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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 13.10.2017

Metabolische Myopathien

Verfasst von: Marcus Deschauer und Stephan Zierz
Der Skelettmuskel deckt seinen Energiebedarf aus dem Abbau von Glukose, Glykogen und Fettsäuren. Metabolische Myopathien resultieren aus unterschiedlichen Störungen der Stoffwechselwege. In Abhängigkeit von dem zugrunde liegenden Stoffwechseldefekt reicht das Spektrum der klinischen Symptomatik von einer nur transienten Belastungsintoleranz über Rhabdomyolyse-Attacken bis zu permanenten oder progredienten Paresen. Die Belastungsintoleranz äußert sich häufig durch vorzeitige Ermüdbarkeit, Myalgien und Schwächen, sodass metabolische Myopathien eine wichtige Differenzialdiagnose zum Fibromyalgie- und Chronic-Fatigue-Syndrom darstellen. Aufgrund des Multisystemcharakters und der komplexen genetischen Aspekte nehmen die mitochondrialen Erkrankungen eine Sonderstellung ein, die im „Kap. Mitochondriopathien“ ausführlich dargestellt sind. Die Sicherung der Diagnose einer metabolischen Myopathie umfasst neben der histologischen und histochemischen Untersuchung der Muskelbiopsie den biochemischen Nachweis des Enzymdefektes. In vielen Fällen besteht auch die Möglichkeit, die der Erkrankung zugrunde liegende Mutation nachzuweisen.
Der Skelettmuskel deckt seinen Energiebedarf aus dem Abbau von Glukose, Glykogen und Fettsäuren. Metabolische Myopathien resultieren aus unterschiedlichen Störungen der Stoffwechselwege. In Abhängigkeit von dem zugrunde liegenden Stoffwechseldefekt reicht das Spektrum der klinischen Symptomatik von einer nur transienten Belastungsintoleranz über Rhabdomyolyse-Attacken bis zu permanenten oder progredienten Paresen. Die Belastungsintoleranz äußert sich häufig durch vorzeitige Ermüdbarkeit, Myalgien und Schwächen, sodass metabolische Myopathien eine wichtige Differenzialdiagnose zum Fibromyalgie- und Chronic-Fatigue-Syndrom darstellen. Aufgrund des Multisystemcharakters und der komplexen genetischen Aspekte nehmen die mitochondrialen Erkrankungen eine Sonderstellung ein, die im Kap. „Mitochondriopathien“ ausführlich dargestellt sind. Die Sicherung der Diagnose einer metabolischen Myopathie umfasst neben der histologischen und histochemischen Untersuchung der Muskelbiopsie den biochemischen Nachweis des Enzymdefektes. In vielen Fällen besteht auch die Möglichkeit, die der Erkrankung zugrunde liegende Mutation nachzuweisen.
Definition und Klassifikation
Im Unterschied zu Myopathien, die durch degenerative, entzündliche oder strukturelle Veränderungen bedingt sind, beruhen metabolische Myopathien auf Störungen des Intermediärstoffwechsels. Strukturelle Veränderungen finden sich allenfalls sekundär. Die auftretenden Energieengpässe führen häufig zu Symptomen, die im Zusammenhang mit der Art des Energiebedarfs stehen. Nach der klinischen Phänomenologie sind chronisch-progrediente Myopathien mit permanenter Muskelschwäche und die sog. Belastungsmyopathien zu unterscheiden. Diese äußern sich durch Paresen, Myalgien und Krampi, die unter Muskelarbeit auftreten und in Ruhe reversibel sind. Auf der Basis des zugrunde liegenden Stoffwechseldefektes lassen sich metabolische Myopathien in Defekte des Glukose- und Glykogenstoffwechsels, des Fettsäurestoffwechsels sowie der oxidativen Phosphorylierung unterteilen. Sie sind in der folgenden Übersicht aufgelistet.
Biochemische Klassifikation metabolischer Myopathien
  • Defekte des Glukose-und Glykogenstoffwechsels
  • Defekte des Fettsäurestoffwechsels
    • Carnitinmangelsyndrome
    • Carnitin-Palmityl-Transferase-Mangel
    • Acyl-CoA-Dehydrogenase-Defekte
    • Neutralfettspeicher-Erkrankungen
  • Defekte der oxidativen Phosphorylierung (Mitochondriopathien)
  • Sonstige Defekte
Eine Sonderstellung unter den Glykogenosen nimmt die Glykogenose Typ II als lysosomale Glykogenspeicherkrankheit ein. Die Muskelbeteiligung in Form von progredienten Paresen beruht im Unterschied zu den nichtlysosomalen Glykogenosen nicht auf einer primär eingeschränkten Energiegewinnung des Muskels, sondern auf einer morphologischen Schädigung der Muskelfaser. Diese wird möglicherweise durch die Verdrängung von Myofibrillen und Organellen infolge der Akkumulation von Glykogen, sauren Muzinen und Glykolipiden verursacht.
Differenzialdiagnose
Bei einer belastungsinduzierten Symptomatik ist neben funktionellen Störungen, der Fibromyalgie, dem Chronic-Fatigue-Syndrom sowie den myasthenen Syndromen auch an angiologische und orthopädische Erkrankungen zu denken. Stehen vorwiegend progrediente Paresen und Atrophien im Vordergrund, sind neben den Gliedergürteldystrophien spinale Muskelatrophien oder Myositiden zu erwägen.
Biochemische Grundlagen
Das Verständnis des Auftretens transienter Symptome bei metabolischen Myopathien in Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme und der körperlichen Belastung erfordert die Kenntnis des organspezifischen Substratflusses unter den verschiedenen Bedingungen.
Glukose und Fettsäuren stellen die Hauptenergiequellen der Skelettmuskulatur dar. Sie werden jedoch nicht in konstantem Verhältnis genutzt, ihr Abbau unterliegt vielmehr einer komplexen Regulation. Diese differenzierte Regulation wird wesentlich von der jeweiligen Stoffwechsellage bestimmt. Schematisch vereinfacht sind in Tab. 1 die 4 zu unterscheidenden Stoffwechsellagen dargestellt, die durch die Parameter Nahrungssituation (Resorptionsphase, Postresorptionsphase) und körperliche Aktivität (Ruhe, motorische Belastung) definiert werden.
Tab. 1
Schematisch vereinfachte Darstellung der Hauptenergiesubstrate zur Deckung des muskulären Energiebedarfs in Abhängigkeit von der Stoffwechselsituation. Resorptions- und Postresorptionsphase beziehen sich auf den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme, Ruhe und Arbeit auf die Muskelaktivität
Muskelbeanspruchung
Resorptionsphase
Postresorptionsphase
Ruhe
Glukose
Fettsäuren (90 %)
Ketonkörper (Hunger)
Arbeit
Glukose (kurzfristig)
Glukose aus Glykogen (kurzfristig)
Glukose, Fettsäuren (langfristig)
Fettsäuren (langfristig)
In der Resorptionsphase, wenn aus der Nahrung Glukose und Fettsäuren anfluten, deckt der Skelettmuskel im Zustand motorischer Ruhe seinen Energiebedarf überwiegend aus der Oxidation von Glukose und speichert Glukose in Form von Glykogen. Er trägt damit entscheidend zur Normalisierung des durch die Nahrungsaufnahme erhöhten Blutzuckerspiegels bei. In der Postresorptionsphase wird unter Ruhebedingungen der Energiebedarf hauptsächlich durch Fettsäuren gedeckt. Das Muskelglykogen wird unter Ruhebedingungen nicht angegriffen. Bei Hunger, einer besonders lang ausgedehnten Postresorptionsphase, können auch Ketonkörper vom Muskel unter Energiegewinn verwertet werden. Bei starker, schnell einsetzender motorischer Aktivität wird die notwendige Energie aus Glykogenolyse und Glykolyse gewonnen. In Abhängigkeit von der motorischen Beanspruchung sind die muskulären Glykogenspeicher nach wenigen Stunden erschöpft. Bei länger anhaltender und schwerer körperlicher Arbeit überwiegt dann die Energiegewinnung aus dem Abbau von Fettsäuren, die aus dem Fettgewebe mobilisiert und in zunehmender Konzentration im Blut zum Muskel transportiert werden.

Glykogenosen

Die Glykogenspeicherkrankheiten bilden eine Gruppe überwiegend autosomal-rezessiv vererbter Erkrankungen, die auf einer Störung des Glykogen- oder Glukosemetabolismus beruhen (Abb. 1) und in verschiedenen Geweben eine Glykogenspeicherung hervorrufen können. Eine fehlende Glykogenakkumulation schließt eine Glykogenspeichererkrankung jedoch nicht aus.
Je nach zugrunde liegendem Enzymdefekt lassen sich verschiedene Typen der Glykogenosen unterscheiden, die auch eine unterschiedliche Organbeteiligung aufweisen. Bei den meisten Formen ist die Skelettmuskulatur betroffen, nur beim Typ I und VI ist dies nicht der Fall. Die einzelnen Enzymdefekte, die den Muskel betreffen, sind in Tab. 2 dargestellt. Obwohl bei allen Enzymdefekten, ausgenommen die Glykogenose Typ II, die Energiegewinnung aus der Glykogenolyse bzw. Glykolyse beeinträchtigt ist, führt die Ausprägung gewebsspezifischer Isoenzyme sowie unterschiedlicher physikochemischer Eigenschaften mit variierender enzymatischer Restaktivität zu klinisch heterogenen Bildern.
Tab. 2
Übersicht über Glykogenosen mit muskulärer Manifestation
Biochemischer Defekt
Phänotyp
Myohistologie
Belastungs-intoleranz/
Myoglobinurie
Permanente Muskelschwäche
Leberbeteiligung
Glykogensynthase (0)
+
 
+
Glykogenmangel
α-Glukosidase (II)
 
+
 
Vakuolen mit Glykogen
Debranching-Enzym (III)
 
+
+
Polyglukosankörperchen
Branching-Enzym (IV)
 
+
+
Polyglukosankörperchen
Myophosphorylase (V)
+
(+)
 
Glykogenspeicherung subsarkolemmal
Phosphofruktokinase (VII)
+
  
Glykogenspeicherung + Polyglukosankörperchen
Phosphorylase-B-Kinase (VIII)
+
 
+
Glykogenspeicherung subsarkolemmal
Phosphoglycerat-Kinase (IX)
+
  
Glykogenspeicherung diffus
Phosphoglycerat-Mutase (X)
+
  
Kaum Glykogenspeicherung, tubuläre Aggregate
+
  
Normal
+
  
Normal
β-Enolase (XIII)
+
  
Glykogenspeicherung subsarkolemmal
Phosphoglukomutase (XIV)
+
+
 
Glykogenspeicherung diffus
Glykogenin 1 (XV)
 
+
 
Glykogenmangel
Die Muskelbeteiligung kann sich sowohl in persistierenden und progredienten Paresen äußern als auch ganz durch transiente und belastungsabhängige Beschwerden gekennzeichnet sein. Im Folgenden werden die beiden häufigen, den Muskel betreffenden Typen II und V, eingehender dargestellt.

Glykogenose Typ II (Saure-Maltase-Mangel, α-Glukosidase-Mangel)

Die Glykogenose Typ II führt aufgrund des Fehlens der in den Lysosomen lokalisierten α-Glukosidase (sauren Maltase) zu einer vorwiegend intralysosomalen Glykogenspeicherung in Skelettmuskel, Leber und Herz. Aufgrund von Manifestationsalter, Organbeteiligung und Verlauf werden zwei verschiedene phänotypische Varianten unterschieden:
Der klassische M. Pompe manifestiert sich in den ersten Lebensmonaten. Die Säuglinge zeigen eine rasch progrediente Muskelschwäche und Hypotonie sowie eine Vergrößerung des Herzens, der Leber und der Zunge. Ohne Behandlung sterben die Kinder im ersten Lebensjahr aufgrund kardialer oder respiratorischer Insuffizienz.
Der sich später manifestierende α-Glukosidase-Mangel (Late-onset Morbus Pompe) kann sowohl im Kindesalter als auch im Erwachsenenalter auftreten. Klinisch besteht eine proximal betonte Myopathie, nur selten bei Kindern eine Kardiohepatomegalie und Makroglossie. Eine Beteiligung der Atemmuskulatur kommt vor, die besonders das Zwerchfell betrifft. Einzelne Muskeln wie die Adduktoren der Oberschenkel und der M. biceps brachii sind bevorzugt betroffen. Auch die Rückenmuskulatur kann geschwächt sein.
Diagnostik
Myohistologisch finden sich Fasern mit Vakuolen, die eine vermehrte Glykogenspeicherung aufweisen (Abb. 2). Die Diagnose wird durch die biochemische Bestimmung der Enzymaktivität gesichert. Der Enzymdefekt kann nicht nur in Muskelgewebe, sondern auch im Trockenblut nachgewiesen werden. Der Trockenbluttest ist ein sinnvoller Screening-Test, der im positiven Fall durch eine molekulargenetische Untersuchung bestätigt wird, so dass dann eine Muskelbiopsie entbehrlich ist. Der Saure-Maltase-Mangel ist aufgrund des typischen EMG-Befundes (myopathische Veränderungen, myotone Salven, Fibrillationspotenziale, positive scharfe Wellen und eine ungewöhnlich ausgeprägte Einstichaktivität und Irritabilität bei Bewegungen der Nadel) eine wichtige Differenzialdiagnose zur spinalen Muskelatrophie und zur Polymyositis. Der Ischämietest ist aufgrund der nicht beeinträchtigten Energiegewinnung normal. Molekulargenetisch findet sich bei der Late-onset-Form bei etwa 90 % der Patienten eine Splice-Site-Mutation (c.-32T>G) im α-Glukosidase-Gen.
Therapie
Seit 2006 steht eine intravenöse Enzymersatztherapie (Myozyme®) mit rekombinant hergestelltem Enzym zur Verfügung, das alle 2 Wochen infundiert wird (20 mg/kg KG). Diese Enzymersatztherapie ist möglich, weil das Enzym über den physiologischen Mechanismus eines Mannose-6-Phosphat-Rezeptors über Endozytose in die Zelle aufgenommen wird und in die Lysosomen transportiert wird. Die Therapie hat sich bei der infantilen Form als hoch wirksam erwiesen. Die Letalität konnte deutlich gesenkt werden, jedoch erfahren nicht alle Kinder eine gute motorische Entwicklung.
Bei der späten Form der Pompe-Krankheit kann nur eine geringe Zunahme der Gehstrecke und eine Stabilisierung der Lungenfunktion erreicht werden. Selten treten moderate allergische Reaktionen (Urtikaria/Erytheme/Exantheme, Tachykardie, Abfall der Sauerstoffsättigung, Globusgefühl und Juckreiz) auf, die mit Kortikoiden und Antihistaminika in der Regel aber beherrschbar sind. Auch wenn die Enzymersatztherapie bei Late-onset-Patienten allenfalls eine geringe Verbesserung erzielt, kann angesichts der chronischen Progression der Erkrankung auch eine Stabilisierung der Lungenfunktion und geringfügige Zunahme der Gehstrecke ein Gewinn für Patienten sein.
Unabhängig von der Enzymersatztherapie kann Patienten mit einer Atemschwäche eine Maskenbeatmung angeboten werden.
Fallbeispiel: Morbus Pompe
Ein 35-jähriger Patient klagt über Kurzatmigkeit und Schwäche beim Treppensteigen. Seit Jahren treibe er keinen Sport mehr, da er nicht belastbar sei. Die Familienanamnese für Muskelerkrankungen ist leer. Die klinische Untersuchung zeigt ein Gliedergürtelsyndrom mit Parese im Beckengürtel Kraftgrad 4/5. Auffällig ist eine Atrophie der paravertrebalen Muskulatur. Die Lungenfunktionsprüfung zeigt eine verminderte Vitalkapazität auf 70 %. Die CK ist 4-fach erhöht, das EMG myopathisch. Unter dem Verdacht auf eine Muskeldystophie wird eine Muskelbiopsie durchgeführt, die zusätzlich zu einem myopathischen Gewebssyndrom Vakuolen zeigt, die mit Glykogen gefüllt sind. Biochemisch findet sich im Muskel ein α-Glukosidase-(Saure-Maltase-)Mangel. Die Diagnose eines Late-onset Morbus Pompe wird molekulargenetisch bestätigt, der Patient ist heterozygot für die häufige Mutation c.-32T>G und heterozygot für eine seltene Mutation. Eine Enzymersatztherapie wird dem Patienten angeboten.

Glykogenose Typ V (Muskelphosphorylasemangel, McArdle-Krankheit)

Die Erkrankung, die auf einem Mangel der muskelspezifischen Phosphorylase beruht, wurde 1951 von B. McArdle erstmals beschrieben. Die Muskelphosphorylase spaltet von den Außenketten des Glykogens Glukosemoleküle ab. Infolge des Enzymdefektes kommt es zu einer Speicherung von normal strukturiertem Glykogen im Muskel.
Klinische Charakteristika der Erkrankung sind transiente, durch Belastung induzierte Muskelschmerzen, Krampi, Schwäche, Muskelsteife und Kontrakturen, die sich meist während der Kindheit oder Adoleszenz erstmals manifestieren (Tab. 3). Die Schwere der Symptomatik ist individuell unterschiedlich. Einige Patienten können bereits nach einigen Treppenstufen nicht mehr weitergehen, andere tolerieren größere Anstrengungen ohne Beschwerden. Die Belastungsintoleranz kann allerdings auch intraindividuell an verschiedenen Tagen variieren. Nur in der Hälfte der Fälle treten Myoglobinurien sowie ein „Second-wind-Phänomen“ auf. Hierbei erfahren die Betroffenen eine Linderung ihrer Beschwerden, wenn sie die initiale Belastung, die zum Auftreten der Symptome geführt hat, auf einem geringeren Niveau fortsetzen. Die Leistungsfähigkeit ist dann oft nahezu unbeeinträchtigt. Biochemisch beruht dieses Phänomen auf der Mobilisierung freier Fettsäuren, die im Muskel zur weiteren Energiegewinnung uneingeschränkt genutzt werden.
Tab. 3
Klinisches Bild bei Patienten mit Myophosphorylase-mangel. (Nach DiMauro und Tsujino 1994)
Symptome
Häufigkeit (%)
Belastungsinduzierte Symptome
 
 
Steifigkeit oder Kontrakturen
98
Muskelschwäche
98
Myalgien
94
Muskelschwellung
23
Myoglobinurie
50
 
27
Persistierende Muskelschwäche
28
Atrophien
12
Second-wind-Phänomen
48
Manifestationsalter
 
 
<15. Lebensjahr
85
15.–30. Lebensjahr
9
>30. Lebensjahr
6
Positive Familienanamnese
53
In wenigen Fällen wurde eine Erstmanifestation der Symptomatik im Erwachsenenalter mit persistenten Paresen und leichten, proximal betonten Muskelatrophien sowie eine kongenitale Myopathie mit fortschreitender generalisierter Muskelschwäche und Tod durch Ateminsuffizienz in den ersten Lebenswochen bzw. -monaten beschrieben.
Diagnostik
Im Ischämietest zeigt sich ein fehlender Laktatanstieg; diagnostisch verwertbar ist dieser jedoch nur bei einem gleichzeitigen deutlichen Ammoniakanstieg. Bioptisch-histologisch sind mittels der Routinefärbungen vielfach nur sehr diskrete Befunde zu sehen, z. B. eine subsarkolemmale Glykogenspeicherung. Der entscheidende histochemische Befund ist eine schwache oder fehlende Phosphorylasereaktion (Abb. 3). Allerdings kann die histochemische Reaktion auch normal ausfallen, wenn das mutierte Enzym noch Restaktivität aufweist oder wenn es aufgrund regenerierender Fasern zu einer Expression von Isoenzymen gekommen ist. Die Diagnose wird durch die Bestimmung der Enzymaktivität im Muskel (muskelspezifisches Enzym) oder durch eine molekulargenetische Untersuchung gesichert. Etwa 70 % der Patienten weisen eine Stop-Mutation p.R50X auf, darüber hinaus gibt es eine Vielzahl seltenere Mutationen.
Therapie
Für die McArdle-Krankheit gibt es keine kausal wirksame Therapie. Hinsichtlich der Ernährung scheint eine kohlenhydratreiche Kost (65 % Kohlenhydrate, 20 % Fett, 15 % Protein) am günstigsten zu sein, da diese die maximale Leistung verbessern kann. Die Zufuhr von Rohrzucker 5 Minuten vor der Belastung kann die Belastbarkeit verbessern (Abb. 4), birgt aber das Risiko einer Gewichtszunahme, wenn doch keine ausreichende Belastung erfolgt. Regelmäßiges aerobes Ausdauertraining (mit höchstens 60–70 % der maximalen Herzfrequenz) erhöht die Leistungsfähigkeit. Maximalbelastung und statische Belastungen (z. B. Hanteltraining) müssen aber unbedingt vermieden werden.

Seltene Defekte der Glykolyse

Beim Mangel des Branching- bzw. Debranching-Enzyms (Glykogenose Typ III und IV) findet sich eine permanente Muskelschwäche. Myohistologisch zeigen sich charakteristische Polyglukosankörperchen, die aus abnorm strukturiertem, kurzkettigem Glykogen bestehen, das durch Diastase nicht abgebaut werden kann.
Seltene weitere Defekte wurden im distalen Abschnitt der Glykolyse identifiziert, die zu belastungsinduzierten Beschwerden wie vorzeitige Ermüdbarkeit bei körperlicher Belastung, Myalgien, Krampi und Myoglobinurie führen. Beim Phosphofruktokinasemangel (Typ VII) findet man typischerweise zusätzlich zur muskulären Symptomatik eine hämolytische Anämie und eine Hyperurikämie (Tab. 4). Patienten mit Laktatdehydrogenasemangel (Typ XI) weisen zusätzlich zur Belastungsmyopathie erythematöse Hauteruptionen auf.
Tab. 4
Klinische und laborchemische Charakteristika von Patienten mit Muskelphosphofruktokinasemangel. (Nach DiMauro und Tsujino 1994)
Symptome
Häufigkeit (%)
Muskuläre Manifestationen
 
 
Belastungsintoleranz
100
Myoglobinurie
50
17
Persistierende Muskelschwäche
24
CK-Erhöhung
88
Hyperurikämie
64
Hämatologische Manifestationen
 
 
Bilirubinerhöhung
83
Retikulozytose
80
31
Neben den Glykogenspeichererkrankungen gibt es auch Erkrankungen mit Glykogenmangel (Glykogensynthasemangel = Typ 0 und Glykogenin-1-Mangel = Typ XV).
Diagnostik
Im Ischämietest findet sich entweder kein Laktatanstieg (Typ VII und XIII) oder ein verminderter Laktatanstieg (Typ III, IX, X und XI). Ein normaler Laktatanstieg schließt eine Glykogenose jedoch nicht aus. In der Muskelbiopsie kann die Glykogenspeicherung gering ausgeprägt oder fehlend sein, bei Typ 0 und XV bestehen ein Glykogenmangel. Die Diagnose wird in allen Fällen durch den biochemischen Nachweis der jeweils erniedrigten oder fehlenden Enzymaktivität gesichert.
Therapie
Im Unterschied zum Myophosphorylasemangel kann bei Defekten der Glykolyse eine Glukosezufuhr nicht helfen. Glukose kann sogar zur Verschlechterung der Belastungsintoleranz führen („Out-of-wind-Phänomen“) (Abb. 4). Therapieempfehlungen für diese seltenen Glykogenosen gibt es nicht.

Defekte des Fettsäurestoffwechsels

Langkettige Fettsäuren, die vom Muskel zur Energiegewinnung in den Mitochondrien oxidiert werden, können die innere Mitochondrienmembran nur mithilfe eines speziellen Transportsystems durchdringen. Dabei werden die langkettigen Fettsäure-CoA-Ester durch die Carnitin-Palmityl-Transferase I (CPT I) unter Freisetzung von CoA zu Acyl-Carnitin verestert, das im Austausch gegen freies Carnitin mithilfe einer Translokase durch die innere Mitochondrienmembran transportiert wird. An der Innenseite der inneren Mitochondrienmembran erfolgt dann durch die CPT II die Rückveresterung zu Acyl-CoA, das in der β-Oxidation im mitochondrialen Matrixraum unter Energiegewinnung abgebaut werden kann (Abb. 5). Viele Patienten mit Myopathien den Lipidstoffwechsel betreffend weisen Defekte im Carnitin-Carrier-System auf (primärer muskulärer Carnitinmangel, primärer systemischer Carnitinmangel, sekundäre Carnitinmangelsyndrome) und der Carnitin-Palmityl-Transferase-Mangel. Obgleich sowohl der Carnitin-Palmityl-Transferase-Mangel als auch der Carnitinmangel zu einer Beeinträchtigung des Transports langkettiger Fettsäuren in die Mitochondrien führen, finden sich nur beim Carnitinmangel exzessive Akkumulationen von Triglyceriden in der Muskelfaser.
Neben den Defekten des Carnitin-Carrier-Systems existieren Acyl-CoA-Dehydrogenase-Defekte und Myopathien durch Neutralfettspeicherung (Tab. 5).
Tab. 5
Übersicht Lipidmyopathien
Biochemischer Defekt
Phänotyp
Veränderungen
Acyl-Carnitin-Spektrum Blut
Myohistologie
Carnitin-Palmityltransferase II
Myoglobinurie-Attacken
C16- und C18:1-Carnitin erhöht
Meist normal interiktal
Sehr-Langketten-Acyl-CoA-Dehydrogenase
Myoglobinurie-Attacken
C14:1-Carnitin erhöht
Meist normal interiktal
Trifunktionales Protein
Myoglobinurie-Attacken
3-Hydroxy-C16- und C18-Acyl-Carnitin erhöht
Meist normal interiktal
Mittelketten-Acyl-CoA-Dehydrogenase
Myoglobinurie-Attacken und permanente Muskelschwäche
C8-Carnitin erhöht
Lipidspeicherung
Multiple Acyl-CoA-Dehydrogenase (Glutaracidurie Typ 2)
Permanente Muskelschwäche
Multiple Acyl-Carnitine erhöht (C4–C18:1)
Lipidspeicherung
Permanente Muskelschwäche
Carnitin vermindert
Ausgeprägte Lipidspeicherung
Co-Triglyceridlipase
ABHD5
Permanente Muskelschwäche
Ichthyosis
Normal
Ausgeprägte Lipidspeicherung
Triglyceridlipase
PNPLA2
Permanente Muskelschwäche
Normal
Ausgeprägte Lipidspeicherung
Lipin 1
(Phosphatidsäure-Phosphatase)
Myoglobinurie-Attacken
Normal
Normal oder Lipidspeicherung

Carnitinmangelsyndrome

Carnitin wird überwiegend mit der Nahrung aufgenommen und z. T. auch in einigen Geweben synthetisiert, allerdings nicht in Skelett- und Herzmuskel.
Myopathologisches Leitsymptom einer durch Carnitinmangel bedingten Myopathie ist eine exzessive Lipidspeicherung in den Muskelfasern. Diese Lipidspeichermyopathie darf nicht mit einer interstitiellen Verfettung (Lipomatose) der Muskulatur verwechselt werden. Die Diagnose einer Carnitinmangelmyopathie erfordert die Differenzierung zwischen einem rein muskulären Carnitinmangel, der mit normalem Serumcarnitin einhergeht, und einem systemischen Carnitinmangel in Muskel, Herz, Serum, Leber und anderen Geweben. Sowohl beim systemischen als auch beim muskulären Carnitinmangel äußert sich die klinische Symptomatik in symmetrischer, meist in den Gliedergürteln und in den proximalen Extremitätenabschnitten lokalisierter langsam progredienter Muskelschwäche. Beim systemischen Carnitinmangel gehen die Symptome der Myopathie gelegentlich denen der Enzephalopathie voraus.
Häufiger als ein primärer Carnitinmangel, dessen Ursache in einem gestörten Transport von Carnitin in das Gewebe gesehen wird, ist ein sekundärer Carnitinmangel. Dieser kann die Folge eines anderen Stoffwechseldefektes sein (z. B. mitochondriale Myopathien mit verschiedenen Störungen der Atmungskette, Acyl-CoA-Dehydrogenase-Defekte, Störungen des verzweigtkettigen Aminosäurestoffwechsels). Überdies können exogene Faktoren (z. B. Valproat-Therapie, Hämodialyse, parenterale Ernährung) sowie bestimmte Grunderkrankungen (Niereninsuffizienz und Dialyse, Leberzirrhose mit Kachexie, chronische Myopathien, Hypophyseninsuffizienz, Nebenniereninsuffizienz u. a.) Ursache eines Carnitinmangels sein. Die Diagnostik des Carnitinmangels umfasst nicht nur die Bestimmung des Gesamtcarnitins, sondern auch die differenzierte Analyse von freiem und Acyl-Carnitin. Dies ist gerade bei geringgradig ausgeprägten sekundären Carnitinmangelzuständen sinnvoll, bei denen bei normalem Gesamtcarnitin der Anteil des freien Carnitins vermindert ist.
Therapie
Die Behandlung der Carnitinmangelmyopathie erfolgt sowohl diätetisch als auch medikamentös. Entsprechend der Pathophysiologie ist eine kohlenhydratreiche, fettarme Diät zu empfehlen. Von den Nahrungsfetten sollten solche bevorzugt werden, die überwiegend aus mittelkettigen Fettsäuren bestehen. In vielen Fällen kann sich die Carnitinmangelmyopathie durch die orale Substitution von Carnitin bessern. Im Handel ist L-Carnitin als Sirup und Injektionslösung erhältlich. Die tägliche Dosis von 2–4 g für Erwachsene bzw. 100 mg/kg KG wird auf 3 Einzeldosen verteilt.

Carnitin-Palmityl-Transferase(CPT)-II-Mangel

Der autosomal-rezessiv vererbte muskuläre CPT-II-Mangel äußert sich durch rezidivierende Attacken von Muskelschmerzen, Schwäche, Krampi und Myoglobinurie, die in schweren Fällen zu Nierenversagen und Tod führen können. Diese Episoden werden typischerweise durch lang anhaltende körperliche Belastung, Fasten, fettreiche Nahrung, Kälteexposition oder banale Infekte ausgelöst. Die Muskelschwäche persistiert gewöhnlich nicht, sondern normalisiert sich innerhalb von Stunden oder Tagen. Die Symptome können auf die jeweils beanspruchte Muskelregion beschränkt bleiben oder generalisiert auftreten. Die Häufigkeit der Attacken ist individuell sehr unterschiedlich: Sie reicht von einigen wenigen im gesamten Leben bis zu nahezu täglichem Auftreten. Zwischen den Attacken sind die Patienten in der Regel völlig symptomfrei und uneingeschränkt leistungsfähig. Das Manifestationsalter des CPT-II-Mangels ist die Kindheit, die Adoleszenz oder das junge Erwachsenenalter.
Diagnostik
Als Screening-Untersuchung eignet sich die Bestimmung des Acyl-Carnitin-Spektrums im Blut, welche typischerweise eine Vermehrung der langkettigen Fettsäuren (C16 und C18:1) zeigt. Die Diagnose kann molekulargenetisch bestätigt werden. 90 % der Patienten weisen zumindest auf einem Allel die häufige Missense-Mutation p.S113L auf (Deschauer et al. 2005).
Bei fehlendem Nachweis von Mutationen ist die biochemische Diagnostik immer noch die sicherste Möglichkeit, einen muskulären CPT-II-Mangel nachzuweisen, da auch der myopathologische Befund beim CPT-II-Mangel uncharakteristisch ist. In einer Muskelbiopsie, die kurz nach einer Attacke mit Rhabdomyolyse entnommen wird, finden sich nur unspezifische myopathische Veränderungen und isolierte nekrotische Fasern. Bereits einige Monate nach einer solchen Attacke sind diese myopathologischen Veränderungen nicht mehr nachweisbar. Lediglich in 10 % der Muskelbiopsien zeigt sich eine geringgradige Lipidakkumulation. Die biochemische Untersuchung erweist sich nur in der Muskelbiopsie als sinnvoll, da die Befunde zur CPT-Aktivität in anderen Geweben (u. a. Leukozyten, Thrombozyten) bei diesen Patienten sehr widersprüchlich sind. Biochemisch konnte gezeigt werden, dass dieser Erkrankung nicht das Fehlen einer enzymatisch aktiven CPT II zugrunde liegt, sondern ein abnorm reguliertes Enzymprotein, das in seiner Aktivität durch hohe Konzentrationen verschiedener Fettsäuremetaboliten gehemmt wird (Zierz und Engel 1985). Bei der biochemischen Untersuchung sollte deshalb nicht nur die Gesamtaktivität der CPT gemessen werden, die unter optimalen Testbedingungen auch beim CPT-II-Mangel normal ist, es muss vielmehr auch die Hemmbarkeit des Enzyms durch Malonyl-CoA und Triton X-100 untersucht werden (Deschauer et al. 2005).
Therapie
Beim CPT-II-Mangel lassen sich die subjektiven Beschwerden sowie die Häufigkeit der Myoglobinurien durch eine kohlenhydratreiche Diät reduzieren. Die Patienten sollten bei lang anhaltender Belastung präventiv mehrere kleine Kohlenhydratmahlzeiten zwischen den Hauptmahlzeiten einnehmen. Fasten und starke Kälteexposition müssen vermieden werden.
Patienten mit belastungsinduzierten Myopathien lernen oft selbst, die beschwerdefrei tolerierten Belastungsgrenzen nicht zu überschreiten. In Fällen mit kardialer und respiratorischer Insuffizienz sind zusätzlich symptomatische Maßnahmen hilfreich, z. B. Heimbeatmung und Atemtraining gegen Widerstand.
Fallbeispiel: Carnitin-Palmityl-Transferase-II-Mangel
Ein 18-jähriger Mann stellte sich mit heftigen Muskelschmerzen in der Notaufnahme vor. Er hatte an einem Fußballspiel teilgenommen. Er verneinte eine Drogeneinnahme, berichtete, dass er den ganzen Tag noch nichts gegessen habe. Schon früher habe er bemerkt, dass er heftigen Muskelkater bekomme, wenn er vor dem Sport nicht ausreichend gegessen habe. Diesmal fiel ihm beim Wasserlassen auf, dass der Urin eine eigentümlich rotbraune Färbung hatte. Die CK war 200-fach erhöht, im Urin war eine Myoglobinurie nachweisbar. Harnstoff und Kreatinin waren normal. Der Patient wurde auf der Aufnahmestation überwacht, und unter forcierter Diurese besserten sich die Werte bereits am Folgetag. Die Beschwerden waren nach wenigen Tagen komplett regredient. 6 Wochen später wurde eine Muskelbiopsie zur Ursachensuche entnommen, die histologisch einen Normalbefund zeigte. Ein Unterarmbelastungstest fiel normal aus, das Acyl-Carnitin-Spektrum im Serum zeigte erhöhte Werte für C16 und C18:1. Biochemisch wurde im Muskel ein Carnitin-Palmityl-Transferase-II-Mangel gemessen, der sich molekulargenetisch durch den homozygoten Nachweis der Mutation p.S113L bestätigte.

Andere Myopathien durch Lipidstoffwechselstörungen

Die Symptomatik des Sehr-Langketten-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangels ähnelt sehr dem CPT-II-Mangel. Auch der Mangel an trifunktionalem Protein manifestiert sich mit belastungsinduzierten Attacken mit Myoglobinurie. Beim Mittelketten-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel können Myoglobinurie-Attacken, aber auch eine permanente Muskelschwäche bestehen. Der multiple Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel hingegen weist in der Regel eine permanente Muskelschwäche auf. Bei dieser Erkrankung kommt es zur Glutarsäureausscheidung im Urin. Deshalb trägt sie auch den Namen Glutaracidurie Typ 2. Mutationen in den beiden Untereinheiten des Elektronentransfer-Flavoproteins und der Elektronentransfer-Flavoprotein-Dehydrogenase sind ursächlich. Therapeutisch ist daher die Gabe von Riboflavin (Vitamin B2 als Cofaktor dieser Enzyme) wirksam. Zusätzlich besteht ein Coenzym-Q-Mangel, der substituiert werden sollte. Hinsichtlich der Neutralfettspeichererkrankung gibt es zwei Formen. Bei einer Form findet sich eine Ichthyosis (Fischschuppenkrankheit). Die Fettspeicherung in der Muskelbiospie ist bei den Neutralfettspeichererkrankungen sehr ausgeprägt.

Sonstige Defekte

Myoadenylatdeaminase-Mangel

Die Myoadenylatdeaminase (MAD) katalysiert den Abbau von Adenosinmonophosphat (AMP) zu Inosinmonophosphat (IMP) und Ammoniak (NH3). Auf dieser Reaktion (Abb. 6) beruht der im Ischämietest nachweisbare Anstieg von Ammoniak. Ein fehlender Ammoniakanstieg bei gleichzeitig vorhandenem Anstieg von Laktat kann auf einen Myoadenylatdeaminase-Mangel hinweisen. In größeren Untersuchungsserien findet sich ein MAD-Mangel in etwa 2–3 % der Muskelbiopsien, er wird daher als der häufigste muskuläre Enzymdefekt bezeichnet.
Phänotypisch wurden dem Myoadenylatdeaminase-Mangel belastungsinduzierte Myalgien, Krampi und Muskelschwäche zugeschrieben. Andererseits konnte gezeigt werden, dass viele Personen mit nachgewiesenem MAD-Mangel asymptomatisch sind, sodass die klinische Relevanz des Enzymmangels umstritten ist.
Grundsätzlich wird eine primäre, autosomal-rezessiv vererbte Form mit Stop-Mutation im Exon 2 des AMPD1-Gens (p.Q12X) von einem sekundären Mangel unterschieden. Bei den primären Formen findet sich in der Muskelbiopsie lediglich der histochemische oder biochemische Mangel des Enzyms. Als sekundär werden die Formen bezeichnet, bei denen sich in der Muskelbiopsie zusätzlich entzündliche oder andere myopathologische Veränderungen nachweisen lassen. Bei diesen sekundären Formen des MAD-Mangels findet man keine Mutationen, sondern eine verminderte Menge MAD-spezifischer mRNA. Die Aktivitätsverminderung der MAD scheint hier mit der Schwere der pathologischen Veränderungen einherzugehen.
Es gibt Einzelberichte über die medikamentöse Behandlung mit D-Ribose bei Patienten mit MAD-Mangel, die jedoch nicht in allen Fällen zu einer Linderung der Beschwerden führten.

Brody-Myopathie

Das klinische Bild der wenigen bisher beschriebenen Patienten ist heterogen. Die Symptomatik beginnt gewöhnlich in der Kindheit mit unter forcierter Muskelarbeit auftretenden, meist schmerzlosen Kontrakturen, die sich in Ruhe innerhalb weniger Sekunden lösen. Kälteexposition provoziert die Beschwerden. Subjektiv bemerken die Betroffenen eine symmetrische Steifheit der Skelettmuskulatur bei rascher Anstrengung wie Tanzen, Bergsteigen oder Holzsägen sowie bei Schwimmen in kaltem Wasser. Die Muskelkraft ist gewöhnlich nicht beeinträchtigt, jedoch können in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung leichte Atrophien und Paresen auftreten. Im EMG zeigt sich in der Phase der Kontraktur „elektrische Stille“. Pathogenetisch beruht diese Verlangsamung der Muskelrelaxation auf einer verminderten Kalzium-ATPase-Aktivität, die zu einer verzögerten Kalziumaufnahme in das sarkoplasmatische Retikulum führt. Immunhistochemisch beschränkt sich der Mangel der immunreaktiven Kalzium-ATPase auf die Typ-II-Fasern. Bisher wurden nur bei wenigen Familien mit Brody-Myopathie autosomal-rezessive Mutationen im ATP2A1-Gen identifiziert.

Maligne Hyperthermie

Die maligne Hyperthermie (MH) ist eine gefürchtete Narkosekomplikation, die durch Inhalationsanästhetika oder depolarisierende Relaxanzien ausgelöst wird. Die Anlage zu einer MH folgt einem autosomal-dominanten Erbgang. Allerdings schließen eine oder mehrere vorangegangene komplikationslose Narkosen das Auftreten einer MH bei späteren Narkosen nicht aus.
Die Episoden einer MH sind charakterisiert durch anfängliche Tachypnoe, Tachykardie, Dysrhythmie, raschen Anstieg der Körpertemperatur, Hyperhidrose und Muskelsteifigkeit. Die Auswirkungen auf den Gesamtorganismus sind Azidose, Hypoxie, Hyperkaliämie, CK-Erhöhungen, Myoglobinämie und Myoglobinurie. Die Symptomatik kann auf einzelne Muskelgruppen beschränkt sein (z. B. Masseterspasmus), sie kann aber auch in eine fulminante Krise münden, die unbehandelt meist zum Tod führt.
Ätiologie und Pathogenese
Pathogenetisch liegt der Erkrankung eine vermehrte Ausschüttung von Kalzium aus dem sarkoplasmatischen Retikulum durch Einwirkung der Triggersubstanzen zugrunde. In der Folge steigt das intrazelluläre Kalzium an und löst eine Kontraktur aus. Der dabei auftretende Hypermetabolimus der Muskulatur führt zur verstärkten Wärmeproduktion. Ursache der abnormen Kalziumfreisetzung sind offenbar Defekte der Kalziumkanäle im Bereich der Triaden (Verbindung zwischen transversalen T-Tubuli und sarkoplasmatischem Retikulum). Bei Familien mit MH-Anlage wurden unterschiedliche Mutationen im Gen des muskulären Ryanodinrezeptors (RYR 1), einem Kalziumkanal des sarkoplasmatischen Retikulums, identifiziert. Eine Dysfunktion dieses Kanals als Ursache der MH liegt somit nahe. Bei einigen Familien wurde jedoch die Lokalisation der MH-Anlage in der RYR-1-Region auf Chromosom 19 mit hoher Sicherheit ausgeschlossen. Bei etwa 70 % der Patienten mit MH lassen sich RYR1-Mutationen finden, bei 1 % wurden Mutationen im CACNA1S-Gen gefunden, das für einen muskulären Kalziumkanal kodiert. Es ergibt sich somit eine genetische Heterogenität der Erkrankung.
Diagnostik
Die Diagnose der Anlage zu einer MH kann mithilfe des Halothan-Koffein-Kontrakturtests, der nach einem standardisierten Protokoll durchgeführt wird, an frischem Muskelgewebe gestellt werden. Hierbei wird die Muskelprobe, die in einer Halterung fixiert ist, von diesen Substanzen umspült. Die Skelettmuskulatur von Anlageträgern reagiert bereits bei niedrigen Konzentrationen von Halothan und Koffein mit einer Kontraktur. Dieser In-vitro-Test sollte nur bei Risikopersonen durchgeführt werden, da er eine relativ große Menge an frisch entnommenem Muskelgewebe erfordert. Zu den Personen mit einem erhöhten MH-Risiko gehören Blutsverwandte eines Anlageträgers, Personen mit einem MH-verdächtigen Narkosezwischenfall, Patienten mit hereditären Muskelerkrankungen, die durch Mutationen im Ryanodinrezeptor-1-Gen bedingt sein können (Central core disease, King-Denborough-Syndrom), sowie Patienten mit persistierender familiärer CK-Erhöhung unklarer Genese. Trotz der bekannten Assoziation von Ryanodinrezeptor 1 sowie CACNA1S-Mutationen mit einer Disposition für eine MH können molekulargenetische Untersuchungen den In-vitro-Kontrakturtest noch nicht ersetzen, da manchmal keine Mutation in den beiden Genen nachzuweisen ist.
Bei verschiedenen anderen Muskelerkrankungen können Narkosekomplikationen auftreten, die als MH-ähnliche Attacken bezeichnet werden. Dazu gehören die myotone Dystrophie und die Ionenkanalerkrankungen, die progressiven Muskeldystrophien Duchenne und Becker sowie andere metabolische Myopathien. Diesen MH-ähnlichen Attacken liegt offenbar auch eine Kalziumdysregulation zugrunde, die sich pathogenetisch jedoch von der MH-spezifischen Kalziumdysregulation unterscheidet.
Therapie
Empfohlen wird folgendes Vorgehen bei MH-Attacken:
Therapieempfehlungen
  • Wenn Zeichen einer MH einsetzen, muss die Zufuhr von Triggersubstanzen sofort beendet und entweder das Narkosegerät ausgewechselt oder ein Kohlefilter vorgeschaltet werden.
  • Hyperventilation mit 100 % Sauerstoff und die Gabe von Dantrolen (2,5 mg/kg KG) als Schnellinfusion über 15 min sind die entscheidenden Sofortmaßnahmen.
  • Tritt keine Besserung ein, muss die initiale Dantrolen-Dosis erneut appliziert werden.
  • Die Azidose wird mit Natriumbicarbonat ausgeglichen.
  • Die Kühlung der Körperoberfläche sollte möglichst schnell eingeleitet werden; bei Risikopatienten empfiehlt sich daher bereits präoperativ die Lagerung auf einer nicht eingeschalteten Kühlmatte.
  • Darüber hinaus kann bei Risikopersonen prophylaktisch Dantrolen eingesetzt werden (z. B. 1 mg/kg KG und Tag in geteilten Dosen für 3 Tage vor der Operation). Zu beachten ist, dass Dantrolen aufgrund seiner relaxierenden Eigenschaften bei Patienten mit einer neuromuskulären Erkrankung zur Verstärkung einer vorbestehenden Ateminsuffizienz führen kann.

Facharztfragen

1.
Bei welchen Beschwerden denken Sie an eine muskuläre Glykogenose? Welche diagnostischen Möglichkeiten bestehen, um diesen Verdacht zu bestätigen?
 
2.
Was sind die Leitsymptome des Carnitin-Palmityl-Transferase-II-Mangels? Was empfehlen Sie den Patienten?
 
3.
Wie kann eine Disposition zur malignen Hyperthermie festgestellt werden?
 
Literatur
Zitierte Literatur
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Zierz S, unter Mitarbeit von Deschauer M, Eger K, Jordan B, Kornhuber M, Kraya T, Müller TJ (2014) Muskelerkrankungen, 4. Aufl. Thieme, Stuttgart