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2021 | Buch

Sexualmedizin für die Praxis

Sexualberatung und Kurzinterventionen bei sexuellen Störungen

herausgegeben von: Prof. Dr. Uwe Hartmann, Prof. Dr. Tillmann Krüger, Dr. med. Viola Kürbitz, Dr. med. Christian Neuhof

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Das Buch vermittelt klinisch tätigen Ärzten verschiedener Fachbereiche das nötige Praxiswissen und die Fertigkeiten, die dazu befähigen:

· Sexuelle Störungen zu erkennen und diagnostisch zu erfassen, inkl. der dazu notwendigen Gesprächsführungskompetenzen

· Eine Sexualanamnese durchzuführen

· Patienten mit sexuellen Störungen fachgerecht zu beraten

· Patienten mit sexuellen Störungen unter systematischer Nutzung der Arzt-Patient-Beziehung und mit Fokus auf der Paardimension sexualmedizinisch zu behandeln und sexualtherapeutische Kurzinterventionen durchzuführen.

Das Vorgehen der Gesprächsführung, Beratung und Behandlung beruht auf dem Hannover-Ansatz der Sexualtherapie. Er bietet einen allgemeinen, störungsübergreifenden Rahmen von beratenden und therapeutischen Fertigkeiten und Werkzeugen, die bei allen Patienten mit Sexualstörungen angewendet werden können. Darüber hinaus erhält der Leser die notwendigen spezifischen Kenntnisse über die verschiedenen Sexualstörungen inklusive der für diese verfügbaren aktuellen sexualmedizinischen und sexualtherapeutischen Behandlungsoptionen.

Auch ärztliche und psychologische Psychotherapeuten sowie andere Berufsgruppen, die mit sexuellen Problemen konfrontierten Klienten arbeiten, finden in diesem Praxisleitfaden vieles für die tägliche Beratungspraxis.

Das Buch deckt die Inhalte der Zusatzweiterbildung „Sexualmedizin“ der Bundesärztekammer sowie des Diploms „Sexualmedizin“ der Österreichischen Ärztekammer ab und vermittelt die dort festgelegten Kenntnisse und Fertigkeiten. Für die Prüfungsvorbereitung stehen dem Leser zahlreiche Flashcards zur Verfügung.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Grundlagen

Frontmatter
1. Eine kurze Geschichte der Sexualität
Zusammenfassung
Schimpansen leben in einem polygynandrienen Paarungssystem, in dem sich Weibchen mit mehreren Männchen und Männchen mit mehreren Weibchen paaren. Vermutlich haben sich Menschen nach dem pan-homo Split vor ca. 7 Millionen Jahren von einem polygynandrienen zu einem polygynen (Harem) und dann zu einem überwiegend monogamen Paarungssystem entwickelt. Die Sexualität des Jetzt-Menschen zeigt zugleich Merkmale des älteren polygynen und des neueren monogamen Paarungssystems. In diesem Kapitel werden zahlreiche Beispiele von Anpassungen an das ältere und an das jüngere Paarungssystem des Menschen erläutert. Im Ergebnis bedeutet es, dass wir Menschen ein sexuelles Mischwesen sind. Daraus können sich Probleme in unserer Sexualität und Partnerschaft ergeben. Die Kenntnis dieser sehr verschiedenen sexuellen Strategien des Jetzt-Menschen hilft, die eigene Sexualität und insbesondere die des Gegengeschlechts besser zu verstehen und eine gute Sexualtherapie zu machen.
Jorge Ponseti
2. Neurobiologische Grundlagen der menschlichen Sexualität
Zusammenfassung
Sexuelle Funktionen unterliegen einer Steuerung durch hormonelle und neurochemische Faktoren sowie neuronaler Netzwerke. Ein Verständnis dieser Grundlagen ist für die Diagnostik, Beratung und Behandlung sexueller Probleme notwendig. In Analogie zum Dual-Control Modell finden sich primär inhibitorische (z. B. Serotonin) oder aber exzitatorische Neurotransmittersysteme (Sexualsteroide, Dopamin). Zudem existieren neuronale Hirnstrukturen, die für die neuronale Generierung und Verarbeitung sexueller Fantasien und Reize verantwortlich sind und bei Personen mit sexuellen Funktionsstörungen oder durch eine Pharmakotherapie (z. B. Antiandrogene, selektive Serotoninaufnahmehemmer, SSRI) verändert sein können. Kenntnisse zur Neurobiologie sexueller Funktionen bilden die Grundlage für die Diagnostik und Behandlung von sexuellen Dysfunktionen in der Sexualmedizin.
Tillmann H. C. Krüger
3. Sexualität und Gewalt in der Sexualberatung
Zusammenfassung
Partnerschaftliche und sexualisierte Gewalt treten in allen Kulturen und gesellschaftlichen Schichten mit weitreichenden Folgen für die psychische, körperliche und sexuelle Gesundheit auf. Während nach bisherigem Wissensstand besonders Frauen und Kinder betroffen sind, wissen wir über männliche Betroffene und das Auftreten in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sowie in der Domäne LGBTQ* nur wenig. Scham und Unsicherheit führen dazu, dass Betroffene nur selten proaktiv partnerschaftlicher und/oder sexualisierter Gewalt ansprechen. Ärzte sind häufig sowohl die ersten als auch die einzigen, die über derartige Vorfälle Kenntnis erlangen. Eine Vielzahl an Übergriffen bleibt dennoch unentdeckt.
Dieses Kapitel soll Ärzte dabei unterstützen, das komplexe Phänomen partnerschaftlicher und sexualisierter Gewalt in der klinischen Praxis zu verstehen, zu erkennen, zu thematisieren, Interventionsmöglichkeiten aufzuzeigen und über weitere Angebote zu informieren. Existierende Mythen sollen aufgeklärt und relevante Basisinformationen hinsichtlich Verbreitung und Konsequenzen der beschriebenen Gewalterfahrungen vermittelt werden. Gewalt darf niemals Privatsache bleiben. Gerade von sexualisierter Gewalt Betroffene benötigen eine kompetente Unterstützung und ein sicheres Setting.
Jonas Kneer

Sexuelle Störungen im Kontext: somatische und psychosomatische Einflussfaktoren

Frontmatter
4. Der Einfluss von psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen auf die Sexualität
Zusammenfassung
Psychiatrische und neurologische Krankheitsbilder betreffen Funktion und Struktur des zentralen und peripheren Nervensystems und damit nicht nur eine Vielzahl von motorischen, sensorischen und psychischen Funktionen, sondern auch die „Hard- und Software“ der Sexualität. Darüber hinaus kommt es unter entsprechender Pharmakotherapie häufig zu Störwirkungen im Bereich sexueller Funktionen. Das folgende Kapitel gibt einen Überblick zu häufigen psychiatrischen und neurologischen Krankheitsbildern und skizziert auch die Bedeutung pharmakologischer Maßnahmen für die Sexualität, um dem in der Sexualmedizin so wichtigen ganzheitlichen Diagnostik- und Behandlungsansatz gerecht zu werden.
Tillmann H. C. Krüger
5. Metabolisch-vaskuläre und endokrine Faktoren der Sexualität
Zusammenfassung
Die Auswirkungen kardiovaskulärer Risikofaktoren, oft hervorgerufen durch Übergewicht, Adipositas und ungünstigen Lebensstil, auf die männliche Sexualität sind mittlerweile gut belegt. Eine vaskulär bedingte Erektile Dysfunktion gilt sogar als Prädiktor für die Manifestation einer koronaren Herzkrankheit und ein bald zu erwartendes kardiovaskuläres Ereignis. Somatische Faktoren der weiblichen sexuellen Reaktion, insbesondere kardiovaskuläre Risikofaktoren, haben bislang – verglichen mit der männlichen Sexualität- wenig Aufmerksamkeit erfahren. Untersuchungen der letzten Jahre belegen jedoch ohne Zweifel, dass direkte negative Effekte der Adipositas und ihrer Komorbiditäten auf die weibliche Sexualität vorhanden sind; allerdings haben durch Adipositas vermittelte kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Frauen im Allgemeinen einen milderen Bezug zu sexuellen Dysfunktionen als bei Männern. Lebensstil-Veränderungen mit adäquater Bewegung und Ernährung sind therapeutisch effektiv und werden in den Guidelines sexualmedizinischer Fachgesellschaften als erste Maßnahme zur Besserung sexueller Dysfunktionen empfohlen, zumindest aber flankierend zur medikamentösen Therapie. Oft haben sich als Folge eines vaskulär-metabolischen Risikoprofils jedoch bereits Komorbiditäten wie Hypertonus, Diabetes mellitus II, Dyslipidämie und Atherosklerose manifestiert, die allein durch eine gesundheitsbewusste Verhaltensänderung nicht mehr zu kontrollieren sind und eine medikamentöse Intervention erfordern. Bei der Auswahl der einzusetzenden Medikamente können meist Nachteile für sexuelle Funktionen vermieden werden.
Christian Neuhof
6. Der Einfluss urologischer Erkrankungen auf die Sexualität
Zusammenfassung
Viele urologische Erkrankungen und deren Folgeerscheinungen haben massive Auswirkungen auf die Paarsexualität. Deshalb ist die kleinschrittige Exploration aktueller Symptomatik, Leidensdruck, Diagnostik und Therapie dieser Erkrankungsbilder auch im kontinuierlichen Begleitungsprozess der Patienten und der Partnerinnen/Partner wichtig und sollte bei jeder sexualmedizinischen Beratung und Therapie berücksichtigt werden. Um dieses erfolgreich tun zu können, ist die Basiskenntnis häufiger urologischer Erkrankungen und deren Therapieoptionen nützlich und erforderlich. In der Beratungssituation können somit konkrete Empfehlungen mit psychoedukativen, entlastenden Elementen im Rahmen der Etablierung und Ausbau einer tragfähigen Allianz Eingang finden.
Viola Kürbitz
7. Der Einfluss von gynäkologischen Krankheitsbildern und der Menopause auf die Sexualität
Zusammenfassung
Gynäkologische Erkrankungen können das sexuelle Erleben in einem mehr oder minder ausgeprägten Ausmaß beeinflussen. Deshalb ist eine genaue Anamneseerhebung der Beschwerden auch in Bezug auf die Sexualität sowie eine genaue Beratung bei konservativen und operativen Therapien, gleich welcher gynäkologischen Erkrankung, erforderlich. Vor allem entzündliche Erkrankungen der Vulva und Vagina können kurzfristig heftige Beschwerden und eine ausgeprägte Dyspareunie auslösen. Ebenso Hauterkrankungen wie z. B. der Lichen sclerosus. Die Therapie onkologischer Erkrankungen kann zur operativen Entfernung gynäkologischer Organe führen; die dadurch entstehenden anatomischen Veränderungen können nicht das sexuelle Erleben, sondern auch das „sexuelle“ Selbstbewusstsein verändern. Hormonelle Veränderung im Rahmen der Menopause oder bedingt durch die onkologische Begleit-Therapie nehmen ggf. starken Einfluss auf das sexuelle Erleben und die Libido. Für viele Beschwerden, die durch gynäkologische Erkrankungen entstehen, gibt es gute und bewährte Therapieansätze.
Eva-Maria Hußlein
8. Dyadische Faktoren – „No sex – no love, no love – no sex“
Zusammenfassung
Die Qualität der partnerschaftlichen Sexualität wird wesentlich beeinflusst von der emotionalen Bedürfnisregulation des Paares und umgekehrt wirkt sich die Sexualität auf die emotionale Balance beider Partner aus – im positiven wie negativen Sinn. Der therapeutische Zugang zum Verständnis einer sexuellen Störung sowie zur Entwicklung von Veränderungsstrategien geht über die primären Emotionen und unerfüllten Bedürfnisse von Symptomträger und Partner hinaus. Das therapeutische Ziel liegt in der Ermöglichung von korrigierenden emotionalen Erfahrungen, ergänzt durch korrigierende körperliche/sexuelle Erfahrungen.
Claudia Hartmann

Das störungsübergreifende Vorgehen in Beratung und Behandlung

Frontmatter
9. Gesprächsführung und Sexualanamnese
Zusammenfassung
Eine effektive Gesprächsführung in der Sexualberatung beruht auf sexualmedizinischem Fachwissen, Kommunikationsfertigkeiten und einem reflektierten Bezug zur eigenen Sexualität. Ein Gespräch über Sexualität braucht passende Rahmenbedingungen und sollte von dem Bemühen um ein empathisches Verstehen getragen sein, aber gleichzeitig das Beschwerdebild präzise und klar herausarbeiten. Für die Diagnostik sexueller Störungen ist die Sexualanamnese das wichtigste Instrument. Sie sollte zunächst auf die Exploration des sexuellen Status-Quo des Patienten gerichtet sein und eine diagnostische Einschätzung der Problematik, Hypothesen zur Verursachung sowie konkrete Behandlungsempfehlungen erbringen. Dabei muss neben der Informationsachse immer auch die Beziehungsachse beachtet werden, die beide für die Etablierung eines produktiven Arbeitsbündnisses mit dem Patienten wichtig sind. Ein guter Zugang besteht in einer Detailanalyse der letzten bzw. einer typischen sexuellen Erfahrung des Patienten.
Uwe Hartmann
10. Methodik und Praxis der Sexualberatung
Zusammenfassung
Die Sexualberatung hat in der klinischen Versorgung von Patienten mit Sexualstörungen einen hohen Stellenwert und ist in ihrem Kern eine Kompaktform von sexualmedizinischer Behandlung bzw. Sexualtherapie. Sie beruht auf den beiden Säulen der fachlichen Beratung und der emotionalen Begleitung und Ressourcenaktivierung. In einem zeitlich begrenzten Rahmen werden gemeinsam mit dem Patienten Problemlösungen und Verhaltensänderungen erarbeitet, deren Umsetzung dann therapeutisch begleitet wird. Einer der wichtigsten Wirkfaktoren einer effektiven Beratung ist die Qualität der Therapieallianz, die neben einer tragfähigen therapeutischen Beziehung eine Übereinstimmung über Ziele und Schritte des Vorgehens umfasst. Der beste Weg zu einer guten Allianz ist die Empathie, die sowohl eine Grundhaltung als auch eine Methode kennzeichnet. Jede Sexualberatung lässt sich in eine Diagnostik- und Planungsphase sowie in eine Umsetzungsphase unterteilen, in der es um die Etablierung neuer Erlebens- und Verhaltensmuster geht. Dafür stehen dem Berater eine Reihe von Methoden und Tools zur Verfügung, die im Text genauer beschrieben werden.
Uwe Hartmann
11. Gespräche mit dem Paar erfolgreich führen
Zusammenfassung
Die Arbeit mit dem Paar gilt als Königsweg in der Sexualberatung/Sexualtherapie. Die Mühe der anspruchsvollen Aufgabe eines Gespräches zu dritt wird belohnt durch mehrere Synergieeffekte: die Förderung der Empathie jeden Partners für den anderen lässt verhärtete Positionen aufweichen, neue Einsichten und die Lösungsfindung werden gefördert sowie die Schritte zur Veränderung dynamisiert. Die Übernahme einer gemeinsamen Verantwortung für das Gelingen der Sexualität stärkt das Teamgefühl im Paar und damit die Belastbarkeit für die notwendigen Reflektionen und neuen Erfahrungen. Unverzichtbar für die Gesprächsführung ist eine neutrale, offene und wertschätzende Haltung sowie eine gleichbleibende Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse beider Partner und deren Interaktionen. Basistechniken wie empathisches Verstehen, Spiegeln und Validieren tragen entscheidend zum Gelingen der Paargespräche bei.
Claudia Hartmann
12. Psychoedukation und Erfahrungsübungen
Zusammenfassung
Die Psychoedukation ist in der Sexualberatung eine sehr wichtige und vielseitig einsetzbare Methode. Sie bietet dem Patienten Erklärungsmodelle für seine individuelle Problematik, erklärt Behandlungsoptionen sowie Wirkweise und Einsatz von Medikamenten und begleitet Veränderungsprozesse. Der Patient wird so zum Experten für seine Erkrankung und kann seine Selbstheilungskräfte optimal einsetzen. Übungen wie der Sensate Focus ermöglichen dem Patientenpaar korrigierende Erfahrungen und einen Weg aus Leistungsdruck, Versagensängsten und Selbstbeobachtung. Da sexuelle Reaktionen nicht direkt trainiert werden können, wird bei dieser Übung mit der Konzentration auf Berührungsempfindungen ein indirekter Weg gewählt, der Parallelen zur Achtsamkeitspraxis aufweist. Für den effektiven Einsatz dieser Erfahrungsübungen sind ein angemessenes Timing und Setting wichtig sowie ein adäquates Vorgehen bei der Instruktion und der Erfahrungsanalyse, für das im Text zahlreiche Hinweise gegeben werden.
Uwe Hartmann
13. Beratung und Behandlung von traumatisierten Menschen
Zusammenfassung
In der Sexualmedizin ist die Kenntnis über Besonderheiten in der Beratung und Behandlung von sexuell traumatisierten Patienten besonders bedeutsam. Das folgende Kapital möchte einen Beitrag leisten, traumatisierten Patienten besser gerecht zu werden.
Bei sexuell missbrauchten Menschen zeigen sich in 80 % der Fälle Sexualstörungen als Folge der Missbrauchserfahrung. Störungen der sexuellen Funktion, Vermeidungsverhalten, aber auch Risikosexualität sind die Folgen. Hier braucht es eine Sexualanamnese, die einem möglichen Trauma entsprechend sensibel gestaltet ist. Ein aktives, aber sensibles Ansprechen und Erfragen sexueller Themen durch den Therapeuten ist daher notwendig.
Traumatisierte Patienten mit PTBS oder komplexen Traumafolgestörungen benötigen oft zunächst eine traumatherapeutische Stabilisierung.
Es muss der Zeitpunkt, wann sexuelle Themen bearbeitet werden können, gut reflektiert werden. Das übergeordnete Ziel ist, die sexuelle Selbstbestimmung des Patienten zu stärken, Autonomie und Selbstwert zu unterstützen.
Daniela Wetzel-Richter
14. Paare mit unerfülltem Kinderwunsch beraten
Zusammenfassung
Sexuelle Störungen können sowohl Ursache, Begleiterscheinung wie auch Folge eines unerfüllten Kinderwunsches sein. Zu den Ursachen zählen vor allem die erektile Dysfunktion, die Dyspareunie und der Vaginismus, zu den Folgeerscheinungen ein Libidoverlust, eine erektile Dysfunktion, Erregungs- und Orgasmusstörungen mit der daraus resultierenden Reduktion der sexuellen Zufriedenheit. Dabei stellen „sex on demand“, eine Verlagerung des Fokus von emotionalen Qualitäten zum Eintreten einer Schwangerschaft und die Bedeutung von Fruchtbarkeit für die weibliche und männliche Identität wichtige Einflussfaktoren dar. Ein bewusster Umgang mit Sexualität vor dem Hintergrund einer Infertilität, eine offene Kommunikation beider Partner und ggfs. die Unterstützung durch eine Sexualmediziner/in sollten feste Bestandteile in der Begleitung von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch sein.
Brigitte Leeners
15. Die Sehnsucht nach Normalität – Sexualität und Behinderung
Zusammenfassung
Jeder Mensch hat ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die eigenständige Gestaltung von Partnerschaft und Sexualität. Dabei ist es für Menschen mit einer Behinderung ungleich schwerer, diese selbstbestimmt zu leben. Um das Recht auf Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, braucht es institutionelle und individuelle Unterstützung und Begleitung. Dieser Beitrag gibt Tipps und Hilfestellungen für eine professionelle Beratung zu sexuellen Themen für Menschen mit einer Behinderung.
Beate Martin

Die sexuellen Funktionsstörungen der Frau

Frontmatter
16. Störungen der sexuellen Appetenz und der Erregung bei der Frau
Zusammenfassung
Die Luststörung ist das häufigste von Frauen vorgetragene sexuelle Problem. Dabei geben meist die negativen paardynamischen Konsequenzen Anlass zur Konsultation eines Arztes oder Therapeuten. Dieser Leidensdruck lässt sich durch eine Sexualberatung lindern, wobei die Einbeziehung des Partners essenziell ist. Darüber hinaus kann es durchaus gelingen, die Lust wiederzubeleben, indem hemmende somatische, psychische, dyadische und soziale Faktoren erkannt und korrigiert werden. Der Fokus liegt dabei auf der Erregung, deren individuellen Blockierungen und Förderungen eine wichtige Rolle spielen. Die Fragen an die Lust geben Aufschluss über die sexuellen Motive und die Lustkiller der Patientin. Die unerfüllten emotionalen Bedürfnisse der Patientin, aber auch des Partners, weisen den Weg zu den notwendigen korrigierenden Erfahrungen, die in der Beratung gebahnt werden sollten.
Claudia Hartmann
17. Weibliche Orgasmusstörung
Zusammenfassung
Obwohl Orgasmusstörungen, vor allem im Partnerkontakt, häufig sind, suchen nur relativ wenige Frauen dafür professionelle Hilfe. Dies geschieht meist erst dann, wenn es zu Erregungsproblemen oder einer Lustminderung gekommen ist. Der weibliche Orgasmus ist durch ein breites Spektrum von subjektivem Erleben, Auslösebedingungen, Stimulationsmodi und anderen Faktoren gekennzeichnet. Als Höhepunkt der sexuellen Reaktion ist der Orgasmus ein komplexer Vorgang, der mit Entspannung und Befriedigung verbunden ist und wichtige Funktionen für die Paardynamik und Bindungsstärkung erfüllt. Essenziell für den Orgasmus ist eine adäquate sexuelle Stimulation, blockierend können sich somatische, medizinische oder konstitutionelle Faktoren auswirken, ebenso wie intrapsychische, dyadische und soziokulturelle Einflüsse. In vielen Fällen lässt sich die Orgasmusfähigkeit durch eine Sexualberatung oder Sexualtherapie verbessern. Besonders effektiv ist neben der Psychoedukation zu Sexualphysiologie, erregungshemmenden und fördernden Faktoren ein gezieltes Stimulationstraining. Dieses erfolgt zunächst als Selbststimulation allein, im Verlauf wenn möglich mit Partner. Bei schwerwiegenden intrapsychischen oder Paarkonflikten kann eine längere Einzel- oder Paartherapie erforderlich werden.
Claudia Hartmann
18. Sexuelle Schmerzen der Frau – Dyspareunie und Vulvodynie
Zusammenfassung
In der Behandlung sexueller Schmerzen steht nach dem Ausschluss behebbarer somatischer Ursachen das Durchbrechen des Schmerzteufelskreises „Schmerzerfahrung – Schmerzerwartung – Schmerzverstärkung“ im Vordergrund. Die Aufklärung über schmerzlindernde und schmerzverstärkende Faktoren sowie die Rolle der Erregung für die Schmerzwahrnehmung fördert die Kompetenz der Patientin und kann darüber ihr Ohnmachtserleben mildern sowie ihre Selbsthilfefähigkeiten optimieren. Die Basis für ein individuell zugeschnittenes Übungsprogramm zur Schmerzbewältigung besteht in einer detaillierten Schmerzanamnese sowie in einer biographischen und Sexualanamnese. Die daraus gewonnenen Informationen und Einsichten ermöglichen die Bahnung individuell zugeschnittener korrigierender Erfahrungen. Dabei handelt es sich – je nach Bedarf gewichtet – sowohl um emotionale als auch um körperliche und sexuelle Erfahrungen. Selbst bei nicht behebbaren körperlichen Ursachen kann die Sexualberatung eine Schmerzlinderung erreichen.
Claudia Hartmann
19. Vaginismus/Penetrationsabwehr
Zusammenfassung
Dem Frauenarzt kommt bei der Vaginismus-Behandlung eine Schlüsselrolle zu. Er muss durch eine genaue Diagnose feststellen, ob es sich tatsächlich bei der betreffenden Patientin um Vaginismus mit Penetrationsabwehr handelt oder ob eine anatomische Fehlbildung penetrierenden Geschlechtsverkehr unmöglich macht und eine operative Korrektur erfolgen muss. Frauen mit primärem Vaginismus haben nur ungenaue Vorstellungen von ihrem Genitale und zeichnen – nach Aufforderung – die folgenden anatomischen Strukturen in räumlicher Anordnung falsch: Kitzler, Harnröhrenöffnung, Scheidenöffnung, Afteröffnung, und dies unabhängig vom Bildungsgrad. Als Ursache wird eine auf den Genitalbereich bezogene defizitäre nonverbale Kommunikation in Form von Berührungen und spiegelnder Bestätigung durch die primäre Bezugsperson mit dem Säugling vermutet. Daher kann ein multimodales Therapiekonzept mit kreativen, nonverbalen, symbolisierenden und körpertherapeutischen Elementen das bestehende Defizit kompensieren und das Körperselbstbild vervollständigen bis hin zu angstfreier Kohabitation. Auf der Basis einer vertrauensvollen Arzt-Patientin-Beziehung und unter Beteiligung des Partners – wenn immer möglich – kann der Frauenarzt auch ohne psychotherapeutische Ausbildung – das hier vorgestellte Freiburger Therapiekonzept zur Behandlung des primären Vaginismus erlernen und erfolgreich anwenden.
Dietmar Richter

Die sexuellen Funktionsstörungen des Mannes

Frontmatter
20. Männliche Luststörungen
Zusammenfassung
Appetenzstörungen sind bei Männern seltener als bei Frauen und mit dem männlichen Selbstbild nur schwer vereinbar. Das sexuelle Verlangen des Mannes gilt gemeinhin als unkompliziert und unerschütterlich, beständig und robust angetrieben von einem vorwiegend biologisch gespeisten inneren Motor, der sexuelle Fantasien, Gedanken und Impulse generiert. Das „Idealbild“ des Mannes, der „immer will und kann“ und dessen Problem es eigentlich ist, nicht genug Sex zu bekommen, und nicht etwa, dass er hinsichtlich seiner Lust überfordert wird, wurde auch von vielen Frauen verinnerlicht. Durch den nun seit mehr als zwei Jahrzehnten möglichen Einsatz der PDE-5-Hemmer wurde jedoch deutlich, dass sich hinter einem beträchtlichen Prozentsatz der Erektionsstörungen eine Verminderung oder gar ein Verlust des sexuellen Interesses als Kernproblem verbirgt. Gemeinsam mit einem soziokulturell veränderten Männerbild in den vergangenen Jahrzehnten erklärt dies auch eine zu beobachtende Prävalenzzunahme männlicher Luststörungen, wobei allerdings ein allgemein anerkannter „Normalbereich“ für männliche sexuelle Appetenz fehlt. Für das Erkennen und die therapeutische Bearbeitung potenzieller Auslöser im Ursachengefüge von somatischen, psychischen und interpersonellen Faktoren ist über das Identifizieren von körperlichen Einflüssen hinaus vor allen Dingen eine emphatische Annäherung an unerfüllte Bedürfnisse, Sehnsüchte, Wünsche und Emotionen des Betroffenen im Kontext seiner Paarbeziehung wichtig.
Christian Neuhof, Uwe Hartmann
21. Erektionsstörungen
Zusammenfassung
Die Erektionsstörung ist der häufigste Grund eines Mannes, wegen einer sexuellen Funktionsstörung den Arzt aufzusuchen, womit der damit verbundene enorme Leidensdruck und die erheblichen psychosozialen Auswirkungen zum Ausdruck kommen. Als Ursache für gestörte Erektionsfähigkeit (ED – Erektile Dysfunktion) kommt ein breites Spektrum psychischer, interaktioneller und somatischer Faktoren infrage, wobei von allen sexuellen Funktionsstörungen des Mannes die ED die engste Beziehung zu kardiovaskulären Risikofaktoren und zum Lebensalter besitzt und nicht selten Komorbidität von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und metabolischen Erkrankungen, insbesondere Diabetes mellitus Typ II, ist. Es besteht Evidenz dafür, dass eine vaskulär bedingte Erektionsstörung Vorhersagewert für eine sich nach 3–5 Jahren manifestierende koronare Herzkrankheit bzw. kardiovaskuläre Ereignisse hat und daher die Möglichkeit bietet, präventiv zu intervenieren. Dies gilt insbesondere für Männer der Altersdekade 40–49. Zu Recht kann die ED als „Signatur-Dysfunktion“ des Mannes bezeichnet werden, weil sie in den vergangenen drei Jahrzehnten wie keine andere Sexualstörung bei Frau oder Mann im Fokus des wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und kommerziellen Interesses gestanden hat. Zugleich kann die ab den 1980er-Jahren intensivierte Erforschung des Erektionsvorgangs und seiner Störungen als Geburtsstunde der modernen Sexualmedizin gewertet werden, weil bis dahin in Ermangelung ausreichender Kenntnisse und Untersuchungsmethoden die ED in der Regel als „psychogen“ klassifiziert wurde. Eine Einteilung der ED in rein organogen oder psychogen ist jedoch wenig sinnvoll, weil sie geradezu ein Paradebeispiel für die enge Verflechtung von organischen, psychischen und sozialen Faktoren ist. Es stehen effektive nichtpharmakologische sowie medikamentöse systemische und topische Behandlungsoptionen zur Verfügung, die sowohl bei psychogenen als auch somatogenen Ursachen, sofern Letztere keine zu weitgehenden Destruktionen verursacht haben, effizient sind. Die Wirksamkeit der medikamentösen Therapie ist jedoch dann am höchsten, wenn sie mit einer sexualmedizinischen Behandlung kombiniert wird, am besten mit Einbeziehung der Partnerin.
Christian Neuhof, Uwe Hartmann
22. Orgasmusstörungen (Ejaculatio praecox und verzögerte Ejakulation)
Zusammenfassung
Die vorzeitige (EP) und verzögerte (VE) Ejakulation stellen hinsichtlich der Ejakulationslatenzzeit extreme Pole eines Verteilungskontinuums und die quantitativ bedeutendsten Orgasmusstörungen dar. Darüber hinaus zählen unter anderem noch einige seltenere Störungsbilder wie der anhedonische Orgasmus (EWO – Ejaculation without orgasm) und das Post-orgasmic illness syndrome (POIS) zu dieser Störungsgruppe. Verglichen mit der erworbenen sekundären EP sehen wir die lebenslange primäre Erscheinungsform der EP in der Praxis häufiger, während bei der VE die erworbenen sekundären Subtypen häufiger Konsultationsanlass sind. EP und VE sind für die Betroffenen mit einem hohen Leidensdruck verbunden und haben destruktiven Einfluss auf die Paarbeziehung. Gemeinsam ist beiden Ejakulationsstörungen, dass die Ätiologie am ehesten multifaktoriell und in vielen Aspekten noch unklar ist, wobei allerdings bei der EP deutlichere Hinweise zur Genese dahingehend vorhanden sind, dass eine Dysbalance im serotonergen System gemeinsam mit einer Koordinationsstörung des autonomen Nervensystems in Form einer Neigung zu allgemeiner sympathikotoner Überaktivierung und -erregung (mit-)verursachend ist. EP und VE führen seit Langem ein sexualmedizinisches Schattendasein, aus dem die vorzeitige Ejakulation in den letzten Jahren allerdings durch die Entwicklung neuer oraler und topischer medikamentöser Therapieoptionen, deren Effektivität jedoch nicht an die der bei der ED zur Verfügung stehenden Pharmaka heranreicht, ein wenig herausgetreten ist. Daher haben bei vorzeitiger und verzögerter Ejakulation psychoedukatorische und sexualtherapeutische Interventionen sowie Erfahrungsübungen im Einzel- oder Paarsetting mit guten Erfolgsaussichten einen hohen Stellenwert.
Christian Neuhof, Uwe Hartmann

Beratung und Behandlung bei anderen sexuellen Problemen

Frontmatter
23. Störungen der sexuellen Präferenz
Zusammenfassung
Die sachverständige klinische Umgangsweise mit Störungen der sexuellen Präferenz (ICD) bzw. paraphilen Störungen (DSM) erfordert ein differenziertes Verständnis davon, was konkret unter der Sexualpräferenz zu verstehen ist. Anhand des Drei-Achsen-Modells der Sexualpräferenz wird dargelegt, wie sich die sexuelle Ansprechbarkeit auf definierte Reizmuster differenziert analysieren und qualitativ sowie quantitativ erfassen lässt (Sexualpräferenz-Analyse) und anschließend standardisiert dokumentiert werden kann (Sexualpräferenz-Tabelle). Das Spektrum der qualitativ unterschiedlichen Reizmuster wird beschrieben und das Kontinuum der quantitativ unterschiedlich starken Ansprechbarkeit von der Ausprägung, über die Akzentuierung bis zur Störung dargestellt. Abschließend erfolgt ein kursorischer Überblick über die klinische Versorgung von Patienten mit Störungen der Sexualpräferenz in Form einer sexualpsychologischen Therapie (Sexual-Psychotherapie).
Christoph Joseph Ahlers, Gerard Alfons Schaefer
24. Störungen der geschlechtlichen und sexuellen Entwicklung
Zusammenfassung
Das Kapitel zu Störungen der geschlechtlichen und sexuellen Entwicklung bietet eine Übersicht jener sexuellen Störungen, die im Rahmen der physio-, psycho- und sozio-sexuellen Entwicklung auftreten und für die Betroffenen mit einer Beeinträchtigung ihres sexuellen Erlebens und Verhaltens einhergehen können. Die Störungen der geschlechtlichen Differenzierung und geschlechtlichen Reifung sowie die Störungen der sexuellen Orientierung, sexuellen Identität und sexuellen Beziehung werden dabei hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf partnerschaftlich-sexuelle (Beziehungs-) Gesundheit beschrieben und differenzialdiagnostisch unterschieden. Nach der Darstellung der einzelnen Indikationen erfolgt jeweils eine kursorische Übersicht über die klinische Umgangsweise mit dem jeweiligen Problembereich.
Christoph Joseph Ahlers, Gerard Alfons Schaefer
25. Zwanghaftes Sexualverhalten/sexuelle Sucht
Zusammenfassung
Die Zahl von Patienten, die professionelle Hilfe suchen, weil ihr exzessiver Pornografiekonsum und/oder ihr exzessives Sexualverhalten zu negativen Konsequenzen und Leidendruck geführt haben, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. In der ICD-11 wird dafür erstmals die Diagnose „Zwanghaftes Sexualverhalten“ in der Klasse der Impulskontrollstörungen eingeführt. Als wichtigste diagnostische Kriterien gelten ein hoher Zeitbedarf für die Beschäftigung mit sexuellen Impulsen und Verhaltensweisen, der Einsatz exzessiven Sexualverhaltens als Reaktion auf negative Gefühle und belastende Lebensereignisse sowie erfolglose Versuche, das trotz negativer Konsequenzen fortgeführte Verhalten zu kontrollieren. Die häufigsten negativen Konsequenzen hypersexuellen Verhaltens sind partnerschaftliche und berufliche Probleme sowie sozialer Rückzug. In der Praxis muss die Selbstdiagnose des Patienten durch Screeningfragen, Fragebögen und eine Sexualanamnese verifiziert werden. Die Beratung zielt auf zunächst auf ein Selbst-Monitoring sowie auf eine gestufte Reduktion der problematischen Verhaltensweisen. Das therapeutische Vorgehen besteht in multimodalen Ansätzen mit den Schwerpunkten auf der Verbesserung (a) der Verhaltenssteuerung, (b) der Affektwahrnehmung und -regulation, (c) der Beziehungsfähigkeit und begleitender sexueller Funktionsprobleme. Eine unterstützende Pharmakotherapie beginnt i. d. R. mit SSRIs und geht in Einzelfällen bis zur Gabe von Antiandrogenen.
Jannis Engel, Uwe Hartmann
26. Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsidentitätsstörungen und Varianten der Geschlechtsentwicklung
Zusammenfassung
Abweichungen zwischen erlebter Geschlechtsidentität und biologischem Zuweisungsgeschlecht können zu vielfältigen Problemen führen. Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsidentitätsstörungen, Geschlechtsdysphorie und Transsexualismus sind dazugehörige Begrifflichkeiten. Andererseits gibt es Varianten der Geschlechtsentwicklung und -differenzierung, die zu einem biologisch unklaren Geschlecht führen (Intersex). Aufgabe von Psychiatrie und Psychotherapie ist es, betroffenen Menschen durch Klärung, Beratung, Begleitung, Psychotherapie und Vermittlung ergänzender Hilfen zu unterstützen. Dazu sind Kenntnisse zu epidemiologischen Daten, Einflussfaktoren, Diagnose und Differenzialdiagnose, therapeutischen Strategien, somatischen Behandlungsoptionen und relevanten Rechtsfragen erforderlich, die in dem Beitrag vermittelt werden.
Wolfgang Weig
27. (Persistent Genital Arousal ; PGAD)
Zusammenfassung
Bei der sog. Persistent Genital Arousal Disorder (PGAD), der persistierenden genitalen Erregungsstörung bzw. dem Restless Genitals Syndrome (ReGS) handelt es sich um ein vermutlich seltenes und für die Betroffenen dennoch sehr einschränkendes Krankheitsbild mit einer persistierenden Erregung im Bereich der Genitale, ohne dass eine subjektive oder psychischen sexuelle Lust oder Erregung vorliegt. Die Ätiologie dieses Krankheitsbildes ist bislang ungeklärt. Von Relevanz für alle klinisch Tätigen ist eine umfassende sexualmedizinische, psychiatrische und somatische Ausschlussdiagnostik, die auch eine Bildgebung des Beckens und der Neuroachse mit der Frage nach morphologischen Beeinträchtigungen von Nervenwurzeln oder des Nervus pudendus einschließen sollte. Es existieren bisher keine Leitlinien oder Konsensusempfehlung hinsichtlich eines therapeutischen Vorgehens. Wir empfehlen ein auf drei Säulen basierendes Vorgehen, welches Psychotherapie/Psychoedukation/Beratung, Physiotherapie und medizinische Verfahren umfasst. Es existieren einzelne Fallberichte zu Medikamenten, die eine sexuelle Inhibition oder eine Anhebung der Schmerzschwelle bewirken und darüber die PGAD-Symptomatik günstig beeinflussen könnten. Auch wenn schnelle Erfolge bei diesem Krankheitsbild nicht wahrscheinlich sind, wird eine sexualmedizinische Diagnostik und Begleitung der meist weiblichen Patienten als sehr hilfreich und unterstützend erlebt, da das Krankheitsbild oftmals auf Unverständnis oder Nichtkenntnis stößt.
Tillmann H. C. Krüger
28. Doping für die Sexualität? Sexual Enhancer und Drogen
Zusammenfassung
Schon seit Urzeiten beschäftigten sich die Menschen mit den Möglichkeiten, ihre sexuelle Lust zu steigern. Die Faszination durch Liebes- oder Zaubertränke, Elixiere, Kräuter und Düfte, Verzehr von Meeresfrüchten u. v. a. m. die Libido zu steigern ist bis heute ungebrochen. Aphrodite war die Namensgeberin der Substanzen, die die sexuelle Appetenz zu beleben und zu steigern versprachen. Während die Wirkung vieler Aphrodisiaka nur auf dem Hintergrund ihrer mythologischen, religiösen oder kulturellen Geschichte zu verstehen sind und über eine reine Placebowirkung nicht hinausgehen, zeigen Untersuchungen aus der neueren Zeit, dass es eine Reihe von Phytotherapeutika gibt, die nachweislich einen positiven Effekt auf die Libido haben. Während diese Phytotherapeutika sehr arm an unerwünschten Nebenwirkungen sind, sieht das bei den Substanzen aus der Chemsexgruppe anders aus. Diese synthetischen, psychoaktiven Drogen wie Metamphetamin, Mephedron, MDMA, GHB u. a. haben ein zum Teil verheerendes psychotropes Potenzial, das nach anfänglich berauschenden Sexparties zu Sucht und sozialem Absturz führen kann.
Gerd Jansen
29. Therapeutische Interventionen bei fantasierter und vollzogener sexualisierter Gewalt
Zusammenfassung
Der Umgang mit sexualisierter Gewalt ist von Herausforderungen bestimmt. Insbesondere der Umgang mit potenziellen Tätern sexualisierter Gewalt stellt Behandler nicht nur vor fachliche, sondern auch persönliche und moralische Fragen. Eine umfassende Schulung ist in diesem Kontext jedoch eine Seltenheit. Eine adäquate Herangehensweise ist allerdings essenziell, um Gesprächsmöglichkeiten und somit auch den Weg in mögliche Hilfsprogramme für potentielle Täter zu ermöglichen und sexualisierte Gewalt wo möglich langfristig zu verhindern. Hierfür ist die Kenntnis über therapeutische Angebote für potenzielle Täter wie in den Projekten „Kein Täter werden“ und „I CAN CHANGE“ ebenso notwendig, wie sensible Gesprächsführung und eine Klärung der eigenen persönlichen Herangehensweise an die Thematik.
Charlotte Gibbels
Backmatter
Metadaten
Titel
Sexualmedizin für die Praxis
herausgegeben von
Prof. Dr. Uwe Hartmann
Prof. Dr. Tillmann Krüger
Dr. med. Viola Kürbitz
Dr. med. Christian Neuhof
Copyright-Jahr
2021
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-62512-5
Print ISBN
978-3-662-62511-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-62512-5

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Weniger postpartale Depressionen nach Esketamin-Einmalgabe

Bislang gibt es kein Medikament zur Prävention von Wochenbettdepressionen. Das Injektionsanästhetikum Esketamin könnte womöglich diese Lücke füllen.

Bei RSV-Impfung vor 60. Lebensjahr über Off-Label-Gebrauch aufklären!

22.04.2024 DGIM 2024 Kongressbericht

Durch die Häufung nach der COVID-19-Pandemie sind Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) in den Fokus gerückt. Fachgesellschaften empfehlen eine Impfung inzwischen nicht nur für Säuglinge und Kleinkinder.

Update Gynäkologie

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