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Die Augenheilkunde
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Publiziert am: 12.08.2023

Diagnostik des Trockenen Auges

Verfasst von: Christina Jacobi
Das Trockene Auge ist eine Volkskrankheit. Die Prävalenz beträgt laut aktuellem Dry Eye Workshop (DEWS II) weltweit etwa 5–50 % der Bevölkerung und in Deutschland ca. 15–17 % (Craig JP, Nichols KK, Akpek E et al (2017) TFOS DEWS II definition and classification report. Ocul Surf 15:276–283; Leitlinie Nr. 11 „Trockenes Auge“ [Sicca-Syndrom] und Blepharitis© BVA und DOG [11/2015]). Die Herausforderung dieser Erkrankung liegt darin, dass sie nicht vollständig mit einem einzelnen diagnostischen Test beurteilt werden kann. Die Diagnosestellung erfordert eine umfassende klinische Erfahrung und ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis. Erschwerend kommt hinzu, dass die Symptome des Patienten und objektive Befunde beim Trockenen Auge häufig nicht korrelieren. Aus diesem Grund müssen sowohl die subjektiven Parameter als auch objektive Messungen bei der Diagnostik beachtet werden. Neue diagnostische Verfahren, welche durch aktuelle pathophysiologische Erkenntnisse etabliert wurden, ermöglichen genaue strategische Vorgehensweisen, um die Befunde der aktualisierten Definition des Trockenen Auges nach DEWS-II-Report 2017 entsprechend einzuordnen, differenzialdiagnostisch abzugrenzen und einer spezifischen Therapie zuzuführen (Craig JP, Nichols KK, Akpek E et al [2017] TFOS DEWS II definition and classification report. Ocul Surf 15:276–283). Die Differenzierung der Patienten in die beiden therapierelevanten Haupttypen „Hyposekretion“ und „Hyperevaporation“ (Craig JP, Nichols KK, Akpek E et al [2017] TFOS DEWS II definition and classification report. Ocul Surf 15:276–283) wird nach wie vor leitliniengerecht empfohlen.

Epidemiologie und Definition

Für das Trockene Auge existieren hauptsächlich Studien aus Asien, Europa und Nordamerika. Die Prävalenz wird im DEWS-II-Report aktuell mit Werten zwischen 5–50 % angegeben, wobei hier keine einheitlichen Studien bestehen, teilweise werden eher die berichteten Symptome der Patienten in den Fokus gestellt, teilweise vornehmlich okuläre Befunde betrachtet. Die Prävalenz anhand klinischer Befunde liegt insgesamt niedriger als die Prävalenz anhand beschriebener objektiver Befunde. Bei Frauen liegt die Prävalenz sowohl anhand der Symptome als auch anhand der Befunde ca. 1,3–1,7-mal höher. Auch bei den jüngeren Patienten, z. B. der Altersgruppe der 20–40-Jährigen, liegt die Prävalenz des symptomatischen Trockenen Auges bei 10–20 % (Craig et al. 2017).
Der rasante Erkenntniszuwachs im Verständnis der Pathophysiologie des Trockenen Auges führte zu einem Paradigmenwechsel vom trockenen zum entzündeten Auge, wobei neurosensorische Pathologien eine ausschlaggebende Rolle spielen. Das Trockene Auge wird zunehmend als Erkrankung des chronischen Schmerzes in der Augenheilkunde angesehen, sodass die Einrichtung spezieller Diagnostik- und Therapiestrukturen als essenziell angesehen wird (Craig et al. 2017).
Die aktuelle Definition des Dry Eye Workshops (DEWS II) von 2017 lautet:
„Das Trockene Auge ist eine multifaktorielle Erkrankung der Augenoberfläche charakterisiert durch einen Verlust der Homöostase des Tränenfilmes und begleitet von okulären Symptomen, bei denen Tränenfilminstabilität und Hyperosmolarität, Inflammation und ein Schaden der Augenoberfläche sowie neurosensorische Störungen eine ätiologische Rolle spielen (Craig et al. 2017).“

Anamnese, Risikofaktorenanalyse und subjektive Symptomfragebögen

Entsprechend der überarbeiteten Definition wurden auch in die diagnostischen Überlegungen innovative diagnostische Verfahren einbezogen. Am Anfang der Diagnostikkaskade sollte stets eine umfassende Anamnese stehen, um bereits erste wichtige Hinweise auf die Form des Trockenen Auges und damit die richtige Diagnose zu erhalten. Eine Risikofaktorenanalyse ist für eine adäquate Diagnosefindung ebenfalls unabdingbar (Tab. 1) (Craig et al. 2017). Mithilfe von speziellen Anamnesebögen, wie beispielsweise dem vom Ressort „Trockenes Auge“ im Berufsverband erarbeiteten, können relevante Fragen zusammen mit dem Patienten besprochen werden (Craig et al. 2017; Leitlinie Nr. 11 2015; Jacobi et al. 2011a; Wolffsohn et al. 2017; Höh 2001). Kombinierte Erhebungsbögen zur Anamnese, Diagnostik und Therapie können hilfreich sein, um die Beschwerden des jeweiligen Patienten, die erhobenen Befunde und therapeutischen Maßnahmen im intraindividuellen Verlauf dokumentieren und auswerten zu können (Jacobi et al. 2011a).
Tab. 1
Risikofaktoren für die Entstehung eines Trockenen Auges. (Aus Craig et al. 2017; Leitlinie Nr. 11 2015; Jacobi et al. 2011a; Wolffsohn et al. 2017)
Risikofaktoren
Physiologische Veränderungen des Tränenfilmes (hormonell, immunologisch, neuronal)
• Alter
• Schwangerschaft/Stillzeit/Menopause (Abnahme bioverfügbarer Androgene)
Genetische Prädisposition
• MHC-Antigene, z. B. HLA-Dw3, DR5, DR11, Dw53
Allgemeinerkrankungen
• Rheumatologische Erkrankungen:
• Dermatologische Erkrankungen:
  Rosazea, Acne vulgaris, Psoriasis vulgaris, seborrhoische Dermatitis/seborrhoisches Lidekzem, bullöse Autoimmundermatosen, Stevens-Johnson-Syndrom, Genodermatosen, Atopische Erkrankungen (insbesondere Neurodermitis), Allergien
• Infektionskrankheiten:
    Hepatitis C, HIV, Tuberkulose, Syphilis
Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) nach Knochenmarkstransplantation
• Radiatio im Kopf-Nacken-Bereich
• Neurologische Erkrankungen:
    Multiple Sklerose, Morbus Parkinson
• Psychiatrische/Psychosomatische Erkrankungen:
    Angststörungen, Depressionen
Diabetes mellitus
  Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis, Primäres Myxödem, Schilddrüsenhormonsubstitution nach Strumektomie
• Androgenmangel
• Vitamin-A-Mangel (Funktionsstörungen der Becherzellen)
Umweltfaktoren
• Ozon
• Abgase
• Rauch/Zigarettenrauch
• Klimaanlagen
• Trockene Heizungsluft
- PC-Arbeit („Office-Eye-Syndrom“)
Medikamente
Systemisch:
  Orale Kontrazeptiva
  Postmenopausale Östrogentherapie
  Betablocker
  Psychopharmaka (Benzodiazepine,
  Antidepressiva, Neuroleptika)
  Antihistaminika
  Diuretika
  Isotretinoin
Lokal:
  Medikamentöse Glaukomtherapie
  Betablocker
  Antihistaminika
  Sympathomimetika („Weißmacher“)
  Anästhetika
Ophthalmologische Ursachen
• Lidanomalien:
    Entropium- und Ektropiumstellung, Symblephara, keratinisierte Lidränder, defekter Lidschluss (Lagophthalmus)
• Blepharitis:
    häufig im Rahmen dermatologischer Grunderkrankungen, Meibomdrüsendysfunktion und chronische Blepharitis posterior führen zu Störungen der Lipidphase und Instabilität des Tränenfilmes
• Vernarbende Konjunktivitis:
    Verätzungen, okuläres vernarbendes Pemphigoid, Stevens-Johnson-Syndrom, Trachom → Zerstörung von Becherzellen der Konjunktiva, Verlust akzessorischer Tränendrüsen → Verminderung der Muzinschicht, Reduktion der wässrigen Phase des Tränenfilms
• Hornhauterkrankungen:
    Erkrankungen des Hornhautepithels und Hornhautstromas, nach Keratokonjunktivitis epidemica („postkeratitisches Sicca-Syndrom“)
• Okuläre chirurgische Maßnahmen:
    Refraktive Chirurgie (z. B. LASIK, PRK), Kataraktchirurgie, vitreoretinale Eingriffe, IVOM
Refraktionsanomalien/dekompensierte Schielstellungen:
    Asthenopische Beschwerden können Sicca-Beschwerden imitieren
• Kontaktlinsen:
    Veränderte Tränenfilmdynamik, reduzierte Hornhautsensibilität
Subjektive Symptomfragebögen sind speziell entwickelte Fragebögen zu einer umfassenden, standardisierten Einordnung subjektiver Beschwerden im Verlauf. Sie sollten am Beginn jeder Untersuchung stehen. Gerade weil subjektive Beschwerden und objektive Befunde beim Trockenen Auge nicht immer korrelieren müssen, ist eine möglichst einheitliche Beurteilung der Symptome sehr wichtig. Die Symptomfragebögen erleichtern die Einordnung der Schwere und Art der Symptome. Etablierte Symptomfragebögen, wie der „Ocular Surface Disease Index (OSDI)“ oder der „Impact of Dry Eye on Everyday Life (IDEEL)“, erfragen nicht nur spezifische Symptome des Trockenen Auges, sondern schließen auch den Einfluss der Erkrankung auf Sehfunktion, Arbeitsleben, Freizeitverhalten und Lebensqualität mit ein. Die derzeit wichtigsten verfügbaren Fragebögen sind in Tab. 2 zusammengefasst.
Tab. 2
Auswahl verfügbarer Symptom-Fragebögen nach DEWS II 2017. (Aus Wolffsohn et al. 2017)
Kurzform/Akronym
Fragebogen
Kategorie
Fragenanzahl
Anwendungsgebiet
DEQ
Dry Eye Questionnaire
Symptome
21
Epidemiologische und klinische Studien
DEQS
Dry Eye – Related Quality-of-Life Score
Symptome und Lebensqualität
15
Klinische Praxis
IDEEL
Impact of Dry Eye on Everyday Life
Symptome und Lebensqualität
57
Epidemiologische und klinische Studien
McMonnies
Schlüsselfragen zum Trockenen Auge
Symptome und Risikofaktoren
15
Klinische Studien
NEI-VFQ
National Eye Institute Visual Function Questionnaire
Sehfunktion, Lebensqualität
25
Klinische Forschung
OSDI
Ocular Surface Disease Index
Symptome und Lebensqualität
12
Klinische Studien
SANDE
Symptom Assessment in Dry Eye
Symptome
2 (visuelle Analogskala)
Klinische Praxis
Standard Patient Evaluation of Eye Dryness
Symptome
4
Epidemiologische Studien, klinische Praxis

Diagnostische Untersuchungen

Inspektion

Untersuchung der Gesichtshaut, der Lider, der Lidkante und der Lidschlagfrequenz
Zunächst ist eine Inspektion des Gesichtes, der periokulären Region und der Lider, möglichst bei Tageslicht, durchzuführen. Gesichtshaut und insbesondere die Lidhaut können bereits Zeichen einer dermatologischen Grunderkrankung (Rosazea, Psoriasis vulgaris, seborrhoische Dermatitis, z. B. Dennie-Morgan-Falte und Herthoge-Zeichen bei atopischer Dermatitis) aufweisen. Im lateralen Oberlidbereich sollte auf Schwellung oder Druckdolenz geachtet werden, um Entzündungen oder pathologische Veränderungen der Tränendrüse zu detektieren. Die anschließende Untersuchung der Augenlider umfasst die Beurteilung der Lidstellung (Ektropium, Entropium, Eversio puncti lacrimalis), das Erkennen von Liddefekten, Lidnarben oder einer Lidschlussinsuffizienz bei Lagophthalmus bei Fazialisparese. In diesem Zusammenhang ist auch die Prüfung des Bellschen Phänomens sehr wichtig.
Des Weiteren sind eine regelrechte Lidbewegung und der komplette und regelmäßige Lidschlag essenziell für die Integrität der Augenoberfläche. Dadurch werden die gleichmäßige Verteilung des Tränenfilms auf der Augenoberfläche sowie die kontinuierliche Abgabe von Meibum aus den Meibomdrüsen gewährleistet. Bei Trockenem Auge liegt häufig ein inkompletter Lidschluss bei deutlich erhöhter Lidschlagfrequenz vor. Durch die PC-Arbeit oder beim Lesen ist die Lidschlagfrequenz auf 2–9 Lidschläge pro Minute deutlich reduziert. Als Normwerte werden etwa 12–20 Lidschläge pro Minute angegeben (Craig et al. 2017).
Die Beurteilung der Lidkante hinsichtlich des Vorliegens einer Blepharitis anterior oder posterior ist ein weiter wesentlicher Bestandteil der Untersuchung.

Spaltlampenuntersuchung

Untersuchung von Lidkante, Meibomschen Drüsen, Tränenfilm, Bindehaut und Hornhaut
Die vordere Lidkante wird auf Verdickung, Hyperämie oder Vernarbungen untersucht. Im Bereich der hinteren Lidkante werden die Meibomdrüsenausführungsgänge sowie deren Sekret evaluiert, um eine Meibomdrüsendysfunktion und ein damit assoziiertes hyperevaporatives Trockenes Auge zu detektieren.
Besonders charakteristische Zeichen für ein hyperevaporatives Trockenes Auge sind folgende Phänomene (Craig et al. 2017; Leitlinie Nr. 11 2015; Jacobi et al. 2011a):
Schaumbildung
Mizellenbildung der Lipide
Pouting
Feine Membran-artige Abdeckungen der Lidkante über den Meibomdrüsen
Kollaretten
Fibrinummantelung der Zilien
Plugging
Obstruktion der Öffnungen der Meibomdrüsen
In Tab. 3 sind die wesentlichen Kriterien einer Spaltlampenuntersuchung aufgeführt.
Tab. 3
Kriterien zur Evaluation des Trockenen Auges bei der Spaltlampenuntersuchung
Lidkante
• Intakt, Stellungsanomalien
• Verdickung, Rötung, Hyperämie, Teleangiektasien, Ulzerationen, Krusten, Kollaretten, Madarosis, Trichiasis, Distichiasis, Entzündungen der Haarfollikel, Vernarbungen
Demodex folliculorum, zylindrische Schuppen
Meibomdrüsen
• Ausreichende Anzahl, Sekretretention, Plugging, Pouting
Tränenmeniskus
• Normal (> 0,3 mm)
Tränenfilm
• Zelldetritus, Schleimfäden, Schaumbildung
Lipidfilm
• Beurteilung im Spiegelbezirk
Bindehaut
• Vermehrte Gefäßinjektion
• LIPCOF (Tab. 4)
• Narben, Symblephara, Zysten, Konkremente
Hornhaut
• Oberflächenreflex klar und spiegelnd
• Transparenz, Hornhaut-Narben
• Hornhautvaskularisation: peripher/zentral
• Hornhautsensibilität intakt (Testung immer im Seitenvergleich mit dem Wattetupfer oder Ästhesiometer, z. B. nach Luneau, Ausschluss neurotrophe Keratopathie, Keratitis herpetica, Keratitis neuroparalytica mit reduziertem Lidschlag)
Lidkanten-parallele konjunktivale Falten (LIPCOF) sind meist in allen 4 Quadranten parallel zu den hinteren Lidkanten nachweisbar, am häufigsten temporal unten (Tab. 4). Sie entstehen durch erhöhte Reibungskräfte zwischen den Augenlidern und der Bindehaut. LIPCOF sind besonders charakteristisch und pathognomonisch für das Vorliegen eines Trockenen Auges. Der positive Vorhersagewert liegt bei 93 %, Sensitivität und Spezifität ergeben ebenso Werte zwischen 85–90 % (Höh 2001). Die nachfolgende Klassifikation von Höh et al. bezieht sich auf den Ausprägungsgrad der LIPCOF an der temporal unteren Lidkante in Primärposition des Bulbus bei hoher Vergrößerung und schmalem Spalt (Höh 2001).
Tab. 4
Gradeinteilung des Ausprägungsgrades der LIPCOF nach Höh et. Al. (Aus Höh 2001)
Ausprägungsgrad
LIPCOF
Spaltlampenbefund in Primärposition
(Beurteilung am temporalen Unterlid)
Trockenes Auge – Schweregrad
Grad 0
Keine permanent vorhandene Lidkanten-parallele Bindehautfalte
Normal
Grad 1
Kleine, einfaltige Lidkanten-parallele Bindehautfalte, die wesentlich niedriger ist als der normale Tränenmeniskus
Mild
Grad 2
Deutliche Lidkanten-parallele Bindehautfalte bis zur Höhe des normalen Tränenmeniskus, eventuell mehrfaltig
Mittelschwer
Grad 3
Große Lidkanten-parallele Bindehautfalte, die die Höhe eines normalen Tränenmeniskus weit übersteigt, i. d. R. mehrfaltig
Schwer
Grad 4
Große Lidkanten-parallele Bindehautfalte, die die Höhe eines normalen Tränenmeniskus weit übersteigt und sich über die innere Lidkante hinweg bis zur äußeren Lidkante vorwölbt
Schwer

Beurteilung der Tränenfilmstabilität

Tränenfilmaufreißzeit (Break-up-time, BUT/Tear-film-break-up-time, TBUT)

Zur Messung der Stabilität des Tränenfilmes gilt die Tränenfilmaufreißzeit als klassischer Parameter. Sie ist verkürzt bei Störungen der Lipidphase und/oder der Muzinschicht des Tränenfilms. Quantitative Verminderungen des wässrigen Anteils des Tränenfilmes beeinflussen die BUT nicht stark. Die Tränenfilmaufreißzeit unterliegt erheblichen inter- und intraindividuellen Schwankungen, sodass Normwerte nur als Orientierungsgrößen dienen können.
Messung der Tränenfilmaufreißzeit:
Sie kann invasiv nach Applikation eines Tropfens unkonserviertem Fluoreszein ermittelt werden. Der Patient wird nach der Fluoreszeinapplikation aufgefordert, die Lider zu schließen, wieder zu öffnen und aktiv den Lidschlag zu unterdrücken. Es wird die spontane Aufreißzeit des Fluoreszeinfilms mit dem Kobaltblaufilter der Spaltlampe (16-fache Vergrößerung, Spaltbreite 2 mm) ermittelt. Normwerte liegen zwischen 10 und 20 s (Tab. 5). Die Messung sollte nach aktuellen Leitlinien 3 Mal wiederholt und ein Mittelwert errechnet werden. Wichtig ist weiterhin, auf standardisierte Testdurchführungen zu achten, um eine statistisch verwertbare Aussagekraft zu erhalten.
Tab. 5
Beurteilung der Tränenfilmaufreißzeit
Tränenfilmaufreißzeit
in Sekunden
Bewertung
> 10
Normal
5–10
Vermindert
< 5
Stark vermindert
Mögliche Fehler bei der invasiven Messung der Tränenfilmaufreißzeit mit Fluoreszein:
  • Messwert durch eine zu große Menge an Fluoreszein verfälscht
  • Reißt der Tränenfilm aufgrund einer Epitheliopathie der Hornhaut immer wieder an der gleichen Stelle auf, sollte dieser Wert zur Beurteilung der BUT nicht verwendet werden
Nicht invasiv, also ohne Verwendung von Fluoreszein, kann die Tränenfilmaufreißzeit mittels spezieller Interferometer oder mithilfe der Videokeratografie gemessen werden. Es können durch diese Messverfahren die BUT und der Aufreißort des Tränenfilms topografisch genau und objektiv ermittelt werden. Die Interferometer erlauben zusätzlich eine Darstellung der unterschiedlichen Interferenzmuster der Lipidschicht, die sich jeweils nach Lipidschichtdicke verändern. Somit kann auch mit einigen dieser Interferometer die Lipidschichtdicke genau bestimmt werden.
Die nicht invasive Tränenfilmaufreißzeit wird nach aktuellem DEWS-II-Report bevorzugt empfohlen, bei fehlendem technischen Equipment die standardisierte, Fluoreszein-assoziierte Messung (Craig et al. 2017; Wolffsohn et al. 2017).

Diagnostische Meibomdrüsenexpression

Das Meibum, welches von den Meibomdrüsen bei jedem kompletten Lidschluss auf die Oberfläche des Auges abgegeben wird, bietet dem Untersucher wichtige Zusatzinformationen. Durch eine gleichmäßige Druckapplikation auf die Lidkante kann eine quantitative und qualitative Beurteilung des Sekretes der Meibomdrüsen ermöglicht werden. Auch ein Instrument zur standardisierten Druckapplikation (MGE, Meibomian Gland Evaluator) ist hierfür im Einsatz. Bei der Applikation dieses Instrumentes wird genau der Druck auf die Meibomdrüsen simuliert, welcher bei einem kompletten Lidschluss physiologisch aufgebracht werden muss. Für die Evaluation werden jeweils 5 Drüsen temporal, zentral und nasal untersucht und der Anteil der exprimierbaren Drüsen festgestellt. Hierbei können wichtige Erkenntnisse über Art, Konsistenz und Viskosität des Sekretes der Meibomdrüsen gewonnen werden, die indirekt eine Beurteilung der Tränenfilmstabilität erlauben.

Meibografie

Um insbesondere die Lipidschicht des Tränenfilmes genau beurteilen zu können, ist eine genaue Beurteilung der Meibomdrüsen unerlässlich.
Zur anatomisch akkuraten Beurteilung der Meibomdrüsen ist die Meibografie unabdingbar. Sie kann ohne Zusatzinstrumente an der Spaltlampe am evertierten Lid mittels Transillumination durch ein Visitenlämpchen durchgeführt werden oder mit in den letzten Jahren entwickelten Instrumenten zur Visualisierung der Meibomdrüsen. Diese Untersuchungsmethode basiert auf Infrarot- und Transilluminationsverfahren. Ausschließlich mittels Meibografie können Informationen über Länge der Meibomdrüsen, Dilatation ihrer Azini und das Ausmaß der Atrophie der Meibomdrüsen („gland-drop-out“) gewonnen werden Abb. 1 (Jacobi und Messmer 2018). Die Meibografie ist oftmals sehr hilfreich in der Kommunikation der Erkrankung mit dem Patienten, da pathophysiologische Vorgänge anatomisch genau visualisiert werden können und der Patient deutlich besser verstehen kann, dass therapeutische Maßnahmen zum Erhalt der Drüsenstruktur unabdingbar sind.

Vitalfarbstoffe zur Beurteilung der Augenoberfläche

Vitalfärbungen sollen zur Visualisierung von erkrankten Oberflächenstrukturen des Auges dienen. Von den bisher in der Literatur aufgeführten Vitalfärbungen haben sich nur wenige im klinischen Alltag durchsetzen können.
Einerseits die Fluoreszeinfärbung und andererseits die Lissamingrünfärbung, welche die Bengalrosafärbung inzwischen weitestgehend ersetzt hat, sind hier als wichtigste Vertreter zu nennen. Lissamingrün und Bengalrosa färben vergleichbare Oberflächenstrukturen des Auges an und sind deshalb in ihrer Aussagekraft sehr ähnlich. Für die Auswertung der Vitalfärbungen wurden verschiedene Schemata und Graduierungen entwickelt. Etabliert haben sich insbesondere das Oxford-Grading-Scale-Schema sowie der van-Bijsterveld-Index (Abb. 2) (Wolffsohn et al. 2017; Jacobi und Messmer 2018). Die Punktebewertung und Graduierungen unterliegen jedoch großen subjektiven Einflüssen und sind sehr untersucherabhängig.
Mit den Vitalfärbungen werden an der Spaltlampe jeweils sowohl das Verteilungsmuster als auch die Intensität der Anfärbung quantifiziert. Generell sprechen diffuse Verteilungsmuster im Lidspaltenbereich am ehesten für ein hyposekretorisches Trockenes Auge, Anfärbungen im Limbusbereich, an den Lidkanten sowie an der tarsalen Bindehaut deuten eher auf ein hyperevaporatives Trockenes Auge hin.

Fluoreszein

Durch Fluoreszein wird der präkorneale Tränenfilm visualisiert und Defekte des Oberflächenepithels, insbesondere Kornea und Konjunktiva, angefärbt. Beim Trockenen Auge tritt die Anfärbung mit Fluoreszein häufig im unteren Hornhautdrittel oder im Lidspaltenbereich auf. Für Studien und zur genauen Befunddokumentation im Verlauf hat sich die Quantifizierung der Fluoreszeinfärbung anhand eines der oben erwähnten Graduierungsschemata bewährt.

Bengalrosa und Lissamingrün

Bengalrosa 1 % ist ein Vitalfarbstoff, der Bindehaut- und Hornhautepithelzellen mit einer alterierten Muzin-Glycocalyx anfärbt. Es wird nicht-spezifisch ein durch Austrocknung bedingter epithelialer Schaden erfasst. Mukuspartikel und -fäden färben sich ebenfalls mit Bengalrosa an. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, dass der Farbstoff beim Eintropfen etwas brennen kann.
Lissamingrün ist ein synthetischer organischer Farbstoff und visualisiert ebenso wie Bengalrosa oberflächlich geschädigte Zellen mit defekter Muzinschicht (Wolffsohn et al. 2017). Es färbt devitalisierte und keratinisierte Zellen an. Vorteile gegenüber Bengalrosa bestehen in einer besseren Verträglichkeit für den Patienten beim Eintropfen, jedoch ist das Färbeverhalten bei der Lissamingrünfärbung oftmals nicht so kontrastreich.
Sowohl Bengalrosa- als auch Lissamingrün-Anfärbung können auch bei anderen Krankheitsbildern, die mit Veränderungen der Augenoberfläche einhergehen (z. B. infektiöse oder allergische Konjunktivitis), positiv sein.

Beurteilung des Tränenvolumens

Tränenfilmmeniskus

Die Ermittlung der Höhe des Tränenfilmmeniskus ist eine semiquantitative Untersuchung und kann Hinweise auf ein hyposekretorisches Trockenes Auge geben, also einen quantitativen Tränenmangel. Gemessen wird hierbei die Höhe des Tränenmeniskus bei der Spaltlampenuntersuchung an der Unterlidkante. Eine Höhe unter 0,2 mm gilt als pathologisch. In einer Untersuchung mittels optischer Kohärenztomografie zeigte die Höhe des Tränenfilmmeniskus bei Patienten mit Keratoconjunctivitis sicca Werte von 0,2 ± 0,09 mm im Vergleich zu den gesunden Normalprobanden mit Werten von 0,5 ± 0,02 mm (Mainstone et al. 1996). Als nicht invasives, nur wenig zeitintensives Verfahren ist es in der klinischen Routinediagnostik gut einsetzbar.

Schirmertest

Um die Sekretionsleistung der Tränendrüse einordnen zu können, wurden seit dem 19. Jahrhundert zahlreiche Verfahren beschrieben. Der Schirmertest wurde 1903 von Otto W. Schirmer in die Diagnostik des Trockenen Auges eingeführt. Der Schirmertest ohne Anästhesie (im Klinik-Sprachgebrauch oft auch nur kurz als Schirmer-I-Test bezeichnet) erfasst sowohl die basale als auch die reflektorische Sekretion wässriger Tränen. Am nicht anästhesierten Auge werden definierte Teststreifen aus Filterpapier (5 × 35 mm, Papierqualität Whatmann Nr. 41) im äußeren Drittel des Unterlides eingesetzt (Abb. 3). Bevor die Messstreifen eingesetzt werden, sollte der im unteren Fornix stehende Tränensee mit einem Tupfer abgesaugt werden. Nach 5 min wird der Filterpapierstreifen entnommen und die befeuchtete Filterpapierstrecke ab der Knickstelle in Millimetern abgelesen. Sollte der Messstreifen vor Ablauf der 5 min völlig durchnässt sein, so wird die dafür benötigte Zeit gemessen und notiert. Tab. 6 zeigt die Einordnung der gemessenen Werte.
Tab. 6
Schirmertest: Auswertungsrichtlinien
Befeuchtungsstrecke
in mm
Tränenmangel
> 15
normal
> 10 bis 15
beginnend
> 5 bis 10
fortgeschritten
< 5
schwer
Eine Benetzung des Messstreifens kleiner 5,5 mm in 5 min gilt als sicher pathologisch mit einer Rate falsch positiver bzw. falsch negativer Befunde von 16 %. Der Schirmertest ohne Anästhesie stellt nach wie vor einen wesentlichen Grundbaustein in der Diagnostik des Trockenen Auges dar, insbesondere zum Ausschluss eines ausgeprägten hyposekretorischen Trockenen Auges.
Der Schirmertest mit Anästhesie (Basissekretionstest nach Jones, oft im Klinik-Sprachgebrauch als Schirmer-II-Test bezeichnet) dient zur Messung der wässrigen Tränenphase nach Oberflächenanästhesie und somit hauptsächlich der Bestimmung der basalen, physiologischen Tränensekretion. Mit diesem Test kann eine paradoxe Epiphora weitestgehend ausgeschlossen werden.
Der eigentliche Schirmer-II-Test dient der Bestimmung der Reflexsekretion. Sobald die Schirmer-Streifen eingelegt sind, wird die Nasenschleimhaut mit einem trockenen Baumwolltupfer stimuliert. Es besteht dann ein Mangel an Reflexsekretion, wenn nach 2 min weniger als 10 mm des Streifens befeuchtet sind. Der Schirmer-II-Test findet eher selten Anwendung, da er sehr unangenehm für den Patienten ist und die Aussagekraft kontrovers diskutiert wird (Tab. 7).
Tab. 7
Schirmertest: verschiedene Formen und Bezeichnungen
Definition: Test
Interpretation
Lokalanästhesie
Klinik-Sprachgebrauch
Schirmer-I-Test
Globaltest, Tränenreflex
keine Anästhesie
Schirmer I-Test
Schirmer-II-Test
Afferenz Tränenreflex
mit Anästhesie, Nasenstimulation
---
Jones-Test
Ruhe-/Basissekretion
mit Anästhesie
„Schirmer II“-Test
Trotz größter Sorgfalt bei der Durchführung des Schirmertests ist eine enorme inter- und intraindividuelle Variationsbreite der Ergebnisse zu finden.

Beurteilung der Entzündung der Augenoberfläche und des präkornealen Tränenfilmes

Tränenfilmosmolarität

Die Osmolarität des Tränenfilmes ist ein indirekter Parameter zur Beurteilung der Entzündung der Augenoberfläche beim Trockenen Auge. Sie ist ein zentraler Bestandteil in der Pathogenese und aktualisierten Definition des Trockenen Auges und als objektiver diagnostischer Test zur Beurteilung des therapeutischen Erfolges gut geeignet. Neue Testinstrumente ermöglichen eine schnelle, genaue Ergebnisermittlung. Durch die Verfügbarkeit eines Testinstrumentes mit „Lab-on-chip“-Konzept, welches mittels einer Nanoliter-Tränenprobe (ca. 50 nl) eine quantitative Anzeige des Ergebnisses nach wenigen Sekunden erlaubt, ist die Bestimmung der Osmolarität des Tränenfilms wesentlich einfacher geworden. Die Tränenfilmosmolarität spielt bei allen Subtypen des Trockenen Auges eine entscheidende Rolle. Die Messungen sollten möglichst unter standardisierten Bedingungen durchgeführt werden, da sie durch Tageszeit, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Helligkeit beeinflussbar sind. Eine überarbeitete Version des Testinstrumentes der 1. Generation ist inzwischen verfügbar und gegenüber externen Einflüssen, wie beispielsweise der Temperatur, weniger störempfindlich. Als Referenzwert werden 308 mOsmol/l angegeben (Wolffsohn et al. 2017; Jacobi et al. 2011b).

Messung der Matrix-Metalloproteinase-9 (MMP-9) im Tränenfilm

Der Versuch der Messung spezieller Entzündungsparameter im Tränenfilm bei Patienten mit Trockenem Auge ist in den letzten Jahren immer weiter in den diagnostischen Fokus gerückt. Die Matrix-Metalloproteinase-9 (MMP-9) im Tränenfilm ist ein wichtiger Entzündungsmarker in der Pathophysiologie des Trockenen Auges. Seit 2013 steht ein sensitiver Bedside-Test zur Identifizierung von MMP-9 im Tränenfilm zur Verfügung. MMP-9 korreliert mit klinischen Parametern beim Trockenen Auge und kann als Parameter für Diagnose, Klassifizierung und Therapieverlauf dienen (Sambursky 2016). Aussagekräftige klinische Untersuchungen von 2016 haben ergeben, dass der MMP-9-Test ein sicheres diagnostisches Instrument zur Diagnose und Objektivierung der Entzündung bei Patienten mit Trockenem Auge darstellt (Messmer et al. 2016). Der Test kann daher eine wichtige Entscheidungshilfe zum standardisierten Monitoring einer antiinflammatorischen Therapie sein.

In-vivo-konfokale Mikroskopie

Um die Entzündungsaktivität und den Therapieerfolg im Verlauf effizient zu beurteilen, kann in einigen Fällen die In-vivo-konfokale Mikroskopie zur Darstellung von Entzündungszellen der Augenoberfläche (Langerhans-Zellen, dendritische Zellen), des subbasalen und subepithelialen Nervenplexus oder der Meibomdrüsen wichtig sein (Cursiefen et al. 2006; Schneider et al. 2020; Willcox et al. 2017; Labetoulle et al. 2019). Gerade die Darstellung der nervalen Strukturen der Hornhaut kann insbesondere bei Patienten nach refraktiver Hornhautchirurgie von essenzieller Bedeutung für Prognose und Therapieverlauf sein.

Analyse des Zytokinprofils im Tränenfilm

Die Evaluierung der Entzündung auf der Augenoberfläche durch eine spezielle Analyse des Zytokinprofils im Tränenfilm wird seit einigen Jahren immer wieder mit verschiedenen Methoden sowohl zur Tränenentnahme als auch zur Bestimmung der einzelnen Zytokine in den Tränen versucht. In der klinischen Praxis hat sich dabei jedoch noch kein Routineverfahren durchgesetzt.

Untersuchung des Lidrandes auf Demodex folliculorum

Spezifische Befunde am Lid, insbesondere ein gesteigerter Wimpernausfall oder das Auftreten von asymmetrischen Zylindern an den Wimpern, sind mit einer erhöhten Prävalenz von Demodex folliculorum assoziiert (Craig et al. 2017). Diese Befunde werden oftmals bereits bei der Inspektion und Spaltlampenuntersuchung detektiert und sollten bei konkretem Verdacht noch genauer spezifiziert und untersucht werden. Gerade in Verbindung mit einer schweren therapierefraktären Blepharitis, sollte eine spezielle Untersuchung auf eine Infestation mit der Haarbalgmilbe Demodex folliculorum erfolgen. Hierfür werden jeweils zwei Zilien beidseits am Ober- und Unterlid mit einer Zilienpinzette entnommen, anschließend auf einem Objektträger fixiert und danach unter dem Lichtmikroskop auf Demodex-Milben evaluiert.

Bindehautimpressionszytologie

Die Untersuchung der Bindehautepithelzellen mithilfe der Impressionszytologie hat einen wichtigen diagnostischen Wert bei der Identifikation eines Trockenen Auges. Mit diesem Testverfahren können einfach und minimalinvasiv Epithelien der okulären Oberfläche gewonnen und untersucht werden. Mit einem Nitrozellulosefilter, der gegen die bulbäre Bindehaut gedrückt wird, kann ein „Abklatschpräparat“ der oberflächlichen Epithellage gewonnen werden (Craig et al. 2017). Nach PAS-Färbung der Präparate erfolgt eine zytologische Beurteilung, bei der vor allem auf folgende diagnostische Kriterien geachtet wird: squamöse Metaplasie, Becherzellverlust und Ansammlung von Entzündungszellen. Die Kern-Zytoplasma-Relation in normalen Bindehautepithelzellen beträgt 1:1. Bei Patienten mit Trockenem Auge ändert sich das Verhältnis auf 1:5 oder mehr. Veränderungen des Zellkerns mit sog. „snakelike chromatin (snakes)“ werden häufig in Bindehautimpressionszytologien von Patienten mit Trockenem Auge gefunden.
Bei Patienten mit Sjögren-Syndrom wurden schwere metaplastische Veränderungen des Bindehautepithels bei über 90 % der Patienten gesehen. Zusätzlich konnten in einer weiteren Untersuchung im Zytoplasma von Bindehautepithelzellen bei Sjögren-Patienten La/SS-B-Antigene nachgewiesen werden, die sich bei Normalpersonen nicht fanden.

Hinweise zur zeitlichen Reihenfolge der diagnostischen Tests beim Trockenen Auge im klinischen Alltag (Abb. 4)

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Aufgrund der multifaktoriellen Genese und der mannigfaltigen Risikofaktoren des Trockenen Auges sowie Überschneidungen mit anderen Fachrichtungen ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, insbesondere mit Kollegen der Fachdisziplinen Innere Medizin, Rheumatologie, Dermatologie, Neurologie und Psychosomatik für eine erfolgreiche, evidenzbasierte Diagnostik und Therapie entscheiden. Nur so kann eine suffiziente Therapie und Rehabilitation dieser schwer betroffenen Patienten zum Erfolg führen.

Vom DEWS (International Dry Eye Workshop Study Group) II empfohlener Diagnostikalgorithmus (Abb. 5, Craig et al. 2017)

Der DEWS-II-Report von 2017 empfiehlt für das leitliniengerechte diagnostische Vorgehen sowohl eine ausführliche Anamnese mit Abklärung bestimmter Triage-Fragen, eine Risikofaktorenanalyse, die Anwendung eines subjektiven Symptomfragebogens und die Bestimmung mindestens eines sog. Homöostasemarkers, um den speziellen therapierelevanten Subtyp des Trockenen Auges genau klassifizieren zu können (Hyposekretion/Hyperevaporation). Erst dann ist eine effektive, Subtyp- und Stadien-gerechte Therapie möglich.
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