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2019 | Buch

Traumafolgestörungen

herausgegeben von: Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Gewalterfahrungen, sexueller Missbrauch, Unfälle, Katastrophen oder Todesfälle im nahen Umfeld, extreme Situationen können zu Traumafolgestörungen führen. Seit 2018 unterscheidet die Weltgesundheitsorganisation in ihrem Klassifikationsverzeichnis vier solcher Störungen: die „klassische“ und die komplexe posttraumatische Belastungsstörung, dazu die Anhaltende Trauerstörung und die Anpassungsstörung. Diese Langzeitfolgen werden im Buch genau vorgestellt. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Interventionen entwickelt, diese Störungen wirksam zu behandeln.

Diese Neuauflage wurde aufgrund der bahnbrechenden Neuerungen, an denen der Herausgeber auf internationaler Ebene entscheidend mit beteiligt war, weitgehend neu konzipiert.

Zu den Neuerungen gehören die Kapitel zu:

· Komplexe posttraumatische Belastungsstörung

· Gewalt in der Kindheit und ihre Folgen

· Niedrigschwellige und innovative Interventionen

· Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie

· Psychodynamische Ansätze

DAS Handbuch zu den psychischen Traumafolgestörungen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Grundlagen

Frontmatter
1. Zur Geschichte der Psychotraumatologie
Zusammenfassung
Im 19. Jahrhundert begann die professionelle Auseinandersetzung mit Traumafolgestörungen. Die Diskussionen kreisten um die Frage, wie sich bei der Traumatisierung das Verhältnis von Körper und Psyche gestaltete, welche Mechanismen für die diagnostizierten Symptome verantwortlich und welche individuelle Disposition möglicherweise gegeben waren. Auch die Bedeutung des Willens wie die Frage der Simulation spielten eine Rolle. Die im Verlaufe dieser Debatten immer wieder neu auftretenden Diagnosen sind Hinweise darauf, wie sich die Ansichten zu Ätiologie, Pathogenese, Therapie etc. änderten und wie sich die sozialen Bewertungen verschoben. Die unterschiedlichen sozialen, rechtlichen und politischen Bedingungen waren dabei von einem bestimmenden Einfluss. Das Spektrum der möglichen traumatisierenden Ereignisse erweiterte sich sehr, während die Zahl der Diagnosen immer mehr abnahm, bis sich die „posttraumatische Belastungsstörung“ als zentrale Diagnose durchsetzte.
H.-P. Schmiedebach
2. Die posttraumatische Belastungsstörung
Zusammenfassung
Die Beobachtung, dass extreme Ereignisse extreme Reaktionen verursachen, ist schon alt. Doch erst 1980 wurde die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) offiziell als Krankheitsbild definiert und anerkannt. Seit dieser Erstbeschreibung wandelte sich die Beschreibung des Störungsbildes, zuletzt bei der Abfassung der aktuell gültigen internationalen Klassifikationssysteme DSM-5 der American Psychiatric Association (APA) bzw. ICD-11 der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Trotz markanter Unterschiede in der Operationalisierung in den beiden Systemen sind zahlreiche Merkmale ähnlich definiert. Die Kriterien werden in diesem Kapitel beschrieben.
A. Maercker, M. Augsburger
3. Komplexe PTBS
Zusammenfassung
Einige Personen, die traumatische Erfahrungen erleben, entwickeln ein klinisches Bild, das über die PTBS hinausgeht. Die komplexe PTBS ist über die PTBS-Kernsymptomatik hinaus durch schwerwiegende Affektregulationsbeeinträchtigungen, Veränderungen der Einstellungen zu anderen Menschen und zu sich selbst gekennzeichnet. Typischerweise wird die komplexe posttraumatische Belastungsstörung durch länger anhaltende traumatische Erlebnisse, die aus mehreren oder sich wiederholenden traumatischen Ereignissen besteht, hervorgerufen. Das ICD-11 führt zusätzlich aus, dass dies in der Regel Ereignisse sind, aus denen ein Entkommen schwierig oder gar unmöglich ist (z. B. Folter, Sklaverei, Genozid-Kampagnen, fortgesetzte häusliche Gewalt, wiederholter sexueller oder physischer Missbrauch in der Kindheit).
A. Maercker
4. Anhaltende Trauerstörung
Zusammenfassung
Trauerreaktionen sind höchst individuell und daher nur schwer über Personen hinweg zu vereinheitlichen. Während viele Trauernde vor allem in den ersten Monaten nach einem Verlust stark leiden, gelingt es einem Großteil, den Tod zu akzeptieren und diese Verlusterfahrung in ihr Leben zu integrieren. Manchen Trauernden fällt es jedoch besonders schwer, den Verlust zu bewältigen und in ihr normales Leben zurück zu finden. Ab wann eine normale Trauerreaktion als pathologisch beschrieben werden kann, wird seit mehreren Jahren intensiv beforscht. Die neuen Kriterien der elften Version der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bieten einen Referenzrahmen zur Beantwortung dieser Frage. Zum ersten Mal wird im ICD-11 mit der Anhaltenden Trauerstörung eine klinische Diagnose für das Syndrom pathologischer Trauerreaktionen aufgeführt
C. Killikelly, A. Maercker
5. Anpassungsstörung
Zusammenfassung
Als Anpassungsstörung werden maladaptive Reaktionen auf kritische, nichttraumatische Lebensereignisse bezeichnet. Solche Lebensereignisse können sowohl einmalige Belastungen wie ein Beziehungsabbruch oder Arbeitsplatzverlust sein als auch anhaltende schwere Belastungen wie Armut, Migration oder eine gravierende körperliche Erkrankung. Im ICD-11 wird die Anpassungsstörung im neuen Kapitel der spezifisch belastungsbezogenen Störungen eingeordnet und erstmals als ein vollwertiges Störungsbild mit Symptomprofil beschrieben. Die Symptome der ICD-11-Anpassungsstörung umfassen Präokkupationen und Anpassungsschwierigkeiten sowie eine Reihe von Zusatzsymptomen, die spezifische Charakteristika der früheren Subtypen beinhalten. Dadurch wird die Abgrenzbarkeit von anderen Störungsbildern und von normaler Stressreaktion verbessert. Darüber hinaus können Anpassungssymptome valider und reliabler in strukturierten klinischen Interviews und Fragebogen erfasst werden.
R. Bachem
6. Neurobiologie
Zusammenfassung
Eine stetig wachsende Zahl von Untersuchungen hat in den vergangenen Jahren zu einem rasanten Fortschritt im Verständnis der neurobiologischen Grundlagen der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) geführt. Die Faszination, die diese Krankheit auf neurobiologisch orientierte Forscher ausübt, liegt sicherlich neben dem eindrucksvollen klinischen Bild zu einem großen Teil darin, dass sich hier die Stressforschung und die Forschung zu den neuronalen, molekularbiologischen und pharmakologischen Grundlagen der Psychopathologie ergänzen und gegenseitig befruchten. Besonders deutlich wird dies auf den Gebieten des Einflusses von Stress auf Lern- und Gedächtnisprozesse sowie im Bereich der Emotionsregulation. In diesem Kapitel soll an einigen Beispielen diese Interaktion und ihre Bedeutung für das Verständnis der Krankheit und die Therapie der PTBS dargestellt werden.
C. Schmahl
7. Gewalt in der Kindheit und ihre Folgen
Zusammenfassung
Gewalterleben in der Kindheit ist ein häufiges, weltweit verbreitetes Phänomen. Unterschieden werden körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt, seelische Gewalt und Vernachlässigung. Die Gewalt kann sowohl von Personen aus dem engen familiären Umkreis verübt werden als auch durch extrafamiliäre Täter. Studien zu Prävalenzzahlen von Gewalterleben in der Kindheit variieren vor allem aufgrund methodischer Unterschiede. Zudem besteht eine hohe Dunkelziffer bezüglich der Häufigkeit von Gewalttaten an Kindern sowie potenziellen Todesfällen von Kindern durch Gewalt und Misshandlung. Gewalt in der Kindheit kann weitreichende und lebenslange psychosoziale und körperliche Folgen haben. Die in der Folge von Gewalt sich entwickelnden Traumafolgestörungen können im Kindes- und Jugendalter mit evidenzbasierten Therapieansätzen behandelt werden. Allerdings müssen neben den klassischen traumafokussierten Elementen, besonders bei komplexen Störungen, auch weitere Fähigkeiten erlernt und ausgebaut werden.
A. de Haan, G. Deegener, M. A. Landolt
8. Diagnostik und Differenzialdiagnostik
Zusammenfassung
Eine fundierte und klug gewählte Diagnostik ist Grundlage jeder passgenauen Behandlung. Für den wissenschaftlichen Austausch ist sie unabdingbar. Diagnosebezogene Studien unterstützen versorgungs- und sozialpolitischen Entscheidungen. Für die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) stehen eine Vielzahl gut evaluierter Screening-, Selbstauskunfts- und Interviewinstrumente zur Verfügung, die zum Teil bereits an die Neuauflagen der Klassifikationssysteme angepasst wurden. DSM-5 (American Psychiatric Association) weitete die Kriterienkategorie und führte zusätzlich einen dissoziativen Subtyp der PTBS ein. ICD-11 (World Health Organization) setzte auf eine stringentere Fassung der PTBS und grenzte stattdessen das Syndrom der komplexen PTBS ab. Dieses Kapitel befasst sich daher einerseits mit etablierten Methoden, die ihre Gültigkeit behaupten konnten, sowie mit Neuerungen, die auf die modernen Klassifikationssysteme abgestimmt wurden.
J. Schellong, M. Schützwohl, P. Lorenz, S. Trautmann
9. Begutachtung
Zusammenfassung
Die Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung“ (PTBS) hat vielleicht mehr als jede andere psychische Störung die Rechtsprechung beeinflusst und wird von ihr wiederum beeinflusst. Die Diagnose einer PTBS und verschiedene diagnostische Vorläufer (z. B. „traumatische Neurose“) machen deutlich, dass ein äußeres Ereignis kausal eine psychische Störung hervorrufen kann. Diese Diagnose und die damit verbundenen Rechtsfragen beschäftigen zunehmend die Gerichte. Eine oft geäußerte Erwartung der Probanden ist es, im Verfahren Anerkennung für erlittenes Leid und Unrecht zu erhalten. Eine sorgfältige Prüfung und (Differenzial-)Diagnosestellung, inkl. der präzisen Traumaanamnese, sind zwingend notwendig. Neben der Einordnung der Beschwerden in ein psychiatrisches Klassifikationssystem sind v. a. die funktionellen Beeinträchtigungen und ihre Auswirkungen auf das Erwerbsleben und die private Lebensgestaltung einzuschätzen. Die Methodik der Begutachtung, Problembereiche wie auch Tabellen zur Einschätzung von Leistungsbeeinträchtigungen sind in dem Kapitel ausführlich dargestellt.
U. Frommberger, J. Angenendt, H. Dreßing

Therapie

Frontmatter
10. Psychologische Frühinterventionen
Zusammenfassung
Das Erleben eines traumatischen Ereignisses ist immer mit einer psychischen Belastung und einer Anpassungsreaktion verbunden. Dies kann auch Augenzeugen, Angehörige, Hinterbliebene, Helfer und Einsatzkräfte betreffen. Die auf ein solches Ereignis folgende Reaktion kann sich in einer akuten Belastungsreaktion (ICD-10) bzw. akuten Stressreaktion (ICD-11), einer akuten Belastungsstörung (DSM) und/oder mittel- und langfristig in einer chronischen Belastungsstörung oder einer anderen psychischen Störung äußern. Früh einsetzende psychologische Versorgungsangebote sollen dazu beitragen, dass die mittel- und langfristigen psychischen Folgen traumatischer Ereignisse gemildert oder verhindert werden.
J. Bengel, K. Becker-Nehring, J. Hillebrecht
11. Systematik und Wirksamkeit der Therapiemethoden
Zusammenfassung
Posttraumatische Belastungsstörungen sind über lange Zeit nicht spezifisch erkannt und wirksamen Therapieformen zugeführt worden. Erst seit den letzten Jahrzehnten entwickelte sich eine breite Wissensbasis über wirksame Therapieansätze. In diesem Kapitel werden klinische und systematische Gesichtspunkte zu den wichtigsten psychotherapeutischen Interventionen dargelegt, auch im Hinblick auf eine sprachliche und kulturelle Anpassung für Patienten anderer Länder und Kulturen. Es schließt sich eine Zusammenfassung zur empirischen Wirksamkeitsforschung an; abschließend erfolgt ein kurzer Ausblick auf nichttherapeutische Interventionen. Das Kapitel soll Praktikern eine Orientierung dafür geben, welche Therapieformen für welche Patienten geeignet sind.
A. Maercker
12. Psychodynamische Behandlung von Menschen mit Traumafolgestörungen
Zusammenfassung
Mit der integrativen psychodynamisch-kognitiven Psychotherapie von Mardi J. Horowitz und der psychodynamisch-imaginativen Traumatherapie von Luise Reddemann stellt dieses Kapitel zwei einflussreiche Ansätze innerhalb der psychodynamisch-traumafokussierten Psychotherapie vor. Mit dem Manual psychodynamische Traumatherapie von Wittmann, Ferrajao und Orner findet zusätzlich eine neuere Entwicklung Erwähnung. Die Darstellung der jeweiligen Therapierationale und konkreter behandlungstechnischer Hinweise erfolgt anhand von Fallbeispielen, Verbindungen zu aktuellen Forschungsergebnissen und der Evidenzlage zu den drei Verfahren.
L. Wittmann, M. J. Horowitz
13. Kognitive Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT) gehört in der Therapie der PTBS zu den Behandlungen erster Wahl. Es liegen mehrere evidenzbasierte Therapiemanuale aus dieser Gruppe vor, die in diesem Kapitel zunächst kurz skizziert werden. Nach einer Einführung in die theoretischen Grundlagen der TF-KVT werden im Hauptteil des Kapitels dann wichtige Behandlungsbausteine genauer darstellt, insbesondere Interventionen zur Modifikation des Traumagedächtnisses (imaginative Exposition; Aktualisierung der Traumaerinnerung), kognitive Interventionen sowie Techniken zur Modifikation dysfunktionaler Bewältigungsstrategien.
T. Ehring
14. Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)
Zusammenfassung
EMDR steht für „Eye Movement Desensitization and Reprocessing“. Dieses achtphasige Behandlungskonzept beschreibt den gesamten Verlauf einer Traumatherapie. Wie 1889 erstmals von Janet beschrieben und in den heutigen Behandlungsstandards der AWMF für die PTBS empfohlen, beginnt eine EMDR-Behandlung mit einer traumaspezifischen Anamnese, Behandlungsplanung und Stabilisierung. Erst nach ausreichender Stabilisierung kommt die Traumabearbeitung mit den für EMDR charakteristischen konfrontierenden und prozessierenden Phasen zur Anwendung. Für jede prozessierende Sitzung wird eine belastende Erinnerung ausgewählt und in 5 Phasen integriert: Einschätzung, Neuverarbeitung, Verankerung, Körpertest und Abschluss. Die Therapie endet im besten Fall damit, dass die traumatischen Erinnerungen ihre belastende Qualität verloren haben und sich die Lebensqualität spürbar verbessert hat.
O. Schubbe, A. Brink
15. Niedrigschwellige und innovative Interventionen
Zusammenfassung
Neben den herkömmlichen psychotherapeutischen Verfahren wurden in den letzten Jahrzehnten im internationalen Rahmen weitere Möglichkeiten entwickelt, um traumatisierten Betroffenen zu helfen. In diesem Kapitel werden diese Interventionen als niedrigschwellige Verfahren zusammengefasst, die so definiert sind, dass die Hilfesuchenden sich diese in der Regel außerhalb des etablierten Gesundheitssystems selbst suchen (wobei es auch Überschneidungen mit neueren Ansätzen innerhalb der Gesundheitsversorgung gibt). Damit verbunden ist, dass die Inanspruchnahme einer Intervention nicht vom Vorliegen einer Diagnose abhängig ist. Die Betroffenen können auch sog. subsyndromale Leiden haben (d. h., nicht alle für eine Diagnose nötigen Symptome sind vollständig vorhanden), oder es geht um individuelle Prävention einschließlich einer besseren Verarbeitung des Erlebten.
A. Maercker
16. Behandlung der komplexen PTBS mit STAIR/Narrative Therapie
Zusammenfassung
Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), die sexueller, körperlicher oder emotionaler Gewalt in der Kindheit ausgesetzt waren, weisen oft ein breites Spektrum von Beschwerden auf. Häufig handelt es sich dabei um Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen und im Bereich der Emotionen. So kann es Betroffenen schwerfallen, Vertrauen aufzubauen, Intimität zuzulassen, mit Kritik durch andere umzugehen oder in angemessener Form für die eigenen Bedürfnisse einzutreten. Nicht selten neigen sie dazu, berufliche oder private Beziehungen abrupt zu beenden, und es kann zu wiederholten Opfererfahrungen kommen. Weiter haben Betroffene oft Schwierigkeiten damit, Emotionen angemessen wahrzunehmen und zu differenzieren. Sie leiden unter starken, negativen emotionalen Reaktionen und haben Schwierigkeiten, die emotionale Balance zu finden. Die Beobachtung, dass diese Beschwerden in demselben Maße zur Belastung von Patienten beitragen und zu ähnlichen Einschränkungen in ihrem Alltag führen wie die PTBS-Symptomatik, bildete den Ausgangspunkt für das hier vorgestellte zweiphasige Behandlungsprogramm.
I. Schäfer, J. Borowski, M. Cloitre
17. Dialektisch-behaviorale Therapie für komplexe PTBS
Zusammenfassung
Die DBT-PTSD wurde entwickelt als ein störungsspezifisches multimodulares Behandlungskonzept für Patienten mit komplexer posttraumatischer Belastungsstörung nach interpersoneller Gewalterfahrung (sexueller und/oder körperlicher Gewalt) in Kindheit und Jugend. Das emotionsfokussierte Behandlungsprogramm integriert Komponenten der dialektisch behavioralen Therapie (DBT), der kognitiven Verhaltenstherapie, der Acceptance und Commitment Therapie (ACT) sowie Interventionen aus der Compassion Focused Therapy (CFT). Nicht nur hohe Wirksamkeit, sondern auch Akzeptanz und Sicherheit konnten mittels randomisiert-kontrollierter Studien im ambulanten und im stationären Behandlungsrahmen nachgewiesen werden. Dies ist insbesondere erwähnenswert, da in diesen Studien auch Patienten mit schweren dissoziativen Symptomen, chronischer Suizidalität und selbstverletzendem Verhalten eingeschlossen und erfolgreich behandelt werden konnten. Dieses neue Behandlungskonzept findet bereits internationale Verbreitung.
M. Bohus, K. Priebe
18. Ansätze der kulturell angepassten kognitiven Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Dieses Kapitel beschreibt zwölf Leitideen einer kultursensitiven kognitiven Verhaltenstherapie für traumatisierte Personen aus nicht westlichen Kulturen. Dazu wurde ein spezifisches Vorgehen entwickelt, das als „kulturell angepasste kognitive Verhaltenstherapie“ (KA-KVT) bezeichnet wird. Die Schwerpunkte liegen dabei auf ganz verschiedenen Formen der Körperwahrnehmung und der Emotionsregulation. Um den Prozess der kulturellen Anpassung dieses Ansatzes nachvollziehbar zu machen, werden im Verlauf dieses Kapitels auch die zugrunde liegenden Modellvorstellungen erwähnt, die für diese Behandlungsform grundlegend sind.
D. E. Hinton
19. Psychopharmakotherapie von Traumafolgestörungen
Zusammenfassung
Die Psychopharmakotherapie besitzt in der Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als klinisch relevantester Traumafolgestörung in der Literatur und klinischen Praxis eine im Vergleich zu psychotherapeutischen Verfahren nachgeordnete Rolle. Verglichen mit der relativ großen Zahl an Publikationen über posttraumatische Störungen und ihrer psychotherapeutischen Behandlung gibt es vergleichsweise wenige Studien über den therapeutischen Einsatz von psychotropen Substanzen. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand stellt die Psychopharmakotherapie dennoch eine sinnvolle Ergänzung im Gesamtbehandlungsplan posttraumatischer Störungen dar, die insbesondere bei schweren PTBS-Syndromen mit Übererregbarkeit, Panikattacken und depressiver Symptomatik möglichst in Kombination mit Psychotherapie indiziert ist. Medikamente der 1. Wahl bei der posttraumatischen Belastungsstörung sind Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI (z. B. Sertralin, Paroxetin) oder pharmakologisch ähnliche Substanzen.
M. Bauer, S. Priebe, E. Severus
20. Therapie der anhaltenden Trauerstörung
Zusammenfassung
Psychotherapeutische Interventionen bei anhaltender Trauerstörung (ATS) sind von präventiven Ansätzen, die einen normalen Trauerprozess unterstützen sollen, zu unterscheiden. Eine Psychotherapie ist nur bei Vorliegen einer ATS angezeigt. In Metaanalysen zeigen insbesondere kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze gute Effekte. Mittlerweile liegen verschiedene störungsspezifische kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapiemanuale vor. Diese Therapien zielen auf eine Anpassung der Beziehung zur verstorbenen Person. In der Exposition werden bisher vermiedene schmerzhafte Aspekte des Verlustes oder verlustbezogene Situationen, Orte und Aktivitäten betrachtet. Kognitive Interventionen dienen der Modifikation trauerbezogener dysfunktionaler Gedanken oder Schuldgefühle sowie der Etablierung tröstlicher Erinnerungen. Die Entwicklung oder Wiederaufnahme von Lebenszielen und Aktivitäten dient der Anpassung an ein Leben ohne die verstorbene Person.
R. Rosner, H. Comtesse
21. Therapie der Anpassungsstörung
Zusammenfassung
Das Kapitel bietet einen Überblick zu unterschiedlichen psychologischen und psychotherapeutischen Interventionen, die spezifisch für diese häufig vorkommende Belastungsfolgestörung entwickelt wurden. Dabei werden Interventionen, die nach den Konzeptualisierungen des DSM-5 wie auch nach den Vorschlägen für die diagnostische Kategorie der Anpassungsstörung für die ICD-11 ausgerichtet wurden, gleichermaßen berücksichtigt. Die psychologischen Interventionen für Anpassungsstörungen reichen von niederschwelligen Behandlungsansätzen wie Selbsthilfeinterventionen, Entspannungsverfahren, internetbasierten Interventionen oder Verhaltensaktivierung bis hin zu intensiveren Interventionen wie kognitiver Verhaltenstherapie oder psychodynamischen Ansätzen. Es werden ein kurzer Überblick zur medikamentösen Behandlung, Empfehlungen für die klinische Praxis anhand verschiedener Beispiele und ein Ausblick zu möglicher künftiger Forschung gegeben.
H. Baumeister, R. Bachem, M. Domhardt

Spezielle Aspekte

Frontmatter
22. Posttraumatische Belastungsstörung bei Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung
Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine gravierende psychische Störung, die bei Kindern und Jugendlichen nach besonders belastenden Erlebnissen wie z. B. Naturkatastrophen, Unfällen sowie dem Erleben sexueller oder nichtsexueller Gewalt auftreten kann. Auch die verbale Vermittlung eines solchen Ereignisses scheint bei Jugendlichen und Kindern eine PTBS auslösen zu können (z. B. die Nachricht/Fotografien vom gewaltsamen Tod eines Familienmitglieds). Vermutet wird, dass Kinder ab 3 Jahren von PTBS betroffen sein können. Zu den grundlegenden Dimensionen der Symptomatik und den einzelnen Symptomen sei auf die entsprechenden Kapitel dieses Buches verwiesen.
R. Steil, R. Rosner
23. Posttraumatische Belastungsstörungen bei körperlichen Erkrankungen und medizinischen Eingriffen
Zusammenfassung
Körperliche Erkrankungen haben als Traumata einige besondere Merkmale, die das Konzept der „Enduring somatic threat“ beschreibt. So liegt die Quelle der Bedrohung internal und nicht external, und die Angst bezieht sich zumindest teilweise auf Ereignisse in der Zukunft (z. B. bevorstehende Operation, Progression der Erkrankung, Rezidiv). Die Symptome der PTBS, v. a. Vermeidung und Hyperarousal, können den Verlauf er somatischen Erkrankung verschlechtern – bis hin zu erhöhter Mortalität.
V. Köllner
24. Militär
Soldaten in militärischen Einsätzen
Zusammenfassung
Mit Beendigung des „Kalten Krieges“ Ende der 1980er-Jahre änderte sich die weltpolitische Lage grundlegend, und infolgedessen kam es nach der deutschen Wiedervereinigung zu dem politischen Entschluss, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen. Dies führte zu erheblichen Veränderungen im außen- und sicherheitspolitischen Raum und damit auch im militärischen Alltag der Soldaten. Die Folgen seelischer Verletzungen werden von den Betroffenen nicht selten zunächst gar nicht registriert oder aufgrund von Stigmatisierungsängsten nicht akzeptiert und von Vorgesetzten, Kameraden und auch von den behandelnden Ärzten noch zu wenig wahrgenommen. Die Bundeswehr hat im Rückgriff auf die Erfahrungen befreundeter Streitkräfte ein Präventions- und Behandlungskonzept entwickelt, das die organisatorische Grundlage für eine effektive psychosoziale Unterstützung im Grundbetrieb und bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr bildet. Illustriert wird das therapeutische Vorgehen durch Fallbeispiele. Ein weiteres Thema des Kapitels ist das Versorgungsrecht für Soldaten.
K.-H. Biesold, K. Barre, P. Zimmermann
25. Folteropfer und traumatisierte Geflüchtete
Zusammenfassung
Trotz internationaler Bemühungen um die Einhaltung der Menschenrechte nehmen organisierte staatliche Verfolgung und systematische Folterungen weltweit zu, ebenso schwere Traumatisierungen der Zivilbevölkerung in (Bürger-)Kriegen. Der Großteil der Menschen, die ihre Herkunftsländer aufgrund von Verfolgung und Krieg verlassen, sind Binnenflüchtlinge oder fliehen in die jeweiligen Nachbarländer. Nur ein Bruchteil dieser Menschen erreichen als Geflüchtete die Exilländer Europas, Nordamerikas oder Australien. Die Behandlung traumatisierter Geflüchteter und Folteropfer bringt besondere Anforderungen mit sich: Arbeiten zumeist im interkulturellen Setting, unter Einbeziehung von Sprachmittelnden sowie die Behandlung extrem traumatisierter, meist an komplexen Störungen leidender Menschen. Gleichzeitig befinden sich die Patienten durch Entwurzelung und Belastungen im Exil in einem von vielen Faktoren determinierten Bewältigungs- und Anpassungsprozess.
M. Wenk-Ansohn, N. Stammel, M. Böttche
26. Gerontopsychotraumatologie
Zusammenfassung
Während Traumafolgestörungen bei jüngeren Menschen in den letzten Jahrzehnten zunehmend Fokus klinischen und wissenschaftlichen Interesses geworden sind, ist das Wissen über Ausmaß und Konsequenzen von Traumatisierungen Älterer weiterhin gering ausgeprägt. Die meisten psychotraumatologischen Studien haben bislang entweder nicht genügend ältere Menschen eingeschlossen, um Alterseffekte beurteilen zu können, oder konzentrierten sich ausschließlich auf jüngere Studienteilnehmer. Dies ist insofern problematisch, als der bisherige Wissensstand darauf hindeutet, dass sowohl altersspezifische Entwicklungsaufgaben bzw. Stressoren als auch kollektive, generationentypische Traumatisierungen zu einer spezifischen Ausprägung und Verarbeitung von Traumafolgestörungen und speziell der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) im höheren Lebensalter beitragen. Das Kapitel gibt typische Stressoren wieder, die ältere Menschen in sehr unterschiedlichem Ausmaß belasten können.
M. Böttche, P. Kuwert, C. Knaevelsrud
27. Besonderheiten bei der Behandlung und Selbstfürsorge für Traumatherapeuten
Zusammenfassung
Nicht jeder Therapeut hält sich für geeignet und bereit, mit der schwierigen Gruppe von Traumapatienten zu arbeiten. Die Schrecken, Verluste und Beschädigungen, mit denen man als Therapeut konfrontiert ist, können zu Belastungszuständen („sekundäres Trauma“ oder Zeugentrauma) führen, die ein gesondertes Kapitel zur Bewältigung dieser Herausforderungen rechtfertigen. Einen wichtigen Stellenwert nehmen daher die besonderen Schwierigkeiten von Patienten ein, die insbesondere Opfer zwischenmenschlicher Gewalt waren. Die aversiven interpersonellen Folgen von Traumatisierungen manifestieren sich auch im therapeutischen Kontakt und können den Therapieerfolg erheblich beeinträchtigen, falls die damit verbundenen Probleme nicht adäquat reflektiert werden.
A. Maercker
Backmatter
Metadaten
Titel
Traumafolgestörungen
herausgegeben von
Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker
Copyright-Jahr
2019
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-58470-5
Print ISBN
978-3-662-58469-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58470-5

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