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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 16.12.2014

Blutstammzelltransplantation

Verfasst von: Martin Bornhäuser
Die autologe und allogene Blutstammzelltransplantation hat einen festen Stellenwert in der Behandlung von malignen Erkrankungen im Bereich der Hämatologie. Allogene Blutstammzellen werden zudem zur Behandlung von angeborenen und erworbenen Immundefekten und Blutbildungsstörungen eingesetzt. Zusätzlich zum Knochenmark konnte in den vergangenen Jahrzehnten mobilisiertes peripheres Blut und Nabelschurblut als Transplantatquellen etabliert werden. Durch die Verfügbarkeit von neuen pharmakologischen CXCR4-Antagonisten konnte die Effizienz der Blutstammzellmobilisierung bei stark vorbehandelten Patienten verbessert werden. Im Bereich der allogenen Blutstammzelltransplantation war vor allem die Einführung der DNA-basierten HLA Typisierung als auch die Verwendung dosisreduzierter Konditionierungsprotokolle für die Reduktion der therapiebedingten Sterblichkeit wesentlich. Nach wie vor, ist der Erfolg der allogenen Butstammzelltransplantation eng an die Kontrolle der Graft-versus-Host-Reaktion gekoppelt. In den kommenden Jahren besteht die Herausforderung darin, neu etablierte zielgerichtete Therapieoptionen mit der allogenen Blutstammzelltransplantation zu kombinieren. Ebenfalls werden die Möglichkeiten der spezifischen Immuntherapie dazu beitragen, die Effizienz und Verträglichkeit der Zelltherapie zu verbessern.

Einleitung

Die Blutstammzelltransplantation (BSZT) ist ein seit mehreren Jahrzehnten etabliertes Therapieverfahren in der Hämatologie und internistischen bzw. pädiatrischen Onkologie Gratwohl et al 2013; www.ebmt.org. Während die autologe BSZT hauptsächlich das Ziel der Dosisintensivierung der zytostatischen Therapie in der Behandlung chemoresponsiver Erkrankungen wie malignen Lymphomen oder dem Multiplen Myelom verfolgt, spielen bei der allogenen BSZT immunologische Aspekte eine übergeordnete Rolle. Die Wirksamkeit der allogenen BSZT basiert dementsprechend hauptsächlich auf einem gegen die Grunderkrankung gerichteten Graft-versus-Leukämie (GvL) bzw. Tumoreffekt. Sind bei der autologen BSZT die akuten Nebenwirkungen in der Regel auf die Phase während und kurz nach der Hochdosistherapie begrenzt, ist eine Hauptkomplikation der allogenen BSZT die Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD). Diese durch T-Lymphozyten des verwandten oder unverwandten Spenders induzierte systemische Erkrankung kann in ihrer akuten Form insbesondere zu entzündlichen Veränderungen der Haut, der Leber und des Gastrointestinaltraktes führen, die chronische Form ähnelt hingegen Autoimmunerkrankungen wie der Sklerodermie oder anderen Kollagenosen und kann fast alle Organsysteme betreffen. Besonders schwer zu therapieren sind hierbei Mitbeteiligungen der Lunge, die Sklerodermie der Haut und eine Trockenheit der Augen mit Hornhautaffektionen. Da die genannten Komplikationen häufig gepaart mit infektiösen Episoden auftreten und so zu dem signifikanten therapieassoziierten Mortalitätsrisiko beitragen, muss bei der Entscheidung zur allogenen BSZT in besonderem Maße das individuelle Risiko der Grunderkrankung gegen das anzunehmende Mortalitätsrisiko nach Transplantation abgewogen werden. Als Transplantat für die allogene BSZT kommen mobilisierte Stammzellen aus dem peripheren Blut, Knochenmark oder Nabelschnurvenenblut in Frage. Neben Geschwistern und erstgradigen Verwandten wird in Europa die Mehrzahl der allogenen BSZT mit freiwilligen unverwandten Spendern durchgeführt.

Prinzip und Ablauf der autologen Blutstammzelltransplantation

Die autologe BSZT wird häufig auch als Hochdosistherapie mit anschließendem Stammzellsupport bezeichnet. Dies entspricht der eigentlichen Prozedur, wie sie in Abb. 1 dargestellt ist:

Autologe Stammzellmobilisierung und -gewinnung

Nach Indikationsstellung für die autologe BSZT wird entweder nach einer im Rahmen der Malignomtherapie durchgeführten Chemotherapie oder auch ohne vorherige Behandlung durch die repetitive Gabe von Granulozyten-koloniebildendem Faktor (G-CSF) eine Mobilisierung von Stammzellen ins periphere Blut induziert. Dieser passive Freisetzungsprozess wird in der Regel nach Gabe von 5–10 μg/kg G-CSF für 5 Tage erreicht. Falls nicht erfolgreich, kann durch die zusätzliche Gabe von AMD-3100 (Plerixafor), einem reversiblen Blocker des Chemokinrezeptors CXCR-4, eine erfolgreiche Stammzellmobilisierung erreicht werden. Der Mobilisierungserfolg wird über die Messung von Blutstammzellen im peripheren Blut festgemacht, in dem die Konzentration der CD34+-Vorläuferzellen nach Mobilisierung mehr als 10/μl ausmachen sollte. Die Bestimmung der Zahl der CD34+-Vorläuferzellen im Blut erfolgt mittels Durchflusszytometrie.
Die Blutstammzellen werden anschließend durch eine Leukapherese aus dem peripheren Blut des Patienten mit Hilfe eines Zentrifugationsprozesses gewonnen. Zieldosis für eine autologe BSZT sind mindestens 2-mal 106 CD34+-Zellen/kg Körpergewicht. Idealerweise sollte die doppelte Dosis für eine etwaige Wiederholung der Hochdosistherapie gesammelt werden.
Die anschließende Kryokonservierung des Produktes erfolgt in der Regel nach Zugabe von DMSO in einem automatisierten Einfriergerät, das die Zellen mit ca. 1–2°/min auf ca. −140 °C abkühlt. Anschließend kann das Präparat in der Gasphase von Flüssigstickstoff mehrere Jahre aufbewahrt werden. Vor der Kryokonservierung kann in bestimmten Indikationen noch eine zusätzliche In vitro-Manipulation der autologen Blutstammzellen durchgeführt werden. Diese hat im Fall von malignen Erkrankungen eine Reduktion von Tumorzellen im Transplantat, im Falle von Autoimmunerkrankungen die Reduktion autoreaktiver T- und B-Lymphozyten zum Ziel. Meist wird in solchen Fällen eine immunmagnetische Anreicherung von CD34+-Blutstammzellen durchgeführt. Außerhalb klinischer Studien ist dies jedoch nicht erforderlich. Aktuell erfolgt eine solche Aufreinigung in der Pädiatrie bei Kindern mit Neuroblastom und Knochenmarkbefall sowie in der Therapie von Patienten mit Autoimmunerkrankungen.

Hochdosistherapie und autologe Blutstammzellübertragung

Die Indikation zur autologen BSZT kann bei unterschiedlichen hämatologischen Neoplasien im Erwachsenen- und Kindesalter sowie zusätzlich bei soliden Tumoren und Autoimmunerkrankungen gestellt werden. Tab. 1 gibt einen Überblick über mögliche Indikationen und Erkrankungsstadien in denen eine autologe BSZT durchgeführt werden kann.
Tab. 1
Indikationen für eine autologe BSZT
 
Erkrankung
Stadium
Häufig eingesetzte Hochdosistherapie
In vitro-Aufbereitung
AML
1. und 2. Remission
12 Gy TBI/Cy
BUCY
Nein
ALL
1. und 2. Remission
12 Gy TBI/ETO ± CY
Nein
Maligne Lymphome
M. Hodgkin
Chemoresponsives Rezidiv
BEAM
BUCY
Nein
Aggressive NHL
Chemoresponsives Rezidiv
BEAM
BUCY
Nein
Follikuläres NHL
Chemoresponsives Rezidiv
BEAM
BUCY
12 Gy TBI/CY
Nein
ZNS-Lymphom
Primärtherapie
BCNU/Thiotepa
Nein
Plasmazelldyskrasien
Primärtherapie
Melphalan
Nein
Amyloidosea
Primärtherapie
Melphalan
Nein
Solide Tumoren
Keimzelltumor
Rezidiv
Carboplatin/Etoposid
Nein
Rezidiv
Busulfan/Melphalan
Optional
Autoimmunerkrankungen
Risikoadaptiert
Cy/ATG
Optional
In Studien
Cy/ATG
Optional
In Studien
Cy/ATG
Optional
M. Crohn
In Studien
Cy/ATG
Optional
AML: Akute myeloische Leukämie; ALL: Akute lymphatische Leukämie; NHL: Non-Hodgkin Lymphom; ZNS: Zentralnervensystem;; TBI: Ganzkörperbestrahlung; Cy: Cyclophosphamid; Bu: Busulfan; ATG: Antithymozytenglobulin; BEAM: BCNU/Etoposid/Cytarabin/Melphalan
aNur an erfahrenen Zentren
bProtokolle Pädiatrie
Die obere Altersgrenze für eine autologe Blutstammzelltransplantation liegt bei ca. 65 bis 70 Jahren. Dies ist jedoch stark von den Begleiterkrankungen und den durchgemachten Komplikationen im Rahmen der Vorbehandlung abhängig.
Die Hochdosistherapie erfolgt entweder als Kombination einer fraktionierten Ganzkörperbestrahlung mit intensiver Chemotherapie oder alleine mit Hochdosischemotherapie. Die entsprechenden Konditionierungsprotokolle unterscheiden sich je nach Krankheitsentität und Alter des Patienten. In der Pädiatrie werden zumeist spezifische Therapieoptimierungsstudien zum Stellenwert der autologen BSZT bei seltenen Erkrankungen durchgeführt. Die Durchführung von Hochdosischemotherapien sollte nur an Zentren mit entsprechender Erfahrung in der Supportivtherapie und dem Management von Organtoxizitäten durchgeführt werden. Spezielle Informationen hierzu können auf den Internetseiten der nationalen Fachgesellschaften (www.dag-kbt.de) eingesehen werden.
Die Rückübertragung der autologen Zellen erfolgt nach kontrolliertem Auftauen des Stammzellproduktes in der Regel über einen zentralvenösen Zugang. Während und nach der Rückgabe der autologen Zellen sollte ein Monitoring der Vitalparameter erfolgen. Eine Intensivstation muss in der Einrichtung verfügbar sein. Als spezielle Notfallsituationen können eine perakute Bradykardie sowie eine respiratorische Insuffizienz bei temporärer Embolisation von Zellaggregaten in der Lungenstrombahn auftreten.
Im Rahmen der autologen BSZT muss eine standardisierte antimikrobielle Prophylaxe erfolgen. Weiterhin sollten ausschließlich leukozytendepletierte und bestrahlte Blutprodukte zum Einsatz kommen. Der Trigger für die Gabe von Erythrozyten-und Thrombozytenkonzentraten bei Erwachsenen liegt in den meisten Einrichtungen bei ca. 5 mmol/l bzw. 10 Gpt/l. Bei Kindern werden höhere Grenzwerte verwendet.

Ergebnisse

Liegen bei aggressiven Lymphomen die Heilungschancen der autologen BSZT im Bereich von 40–50 %, ist bei Erkrankungen wie dem Multiplen Myelom in weniger als 20 % eine langfristige Kuration zu erreichen. Dennoch wird auch bei dieser Entität das Gesamtansprechen auf die Primärtherapie deutlich erhöht und die Zeit bis zur Progression im Vergleich zu konventionellen Therapie deutlich verlängert. Wesentlich für die Wirksamkeit dieser Therapieform ist in jedem Fall die Chemoresponsivität der Erkrankung vor Durchführung der Transplantation. Die therapiebedingte Mortalität nach autologer BSZT liegt unter 3 %.

Prinzip und Ablauf der allogenen Blutstammzelltransplantation

Die allogene BSZT stellt eine deutlich komplexere Therapieform dar, bei der neben der Konditionierungstherapie die kurative Effizienz v. a. auf der Übertragung eines neuen Immunsystems basiert. Damit stellt neben dem idealen Zeitpunkt für die allogene BSZT die Spenderauswahl eine Herausforderung für die spezialisierten Zentren dar. Man geht davon aus, dass die übertragenen immunologischen Effektorzellen, v. a. CD4 und CD8+-T-Lymphozyten, zum einen für das Anwachsen der allogenen Stammzellen, zum anderen für die Elimination der residuellen Tumorzellen im Patienten verantwortlich sind.
Wesentlich für die Indikationsstellung ist zunächst eine molekulare HLA-Typisierung des Patienten und seiner erstgradigen Verwandten, insbesondere der leiblichen Geschwister. Nach den Mendel-Vererbungsgesetzen kann in 25 % der Fälle bei Vorhandensein eines Geschwisters eine HLA-Kompatibilität erwartet werden. Da in vielen Fällen keine leiblichen Geschwister vorhanden sind, ist es bei ca. 80 % der Patienten erforderlich, bei Vorliegen einer entsprechenden Indikation frühzeitig nach einem unverwandten Spender zu suchen. Eine solche Suche erfordert das Vorliegen des Einverständnisses des Patienten und eine höher aufgelöste HLA-Typisierung. Für die meisten Indikationen sollte eine Übereinstimmung in den Merkmalen HLA-A, B, C und DRB1 angestrebt werden. Die zusätzliche Bestimmung weiterer Merkmale wird im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen hinsichtlich ihrer Wertigkeit zurzeit untersucht. Für ca. 70 % der Patienten in der Bundesrepublik können innerhalb von 4–8 Wochen Spender mit akzeptabler HLA-Kompatibilität identifiziert werden. Details zur Einleitung der Suche nach einem unverwandten Spender können auf den Internetseiten des zentralen Knochenmarkspenderregisters (www.zkrd.de) eingesehen werden.

Konditionierung vor allogener BSZT

Neben der antileukämischem Wirksamkeit muss die Konditionierung vor allogener BSZT v. a. ausreichend immunsuppressiv sein, um ein Anwachsen der allogene PBSZ oder KM zu ermöglichen. Zur Anwendung kommen bei jüngeren Patienten (<40 Jahre) häufig die auch vor autologer BSZT (Tab. 1) eingesetzten Regime, bestehend aus Busulfan und Cyclophosphamid bzw. auch Ganzkörperbestrahlung (TBI) und Cyclophosphamid. Neben einigen Modifikationen dieser beiden Protokolle haben sich bei Patienten >40 Jahre bzw. auch bei Patienten mit Begleiterkrankungen dosisreduzierte Konditionierungsprotokolle etabliert. Diese enthalten in der Regel anstatt Cyclophosphamid das Purinanalogon Fludarabin und eine reduzierte Dosierung der auch in Tab. 1 aufgeführten Alkylantien wie Busulfan oder Melphalan bzw. eine reduzierte Ganzkörperbestrahlungsdosis. Diese reduzierten Protokolle können bei bis zu 70-jährigen Patienten eingesetzt werden, wenn keine anderweitigen internistischen Begleiterkrankungen bestehen. In vielen Zentren wird vor Transplantation von einem unverwandten Spender bzw. auch bei Transplantation von HLA-partiell kompatiblen Spendern ATG oder der Anti-CD52-Antikörper MabCampath appliziert. Eine randomisierte Studie konnte belegen, dass die Inzidenz an chronischer GvHD und die Dauer der Einnahme von Immunsuppressiva durch die Gabe von ATG vor unverwandter BSZT deutlich reduziert werden kann.

Knochenmark, periphere Blutstammzellen und alternative Transplantatquellen

Bis in die 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde fast ausschließlich Knochenmark für die allogene Blutstammzelltransplantation eingesetzt. Nachdem sich der Wachstumsfaktor G-CSF im Bereich der autologen BSZT als sicher und effizient herausgestellt hat, wurde in Deutschland und wenig später in Großbritannien und den USA auch bei Familienspendern G-CSF zur Mobilisierung von Blutstammzellen eingesetzt. Seit mehr als 15 Jahren werden auch unverwandte Spender mit G-CSF mobilisiert. Neben den peripheren Blutstammzellen hat sich in den USA und Frankreich Nabelschnurvenenblut als attraktive alternative Transplantatquelle etabliert. Insbesondere für Patienten mit einem Körpergewicht von weniger als 40 kg stellt Nabelschnurvenenblut eine äquivalente Transplantatquelle dar. Interessanterweise können bei der Nabelschnurblutvenentransplantation mehr HLA-Disparitäten akzeptiert werden als bei Verwendung von peripheren Blutstammzellen oder Knochenmark. Die verschiedenen Transplantatquellen mit ihren Spezifika sind in Tab. 2 zusammengefasst.
Tab. 2
Transplantatquellen
 
Gewinnung
Vor/Nachteile auf Spenderseite
Vor/Nachteile für Empfänger
Knochenmark (KM)
Mehrfache Punktion des Beckenkamms in Vollnarkose (ca. 0,5–1 l)
Kein Medikation des Spenders, stationäre Aufnahme, Vollnarkose
Zellzahl z. T limitiert, langsamere Blutbilderholung (4–5 Tage länger), Weniger chronische GvHD als nach PBSZ
Periphere Blutstammzellen (PBSZ)
Nach 5-tägiger Applikation von G-CSF s.c. 1–2 Leukapheresen (1–2 Tage)
Ambulante Spende, Knochenschmerzen unter G-CSF, keine Narkose erforderlich, nur selten ZVK notwendig
Schnelleres Anwachsen, Transplantat kann ex-vivo besser manipuliert werden (mehr CD34+-Zellen), mehr chronische GvHD
Nabelschnurvenenblut (NSB)
Punktion Nabelschnurvene nach/während Entbindung
Keine Beeinträchtigung des Geburtsvorganges
Zellzahl für erwachsene Patienten limitiert, Anwachsen dauert 1–2 Wochen länger, HLA-mismatch scheint eher möglich, z. T. können 2 NSB Einheiten gleichzeitig gegeben werden
G-CSF: Granulozyten koloniestimulierender Faktor; GvHD: Graft-versus-Host-Erkrankung; HLA: Human Leukocyte Antigen; PBSZ: periphere Blutstammzellen; KM: Knochenmark; NSB: Nabelschnurblut
Lässt sich kein unverwandter Spender und keine adäquate Nabelschnurbluteinheit identifizieren, kommt im Einzelfall auch eine haploidente Blutstammzelltransplantation infrage. Hierbei wird ein nur 50 % passender verwandter Spender ausgewählt, der entweder PBSZ oder KM spenden kann. Zur Vermeidung einer schwergradigen Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) wird entweder eine In-vitro-T-Zelldepletion des Transplantes oder die Gabe von hochdosiertem Cyclophosphamid 3 bzw. 4 Tage nach Transplantation eingesetzt.
Alle genannten Transplantatquellen werden ca. 24–48 h nach Abschluss der Konditionierungstherapie intravenös appliziert. Eine Kryokonservierung ist im allogenen Setting in der Regel nicht erforderlich, das Transplantat wird also am selben Tag gespendet bzw. entnommen und dann sofort transplantiert. Selbstverständlich werden Nabelschnurblutstammzellen im kryokonservierten Zustand angeliefert und wnach Auftauen und entsprechender Aufbereitung dann ebenfalls intravenös appliziert.

Graft-versus-Host-Erkrankung, Prophylaxe und Therapie

Durch die Übertragung des allogenen Immunsystems, insbesondere der zellulären Immunität, vom Spender auf den Empfänger besteht die Gefahr der Entstehung einer Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD). Zugrunde liegt dieser Erkrankung eine Aktivierung von CD8+-T-Zellen, die entweder allogene HLA-Merkmale auf Epithelzellen erkennen, oder im Falle der HLA-identen Familientransplantation durch HLA-restringierte Minorhistokompatibilitätsantigene aktiviert werden. Diese zelluläre Immunantwort löst eine inflammatorische Kaskade aus, die schließlich zum klinischen Bild der GvHD mit Hautexanthem, cholestatischer Hepatose und/oder Kolitis führen können. Eine GvHD wird in 50–80 % der Fälle nach allogener BSZT beobachtet. Das Risiko für eine GvHD steigt mit Zunahme der HLA-Disparität. Generell wird eine akute von einer chronischen Form unterschieden. Während die akute Form die genannten Organmanifestationen in den ersten 3 Monaten nach Transplantation verursachen kann, wird bei der chronischen GvHD eine entsprechend längerfristige, dann auch durch CD4-Zellen und B-Lymphozyten unterhaltene Entzündung induziert, die in vielen Facetten einer Autoimmunerkrankung wie der systemischen Sklerodermie oder einer gemischten Bindegewebserkrankung ähneln kann. Wie bereits erwähnt, ist das Risiko für eine chronische GvHD bei Verwendung von G-CSF mobilisierten PBSZ im Vergleich zur KM-Transplantation erhöht. Sie trägt im Wesentlichen zur verzögerten Morbidität und Mortalität nach allogener BSZT bei.
Zur Prophylaxe und Therapie der GvHD werden verschiedene pharmakologische Immunsuppressiva eingesetzt, die in Tab. 3 hinsichtlich Wirkmechanismen, typischem Einsatz und Nebenwirkungen zusammengefasst sind.
Tab. 3
Immunsuppressiva zur Prophylaxe und Therapie der GvHD
Substanz
Wirkmechanismus
Einsatz
Nebenwirkungen
Cyclosporin A
Calcineurininhibition
Prophylaxe
Art. Hypertonus, Nephrotoxizität, Tremor, Hypertrichose, MAHA, Hypercholesterinämie
Calcineurinihibition
Prophylaxe
Hyperglykämie, Nephrotoxizität, MAHA
Folsäureantagonist
Prophylaxe/Therapie
Leukopenie, Mukositis, Hepatotoxizität
Prednisolon
Repression inflammatorischer Mediatoren, v. a. NFkappaB
Therapie
Diabetes, Hypokaliämie, Osteoporose
Mycophenolat mofetil
Purinsynthese
Prophlaxe/Therapie
GI-Toxizität, Leukopenie, CMV-Infektionen gehäuft
Hemmung
mTOR-Inhibition
Prophlaxe/Therapie
MAHA, Hypercholesterinämie, Stomatitis
mTOR-Inhibition
Prophylaxe/Therapie
Siehe Sirolimus
Antithymozyten
Pan-T-Zellantikörper
Prophylaxe/Therapie
Fieber, Rigor, Hepatitis, Gerinnungsstörung, Pilz-und Virusinfektionen
Globulin
MabCampath
Anti-CD52-Antikörper
Prophylaxe/Therapie
Fieber, Rigor, Pilz-und Virusinfektionen
MAHA: mikroangiopathische hämolytische Anämie; mTOR: mammalian Target of Rapamycin
Die von den meisten Zentren eingesetzte Prophylaxe der GvHD besteht aus der Kombination eines Calcineurininhibitors, beginnend 1–2 Tage vor Transplantation, und Methotrexat an den Tagen 1, 3, 6 und 11 nach Transplantation.
Tritt nach Transplantation eine akute GvHD auf, wird diese nach den Glucksberg-Kriterien (http://www.bloodref.com/transplant/agvhd) in vier Stadien eingeteilt. Im Stadium I ist eine Therapie fakultativ, zwingend behandelt werden sollten Patienten mit GvHD Grad II–IV. In diesen Fällen erfolgt neben der Fortführung der Calcineurininhibitorgabe die Applikation von Steroiden in einer Dosis von 1–2 mg/kg Prednisolonäquivalenten. Bei Ansprechen erfolgt eine Reduktion der Steroiddosis um 20 % alle 5–7 Tage. Leider sprechen jedoch 60 % der Patienten mit akuter GvHD nicht auf die Primärtherapie an und benötigen eine Therapieeskalation unter Hinzunahme der in Tab. 3 genannten Substanzen. Neben den genannten pharmakologischen Ansätzen gibt es Versuche, die steroidrefraktäre GvHD mit zellulären Therapeutika (mesenchymale Stromazellen) oder extrakorporaler Photopherese anzugehen.

Chronische GvHD

Auch die chronische GvHD wird bei entsprechender Progression mit Steroiden behandelt. Leider sind hier wenig etablierte Alternativen verfügbar, so dass im Laufe der Therapie v. a. auch Bestrebungen angestellt werden, die Steroidnebenwirkungen durch alternative Therapieansätze wie extrakorporale Photopherese zu begrenzen. Ziel der Therapie der chronischen GvHD ist eine Symptomkontrolle mit der Möglichkeit, die immunsuppressive Therapie zu minimieren, im Idealfall zu beenden.
Wichtig ist v. a. bei Patienten mit GvHD und zusätzlicher immunsuppressiver Medikation eine konsequente Prophylaxe von Herpesinfektionen, Pilzinfektionen sowie der Pneumocystis jirovecii Pneumonie mit Hilfe von Aciclovir, Fluconazol bzw. Noxafil und Cotrimoxazol durchzuführen. Zusätzlich sollte ein regelmäßiges Monitoring der CMV- und EBV-Reaktivierung mittels PCR aus dem Plasma zu veranlasst werden, da im Falle einer Reaktivierung von CMV eine antivirale Therapie mit Ganciclovir bzw. bei einer Replikation von EBV die Gabe von Rituximab erfolgen kann.

Spenderlymphozyten

Die Erstbeschreibung der Effektivität der Spenderlymphozytengabe bei der chronischen myeloischen Leukämie durch Hans-Jochem Kolb Ende der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war der ultimative Beweis für die Existenz des bereits erwähnten GvL-Effektes. Zwar sind Spenderlymphozyten, die intravenös appliziert werden, bei akuten Leukämien häufig etwas weniger wirksam, jedoch können sie teilweise frühzeitig bei Nachweis von minimaler Resterkrankung bzw. geplant bei Hochrisikopatienten eingesetzt werden. Neben der Gabe von durch erneute Leukapherese des Spenders gewonnenen Zellen können auch aus dem primären Transplantat asservierte Aliquots zum Einsatz kommen. Man tendiert zu einer eskalierenden Dosierung beginnend mit 1-mal 106/kg CD3+-T-Zellen bei Erstgabe und nachfolgend logarithmischer Steigerung alle 8–12 Wochen.
Generell sollte auch bei rezidivierenden infektiösen Komplikationen und bereits abgesetzter Immunsuppression die Gabe von Spenderlymphozyten in Erwägung gezogen werden.

Ergebnisse

Wie bei der autologen BSZT hängen die Erfolgschancen nach allogener BSZT von mehreren Faktoren ab (Cornelissen et al. 2012):
  • der Remissionsstatus der Erkrankung zum Zeitpunkt der Transplantation
  • das Alter bzw. der körperliche Zustand des Patienten und
  • die HLA-Kompatibilität des Spenders. Generell ist der Einfluss des Behandlungszentrums schwer zu belegen; die Transplantation sollte jedoch an einem Zentrum mit entsprechenden Erfahrungen und personellen und infrastrukturellen Voraussetzungen erfolgen.
Beispielhaft sind für einige maligne und nichtmaligne Erkrankungen, bei denen eine allogene BSZT indiziert sein kann, die 5-Jahres-Überlebensraten angegeben (Tab. 4).
Tab. 4
5-Jahres-Überlebensraten nach allogener Blutstammzelltransplantation (nach Indikation)
Indikation
Stadium
5-Jahres-Überlebensrate (%)
AML (Koreth et al. 2009)
1. CR
40–60
AML
Refraktär, Rezidiv
20–-40
ALL
1.CR
40–50
MDS
Int-2/High-risk
30–40
SAA
ATG refraktär
80–90
70–80
AML: akute myeloische Leukämie; ALL: akute lymphatische Leukämie; MDS: Myelodysplastisches Syndrom; SAA: schwere aplastische Anämie; CR: komplette Remission; Int-2: intermediate-2 nach International Prognostic Scoring System
Die genannten Überlebenswahrscheinlichkeiten können selbstverständlich im Kontext eines individuellen Patientenfalls nur als Annäherung betrachtet werden.

Spätkomplikationen

Sowohl nach autologer als auch nach allogener BSZT besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Sekundärmalignomen. So muss in 2–3 % der Fälle nach autologer BSZT mit einer therapiebedingten Myelodsyplasie oder Leukämie gerechnet werden. Nach allogener BSZT stellt neben der Ganzkörperbestrahlung v. a. die chronische GvHD und die damit assoziierte langandauernde Einnahme von Immunsuppressiva ein Risiko für das Auftreten von epithelialen Tumoren dar. Weitere Spätfolgen nach BSZT sind die in vielen Fällen eintretende Sterilität bzw. ovarielle Insuffizienz, Hypothyreose, Osteoporose und bei Kindern ein verzögertes und reduziertes Längenwachstum. Unangenehme ossäre Nebenwirkung nach allogener BSZT kann die aseptische Hüftkopfnekrose nach längerer Steroideinnahme sein. Spezifische Einschränkungen der pulmonalen Organfunktion können im Rahmen einer chronischen GvHD bei einer Bronchiolitis obliterans auftreten. Mittelfristig ist das vaskuläre Risiko bei längerer Einnahme von Immunsuppressiva ebenfalls deutlich erhöht, so dass auch ein entsprechendes Monitoring hinsichtlich des Auftretens einer koronaren Herzerkrankung erfolgen sollte. Die genannten Spätkomplikationen erfordern eine Nachsorge in entsprechend erfahrenen Zentren und Ambulanzen in enger Kooperation mit den betreuenden Hausärzten.
Literatur
Cornelissen JJ, Gratwohl A, Schlenk RF, Sierra J, Bornhauser M, Juliusson G, Racil Z, Rowe JM, Russell N, Mohty M, Lowenberg B, Socie G, Niederwieser D, Ossenkoppele GJ (2012) The European LeukemiaNet AML Working Party consensus statement on allogeneic HSCT for patients with AML in remission: an integrated-risk adapted approach. Nat Rev Clin Oncol 9:579–590CrossRefPubMed
Gratwohl A, Baldomero H, Gratwohl M, Aljurf MD, Bouzas LF, Horowitz M, Kodera Y, Lipton J, Iida M, Pasquini MC, Passweg J, Szer J, Madrigal A, Frauendorfer K, Niederwieser D (2013) Quantitative and qualitative differences in use and trends of hematopoietic stem cell transplantation: a Global Observational Study. Haematologica 98:1282–1290PubMedCentralCrossRefPubMed
Koreth J, Schlenk R, Kopecky KJ, Honda S, Sierra J, Djulbegovic BJ, Wadleigh M, DeAngelo DJ, Stone RM, Sakamaki H, Appelbaum FR, Dohner H, Antin JH, Soiffer RJ, Cutler C (2009) Allogeneic stem cell transplantation for acute myeloid leukemia in first complete remission: systematic review and meta-analysis of prospective clinical trials. JAMA 301:2349–2361PubMedCentralCrossRefPubMed
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