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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 22.08.2023

Intoxikationen durch Meerestiere

Verfasst von: Rosa Marinowitz, Gabriele Schulze und Andreas Schaper
Vergiftungen durch Meerestiere sind über zwei Wege möglich. Aktiv giftige Meerestiere verursachen Vergiftungen durch Biss, Stich oder Hautkontakt. Passive Vergiftungen entstehen durch Verzehr giftiger Spezies. Hier lassen sich Vergiftungen durch die Ingestion tatsächlich giftiger Tiere (z. B. Kugelfisch) und Vergiftungen durch Verzehr von Meerestieren, in denen sich Toxine anreichern (z. B. Ciguatera), unterscheiden. Weltweit ist die Häufigkeit der verschiedenen Vergiftungen regional sehr unterschiedlich. Die verschiedenen Spezies bevorzugen unterschiedliche Lebensräume und Wassertemperaturen, die Häufigkeit des Verzehrs bestimmter Meerestiere durch Menschen variiert. Aufgrund des Klimawandels ist jedoch eine Veränderung der Verbreitung bspw. tropischer Fische auch in europäische Gewässer zu erwarten. Bisher treten Vergiftungen durch tropische Meerestiere in Deutschland v. a. durch Kontakt mit diesen in Aquarien auf. Aber auch in Nord- und Ostsee, im Mittelmeer und im Atlantischen Ozean sind aktiv giftige Meerestiere heimisch.

Einleitung

Vergiftungen durch Meerestiere lassen einen spontan an exotische Ereignisse wie Vergiftungen durch den japanischen Kugelfisch (Fugu) denken. Von diesem Ereignis sind aber nur wenige Dutzend Menschen pro Jahr betroffen. Weltweit wesentlich häufiger sind regelmäßig endemisch auftretende Vergiftungen über Speisefische und Muscheln durch Algentoxine, die jährlich Hunderttausende Menschen erkranken lassen. Momentan ist dies vorwiegend ein Problem beim Verspeisen von Fischen aus tropischen Meeren. Mit zunehmender Klimaerwärmung wird das aber auch den Fischbestand in europäischen Gewässern betreffen (Norton und Norton 2021). Außerdem ist zu beachten, dass zunehmend auch exotische Meerestiere in privaten Aquarien gehalten werden.

Aktiv giftige Meerestiere – Wirbeltiere

Aktiv giftige Meerestiere besitzen meist Stacheln, Giftdrüsen oder Nesselzellen (Abb. 1). Die Intoxikationen treten i. d. R. bei direktem Kontakt auf und zeigen sich mit lokalen und ggf. systemischen Symptomen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patient*innen von einem Meerestier vergiftet wurden und das betreffende Tier nicht identifizieren können oder es nicht gesehen haben. Daher ist es sehr hilfreich, sich in der lokalen Meeresfauna und den typischen Vergiftungszeichen auszukennen (Schaper 2020).

Stachel- oder Stechrochen (stingray, Dasyatidae)

Vorkommen
Rochen finden sich weltweit. Mit Stachelrochen ist in wärmeren Gewässern zu rechnen, häufig in flachen Küstenbereichen, wo sie sich in den Sand eingraben und somit nicht immer leicht erkennbar sind (Abb. 2). Stachelrochen besitzen am Ende des Schwanzes Giftstacheln mit Widerhaken, die bei Kontakt u. U. ausgeprägte Verletzungen verursachen. Durch Verletzung mit den Stacheln wird das Toxin aus dem schwammartigen Drüsengewebe freigesetzt und kann mit abgebrochenen Stachelresten in der Wunde verbleiben (Mebs 2010). Der genaue Wirkmechanismus des Toxins ist unklar, es scheint eine Mischung aus hitzelabilen Proteinen u. a. Serotonin, 5-Nucleotidasen und Phosphodiesterasen zu sein. Es ist direkt kardiotoxisch, besitzt aber keine proteolytische und neuromuskulär blockierende Aktivität (Mebs 2010; https://www.toxinz.com; www.micromedexsolutions.com).
Symptomatik
In den meisten Fällen sind die mechanische Verletzung und deren Folgen, z. B. Infektionen, das Hauptproblem. Penetrations- und Lazerationswunden bis zu Perikard und Leber mit den daraus resultierenden Komplikationen, wie Herzbeuteltamponade und auch Todesfälle, sind beschrieben. Anfangs blutet die Wunde stark, im Verlauf kann es zu tiefen Gewebsnekrosen kommen.
Der Schmerz ist zu Beginn leicht, kann aber in den ersten 1,5 h zunehmen und für etwa 48 h anhalten.
In Einzelfällen kommen systemische Intoxikationssymptome wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwitzen, Schwindel, Synkope, Krampfanfall, Bauchschmerzen, Paralyse, Hypotonie, Bradykardie und Herzrhythmusstörungen dazu.
Therapie
Es gibt kein Antidot, also muss eine symptomatische Therapie erfolgen, d. h. Wundversorgung, Entfernen eventuell abgebrochener, röntgendichter Stachelreste, ggf. Antibiotikagabe, Analgetika und bei systemischer Toxizität symptomorientiert (Mebs 2010; Schaper 2020).

Skorpionsfische (scorpionfish, Scorpionidae)

Skorpionsfische finden sich in Indischem und Pazifischem Ozean, Atlantik und Mittelmeer.
Die Skorpionsfische sind die wohl bekannteste aktiv giftige Fischfamilie, wobei nicht alle Fische der Familie giftig sind. So gehört der Rotbarsch, ein beliebter Speisefisch aus dem Nordatlantik, auch zu ihnen.
Nach dem Aufbau des Giftapparats werden die giftigen Fische dieser Familie in drei Gruppen unterteilt: Steinfische (Synanceia), eigentliche Skorpionsfische/Drachenköpfe (Scorpaena) und Feuerfische (Pterois). Sie alle tragen an Rücken-, Bauch- und Afterflosse mehr oder weniger stark ausgeprägte Giftdrüsen. Daher auch der Name „Skorpionsfische“. Verletzungen durch diese Fische entstehen meist durch Abwehrreaktionen der Tiere (Abb. 3 und 4).
Sie alle verursachen ähnliche Symptome unterschiedlicher Ausprägung (Mebs 2010; Schaper 2020).

Steinfisch (stonefish, Synanceiidae)

Vorkommen
Steinfische sind weit verbreitet im Indopazifik, vor Ostafrika, Südaustralien bis Neuseeland und im Roten Meer. Manchmal sind sie auch in kühleren Meeren zu finden. Durch ihr „steinähnliches“ Aussehen – sie haben keine Schuppen- sind sie in Riffen sowie flacheren Gewässern schwer zu erkennen (Mebs 2010).
Symptomatik
Bei Verletzungen ist das größte Problem der extrem starke lokale Schmerz, der sowohl durch das lokale Trauma als auch durch die Toxinwirkung entsteht. Ein zum lokalen Trauma unproportional starker Schmerz weist auf eine Vergiftung hin. Der Schmerz setzt sofort ein, breitet sich zentripetal aus, erreicht sein Maximum nach 60–90 min und kann bis zu 12 h anhalten. Anschließend kann sich ein auf die ganze Extremität übergehendes lokales Ödem entwickeln. Starke Rötung und lokale Nekrosen können hinzukommen. Eine systemische Wirkung ist eher selten und Symptome wie allgemeine Schwäche, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Kopfschmerz, Schwitzen, Hypotonie und Arrhythmien bis hin zum Kreislaufkollaps können auch Folgen des Schmerzes und nicht der Toxinwirkung sein.
Es gibt Einzelfallberichte von Lungenödem, Krampfanfällen und Anaphylaxie in Folge eines Steinfischstiches.
Die Toxine der Steinfische sind sehr komplex und unterscheiden sich innerhalb der Steinfischarten. Bekannte Toxinbestandteile der drei Steinfischarten sind u. a. von Synanceia trachynis das Trachynilysin, von Synanceia horrida das Stonustoxin und von Synanceia verrucose das Verrucotoxin. Alle Toxine scheinen eine Mischung aus enzymatisch aktiven und nichtaktiven Proteinen zu sein, die u. a. neuro- und kardiotoxisch wirken können (Mebs 2010; https://www.toxinz.com).
Therapie
Direktes Spülen der Einstichstelle mit Wasser (auch Meerwasser) zur Entfernung von Stachelresten und ggf. dem Toxin, Wundversorgung, Entfernen evtl. abgebrochener, röntgendichter Stachelreste, ggf. Antibiotikagabe und Tetanusprophylaxe.
Leichte Fälle: ggf. Heißwassermethode (s. Abschn. 5.1), medikamentöse Schmerztherapie, Lokalanästhetikainfiltration oder regionale Nervenblockade.
Schwere Fälle: symptomorientiert und spezifisch mit Stone-Fish-Antivenom (Hersteller: Australia Commonwealth Laboratories CSL Parkville, Australien).

Drachenkopf, Skorpionsfisch (scorpionfish, Scorpaena)

Vorkommen
Siehe Steinfische, auch in Flüssen in Australien (Süßwasser) und im Mittelmeer.
Symptomatik
Siehe Steinfisch, in der Regel weniger ausgeprägt.
Therapie
Siehe Steinfisch, ein Antidot ist gegen die Toxine dieser Fische nicht verfügbar.

Feuerfisch (fire fish, Pteroinae)

Vorkommen
Feuerfische kommen in Korallenriffen im Indopazifik, Rotem Meer, aber auch in Aquarien und vereinzelt, vermutlich durch die steigenden Wassertemperaturen, im Mittelmeer vor (Abb. 5, 6, 7 und 8).
Symptomatik
Siehe Steinfisch, in der Regel weniger ausgeprägt.
Therapie
Siehe Steinfisch, ein Antidot ist nicht verfügbar.

Petermännchen (weeverfish, Echiichthys sp.)

Vorkommen
Das Petermännchen gehört zu den Drachenfischen (Trachinidae) und findet sich u. a. im Mittelmeer, Atlantik, Nordsee und an der östlichen Atlantikküste. Einige Arten des Petermännchens finden sich häufig in Flachwassern, wo sie sich in sandigen/schlammigen Untergrund eingraben. Die mit Giftdrüsen versehenen Stachel finden sich an der Rückenflosse und auf dem Kiemendeckel.
Symptomatik
Lokal entsteht ein Erythem und Ödem. Der Stich kann sehr schmerzhaft sein und über Wochen bis Monate anhalten bzw. wiederkehren. Sekundärinfektionen kommen vor. Schüttelfrost, Fieber, Malaise, Zyanose können sowohl infektionsbedingt, aber auch toxischer Genese sein. Weitere systemische Symptome sind selten: Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen, Dyspnoe, Arrhythmie, Hypotonie.
Therapie
Symptomorientiert, Antibiotika, Tetanusprophylaxe, Wundreinigung, ggf. Heißwassermethode (s. Abschn. 5.1), es gibt kein Antidot (Kilian 2020).

Welse (catfish, Siluroidae)

Vorkommen
Welse kommen in allen Gewässern, auch in gemäßigten Klimazonen, vor. Die meisten der über 1000 Welsarten haben Hautdrüsen, die toxische Sekrete abgeben, und auch Stacheln.
Symptomatik
Wenn die Toxine in verletzte menschliche Haut gelangen, z. B. nach Stichverletzung, verursachen diese heftigen Schmerz, der je nach Fischart und Ausmaß der Verletzung etwa 30 min bis 48 h anhalten kann. Außerdem können Stiche zu lokaler Rötung, Ödem, Blutung und lokalen Nekrosen führen. Systemisch kommen u. a. Schwindel, Benommenheit, Bewusstlosigkeit, Atemnot, Tachykardie und Hypotonie vor. Anaphylaxien und Sekundärinfektionen sind möglich.
Therapie
Symptomorientiert, Antibiotika, Tetanusprophylaxe, Wundreinigung, Heißwassermethode (s. Abschn. 5.1). Es gibt kein Antidot (Mebs 2010; Schaper 2020).

Seeschlangen

Vorkommen
Meist in Salzwasser: in Küstennähe, bei Korallenriffen; vom Persischen Golf bis in japanische, australische und indopazifische Küstengewässer; in den afrikanischen und mittel- u. südamerikanischen Küstengewässern, teils in Mündungsgebieten großer Flüsse.
Seeschlangen der Unterfamilien Hydrophiinae und Laticaudinae gehören zu den Giftnattern (Elapidae) und sind ausnahmslos sehr giftig. Doch nicht jeder Seeschlangenbiss führt zu einer Vergiftung.
Symptomatik
Eine schwere systemische Vergiftung zeigt sich durch Muskellähmungen, u. a. auch der Atemmuskulatur, Rhabdomyolyse mit anschließenden Herzrhythmusstörungen und Nierenversagen.
Therapie
Direkt nach einer Vergiftung sollte versucht werden die Ausbreitung des Giftes zu verhindern z. B. durch das Anlegen eines Kompressions-Immobilisations-Verbandes (s. Abschn. 5.2). In schweren Fällen ist die frühzeitige Gabe des Sea Snake Antivenom (CSL Limited, Parkville, Australien) indiziert. Die Toxine blockieren den Acetylchonlinesterase-Rezeptor, sodass eine Therapie mit z. B. Atropin versucht werden kann, wenn das Antidot nicht (schnell genug) verfügbar ist. Die weitere Therapie ist rein symptomatisch (Mebs 2010; Schaper 2020).

Aktiv giftige Meerestiere – Wirbellose Tiere

Nesseltiere (cnidarians, Cnidaria)

Nesseltiere sind Hohltiere, d. h., sie sind durch einen gastralen Hohlraum mit nur einer (Mund-) Öffnung charakterisiert. Sie besiedeln in zwei Varianten v. a. das Meer: als freischwimmende Medusen (Quallen) und als festsitzende, zu Kolonien vereinigte oder einzelne Polypen (Koralle, Seeanemone). Wie ihr Name sagt, haben sie die Eigenschaft, bei Kontakt bzw. Reizung unangenehm nesseln zu können. Ursächlich dafür sind spezialisierte Stechzellen, die als Nesselkapseln oder Nematozysten bezeichnet werden. Diese enthalten Gifte, die eine Mischungen aus Zytolysinen und Neurotoxinen sind. Inaktive, d. h., nichtgeöffnete Nesselzellen können, je nach Spezies, durch verschiedene Maßnahmen inaktiviert werden, bei Würfelquallen z. B. durch Spülen mit Haushaltsessig (s. Therapie der einzelnen Spezies) (Mebs 2010).
Die klinische Symptomatik, die durch Kontakt mit einer dieser Spezies hervorgerufen werden kann, ist sehr ähnlich, aber von unterschiedlicher Schwere (Hornbeak und Auerbach 2017).

Quallen (jellyfish, Medusae)

Feuerqualle (fire jellyfish, Cyanea capillata) und Leuchtqualle (mauve stinger, Pelagia noctiluca)
Vorkommen und Symptome
Die Feuerqualle kann massenweise im Atlantik und in Nord- und Ostsee auftreten. Die Leuchtqualle kommt eher in wärmeren Meeren weltweit, auch im Mittelmeer, vor.
Ihre Stiche sind sofort sehr schmerzhaft, Schmerz und Rötung halten in der Regel aber nur einige Stunden an. Leuchtquallenstiche können auch zu u. U. nur schlecht heilenden Pusteln und/oder Quaddeln führen.
Systemische Vergiftungszeichen sind extrem selten. Durch großflächigen Kontakt kann es aber im Einzelfall zu Übelkeit, Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Bradykardie und Atemnot kommen. Eine Anaphylaxie ist möglich. Todesfälle sind nicht bekannt.
Therapie
Vorsichtig verbliebene Tentakel durch Spülen mit (Salz-) Wasser entfernen, bei Juckreiz ggf. Antihistaminika, bei starken Schmerzen ggf. Heißwassermethode. Weitere lokale sowie systemische Symptome bedürfen einer symptomatischen Therapie. Ein Antidot existiert nicht (Mebs 2010; Schaper 2020).
Portugiesische Galeere (Portugese man of war, Pysalia physalis)
Vorkommen und Symptome
Die portugiesische Galeere kommt weltweit in allen Ozeanen vor und führt relativ häufig zu Unfällen.
Der Stich verursacht eine verbrennungsartige Schwellung (Histaminfreisetzung), sofortige Schmerzen, Brennen und Juckreiz. Ein großflächiger Kontakt kann zu schweren lokalen Symptomen (Nekrosen) aber auch zu systemischen Symptomen wie Übelkeit, Benommenheit, Angst, Atemnot, Bradykardie, Schmerzen, Krampfanfällen und Faszikulationen führen. In der Regel verschwinden alle Symptome innerhalb von 72 h. Aus ungeklärten Gründen können die Hauterscheinungen noch nach Tagen oder Wochen wiederkehren. Auch eine Sensibilisierung i. S. einer Allergie ist möglich. Todesfälle und schwere Verläufe sind beschrieben.
Therapie
Das Opfer sollte das Wasser sofort verlassen, ein Kratzen an den juckenden Stellen ist möglichst zu unterlassen (Verstärkung von Juckreiz und Schmerzen). Spülen mit (Salz-) Wasser. Bei starken Schmerzen ggf. Heißwasserbehandlung, ggf. Antihistaminika. Alles weitere symptomatisch. Es gibt kein Antidot (Loten et al. 2006).
Würfelquallen
Seewespe (sea-wasp, box-jellyfish, Chironex fleckeri)
Vorkommen und Symptome
Die Seewespe kommt vorrangig in tropischen Küstengewässern Nordaustraliens vor. Würfelquallen (= Seewespen) sind die gefährlichsten Nesseltiere. Die Nematoden der Würfelquallen dringen tief in die Haut ein und können sogar Latexhandschuhe durchdringen. Die meisten der Würfelquallenexpositionen verlaufen mild, aber jede Verletzung mit dieser Qualle sollte als potenziell tödlich eingeschätzt werden und daher in einem Krankenhaus mit Behandlungserfahrung versorgt werden. Die Symptomatik zeichnet sich durch einen sofort einsetzenden, stärksten Schmerz aus, zudem sind livide Striemen, Rötung und ein Ödem möglich. Hautnekrosen sind häufig. Systemische Intoxikationserscheinungen beinhalten stärkste, auch generalisierte Schmerzen, Übelkeit, Herzrhythmusstörungen, Herzstillstand, Schock, Lungenödem und Atemdepression.
Therapie
Die Symptome können u. U. innerhalb weniger Minuten auftreten.
Durch Abspülen mit Essig (3–10 %) sollen die noch verbliebenen Nematozysten abgetötet werden. Kühlen und Antihistaminika werden zur Symptomlinderung eingesetzt.
Die dermalen Symptome sollten wie eine Verbrennung behandelt werden. In schweren Fällen kann ggf. mit dem Antivenin Jellyfish Antivenom (Commonwealth Serum Laboratories, Melbourne, Australien) behandelt werden. Auch die Therapie der systemischen Wirkung sollte zunächst symptomatisch erfolgen, allerdings kann eine frühe Anwendung des Antivenums u. U. nötig bzw. sinnvoll sein (Mebs 2010; Schaper 2020; U.S. Navy 2018).
Andere Würfelquallen
Irukandji (Carukia barnesi)
Vorkommen und Symptome
Der Stich der kleinen Würfelquallenart Carukia barnesi und ähnlicher Spezies kann das Irukandji-Syndrom verursachen. Es tritt v. a. an der Ost- und Nordküste Australiens auf. Die Berührung mit den Tentakeln ist schmerzhaft, in der Regel verschwinden die Symptome aber innerhalb einer Stunde wieder. Innerhalb von 5 min bis 2 h danach kann sich das Irukandji-Syndrom entwickeln. Dieses geht mit Muskelkrämpfen, Übelkeit, Erbrechen, Kopf- und Bauchschmerzen, Schwitzen und v. a. einem stark erhöhten Blutdruck einher. In der Folge kann ein Lungenödem auftreten, Todesfälle aufgrund der kardiotoxischen Eigenschaften sind aufgetreten.
Therapie
Ein Antidot gibt es nicht, die Therapie ist rein symptomatisch. Ein Abspülen mit Essig direkt nach Exposition hat sich, wie bei allen Würfelquallen, bewährt.

Andere Nesseltiere

Auch Feuerkorallen, Federpolypen, Seeanemonen und die Larven von einigen Nesseltierarten (z. B. Linuche unguiculata) können Nesselverletzungen verursachen, die nur in seltensten Fällen über Lokalsymptome hinausgehen. Tritt nach Kontakt mit diesen Tieren eine typische „nesselnde“ Symptomatik auf, sollte mit Meerwasser gespült werden und anschließend eine symptomatische Therapie erfolgen. Antidota stehen nicht zur Verfügung.
Schwämme, Borstenwürmer
Vorkommen, Symptome und Therapie
Das Berühren eines Meeres- oder Seeschwamms kann unangenehme Hautreaktionen hervorrufen. Kommt es zu einem Kontakt, sollte die Haut sanft abgetrocknet und die in der Wunde verbliebenen Kieselsäurenadeln mit einem Klebeband entfernt werden.
Borstenwürmer (Stamm Annelida, Ringelwürmer) verfügen über Reihen von weichen Stacheln, die dem Opfer schmerzhafte Stiche zufügen können. Ein Kontakt führt zu Symptomen, die ähnlich denen einer Nesselkapselverletzung sind. Ohne Therapie klingen die Schmerzen normalerweise nach einigen Stunden wieder ab, die lokale Entzündungsreaktion kann jedoch bis zu einer Woche lang anhalten. Die Opfer sollten dem Verlangen, an der Wunde zu kratzen, widerstehen, da dadurch entfernbare Stacheln abgebrochen werden. Sichtbare Borsten sollten mit einer Pinzette oder mit Klebeband entfernt werden. Lokale Unverträglichkeitsreaktionen können mit lokalen oder systemischen Glukokortikoiden behandelt werden (Mebs 2010; Schaper 2020).
Stachelhäuter
Vorkommen, Symptome und Therapie
Unter den marinen Stachelhäutern, Echinodermata, d. h. Seeigel, Seegurken und Seesterne, gibt es Spezies, deren Dornen/Stacheln giftig sind (Abb. 9 und 10).
Die Gifte können Schmerzen verursachen, deren Intensität über die des Stichs an sich hinausgehen.
Die Heißwassermethode (s. Abschn. 5.1) kann ggf. Schmerzlinderung bieten, die sonstige Therapie ist rein symptomatisch. Wichtig ist, zu versuchen, Stachelreste so weit wie möglich aus der Haut zu entfernen, ggf. empfiehlt sich eine radiologische Untersuchung zum Fremdkörperausschluss, da schmerzhafte Granulome die Folge sei können. Für die selten vorkommenden, systemischen, neuro- und kardiotoxischen Giftwirkungen sind keine spezifischen Therapien bekannt.
Schnecken
Vorkommen, Symptome und Therapie
Tropische Kegelschnecken der Gattung Conus haben einen harpunenartigen Giftapparat, mit dem sie Neurotoxine in ihre Beute injizieren. Die Gefährlichsten kommen im Indischen und im Pazifischen Ozean vor. Vergiftungen von Menschen sind bei Muschelsammlern beschrieben. Der Stich ist meistens speziesabhängig schmerzhaft. Später können Missempfindungen der Wunde sowie periorale oder generalisierte Parästhesien auftreten. Die Bulbärparalyse und periphere Muskellähmungen sind Anzeichen einer schweren Vergiftung. Vergiftungen durch Conus geographus, der wohl gefährlichsten Kegelschnecke, können zu Hirnödem, Koma sowie Tod durch Atemlähmung oder Herzversagen führen.
Unmittelbar nach der Vergiftung kann ein umfassender Kompressions-Immobilisations-Verband (s. Abschn. 5.2) sinnvoll sein. Es existiert kein Antidot, also muss eine symptomatische Therapie erfolgen (Mebs 2010; Schaper 2020).
Kopffüßer
Vorkommen, Symptome und Therapie
Zu ernsthaften Vergiftungen und Todesfällen kommt es nach Bissen des australischen Blaugeringelten Octopus (Hapalochlaena maculosa und H. lunulata). Diese nur selten länger als 20 cm messenden Tiere produzieren ein starkes Nervengift (Maculotoxin, identisch mit Tetrodotoxin). Häufig wird der Biss nicht bemerkt. Bei schweren Vergiftungen entwickelt sich binnen weniger Minuten ein Taubheitsgefühl in Mund und Gesicht, das schnell zur totalen, schlaffen Lähmung auch der Atemmuskulatur führt. In der Regel bilden sich die paralytischen Symptome innerhalb von 24 h zurück. Direkt nach einer Vergiftung sollte versucht werden, die Ausbreitung des Giftes zu verhindern, z. B. durch das Anlegen eines Kompressions-Immobilisations-Verbandes (s. Abschn. 5.2). Durch die moderne Intensivmedizin, wenn schnell genug verfügbar, ist die Prognose inzwischen sehr gut. Da es kein Gegengift gibt, ist die Therapie unterstützend (Mebs 2010; Schaper 2020; U.S. Navy 2018).

Passiv giftige Meerestiere

Dinoflagellatentoxine

Im Plankton lebende Einzeller, insbesondere Dinoflagellaten, sind in der Lage, chemisch komplexe Toxine zu synthetisieren. Einerseits durch Anreicherung der Toxine in der Nahrungskette (im Fleisch von Muscheln und Raubfischen sind dann die höchsten Giftkonzentrationen), andererseits auch durch Kontamination küstennaher Atemluft durch toxinhaltige Aerosole können diese Toxine zu Vergiftungen beim Menschen führen. Wahrscheinlich in Folge von Klimaerwärmung und Meeresverschmutzung treten solche toxischen Algenblüten nun auch in gemäßigt warmen, europanahen Meeresteilen auf (Mebs 2010).

Ciguatera

Vorkommen
Ciguatoxine werden von Dinoflagellaten v. a. in tropischen und subtropischen Gewässern gebildet, durch Klimaerwärmung und Import gibt es jedoch zunehmend auch Fälle in Europa (Canals et al. 2021). Ciguatera tritt nach Verzehr Ciguatoxin-anreichernder Fische auf. Durch Bioakkumulation kann es v. a. in Raubfischen (z. B. Makrelen, Zackenbarschen und Bernsteinmakrelen) zu hohen Toxinkonzentrationen kommen. Auch weitere im Fisch angereicherte Toxine scheinen bei Ciguatera eine Rolle zu spielen. Oft treten Ausbrüche als kleine Epidemien auf (Verzehr von Fisch im selben Restaurant; vom selben Hersteller) (Zimmermann et al. 2015). Beim Ciguatoxin selbst handelt es sich neurotoxische polyzyklische Polyether. Weder die Gesundheit der Fische noch ihr Geruch, Geschmack (beim Verzehr) oder Aussehen werden von den Toxinen beeinflusst. Auch lassen sich die Toxine weder durch Hitze, Einfrieren oder Säureeinwirkung zerstören. Es gibt es nach wie vor keine zuverlässige Screening-Methode zur Ermittlung von kontaminiertem Fisch.
Symptome und Therapie
Die Vergiftung weist sowohl gastrointestinale als auch neurologische Symptome auf.
Diese können schon 15 min nach Ingestion eintreten, in fast allen Fällen aber innerhalb von 24 h. Die mehr als 150 berichteten Symptome beinhalten: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Frösteln, Juckreiz (v. a. an Händen u. Füßen), Zittern, Schwächegefühl, metallischer Geschmack im Mund, Konjunktivitis, Schwitzen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schlaflosigkeit, Bradykardie, Hypotension, Krampfanfälle, zentrale Atemstörungen und Koma. Kälteallodynie (ein brennendes Gefühl bei der Exposition gegenüber Kälte; manchmal auch als „Warm-Kalt-Umkehr“ wahrgenommen) wird oft als pathognomonisch für Ciguatera beschrieben.
Todesfälle sind selten. In der Regel bilden sich die Symptome innerhalb von einigen Tagen oder Wochen zurück, können in Einzelfällen aber auch Monate anhalten oder sogar chronifizieren.
Auch Monate später kann es nach Triggerreizen wie Kälte, Fisch, Alkohol-, Kaffee- oder Nusskonsum zur Symptomwiederkehr kommen. Deshalb sollten diese Produkte nach durchgemachter Infektion gemieden werden. Zu schwereren Verläufen scheint es bei wiederholter Exposition mit den Toxinen zu kommen.
Es gibt keine gesicherte Therapie der Ciguatera, nur Einzelfallberichte und Fallserien mit widersprüchlichen Ergebnissen. Einige Fallserien beschreiben eine Wirksamkeit einer intravenösen Mannitolgabe, v. a. in der akuten Phase der Vergiftung als Antidot. Allerdings wird aufgrund der aktuellen Datenlage weder eine klare Empfehlung ausgesprochen noch von Mannitol klar abgeraten, da auch der Wirkmechanismus nicht geklärt ist. Bei lang anhaltenden und chronischen Verläufen wird es nie empfohlen. Im Grunde ist die Therapie rein symptomatisch (Mullins und Hoffman 2017; https://www.toxinz.com; Mebs 2010; Schaper 2020).

Muschelvergiftungen

Muscheln filtern marine Mikroorganismen wie Dinoflagellaten. Diese können manchmal Toxine produzieren. Da die Muschel viele Mikroorganismen filtert, können sich die Toxine in der Muschel anreichern. Der Muschel schaden diese Toxine im Normalfall nicht, aber Menschen und Tiere, die diese Muscheln essen, können erkranken.
Zu Muschelvergiftungen kann es in allen Teilen der Welt kommen. Häufig treten sie während oder nach Algenblüte auf. Manchmal wird in diesen Regionen dann auch ein Fischsterben beobachtet.

Paralytische Form (paralytic shellfish poisoning)

Vorkommen, Symptome und Therapie
Die paralytischen Muschelvergiftungen treten etwa 30 min bis 3 h nach Muschelkonsum auf. Verursacht wird es von in den Muscheln angereicherten paralytisch wirkenden Neurotoxinen. Am bekanntesten sind die Saxitoxine.
Die neurologischen Symptome beginnen mit Taubheitsgefühl im und um den Mund, welches sich dann auf die Extremitäten ausdehnt. In schweren Fällen kommen eine Lähmung der Extremitäten und manchmal auch der Atemmuskulatur dazu. Zusätzlich können Magen-Darm-Beschwerden, Pupillomotorikstörungen oder Schluckstörungen auftreten. Rasch progrediente Verläufe sind schwer. Der Tod durch Atemlähmung kann innerhalb von 12 h eintreten. In der Regel erholen sich die Betroffenen innerhalb von einigen Tagen. Die Diagnose ist klinisch zu stellen. Der chemisch-analytische Giftnachweis in Körperflüssigkeiten Betroffener kommt – sofern sich überhaupt ein Labor mit geeigneten Referenzmaterialien findet – für die praktisch-klinischen Belange zu spät.
Die Therapie ist symptomorientiert (Beatmung). Wichtig ist eine enge klinische Beobachtung, um eine lebensbedrohliche Intoxikation rechtzeitig zu erkennen (https://www.toxinz.com; Mebs 2010).

Gastrointestinale Form (diarrhoeic shellfish poisoning)

Vorkommen, Symptome und Therapie
Das bekannteste diese Muschelvergiftung verursachende Toxin ist die Okadasäure. Sie ist auch verdächtig, tumorinduzierend wirken zu können. Sie kommt v. a. in gemäßigten Breiten (Europa, Japan, Chile) und speziell an der holländischen und deutschen Nordseeküste vor. Die Symptome sind gastrointestinal mit Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Sie treten etwa 30 min bis 2 h nach Verzehr von Muscheln (auch Zuchtmuscheln) auf und klingen in der Regel innerhalb von ca. 3 Tagen ab. Die Therapie ist rein symptomatisch (https://www.toxinz.com; Mebs 2010).

Amnestisch zentralnervöse Form (amnestic shellfish poisoning)

Vorkommen, Symptome und Therapie
Diese Form der Muschelvergiftung wird durch das Dinoflagellatentoxin Domosäure verursacht.
Die ersten Symptome sind gastrointestinal mit Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall. Es kann bis zu 48 h dauern bis neuropsychologische Symptome hinzukommen. Typisch sind Kopfschmerz, anterograde Amnesie und Mutismus. Augenbewegungsstörungen, Schluckstörungen, Krampfanfälle, Hypotonie, Arrhythmien, profuses Schwitzen und Hypersalivation können hinzukommen. In der Regel erholen sich die Betroffenen innerhalb von 24 h bis 12 Wochen. In Einzelfällen halten die Gedächtnisstörungen länger an, eine wichtige Differenzialdiagnose ist die Wernicke-Enzephalopathie.
Da es kein Antidot gibt, erfolgt die Therapie symptomatisch (https://www.toxinz.com; Mebs 2010).

Neurotoxische Form (neurotoxic shellfish poisoning)

Vorkommen, Symptome und Therapie
Diese Vergiftung wird durch das Dinoflagellatentoxin Brevetoxin verursacht und kann auch durch Inhalation von zerstäubten Algen zu Symptomen führen. Symptome, die nach Verzehr von Brevetoxin-haltigen Meeresfrüchten auftraten, sind u. a. orale Parästhesien, die sich ausbreiten, Schwindel, Ataxie, Muskelschwäche, partielle Lähmungen, Atemstörungen und paradoxes Temperaturempfinden. Gastrointestinale und neurologische Symptome treten etwa gleichzeitig auf. Bei Inhalation treten Atemwegsbeschwerden wie Naselaufen, Husten und Asthmaanfälle auf. In der Regel treten die Beschwerden etwa 3–18 h nach Exposition auf und bilden sich innerhalb von etwa 3 Tagen zurück. Nur eine symptomatische Therapie ist möglich (https://www.toxinz.com; Mebs 2010).

Scombrotoxin

Vorkommen, Symptome und Therapie
Scombrotoxismus tritt u. a. nach Verzehr von „rotem“ Fischfleisch, z. B. Makrele oder Thunfisch, auch aus Konserven, auf und ist auch in Deutschland häufig. Ursache kann u. a. eine zu warme Lagerung des Fisches nach dem Fang sein. Unter den richtigen Bedingungen bauen Bakterien das in roter Fischmuskulatur besonders reichlich vorhandene Histidin zu Histamin ab. Scombrotoxismus ist somit eine Histaminwirkung und kann auch durch andere Lebensmittel verursacht werden.
Die Symptome lassen an eine allergische Reaktion denken. Es liegt eine Histamin-vermittelte Reaktion vor. Gesichtsrötung mit Kopfschmerzen, Urtikaria, manchmal Durchfall, Bauchschmerzen, Erbrechen, und ein Bronchospasmus können auftreten. Die Beschwerden treten in der Regel kurz nach dem Verzehr, meist innerhalb von 4 h, auf und sind auch ohne Therapie häufig selbstlimitierend. Die Therapie erfolgt mit Antihistaminika und kann die Dauer der Symptome massiv verkürzen, von bis zu 48 h auf ca. 2–3 h. Schwere Verläufe sind eher bei Menschen mit Vorerkrankungen (u. a. kardiovaskulär, Asthma) beschrieben (Mebs 2010).

Tetrodotoxin

Vorkommen, Symptome und Therapie
Beim Tetrodotoxin handelt sich um einen Natriumkanalblocker axonaler Ionenkanäle und damit ein paralytisches Neurotoxin. Tetrodotoxin reichert sich besonders in den Innereien, hauptsächlich in Leber und Ovarien von Kugelfischen (Tretraodontidae, puffer fish) (Abb. 11), an. Vor allem nach Verzehr dieses Fisches sind Todesfälle vorgekommen. Ein identisches Toxin wird aber auch beim an sich wenig schmerzhaften Biss von indopazifischen Blauringelkraken (s. Abschn. 3.1.2- Kopffüßer) übertragen. Auch das Hautsekret einiger Pfeilgiftfrösche enthält Tetrodotoxin. Auch in anderen Tieren, u. a. einigen Krabben, Fröschen und Lurchen und weiteren Fischen z. B. Igelfischen (Diodontidae, porcuoine fish) (Abb. 12), wurde das Toxin nachgewiesen. Kugelfische gibt es in vielen Meeren, auch im Roten Meer und im Mittelmeer. Eine Vergiftung in Europa ist über den Verzehr von importiertem Kugelfisch, oder ein Angeln und Verzehren von unbekannten Fischen vorstellbar. Der Biss des Kugelfischs gilt als ungiftig. Auch die Aufnahme von Toxinen über die Haut ist möglich und auch der Stich von Kugelfischen kann Vergiftungserscheinungen verursachen.
Die Tiere können unterschiedlich viel Toxin enthalten, sodass Symptome unterschiedlicher Schwere möglich sind. Auch der Beginn der Symptome hängt mit der Giftkonzentration zusammen. So beginnen Beschwerden bei einer großen aufgenommenen Toxinmenge schon nach 5–15 min, die meisten Vergiftungen manifestieren sich innerhalb von 6 h.
Die Symptomatik beginnt mit perioralen Parästhesien und Muskelschwäche, häufig begleitet von Übelkeit, jedoch selten Erbrechen. In schweren Fällen kann eine komplette Paralyse mit Lähmung der Atemmuskulatur, ein Koma, bei dem die Patient*innen bei Bewusstsein sind und „scheintod“ wirken, Hypotonie und Herzstillstand auftreten. Die Therapie ist rein symptomatisch. Mit supportiver, intensivmedizinischer Therapie (insb. Beatmung) erholen sich die Betroffenen oft innerhalb von 24–48 h. Paralytische Muschelvergiftungen präsentieren sich oft sehr ähnlich (www.micromedexsolutions.com; Mebs 2010).

Palytoxin

Vorkommen, Symptome und Therapie
Auch Palytoxin ist ein Gift, welches vermutlich von Dinoflagellaten gebildet wird. Vergiftungen entstehen v. a. durch Verzehr von Fischen (u. a. Drückerfischen), die Palytoxin angereichert haben. Auch Muscheln, Krabben und Krustenannemonen können Palytoxin enthalten. Insgesamt scheinen eher tropische Meere betroffen. Krustenanemonen (Zoanthidea) werden oft in Meerwasseraquarien gehalten. Beim Reinigen solcher Aquarien kann es zu Vergiftungen kommen (MacMillan et al. 2022). Auch können Palytoxine bei Algenblüten regional Gesundheitsprobleme verursachen. Eine Vergiftung kann durch Verzehr, Inhalation, Hautkontakt (v. a. beschädigte Haut) und Augenkontakt entstehen. Insgesamt ist es aber eine seltene Vergiftung.
In der Regel treten die Symptome relativ rasch, innerhalb von 1 h nach Exposition, auf. Auch Todesfälle nach kurzer Zeit sind beschrieben. Häufig ist ein metallischer Geschmack, gefolgt von Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall. Zentralnervöse Störungen wie Parästhesien, Kopfschmerzen und Krampfanfälle können dazu kommen. Auch eine Hypotonie und Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche und eine Rhabdomyolyse wurden beobachtet. Der Zustand der Patienten*innen kann sich schnell verschlechtern und u. a. eine Atemdepression, ein Koma und ein Nierenversagen entwickeln mit potenziell tödlichem Verlauf. Die Symptome können in schweren Fällen über Wochen anhalten.
Bei Inhalation stehen pulmonale Symptome mit Husten, Luftnot und gereizten Schleimhäuten im Vordergrund. Auch systemische, in der Regel leichtere Symptome u. a. Fieber können auftreten. Auch nach Hautkontakt sind neben einem lokalen Ödem systemische Wirkungen, mit u. a. perioralen Parästhesien, aufgetreten. Da es kein Antidot gibt, ist die Therapie rein symptomatisch und u. U. muss sehr schnell intensivmedizinisch therapiert werden. Die Letalität wird mit bis zu 45 % angegeben (www.micromedexsolutions.com; https://www.toxinz.com; Mebs 2010).

Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Bissen/Stichen durch giftige Meerestiere

Die Betroffenen sollten beruhigt werden und das betroffene Körperteil ruhig halten.
Der Transport ins nächste Krankenhaus muss schnellstmöglich eingeleitet werden.
Um spezifische Maßnahmen einleiten zu können, ist es unerlässlich, das giftige Meerestier zweifelsfrei zu bestimmen (z. B. Foto).
Weitere Erste-Hilfe-Maßnahmen sind in der Regel symptomatisch.
Im Folgenden werden zwei Maßnahmen beschrieben, die bei Bissen/Stichen durch giftige Meerestiere speziesabhängig neben der symptomatischen Therapie manchmal empfohlen werden.

Heißwassermethode

Tritt bei einer Verletzung durch einen der giftigen Fische ein zum lokalen Trauma unproportional starker Schmerz auf, weist dies auf eine Vergiftung hin. Bei vielen marinen, lokal toxischen Giften tierischer Herkunft kann dann eine Heißwasserbehandlung zur Schmerzreduktion zum Einsatz kommen. Es handelt sich um eine lokale Applikation von gerade noch tolerierbarer Hitze (ca. 45 °C), z. B. durch Eintauchen in heißes Wasser (Loten et al. 2006).
Sinnvoll scheint es, das betroffene Körperteil über 15–20 min der Hitze auszusetzen. Lässt der Schmerz in dieser Zeit nach, kann die Maßnahme beendet werden. Hält der Schmerz an oder tritt er bei Entfernung des Körperteils aus dem heißen Wasser erneut auf, kann die Heißwassermethode auch wiederholt bzw. länger durchgeführt werden. Dabei muss sehr genau auf die Gefahr von Verbrennungen geachtet werden. Die Methode sollte nicht länger als 2 h wiederholt werden.
Der Wirkmechanismus wird mit der Zerstörung hitzelabiler, toxischer, den Schmerz verursachender Proteine erklärt.

Kompressions-Immobilisations-Verband

In Gegenden mit eingeschränktem Zugang zur Notfallversorgung (z. B. Australien) wird der Kompressions-Immobilisations-Verband als Erste-Hilfe-Maßnahme bei Tierarten propagiert, deren Gifte kein bzw. kaum lokale Symptome hervorrufen (z. B. Giftnattern [Elapidae]).
Der Kompressions-Immobilisations-Verband kann eine wirkungsvolle Maßnahme sein, die Ausbreitung von Toxinen in den Körperkreislauf zu reduzieren und den Vergiftungsverlauf zu verzögern. Er ist jedoch nur bei einzelnen, ausgewählten, giftigen Tieren indiziert, da wenn z. B. die Tierart nicht korrekt bestimmt wurde oder der Verband falsch angelegt wird, die Anwendung fatale Folgen haben kann.
Der Kompressions-Immobilisations-Verband sollte beispielsweise niemals bei giftigen Fischen angewendet werden, da der Rückstau des Toxins den Schmerz und die lokale Gewebeschädigung verstärken kann. Auch bei den Vipern (Viperidae), zu denen auch unsere heimische Kreuzotter (Vipera berus) gehört, deren Bisse v. a. lokale Ödeme verursachen, sollte der Kompressions-Immobilisations-Verband niemals Anwendung finden.
Der Kompressions-Immobilisations-Verband sollte mit einer elastischen Binde von der Bissstelle ausgehend, mit Schiene o. ä. fixiert, bandagiert werden. Ziel der Maßnahme ist es den Lymphfluss und die Blutzirkulation in den Kapillaren zu verlangsamen, ohne die Blutzirkulation zu unterbinden.
Hierbei wird empfohlen von distal nach proximal zu wickeln, die minimale Menge Toxin, die so in den Körperkreislauf gedrückt wird, ist gegenüber der Bequemlichkeit für die betroffene Person (Verband kann länger verbleiben) zu vernachlässigen.
Der schnelle Transport in die nächste Klinik sollte dabei nicht durch das Anlegen des Kompressions-Immobilisations-Verbandes verzögert werden.
Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass es Übung braucht, den Verband richtig anzulegen, da in vielen Fällen zu fest oder zu locker gewickelt wird. Der Verband sollte auch erst im Krankenhaus wieder gelöst werden (Boluseffekt) (Mebs 2010; https://www.toxinz.com; https://www.uptodate.com).
Literatur
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Mebs D (2010) Gifttiere – Ein Handbuch für Biologen, Toxikologen, Ärzte und Apotheker, 3. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart. ISBN 978-3-8047-2510-2
Mullins ME, Hoffman RS (2017) Is mannitol the treatment of choice for patients with ciguatera fish poisoning? Clin Toxicol (Phila) 55(9):947–955. https://​doi.​org/​10.​1080/​15563650.​2017.​1327664. Epub 2017 May 23. PMID: 28535116CrossRefPubMed
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