Die spezifische Labordiagnostik in der Kinderurologie entspricht den Standards in der Erwachsenenurologie, allerdings müssen für die korrekte Interpretation der Laborwerte die altersbezogenen
Referenzwerte berücksichtigt werden. Insbesondere bei der Behandlung von Neugeborenen und Säuglingen muss das Labor darüber hinaus über die technischen Möglichkeiten zur Diagnostik aus möglichst kleinen Blutvolumina verfügen.
Auch vor größeren operativen Eingriffen kann im Kindesalter meist bei unauffälliger Gerinnungsanamnese auf eine Blutuntersuchung inklusive Gerinnungsanalyse verzichtet werden.
Urindiagnostik
Besteht aufgrund der Anamnese und der klinischen Untersuchung der Verdacht auf einen Harnwegsinfekt (HWI) im Kindesalter oder sollte sich bei einem fiebernden Kind kein eindeutiger Fokus finden, sollte immer eine Urinuntersuchung zumindest mit einem Streifentest erfolgen. Ein negativer Befund im Streifentest, das heißt das Fehlen einer signifikanten Leukozyturie, ggf. Nitriturie und Erythrozyturie, schließt mit großer Wahrscheinlichkeit einen HWI aus.
Letztendlich ist die Interpretation von Urinbefunden jedoch nur nach Kenntnis der Entnahmetechnik, der Aufbewahrungsart und -zeit möglich. Die meisten Fehlschlüsse entstehen aufgrund einer fehlerhaften
Uringewinnung und einer Kontamination des
Urins mit „Hautkeimen“. Eine saubere Uringewinnung und eine korrekte Interpretation des Urinbefundes sind umso schwieriger, je jünger die Kinder sind. Bei Kindern, die schon über eine Blasenkontrolle verfügen, wird wie bei Erwachsenen zunächst
Mittelstrahlurin gewonnen, nachdem der Genitalbereich gründlich mit reichlich Wasser und milder Seife gereinigt wurde. Bei Kleinkindern erfolgt die Uringewinnung mit Hilfe eines speziellen Töpfchens, das zusätzlich einen kleinen frontal positionierten sterilen Behälter enthält, sodass der Urinstrahl zu Beginn und am Ende der Miktion in den Topf fließt und möglichst nur die mittlere Urinportion aufgefangen wird. Bei Windelkindern erfolgt die Uringewinnung meist mittels sterilen Urinklebebeuteln, welche nach gründlicher Reinigung des Genitalbereichs über Penis bzw. Introitus geklebt werden. Die Befundinterpretation wird umso schwieriger, je länger der Beutel auf der Haut klebte bzw. je länger das Intervall bis zur Untersuchung dauerte. Der Beutelurin darf daher nur als Ausschlusstest benutzt werden. Bei unklaren Befunden oder bei schwer kranken Kindern, bei denen der Beginn einer antibiotischen Therapie nicht bis zur Gewinnung des
Spontanurins verzögert werden kann, muss Urin
vor Einleitung einer antibiotischen Therapie ggf. mittels transurethraler Blasenkatheterisierung
oder suprapubischer Blasenpunktion
nach vorheriger Applikation lokal anästhesierender Creme gewonnen werden.
Insbesondere bei Säuglingen, Kindern mit stark eingeschränktem Allgemeinzustand und Kindern mit rezidivierenden Harnwegsinfekten sollte neben dem Streifentest auch eine
Mikroskopie des Nativurins und des Urinsediments erfolgen sowie eine
Urinkultur vor Antibiotikagabe angelegt werden. Hinweise für eine Mitbeteiligung des Nierenparenchyms sind das Auftreten von Leukozytenzylinder, eine Proteinurie, die vermehrte Ausscheidung von Bürstensaumenzymen u. a. alkalischer Phosphatase und
β2-Mikroglobulin. Ein HWI ist sicher nur durch eine
signifikante Bakteriurie zu beweisen, setzt also eine Urinkultur voraus. Von einer signifikanten Bakteriurie
im Beutelurin spricht man bei 10
4–10
5 Keimen pro ml. Im Gegensatz dazu ist jede nachgewiesene Keimzahl im
Blasenpunktionsurin pathologisch (Beetz et al.
2012). Eine bakterielle Mischkultur im Beutelurin spricht bei asymptomatischen Patienten am ehesten für eine ungenügende Abnahmetechnik und nicht für das Vorliegen eines HWI (Tab.
3).
Tab. 3
Bedeutung der Keimzahlen in der Urinkultur in der HWI-Diagnostik
| <10.000/ml | 10.000–100.000/ml | >100.000/ml |
| <1000/ml | 1000–10.000/ml | >10.000/ml |
Blasenpunktionsurin | | | jeder Keimnachweis |
Im Zweifelsfall sollte auch bei unauffälligem
Urinstatus eine
Urinkultur angelegt werden. Nach 24-stündiger Bebrütung im Inkubator kann das gesamte Gefäß im Falle einer positiven Kultur zur weiteren
mikrobiologischen Austestung und Resistenzbestimmung zu einem bakteriologischen Institut geschickt werden.
Auch die Gewinnung von
Sammelurin über einen längeren Zeitraum z. B. für eine Stoffwechselabklärung gestaltet sich im Kindesalter schwieriger als bei Erwachsenen. Um Fehler durch Ungenauigkeiten beim Urinsammeln zu vermeiden, sollte geprüft werden, ob die Beurteilung ggf. auch im
Spontanurin bei Verwendung kreatininbezogener Konzentrationsquotienten (z. B. Kalzium-Kreatinin-Quotient, Protein-Kreatinin-Quotient) möglich ist. Ist eine Sammelurinprobe unverzichtbar, ist es ratsam, der Familie möglichst eine gut verständliche, schriftliche Aufklärung mit genauer Definition der Länge der Sammelperiode inklusive erster und letzter Miktion mitzugeben. Bei Säuglingen ist eine Urinsammlung darüber hinaus meist nur nach Anlage eines transurethralen Katheters möglich.