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Weitere venerische Erkrankungen

Verfasst von: Susanne Buder und Peter K. Kohl
Diese venerischen Erkrankungen (STI) sind in Europa selten. Das Lymphogranuloma venereum (LGV), verursacht durch L-Serovare von Chlamydia trachomatis, verläuft in Stadien mit genitoanalen Ulzerationen und wird zunehmend bei MSM (men who have sex with men) mit HIV-Infektion angetroffen. Therapie der Wahl ist Doxycyclin. Im Spätstadium sind chirurgische Maßnahmen erforderlich. Ulcus molle, hervorgerufen durch Haemophilus ducreyi, ist in den Tropen verbreitet. Klinisch findet sich ein dolentes Ulkus mit Lymphangitis. Therapeutisch wird Azithromycin eingesetzt. Bei HIV-Infektion kann es zu Therapieversagen kommen. Die Donovanosis, durch Klebsiella granulomatis verursacht, ist durch Ulzerationen und destruierende Granulome im Genitoanalbereich gekennzeichnet. Mittel der Wahl ist Azithromycin. Die Verbreitung des Zika-Virus erfolgt über die Aedes-Mücke. Auch eine sexuelle Übertragung ist möglich. Die Infektion kann beim Fötus zur Mikrozephalie führen. Eine Therapie gibt es nicht. Präventiv werden Mückenschutz und Gebrauch von Kondomen empfohlen.

Lymphogranuloma venereum

(Hunter 1786; Durand et al. 1913)
Synonyme
Lymphogranuloma inguinale , Lymphopathia venerea, Poradenitis inguinale, Morbus Durand-Nicolas-Favre, klimatischer Bubo, LGV
Cave: Lymphogranuloma inguinale ist nicht mit Granuloma inguinale (Donovanosis) zu verwechseln.
Epidemiologie
Lymphogranuloma venereum (LGV) kommt endemisch in Asien, Afrika, Südamerika und im Südosten der USA vor. In Europa wird die LGV-Infektion fast ausschließlich bei MSM (men who have sex with men, Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten) mit gleichzeitiger HIV-Infektion unter dem klinischen Bild einer Proktitis oder Proktokolitis angetroffen. Männer sind 6-mal häufiger betroffen als Frauen. Eine gesetzliche Meldepflicht besteht nicht.
Ätiopathogenese
Der Erreger ist Chlamydia trachomatis (Serovare L1–L3), ein kokkoides, obligat intrazelluläres Bakterium. Während die Serovare A–K (Kap. „Gonorrhoe und andere Formen der Urethritis“) in der Mukosa verbleiben, sind die L-Serovare invasive Organismen, die sich schon in der frühen Krankheitsphase in Blut, Liquor und Milz ausbreiten. Für die Anheftung von Chlamydia trachomatis an die Wirtszellen sind das Hauptaußenmembranprotein, das Hitzeschockprotein 70, sowie heparinähnlich Glykosaminoglykane verantwortlich.
Klinik
Das klinische Bild wird in drei Stadien eingeteilt.
Stadium I: Primärläsion
Die Inkubationszeit beträgt 2–6 Wochen. Zunächst tritt eine wenige Millimeter große, entzündliche Papel auf, die sich im weiteren Verlauf rasch vesikulös umwandelt, dann in eine Papulopustel übergeht und schließlich flach ulzeriert. Die Primärläsion ist klinisch wenig spezifisch. Beim Mann finden sich die Veränderungen an der Glans penis, in der Kranzfurche, am Präputium oder vorderen Urethralabschnitt, bei der Frau an der Vulva, in der Vagina oder an der Zervix. Die Primärläsion ist schmerzlos und wird deswegen häufig nicht bemerkt. Sie heilt innerhalb von 10–14 Tagen spontan ab. Bei der gegenwärtigen LGV-Epidemie in Europa und Nordamerika unter MSM stellt das Rektum den häufigsten Infektionsort dar. In diesem Rahmen kann der Patient ein anorektales Syndrom mit starken Schmerzen, Blutungen, Tenesmen, Diarrhoe oder Obstipation entwickeln. Das klinische Bild ist von einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, nicht zu unterscheiden und wird daher vermutlich häufig übersehen. Auch asymptomatische Verläufe sind nachgewiesen, welche für die Weiterverbreitung der Erkrankung von epidemiologischer Bedeutung sind.
Beim Vorliegen einer Proktitis sollte immer der Ausschluss einer LGV-Infektion erfolgen.
Stadium II: Bubonen
Ein Bubo ist ein entzündlich veränderter Lymphknoten, der im Rahmen einer STI, aber auch bei anderen infektiösen, entzündlichen oder tumorösen Erkrankungen entstehen kann (Abb. 1). Etwa 24 Wochen nach dem Auftreten der Primärläsion breitet sich die Erkrankung über das Lymphsystem aus. Meist ist die entzündliche Leistenlymphknotenschwellung einseitig. Die schmerzhaften Lymphknoten verkleben mit der geröteten Haut, bleiben jedoch auf der Unterlage verschieblich. In der Regel schwellen die Lymphknoten oberhalb, seltener unterhalb, des Poupart-Bandes (französischer Anatom und Chirurg François Poupart, 1616–1708) an und verschmelzen später miteinander zu Paketen (Furchenzeichen). Im Zentrum des Knotens entsteht ein Abszess, der perforiert und zu multiplen Fisteln führt. Nach Verschluss der Fisteln bilden sich eingezogene Narben. Liegt die Primärläsion in der Vagina oder im Rektum, kommt es zum Befall der perirektalen und paraaortalen Lymphknoten (Gerota-Drüsen) (rumänischer Anatom, Radiologe, Urologe Dimitrie Gerota, 1867–1939). Umfasst man bei entspannter Bauchdecke und angewinkelten Knien die Beckenschaufel, können auf ihrer Innenseite fest aufsitzende, geschwollene Knoten palpabel sein. Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust sind möglich. Auch rheumatoide Beschwerden, Gelenkschwellungen und Exantheme nach Art des Erythema nodosum beziehungsweise Erythema multiforme oder flüchtige Ausschläge können auftreten. Konjunktivitis, Meningoenzephalitis, Hepatosplenomegalie, Arthralgie, Nackensteife und Kopfschmerzen sind weitere klinische Symptome. Zusätzlich besteht anfänglich eine Leukozytose, später eine Lymphozytose.
Stadium III: Elephantiasis genitoanorectalis ulcerosa und anorektaler Symptomenkomplex
Das dritte Stadium wurde lange Zeit als selbstständiges Leiden, unter den Namen éléphantiasis de l’appareil génital, esthiomène (Huguier 1849) oder anorektaler Symptomenkomplex (Fournier 1857) beschrieben und unter der Bezeichnung Huguier-Jersild-Syndrom (Jersild 1933) zusammengefasst. Erst die Frei-Reaktion (früher gebräuchlicher Hauttest mit abgetöteten Erregern) und der direkte Nachweis der Chlamydien zeigten, dass dieses Krankheitsbild ein Spätstadium des Lymphogranuloma venereum darstellt. Dieses Endstadium verläuft über viele Jahre mit Abszessen, Fisteln, Strikturen und Fibrosen im Genitoanalbereich, was langfristig zur Elefantiasis der äußeren Genitalien führt. Gelegentlich beschränken sich die Veränderungen nur auf einen umschriebenen Bereich, zum Beispiel den Anfangsteil der Urethra (Fischmaulurethra) oder auf die Klitoris. In der Mehrzahl der Fälle sind die großen Labien befallen, auffällig vergrößert und von gummiartiger Konsistenz. Die betroffenen Stellen können sich verrukös und papillomatös verändern und ulzerieren. Kompliziert wird das Bild durch Strikturen der Urethra, Fisteln zwischen Urethra und Vagina sowie zwischen Vagina und Rektum. Bei Männern kann es zu einer Elephantiasis des Skrotums oder des Penis kommen. Der anorektale Symptomenkomplex entwickelt sich fast nur bei Frauen und MSM. Er leitet sich von einer Infektion des Genitales her, kann aber auch unmittelbar aus Primärläsionen am After oder Rektum entstehen. In der Umgebung des Rektums erkranken die Gerota-Lymphknoten, die oberhalb des Afters in einem 2–6 cm breiten Gebiet zu schweren Stauungsphänomenen führen. Die Erkrankung des Anorektums stellt die schwerste Komplikation beim Lymphogranuloma venereum dar. Der Enddarm ist verdickt, infiltriert und im Lumen eingeengt. Der Stuhl wird bleistiftförmig mit blutig-eitrigen Schleimauflagerungen. Im Rektum finden sich zahlreiche kleinere und größere Geschwüre. Schließlich treten perianal und perirektal Fisteln auf. Nach langem Verlauf lässt die Sekretion nach. Es entstehen Fistulae siccae und rektale Strikturen, die ohne Heilungstendenz fortbestehen.
Differenzialdiagnose
Im Stadium I ist das flache Ulkus gegenüber einer Infektion mit Haemophilus ducreyi (Ulcus molle) oder Treponema pallidum (Lues I), Herpes-simplex-Virus (HSV) oder Zytomegalie-Virus (CMV) abzugrenzen, wobei auch Mischinfektionen mit diesen Erregern vorkommen können. Bei der für das Stadium II charakteristischen inguinalen Lymphadenopathie muss differenzialdiagnostisch auch an andere Erkrankungen gedacht werden, wie genitaler Herpes simplex, Syphilis, Tuberkulose, Pest, Tularämie (Kap. „Weitere Bakterieninfektionen der Haut“) und Lymphomerkrankungen (Tab. 1).
Tab. 1
Differenzialdiagnose venerisch bedingter Lymphadenopathien
Charakteristikum
Syphilis
LGV
Ulcus molle
Donovanosis
initiale genitale Hautveränderung
derbe Papel
diskret
multipel, diskret
multiple Papeln und Knoten
inkubationszeit
3 Wochen
2–6 Wochen
2–10 Tage
1–10 Wochen
ausprägung
einseitige lymphadenopathie, schmerzlos
einseitige Lymphadenopathie, schmerzhaft
einseitige Lymphadenopathie, verbacken, schmerzhaft
Granulomatöse Massen, blutend, schmerzlos
konsistenz der Lymphknoten
fest
variable Konsistenz, Furchenzeichen (groove sign)
weich, fluktuierend
Subkutane Granulome (Pseudobubonen)
eiter
keiner
abszedierend, perforierend, fistulierend
Reichlich, blutig, schankrös
Oberflächlich von granulomatösen Ulzera ausgehend
Weitere, insbesondere infektiöse Ursachen einer Elefantiasis und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind im Stadium III der Erkrankung differenzialdiagnostisch auszuschließen.
Labor
Bei Verdacht auf das Vorliegen der Erkrankung sollten folgende Labormethoden angewandt werden:
Nukleinsäure-Amplifikationstechniken (NAATs)
Kommerziell verwendete NAATs können einen hochsensitiven und spezifischen Nachweis von Chlamydia trachomatis erbringen. Der positive Nachweis einer Chlamydien-Infektion lässt allerdings keine Unterscheidung zwischen den Serovaren D–K, die für die urogenitalen Chlamydien-Infektionen auslösend sind und den Serovaren L1–L3 zu, die bei Lymphogranuloma venereum erwartet werden. Zur Diagnosesicherung im Verdachtsfall sollte eine zusätzliche Genotypbestimmung in einem Speziallabor erfolgen. Die Diagnose LGV ist nur gesichert, wenn biovarspezifische C.trachomatis-DNA nachgewiesen werden konnte. Als Untersuchungsmaterial können sowohl Abstriche aus Primärulzerationen, dem Rektum als auch Bubo-Aspirate verwendet werden.
Serologie und Kultur
Serologische Untersuchungen sind von hochsensitiven NAAT-Nachweismethoden abgelöst worden. Die McCoy-Zellkultur ist für die Routinediagnostik nicht geeignet.
Verlauf
Die Erkrankung verläuft bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung im Stadium I und im frühen Stadium II relativ leicht. Bei voll ausgeprägtem Stadium III bleiben Residuen mit Fibrose, Elephantiasis genitalis und anorektalem Symptomenkomplex bestehen, die sich trotz adäquater Therapie nicht mehr beseitigen lassen.
Therapie
Eine Übersicht der Therapie bei Chlamydienerkrankungen findet sich in Tab. 3 des Kap. „Gonorrhoe und andere Formen der Urethritis“.
Bei LGV ist die perorale antibiotische Behandlung mit Doxycyclin (2-mal 100 mg/Tag) über mindestens 21 Tage die Therapie der Wahl. Bei Unverträglichkeit von Doxycyclin ist Azithromycin 1,5 g p.o. am Tag 1, 8 und 15 oder Erythromycin (4-mal 500 mg/Tag) für 21 Tage eine wirkungsvolle Alternative.
Die antibiotische Therapie im Stadium III wirkt nur noch symptomatisch. In diesen Fällen sind oft chirurgisch-palliative und rekonstruktive Maßnahmen notwendig, um Fisteln und Strikturen zu korrigieren.
In der Schwangerschaft wird unter Abwägung der therapeutischen Optionen Erythromycin (4-mal 500 mg/Tag) oder Azithromycin (1,5 g p.o. an Tag 1, 8 und 15) eingesetzt.
Alle Sexualpartner sollten untersucht und mitbehandelt werden. Eine Kontrolluntersuchung nach Beendigung der Therapie ist unbedingt erforderlich. Untersuchungen auf andere STI und durch Blut übertragbare Erkrankungen sind obligat zu fordern.

Ulcus molle

(Ducrey 1889a, b)
Synonyme
Schankroid, Chancroid, weicher Schanker
Epidemiologie
Ulcus molle ist eine weltweit verbreitete Erkrankung, mit zahlenmäßig deutlichem Rückgang in den letzten Jahren. Sie ist in den Ländern des tropischen Afrika und Südostasiens sowie auf dem indischen Subkontinent und in Südamerika endemisch. In den westlichen Industrieländern wird es gelegentlich bei Ferntouristen beobachtet. Die Ausbreitung der Erkrankung wird durch mangelnde medizinische Versorgung, unzureichende hygienische Verhältnisse sowie durch Sexarbeit begünstigt. Männer erkranken bis zu 10-mal häufiger als Frauen. Für die Ausbildung einer Infektion beim Mann scheint das Vorhandensein des Präputiums einen Risikofaktor darzustellen, da zirkumzidierte Männer seltener erkranken. Ulcus molle hat als Eintrittspforte für das HI-Virus eine große Bedeutung.
Ätiopathogenese
Haemophilus ducreyi ist ein kurzes, Gram-negatives Stäbchen mit abgerundeten Ecken, das in Abstrichen in Ketten oder wie ein Fischschwarm angeordnet ist.
Die Infektion mit Haemophilus ducreyi erfolgt über bestehende Mikroläsionen an Haut oder Schleimhäuten. Nach einer überstandenen Erkrankung entwickelt sich keine Immunität.
Klinik
Die Inkubationszeit beträgt 2–10 Tage. Die Primäreffloreszenz ist eine vom Patienten meist nicht wahrgenommene, entzündlich gerötete, zarte Papel mit umgebendem Erythem, die rasch in eine Pustel und dann in ein schmerzhaftes, weiches Ulkus übergeht. In typischen Fällen ist der Geschwürrand aufgeworfen und unterminiert mit doppeltem Rand. Der Ulkusgrund ist grau gelblich bedeckt. Darunter liegt ein gefäßreiches Granulationsgewebe. Palpatorisch ist es weich und schmerzhaft. Das Ulkus heilt nicht spontan ab und vergrößert sich ohne Therapie.
Beim Mann finden sich Ulcera mollia bevorzugt am inneren Blatt des ödematös geschwollenen Präputiums, am Sulcus coronarius und am Frenulum (Abb. 2 und 3). Seltener findet man Veränderungen an Glans, Penisschaft oder Mons pubis. Bei Frauen sind große und kleine Labien, Umgebung der Urethra, hintere Kommissur, Scheide oder Portio betroffen. Männer haben eher singuläre Läsionen, während bei Frauen oft multiple Ulzerationen nachweisbar sind. Die Größe der Läsionen reicht von <0,5 cm bis zu >2 cm im Durchmesser. Anale und extragenitale Veränderungen sind seltener, ebenso eine durch Haemophilus ducreyi bedingte isolierte Urethritis.
Bei der Hälfte der Patienten beschränkt sich die Erkrankung auf das typische Ulkus. Es kann sich aber auch eine charakteristische Ulcus-molle-Lymphangitis mit Ausbildung kirschkerngroßer Abszesse (Bubonulus) an der Peniswurzel entwickeln.
Befallene regionale Lymphknoten bezeichnet man als Ulcus-molle-Bubo, die sich 1–2 Wochen nach der Primäreffloreszenz manifestieren. Es kommt zu einer Anschwellung und Rötung der Leistenregion mit schmerzhafter Vergrößerung der Lymphknoten und Fluktuation (Lymphadenitis, Lymphoperiadenitis) sowie zur anschließenden Eiterentleerung. Ohne Therapie entstehen aus der Lymphknotenabszedierung multiple Fisteln. Die im Bubo enthaltenen Erreger infizieren den Fistelrand, sodass sich ein schankröser Bubo entwickelt.
Das Risiko für weitere Infektionen wird infolge der zum Teil großflächigen Ulzerationen stark erhöht. Neben Haemophilus ducreyi können auch andere STI-Erreger wie Neisseria gonorrhoeae, Treponema pallidum oder das HI-Virus eine Doppel- oder Mehrfachinfektion hervorrufen.
Differenzialdiagnose
Die wichtigsten Differenzialdiagnosen des Ulcus molle sind das Ulcus durum bei Syphilis (Tab 2) und die exulzerierte Herpes-simplex-Infektion. Auch eine Verwechslung mit Lymphogranuloma venereum oder einem CMV-Ulkus sind möglich. Erosionen oder tiefere Ulzerationen nicht venerischen Ursprungs müssen in die Differenzialdiagnose mit einbezogen werden. Hierzu zählen erosive Veränderungen bei Erythema multiforme oder fixer Arzneimittelreaktion, Balanoposthitis ulcerosa und schankriforme Pyodermie, Ulcus vulvae acutum Lipschütz (Kap. „Hauterkrankungen des weiblichen Genitales“), Morbus Behçet (Kap. „Erkrankungen der Lippen und der Mundhöhle“) sowie exulzerierte Karzinome.
Tab 2
Differenzialdiagnose von Ulcus molle und Syphilis
Charakteristikum
Ulcus molle
syphilis
ulzera
multipel
meist singulär
ulkuskonsistenz
weich
hart
ulkusbegrenzung
unterminiert
nicht unterminiert
ulkusschmerzhaftigkeit
Ja
nein
lymphadenopathie
weich, schmerzhaft
fest, schmerzlos
Histopathologie
Im Curettage-Material aus dem Ulkusgrund kann mithilfe der Giemsa-Färbung oder der Versilberung der Erreger im Granulationsgewebe innerhalb und außerhalb von Makrophagen nachgewiesen werden.
Labor
Anamnese und klinisches Bild sind in vielen Fällen hinweisend. Die eindeutige Diagnose ist allerdings nur durch den Erregernachweis möglich.
Direktausstrich und kultureller Nachweis
Im mit Methylenblau, sowie nach Gram oder Giemsa gefärbten Abstrichpräparat aus dem unterminierten Randsaum sind Gram-negative (rot) Stäbchen in fischzugartiger Anordnung zu sehen. Sensitivität und Spezifität des Direktausstrichs sind gering. Durch Immunfluoreszenz können beide erhöht werden. Der kulturelle Nachweis von Haemophilus ducreyi erlaubt die Sicherung der klinischen Verdachtsdiagnose. Das Material wird mit einem Watteträger oder einer Platinöse vom unterminierten Rand des Ulkus oder des perforierten Lymphknotens entnommen. Bei der Verwendung eines Selektivmediums lassen sich Anzüchtungsraten von etwa 70 % erreichen. Die kulturelle Anzüchtung von Bubonenaspirat erreicht eine wesentlich geringere Nachweisrate.
Nukleinsäure-Amplifikationstechniken (NAAT)
Diese zeigen mit hoher Sensitivität und Spezifität Haemophilus ducreyi an, werden aber nur in wenigen Speziallaboratorien angeboten.
Serologie
Dem serologischen Nachweis von Antikörpern gegen Haemophilus ducreyi kommt keine diagnostische Bedeutung zu. Allerdings sollten bei der Diagnose Ulcus molle vor Beginn der Behandlung sowie 6 Wochen nach Therapieende Serokontrollen (Suchreaktionen) auf Syphilis und HIV-Infektion durchgeführt werden.
Verlauf
Eine Haemophilus-ducreyi-Infektion ist in der Regel problemlos antibiotisch zu behandeln. Unbehandelt verläuft das Ulcus molle chronisch und heilt erst nach Wochen bis Monaten ab, oft unter ausgeprägter Vernarbung.
Therapie
Haemophilus ducreyi ist resistent gegenüber älteren Antibiotika. Heute ist die einmalige Gabe von Azithromycin 1,5 g p.o. das Mittel der ersten Wahl. Bei gleichzeitig bestehender HIV-Infektion kann es vermehrt zu Therapieversagen kommen. Alternativ können Ceftriaxon 250 mg i.m. einmalig, Ciprofloxacin 500 mg 2-mal tgl. p.o. für 3 Tage oder Erythromycin 500 mg 4-mal tgl. für 7 Tage eingesetzt werden.
Paraphimose oder entzündliche Phimosen erfordern eine notfallmäßige Dorsalinzision. Bei prall gespannten Bubonen ist die Aspiration des Eiters angezeigt, die notfalls wiederholt durchzuführen ist. Alle Partner sollten untersucht und mitbehandelt werden. Untersuchungen auf andere STI und durch Blut übertragbare Erkrankungen sollten veranlasst werden.

Donovanosis

(Macleod 1882)
Synonyme
Granuloma venereum, Granuloma inguinale, Granuloma pudendum tropicum
Epidemiologie die Erkrankung ist endemisch auf den Karibischen Inseln, in Südamerika, Südafrika, Südostindien, Papua-Neuguinea und bei den Aborigines in Zentralaustralien. In den westlichen Industrieländern ist die Donovanosis ausgesprochen selten. Männer erkranken 10-mal häufiger als Frauen, unter denen allerdings asymptomatische Überträgerinnen vorkommen können.
Ätiopathogenese
Erreger ist Klebsiella granulomatis, früher als Calymmatobacterium granulomatosis oder Donovania granulomatosis bezeichnet. Klebsiella granulomatis ist ein Gram-negatives, enkapsuliertes, fakultativ anaerob wachsendes Stäbchen, das in der Giemsa- oder Wright-Färbung eine typische bipolare Chromatinverdichtung (sicherheitsnadelartig) aufweist. Die Erreger wachsen intrazellulär in Makrophagen, die als Donovan-Körperchen bezeichnet werden. Die Donovanosis gilt unter Erwachsenen als eine sexuell übertragbare Erkrankung, auch wenn multiple und langdauernde Kontakte für die Übertragung erforderlich sind. Bei MSM ist rektaler Befall möglich. Tropische Klimaverhältnisse scheinen die Übertragung durch Entzündungen im intertriginösen Bereich zu begünstigen. Die Übertragung von HIV wird durch Ulzerationen erleichtert.
Klinik
Die Inkubationszeit reicht von 1–10 Wochen. Die Primärläsion besteht aus multiplen, gelegentlich singulären, nicht schmerzhaften Papeln oder subkutanen Knoten, die ulzerieren und zu granulomatösen Hautveränderungen konfluieren (Abb. 4). Der erhabene Ulkusrand ist nicht unterminiert. Die Ulzera sind schmerzhaft und bluten sehr leicht. 80 % der Patienten haben ausschließlich genitale Läsionen. Unbehandelt kommt es in 10 % der Fälle zu einer peripheren Ausdehnung, die monströse Ausmaße annehmen kann. Inguinale Veränderungen entstehen durch subkutane Granulome, welche als Pseudobubonen bezeichnet werden, da die Lymphknoten selbst nicht beteiligt sind. Häufig besteht eine Sekundärinfektion. Durch Obstruktion der Lymphgefäße entsteht langfristig eine Elefantiasis von Penis, Skrotum und Labien. Das Allgemeinbefinden ist in der Regel nicht beeinträchtigt. Mischinfektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen, wie Syphilis, Gonorrhoe, Lymphogranuloma venereum und Ulcus molle können auftreten. Die Übertragung einer HIV-Infektion wird durch die Ulzeration begünstigt. Disseminierte Infektionen sind extrem selten. In Einzelfällen sind Knochen- und Leberbeteiligung beschrieben worden.
Differenzialdiagnose
Alle ulzerierenden venerischen und nichtvenerischen Erkrankungen müssen in Betracht gezogen werden. Klinisch besteht eine Ähnlichkeit mit Ulcus molle.
Histopathologie
Bereits in der HE-Färbung sind die Erreger intrazellulär in Makrophagen innerhalb des dichten entzündlichen Infiltrats sichtbar. In der Giemsa-Färbung oder in der Versilberung lassen sich bipolare kokkoide, intrazytoplasmatische Einschlusskörperchen (Donovan-Körperchen) aus Haufen von Erregern darstellen. Dieser mikroskopische Nachweis ist beweisend für die Diagnose einer Donovanosis.
Labor
Klebsiella granulomatis ist kaum zu kultivieren und serologische Tests stehen nicht zur Verfügung. Nukleinsäure-Amplifikationstechniken werden in Speziallaboratorien durchgeführt, sind jedoch nicht kommerziell verfügbar.
Verlauf
Unbehandelt entsteht ein chronischer Verlauf, der langfristig zu Lymphödem und Narbenkarzinom führen kann. Bei rechtzeitiger Diagnose stehen für die Therapie wirksame Antibiotika zur Verfügung.
Therapie
Als Behandlung der Wahl gilt die orale Gabe von Azithromycin 1 g/Woche über einen Zeitraum von 3 Wochen oder bis zur vollständigen Abheilung. Alternativ können Trimethoprim-Sulfamethoxazol 960 mg (entspricht 160 mg/800 mg) 2-mal tgl. p.o. über 3 Wochen, Ciprofloxacin (500 mg 2-mal tgl. p.o. über 21 Tage) oder Doxycyclin (100 mg 2-mal tgl. p.o. über 21 Tage) gegeben werden.
Liegt eine begleitende HIV-Infektion vor, muss die Behandlungsdauer deutlich verlängert werden. In der Schwangerschaft werden Azithromycin oder Erythromycin empfohlen.
Alle Sexualpartner sollten untersucht und mitbehandelt werden. Eine Abklärung weiterer STIs ist dringend empfohlen.

Zika-Virus

(Dick et al. 1952)
Synonyme
Zika-Fieber
Ätiopathogenese
2015 kam es zu einem Ausbruch in Lateinamerika und Teilen Nordamerikas, der weiterhin anhält. Die Verbreitung erfolgt über den Stich der Aedes-Mücke. Auch eine sexuelle Übertragung des Zika-Virus ist möglich. Das Zika-Virus zeigt einen Tropismus für Haut und neuronale Stammzellen. Infolge der Infektion neuronaler embryonaler Stammzellen entstehen vermutlich die gefürchteten Schäden bei der neuronalen Entwicklung von Embryonen mit Mikrozephalie.
Seit Mai 2016 gibt es eine Meldepflicht für Zika-Infektionen in Deutschland.
Klinik
Die meisten Infektionen verlaufen leicht. Klinisch zeigen sich ein makulopapulöses Exanthem und Enanthem, Fieber, Gelenkschmerzen, Konjunktivitis, Kopfschmerzen und Erbrechen. Die Symptome klingen in der Regel bereits nach wenigen Tagen ab. Ende 2015 erregten gehäufte Fallberichte die öffentliche Aufmerksamkeit, bei denen ein Zusammenhang zwischen Infektionen mit dem Zika-Virus bei Schwangeren während des ersten Drittels der Schwangerschaft und Mikrozephalien bei Neugeborenen beschrieben wurde.
Differenzialdiagnose
Das klinische Bild ist unspezifisch, sodass differenzialdiagnostisch verschiedene Viruserkrankungen (Dengue-Fieber, Röteln, Masern, Parvovirus-B19-Infektionen, Alphavirus-Erkrankungen), bakterielle Erkrankungen (Rickettsiose, Leptospirose), aber auch Malaria und nichtinfektiöse Ursachen, wie Arzneimittelreaktionen, in Betracht gezogen werden müssen.
Labornachweis
Beim symptomatischen Patienten in der Frühphase gelingt der Nachweis mittels Real-time-PCR aus Serum-, und Urinproben. Ein aktuell entwickelter antigenbasierter Test ermöglicht neuerdings auch die Aussage über abgelaufene Infektionen.
Verlauf
Meist klingen die Symptome innerhalb einer Woche ohne Residuen ab. Gegenwärtige Untersuchungen zeigen jedoch das vermehrte Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms nach einer Zika-Virus-Infektion.
Therapie
Es gibt keine spezifische Therapie. Präventiv werden die Nutzung von Repellents und Moskitonetzen, sowie der Gebrauch von Kondomen empfohlen. Die WHO empfiehlt Schwangeren, Reisen in Endemiegebiete zu vermeiden.
Literatur
Lymphogranuloma venereum
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Donovanosis
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Zika-Virus
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