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Die Intensivmedizin
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Publiziert am: 25.05.2023

Intensivtherapie bei akuten gastrointestinalen Blutungen

Verfasst von: Georg Braun, Frank Klebl und Helmut Messmann
Man unterscheidet obere (OGIB), mittlere (MGIB) und untere gastrointestinale Blutungen (UGIB) voneinander. Akute gastrointestinale Blutungen manifestieren sich über frischblutiges Erbrechen (Hämatemesis), das Absetzen von Teerstuhl (Melaena) oder das Absetzen von frischem Blut mit oder ohne Blutkoagel (Hämatochezie). Bei oberen gastrointestinalen Blutungen müssen nicht variköse (NVOGIB, z. B. die Ulkusblutung) von varikösen Blutungen (VOGIB) unterschieden werden. Das alleinige kaffeesatzartige Erbrechen (Hämatinerbrechen) kann als ein Marker einer oberen gastrointestinalen Blutung geringerer Intensität gewertet werden. Für den Intensivmediziner steht bei der schweren akuten gastrointestinalen Blutung die initiale hämodynamische Stabilisierung vor dringlicher Endoskopie im Vordergrund.

Ersteinschätzung

Nach einer initialen Einschätzung mittels Anamnese, körperlicher Untersuchung, Vitalparametern und einiger weniger Laborparameter muss eine erste Verdachtsdiagnose gestellt (varikös vs. nicht varikös bzw. OGIB vs. UGIB) und eine Aussage über den vermuteten Schweregrad (hämorrhagischer Schock?) getroffen werden.

Anamnese

Bei der Anamneseerhebung sollten die Blutungsmanifestation, Vorerkrankungen, inklusive vorangegangener Blutungsereignisse, die Vormedikation, Voroperationen und vorangegangene endoskopische Interventionen (insbesondere bei stationären Patienten, z. B. endoskopische Polypektomien) abgefragt werden. Ebenso hilfreich ist die Frage nach der letzten Aufnahme fester Nahrung (siehe Tab. 1).
Tab. 1
Anamnese bei akuter gastrointestinaler Blutung
Blutungsmanifestation
Erbrechen von Kaffeesatz (als Korrelat einer OGIB)
Hämatemesis (als Korrelat einer schwereren OGIB)
Melaena
Hämatochezie (ggf. auch als Korrelat einer schweren OGIB)
Unklarer Hb-Abfall im stationären Setting
„Altered mental status“
Vorerkrankungen
Chronischer Alkokolabusus
Bekannte Leberzirrrhose
Bekanntes Ulkusleiden
Bekannte Refluxösophagitis
Z. n. Ulkusblutung
Z. n. variköser Blutung
Bekannte Virushepatitis B oder C
Bekanntes Malignom im GI-Trakt
Bekannte hämatoonkologische Neoplasie
Bekannte viszerale Thrombosen
Chronische Herzinsuffizienz
Absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern
Z. n. TVT/LAE
Vormedikation
NSAR
TAH/DAPT (ASS, Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor)
Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon, Warfarin)
Direkte Thrombininhibitoren (Dabigatran)
Direkte Faktor-Xa-Inhibitoren (Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban)
Tripletherapie (DAPT + Antikoagulation)
Niedermolekulare Heparine s.c.
Unfraktioniertes Heparin i.v.
PPI
Voroperationen, vorangegangene Endoskopien
Neu angelegte Anastomosen
Z. n. endoskopischer Resektion von Adenomen
Z. n. endoskopischer Papillotomie
Gefäßchirurgische Eingriffe (mit dem Risiko für das Vorliegen von Darmischämien)
Bei gastrointestinaler Blutung unter antithrombotischer Therapie sollte nach der Dosis des verabreichten Medikaments, dem letzten Einnahmezeitpunkt und der Indikation für die antithrombotische Therapie (Einschätzung des thrombembolischen Risikos bei Pausieren bzw. Antagonisierung der antithrombotischen Therapie) gefragt werden. TAH = Thrombozytenaggregationshemmer, DAPT=Dual antiplatelet therapy; TVT = Tiefe Venenthrombose; LAE = Lungenarterienembolie

Körperliche Untersuchung, Vitalparameter

Bei der körperlichen Untersuchung sollte auf das Vorliegen von Leberhautzeichen geachtet werden, ein Peritonismus bei akutem Abdomen sollte ausgeschlossen sein. Bei unklarer Blutungsmanifestation sollte eine digital-rektale Untersuchung erfolgen. Bezüglich der zu erhebenden Vitalparametern ist neben dem Blutdruck, der Herzfrequenz und der Körpertemperatur auch das Vorhandensein einer qualitativen bzw. quantitativen Bewusstseinsstörung („Altered mental status“) von Bedeutung.

Labor

Bei der Ersteinschätzung einer gastrointestinalen Blutung bezüglich Blutungsintensität und Schweregrad sind nur wenige Laborparameter von Bedeutung, die teilweise auch mittels „Point-of-care“-Testung zu erheben sind, hier sind in erster Linie der Hämoglobin-Wert und das Laktat zu nennen, allerdings schließt ein im Referenzbereich befindlicher Hb-Wert eine schwere Blutung keinesfalls aus. Präendoskopisch ist die Unterscheidung zwischen variköser und nicht variköser Blutung schwierig. Bis zu 50 % der Patienten mit Leberzirrhose und oberer gastrointestinaler Blutung haben eine NVOGIB, auch die Berücksichtigung bestimmter Laborkonstellationen (Thrombozytopenie, Transaminasenerhöhung) erhöht die präendoskopische Vorhersagewahrscheinlichkeit nicht (Rockey et al. 2016).

Blutungsscores

Insbesondere bei vermuteter NVOGIB sind Scores zur Risikoevaluation etabliert.
Der Glasgow-Blatchford-Score (GBS) trifft eine Aussage über die Notwendigkeit der Durchführung einer endoskopischen Therapie bei der Index-ÖGD, die innerhalb von 12 Std. durchgeführt werden sollte. In seiner modifizierten Form beinhaltet der mGBS die Parameter „Herzfrequenz“, „systolischer Blutdruck“, „Blood urea nitrogen BUN“ (BUN in mg/dl = Harnstoff in mg/dl/2,142) und „Hämoglobin-Wert“. Patienten mit einer Punktzahl von 0–1 benötigen nahezu nie eine endoskopische Therapie, Patienten mit einer Punktzahl von 10–16 benötigen nahezu immer eine endoskopische Therapie (Cheng et al. 2012).
Der Rockall-Score kann präendoskopisch und nach der Index-ÖGD (Ösophagogastroduodenoskopie) („complete Rockall Score“) ermittelt werden und trifft eine Aussage über Mortalität und Rezidivblutungswahrscheinlichkeit. Von einer Hochrisikokonstellation spricht man bei einem „complete Rockall Score“ von sieben oder mehr Punkten, in der Originalpublikation ist das Rezidivblutungsrisiko hier > 40 % (Tab. 2 und 3) (Rockall et al. 1996).
Tab. 2
Scoringsystem zur Beurteilung des Rezidivblutungs- und Mortalitätsrisikos bei NVOGIB. (Rockall et al. 1996)
Risikofaktoren
0
1
2
3
Alter (Jahre)
< 60
60–80
> 80
 
Schock
Nein
Tachykardie
Hypotonie
 
Begleiterkrankungen
Nein
 
Kardial
Renal
Hepatisch
Maligne
Diagnose
Mallory-Weiss-Läsion, keine Läsion
Alle anderen Blutungsquellen
Tumor
 
Blutungsstigmata
Keine Blutungsstigmata, keine Hämatinreste
Blut, adhärentes Koagel, Gefäßstumpf, spritzende Blutung
  
Tab. 3
Patienten mit Scorewerten ≤ 2 können ambulant betreut werden, hingegen bedürfen Patienten mit einem Scorewert ≥ 6 einer intensivmedizinischen Betreuung. (Rockall et al. 1996)
Score
Patienten
Rezidivblutung
Mortalität nach Rezidivblutung
Gesamtmortalität
 
n
(%)
n
(%)
n
(%)
n
(%)
≤ 2
744
(30)
32
(4,3)
0
(0)
1
(0,1)
3–5
1219
(48)
173
(14)
30
(2,5)
56
(4,6)
≥ 6
580
(22)
211
(37)
80
(14)
126
(22)

Management der vermuteten schweren NVOGIB

Präendoskopische Therapie

Grundsätzlich ist bei Patienten im hämorrhagischen Schock bei schwerer oberer gastrointestinaler Blutung zunächst der Intensivmediziner gefragt.
Erst nach einer initialen hämodynamischen Stabilisierung kann eine ÖGD erfolgen. Diese initiale hämodynamische Stabilisierung folgt allgemeinen intensivmedizinischen Prinzipien. Es sollen zunächst balancierte Kristalloide verwendet werden, der Vasopressor der ersten Wahl ist Noradrenalin (Gotz et al. 2017). Ein restriktives Transfusionsprotokoll ist mit einem besseren Outcome assoziiert. Als Transfusionstrigger gilt ein Hb-Wert von 7–8 g/dl (Villanueva et al. 2013). Im schweren hämorrhagischen Schock erfolgt die Gabe von Erythrozytenkonzentraten ggf. unabhängig vom Hb-Wert nach Maßgabe des Intensivmediziners. Nach einer initialen hämodynamischen Stabilisierung und noch vor der Index-ÖGD sollen ein Protonenpumpeninhibitor in doppelter Standarddosierung (Lau et al. 2007) und Erythromycin bolusweise i.v. (250 mg) (Theivanayagam et al. 2013) verabreicht werden (Off-Label-Use). Nach Erythromycin i.v. und mit verbesserter Magenentleerung ist die Magenschleimhaut besser zu beurteilen, die Notwendigkeit der Durchführung einer zweiten Endoskopie und der Transfusionsbedarf sind signifikant niedriger (Theivanayagam et al. 2013). Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Erythromycin sind zu beachten, z. B. ein Long-QT-Syndrom. Der Einsatz von Tranexamsäure bei vermuteter schwerer gastrointestinaler Blutung ist nicht indiziert (HALT-IT Trial Collaborators 2020). Der beste Zeitpunkt der Index-ÖGD bei vermuteter schwerer NVOGIB wird kontrovers diskutiert. Bei Patienten mit einem Glasgow-Blatchford-Score ≥ 12 war die Durchführung einer ÖGD innerhalb der ersten sechs Stunden nach Krankenhausaufnahme mit einer signifikant höheren 30-Tages-Mortalität (8,9 % vs. 6,6 %) und einer signifikant höheren Reblutungsrate nach 30 Tagen assoziiert (10,9 % vs. 7,8 %) im Vergleich zu Patienten, die innerhalb der ersten sechs bis 24 Stunden nach Krankenhausaufnahme endoskopiert wurden (Lau et al. 2020). Auch bei Patienten im hämorrhagischen Schock konnte in einer prospektiven Erfassung eine signifikant erhöhte 30-Tages-Mortalität bei den Patienten nachgewiesen werden, die innerhalb der ersten sechs Stunden nach Krankenhausaufnahme endoskopiert wurden (Laursen et al. 2017), sodass in einer europäischen Leitlinie empfohlen wird, dass bei vermuteter schwerer NVOGIB die Index-ÖGD nicht innerhalb der ersten sechs Stunden erfolgen soll (Gralnek et al. 2021). Wichtiger als die Einhaltung von Zeitintervallen erscheint die Stabilisierung des Patienten vor Durchführung einer Endoskopie.

Endoskopische Therapie

Bezüglich der endoskopischen Therapie bei NVOGIB ist weiterhin die Forrest-Klassifikation von 1974 maßgeblich: Bei Forrest-I-Läsionen handelt es sich um aktiv blutende Läsionen (Forrest IA als aktiv arterielle Blutung, Forrest IB als Sickerblutung), Zeichen einer stattgehabten Blutung finden sich bei Forrest-II-Läsionen. Eine endoskopische Therapie sollte bei aktiv blutenden Läsionen und bei Forrest-IIA-Ulzera erfolgen (sichtbarer Gefäßstumpf ohne aktive Blutung) (Forrest et al. 1974) (Abb. 1). Grundsätzlich ist eine Kombination aus einer Injektionstherapie mit einem zweiten endoskopischen Hämostaseverfahren (mechanisch, z. B. eine Cliptherapie, oder thermisch) empfohlen (Gotz et al. 2017). In letzter Zeit werden zunehmend „Over-the-scope-clips“ verwendet im Gegensatz zu den bisher gebräuchlichen „Through-the-scope-clips“, hierbei handelt es sich um Klipps, die auf einer Distanzkappe aufgezogen sind und mittels Fadenzug durch den Arbeitskanal appliziert werden können. Insbesondere bei schwerer peptischer Ulkusblutung sind „Over-the-scope-clips“ effektive Werkzeuge für das Erreichen einer definitiven endoskopischen Hämostase. In der Primärtherapie sollen „Over-the-scope-clips“ u. a. eingesetzt werden bei Ulzera mit einem hohen Rezidivblutungsrisiko, hierzu zählen Ulzera im Versorgungsgebiet der Arteria gastroduodenalis (z. B. im Bereich der Hinterwand des Bulbus duodeni) und der Arteria gastrica sinistra, sehr große Ulzera mit derbem Ulkusgrund oder Ulzera mit sehr großem Gefäßstumpf > 2 mm (Gralnek et al. 2021). Auch bei Patienten mit einem „complete Rockall score“ ≥ 7 war die primäre Applikation von „Over-the-scope-clips“ mit einem verbesserten Outcome assoziiert als die Verwendung von „Through-the-scope-clips“ (Meier et al. 2022). Auch bei rezidivierender Ulkusblutung sind „Over-the-scope-clips“ mit einer signifikant höheren Blutstillungsrate als die bisher etablierten Methoden einhergehend (Schmidt et al. 2018), sodass bei dem V. a. eine erste Rezidivblutung der erneute Versuch einer endoskopischen Blutstillung erfolgen soll (Abb. 2).

Versagen einer endoskopischen Therapie, Sekundärprophylaxe

Bei endoskopisch unstillbarer Blutung sollte im nächsten Schritt eine interventionelle Angiografie angestrebt werden. Hier ist eine Klippmarkierung zur besseren Identifikation des betroffenen Versorgungsgebietes in der vorangegangenen ÖGD von Vorteil. Nach interventionellem Verschluss der A. gastroduodenalis werden in seltenen Fällen postischämische Duodenalstenosen beschrieben (Loffroy et al. 2010). Eine operative Vorgehensweise ist nur noch selten erforderlich.
Der Stellenwert einer sekundärprophylaktischen Angiografie nach stattgehabter schwerer Ulkusblutung bleibt unklar (Lau et al. 2019), bei stattgehabter schwerer Blutung aus Ulzera im Bereich der Bulbushinterwand erscheint eine sekundärprophylaktische interventionelle Angiografie im Bereich der A. gastroduodenalis aber gerechtfertigt.

Stressulkusprophylaxe

Die Stressulkusprophylaxe (SUP) ist ein Dauerthema in der Intensivmedizin. Im „SUP-ICU trial“ wiesen Patienten mit Risikofaktoren für gastrointestinale Blutungen (Schock, Beatmung, Nierenversagen, Leberinsuffizienz, Koagulopathie, Thrombozyten < 50/nl, INR > 1,5) ohne PPI und mit Placebo mehr gastrointestinale Blutungen auf ohne signifikante Unterschiede bezüglich des Auftretens von klinisch relevanten gastrointestinalen Blutungen, Pneumonien, Clostrioides-difficile-assoziierten Diarrhoen oder Myokardinfarkt (Krag et al. 2018). Im „PEPTIC trial“ war die 90-Tages-Mortalität bei invasiv beatmeten Patienten mit PPI nicht signifikant unterschiedlich im Vergleich zu invasiv beatmeten Patienten mit H2-Rezeptorantagonisten. In der PPI-Gruppe traten aber signifikant weniger klinisch relevante gastrointestinale Blutungen auf (1,3 % vs. 1,8 %). Bei schwer kranken Patienten mit einem APACHE II > 18 bestand ein Trend zu einer erhöhten Mortalität in der PPI-Gruppe (Australian, P.I.f.t 2020). Beatmete Patienten ohne enterale Ernährung sollten eine Stressulkusprophylaxe mit einem PPI erhalten (Ye et al. 2020).

Management der vermuteten varikösen Blutung

Präendoskopische Therapie

Parallel zur schweren NVOGIB ist zunächst eine Stabilisierung des Patienten zu gewährleisten, damit die Index-ÖGD unter möglichst kontrollierten Bedingungen erfolgen kann. Präendoskopisch sollten eine vasoaktive Substanz (1–2 mg Terlipressin langsam i.v., alternativ 250 μg Somatostatin oder 50 μg Octreotid i.v.), ein Antibiotikum (im Wesentlichen Ceftriaxon als ein Cephalosporin der 3. Generation) und ein PPI in doppelter Standarddosierung intravenös verabreicht werden (de Franchis et al. 2022). Die Rationale für eine präendoskopische PPI-Gabe bei vermuteter variköser Blutung liegt darin, dass präendoskopisch auch bei Patienten mit Leberzirrhose nicht zwischen variköser Blutung und nicht variköser Blutung unterschieden werden kann (Rockey et al. 2016). Die Nebenwirkungen von Terlipressin sind zu beachten, u. a. kann Terlipressin als Vasopressin-Analogon zu schweren Hyponatriämien führen (Tab. 4). Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach der Durchführung einer präendoskopischen endotrachealen Intubation, diese sollte bei fortgesetztem frischblutigen Erbrechen und bei schwerer quantitativer Bewusstseinsstörung im Sinne einer schweren hepatischen Enzephalopathie zumindest in Betracht gezogen werden (de Franchis et al. 2022). Noch schwieriger zu beantworten ist die Frage nach einem suffizienten Gerinnungsmanagement. INR, PTT und Thrombozytenzahl erscheinen zur Steuerung einer prothrombotischen Therapie ungeeignet (de Franchis et al. 2022), Tranexamsäure i.v. ist auch bei variköser Blutung ohne Benefit (HALT-IT Trial Collaborators 2020), „Fresh frozen plasma“ zur Faktorensubstitution ist mit negativen Effekten einhergehend (Mohanty et al. 2021), möglicherweise durch eine Volumenüberladung mit weiterem Druckanstieg im Splachnikusgebiet mit einem erhöhten Risiko für bakterielle Translokationen (Mukhtar und Dabbous 2016). Möglicherweise sind Thrombelastometrie-basierte Therapieschemata sinnvolle Alternativen (Rout et al. 2020). Grundsätzlich ist eine variköse Blutung ausgelöst durch einen akuten Druckanstieg im Pfortaderkreislauf nicht durch eine erhöhte Blutungsneigung bei Leberinsuffizienz. Patienten im Child-Turcotte-Pugh-Stadium C profitieren nicht mehr von einem restriktiven Transfusionsregime (Villanueva et al. 2013).
Tab. 4
Dosierung von vasoaktiven Substanzen bei (vermuteter) variköser Blutung
Substanz
Dosierung
Unerwünschte Nebenwirkungen
Somatostatin
250-μg-Bolus i.v., dann 250–500 μg/h per infusionem für 48 h
Blutdruckanstieg, Hitzewallungen, Hyperglykämien bei Dauerinfusion
Octreotid
50-μg-Bolus i.v., dann 50 μg/h per infusionem für maximal 5 Tage
Diarrhö
Terlipressin
1–2 mg langsam i.v., dann 1 mg alle 4–6 h, maximale Tagesdosis 6-mal 20 μg/kg KG
Arrhythmien, Angina pectoris, Linksherzinsuffizienz, mesenteriale Ischämien

Endoskopie

Man unterscheidet Ösophagusvarizen von Magenvarizen. Die gastralen Varizen werden eingeteilt nach Sarin (Sarin et al. 1992). Bei Ösophagusvarizen und gastroösophagealen Varizen vom Typ 1 (Varizen, die über die Kardia in Richtung kleine Kurvatur verlaufen) wird eine Gummibandligatur angestrebt. Bei isolierten gastralen Varizen vom Typ 1 (Fundusvarizen) und gastroösophagealen Varizen vom Typ 2 (Varizen, die über die Kardia in den Fundus ziehen) wird eine Injektionstherapie mit Histoacryl angestrebt (de Franchis et al. 2022). Die Therapie von ektopen Varizen soll hier nicht besprochen werden.

Versagen einer primären endoskopischen Therapie

Das Primärversagen bei variköser Blutung ist definiert als:
  • Versagen der Ligaturtherapie oder Injektionstherapie mit fortgesetzter Blutung,
  • fortgesetzte Hämatemesis,
  • ausbleibende hämodynamische Stabilisierung,
  • weiterhin fallender Hb > 3 g/dl,
  • erneute blutung innerhalb von fünf Tagen (Tripathi et al. 2015).
Im Primärversagen stehen unterschiedliche Therapieoptionen zur Verfügung:
  • Sengstaken-Sonde für ein Primärversagen bei Ösophagusvarizenblutung, Linton-Sonde für eine anhaltende Fundusvarizenblutung als Bridging-Verfahren, Liegezeit: 24 Stunden
  • Vollummantelte selbstexpandierende Metallgitterstents als Bridging, Liegezeit bis zu sieben Tage
  • „Rescue-TIPSS“ (TIPSS als transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent-Shunt) mit oder ohne radiologische Varizenembolisation als definitives Verfahren.
Die Verwendung von vollummantelten Metallgitterstents erwies sich als effektiver und weniger komplikativ als die Sengstaken-Sonde (Escorsell et al. 2016). Nach Implantation eines Metallgitterstents sollte die Etablierung eines TIPSS in einem Zentrum angestrebt werden (Abb. 3).

Sekundärprophylaxe

Als besonders effektiv in der Sekundärprophylaxe von varikösen Blutungen erscheint eine TIPSS-Implantation. So war die Ein-Jahres-Mortalität bei Patienten im Child-Turcotte-Pugh-B-Stadium und aktiver Blutung bei der Index-ÖGD 62 % verglichen zu 79 % bei Patienten unter medikamentöser Betablockade und mit endoskopischen Kontrollen, bei Patienten im Child-Turcotte-Pugh-C-Stadium 51 % vs. 75 %, etwas überraschend waren die Episoden mit manifester hepatischer Enzephalopathie nicht signifikant unterschiedlich (Nicoara-Farcau et al. 2021).

Untere gastrointestinale Blutung

Das Absetzen von frischem Blut und Koageln ist nicht immer Ausdruck einer unteren gastrointestinalen Blutung, sondern kann ein Zeichen für eine schwere obere gastrointestinale Blutung sein.
Kritisch kranke Patienten nach gefäßchirurgischen Eingriffen mit Hämatochezie sollten zeitnah endoskopiert werden (Cooper & Upchurch Jr. 2019), ggf. ist eine dringliche operative Versorgung im Anschluss erforderlich.
Grundsätzlich sollte bei Nachweis einer ischämischen Kolitis als Blutungsquelle eine CT-Angiografie erfolgen, die transmurale Ischämie ist mittels Endoskopie nur unzureichend beurteilbar (Houe et al. 2000), außerdem kann im CT die Ausbreitung nach oral beurteilt, eine Pneumatosis als indirekter Nachweis für eine transmurale Ischämie nachgewiesen und eine okklusive Ursache ausgeschlossen werden.
Sonst ist bei einer unteren gastrointestinalen Blutung die Durchführung der Index-Endoskopie nicht so zeitkritisch wie bei schwerer oberer gastrointestinaler Blutung. In einer Metaanalyse aus vier randomisiert kontrollierten Studien war eine Koloskopie nach entsprechender Vorbereitung und nicht in den ersten 24 Stunden nach Krankenhausaufnahme bei Patienten mit Hämatochezie mit „high-risk clinical features“ (Tachykardie bei Krankenhausaufnahme, arterielle Hypotonie, Synkope, Enzephalopathie, Komorbiditäten, Alter > 60 Jahre, bekannte Divertikulose, bekannte Angiektasien, Kreatinin-Erhöhung, Anämie, antithrombotische Therapie) nicht mit einer erhöhten Mortalität assoziiert (Tsay et al. 2020).
Bei anhaltender Schocksymptomatik bei initial vermuteter unterer gastrointestinaler Blutung sollte eine ÖGD zum Ausschluss einer oberen gastrointestinalen Blutung erfolgen. Ist diese ausgeschlossen, kann eine Koloskopie bzw. Sigmoidoskopie bei unvorbereitetem Patienten erfolgen. Sollte die Blutungsquelle nicht identifizierbar sein, kann in einem nächsten Schritt eine CT-Angiografie erwogen werden (erforderliche Blutungsintensität: 0,3–0,5 ml/min.).

Mittlere gastrointestinale Blutungen

Mittlere gastrointestinale Blutungen sind selten und eher eine diagnostische als eine intensivmedizinische Herausforderung: Aus einer Vielzahl von diagnostischen und therapeutischen Optionen (Jejunoskopie, obere bzw. untere Doppelballonenteroskopie, Spiralenteroskopie, intraoperative Endoskopie, Videokapselendoskopie, CT-Angiografie, konventionelle Angiografie, operative Vorgehensweise) sollte ein sinnvoller Algorithmus gewählt werden.
Literatur
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