Hepatozyten.
Das Bilirubin ist ein Abbauprodukt des Hämoglobins. Unterschieden werden muss das direkte (konjugierte) vom indirekten (unkonjugierten) Bilirubin. Bei Cholestase ist klassischerweise nur das direkte Bilirubin erhöht, da es sich hierbei um eine Bilirubinausscheidungsstörung und nicht um einen vermehrten Anfall wie bei der Hämolyse handelt.
An nächster Stelle der Diagnostik steht die Bildgebung, angefangen mit der perkutanen Sonographie. Hiermit lassen sich bereits Gallengangserweiterungen, Steine und Tumoren darstellen. Die nächste Stufe der nichtinvasiven Diagnostik umfasst das CT und MRT. Hierbei können vor allem Tumoren und mögliche Metastasen genauer identifiziert werden. Eine gezielte Gallenwegsdarstellung ist bei der MRCP (Magnetresonanzcholangiopankreatikographie) durch Gabe eines gallegängigen Kontrastmittels vor Durchführung einer MRT möglich. So können strukturelle Gallenwegsveränderungen, wie sie bei der PBC oder PSC auftreten, gesichert werden (Abb. 2).
Als invasive diagnostische Methoden stehen die Endosonographie und die ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie) zur Verfügung. Indikationen für die Endosonographie ist der hochgradige Verdacht auf ein Steinleiden oder eine Neoplasie im Bereich der ableitenden Gallenwege bei perkutan eingeschränkter Diagnostik, beispielsweise bei Adipositas. Hierbei wird ein Endoskop, an dessen Spitze sich eine kleine Ultraschallsonde befindet, peroral in Magen und Duodenum platziert und von dort durch die anliegende Darmwand das umliegende Gewebe artefaktarm dargestellt. Die Risiken einer Endosonographie liegen in der Möglichkeit einer Schleimhautverletzung bis hin zur Perforation, einer Blutung und den Nebenwirkungen der begleitend erforderlichen Sedierung. Die ERCP ermöglicht eine endoskopische Darstellung der Gallenwege nach Gabe von Röntgenkontrastmittel über die Papilla vateri. Besonders reizvoll ist bei dieser Methode die Möglichkeit der simultanen Intervention, z. B. durch Bergung eines Gallensteines, Entnahme einer Gewebeprobe oder Anlage einer Plastikschiene zum Offenhalten verengter Gallenwege (Abb. 3).
Ein zu beachtendes Risiko bei der ERCP ist die Entwicklung einer Pankreatitis durch Manipulation an der Papille oder durch Einspritzen von Kontrastmittel in den Pankreasgang. Zudem kann durch Verschleppung von Bakterien aus dem Darm in die Gallenwege über den Katheter eine Gallenwegsentzündung, eine sog. Cholangitis, ausgelöst werden, die dann einer antibiotischen Therapie bedarf (Longo et al. 2012).

Therapie

Die Therapie der Cholestase ist abhängig von ihrer Ursache. Während Steine entweder spontan abgehen oder mittels ERCP geborgen werden können, bedürfen Tumoren einer operativen oder im fortgeschrittenen Stadium chemotherapeutischen Intervention.
Bei gutartigen Stenosen der größeren Gallenwege können Plastikstents zur Schienung eingelegt werden, die in regelmäßigen Intervallen gewechselt werden müssen. Bei inoperablen malignen Stenosen der größeren Gallenwege können Metallstents zum Einsatz kommen, um so lange wie möglich eine ausreichende Galleableitung nach intestinal sicherzustellen. Ist eine Überbrückung der Stenose bis in das Duodenum nicht möglich, kann eine perkutane Galleableitung mittels PTCD (perkutane transhepatische Cholangiodrainage) erfolgen. Hierbei wird ein erweiterter intrahepatischer Gallengang in Seldinger-Technik punktiert und dann ein Plastikschlauch eingelegt. Über diesen Schlauch kann die Galle nach extern abgeleitet oder ggf. nach erfolgreicher Bougierung einer Stenose nach intestinal vorgeschoben werden.
Um den Gallefluss zu fördern, kommt eine medikamentöse Therapie mittels Ursodesoxycholsäure zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine tertiäre aus Bärengalle gewonnene Gallensäure, die über verschiedene Mechanismen den Galleabfluss fördert. Sie findet Einsatz in der Therapie der PBC und eingeschränkt auch der PSC.
Bei einer Hepatitis steht die Behandlung, bzw. Eliminierung der auslösenden Ursache im Vordergrund (antivirale Therapie bei Virushepatitis, immunsuppressive Medikation bei Autoimmunhepatitis, Weglassen hepatotoxischer Substanzen).
Darüber hinaus sollten gegebenenfalls symptomatische therapeutische Ansätze zur Reduktion von Pruritus (Cholestyramin, Rifampicin u. a.), Verminderung der Fettstühle (Cholestyramin) und Substitution von fettlöslichen Vitaminen beachtet werden (Longo et al. 2012; Piper 2007).

Komplikationen, Verlauf und Prognose

Eine unbehandelte Cholestase führt über Rückstau des Bilirubins zu Ikterus und Pruritus sowie der charakteristischen Verfärbung von Stuhl und Urin. Persistiert die Cholestase, kann es zu einer Superinfektion der Gallenflüssigkeit mit Darmbakterien kommen, was eine Cholangitis mit rechtsseitigen Oberbauchschmerzen und Fieber auslösen kann. Besteht der Gallestau über eine lange Zeit, werden Umbauprozesse des Leberparenchyms getriggert, die über eine Fibrose bis zum zirrhotischen Umbau (komplette Vernarbung mit Zerstörung der Leberarchitektur) führen können.
Literatur
Junqueira L, Carneiro J (2005) Histologie. 6. Aufl. Springer, Heidelberg, S 280 ff.
Heinrich P, Müller M und Graeve L (2014) Löffler/ Petrides Biochemie und Pathobiochemie. 9. Aufl. Springer, Heidelberg, S 1096 ff
Longo D et al. (2012), Harrisons Innere Medizin. 18. Aufl., Bd. 3 ABW, Berlin, S 2724 ff.
Piper W (2007) Innere Medizin. 1. Aufl. Springer, Heidelberg, S 391 ff
Schmidt R, Lang F (2007), Physiologie des Menschen. 30. Aufl. Springer, Heidelberg, S 885, Abb. 38.17