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Transitionspsychiatrische Behandlungsansätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Verfasst von: Anne Karow, Eva Möhler und Franz Resch
Für die psychische Entwicklung eines Menschen ist die Adoleszenz eine entscheidende Lebensphase. Aus klinischer Sicht ist hervorzuheben, dass in diesem Lebensabschnitt viele psychische Störungen erstmals ausbrechen, einmalig auftreten oder sich aus dem Kindesalter fortsetzen. An verschiedenen Orten in Deutschland haben sich adoleszenzpsychiatrische Versorgungsmodelle als kooperative Strukturen zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie konstituiert und blicken bereits auf mehrjährige Erfahrung zurück. Der vorliegende Beitrag wird daher die psychotherapeutisch und psychiatrisch besonders relevanten Schwerpunkte der Behandlung in der Transitionsphase erörtern. Die Unterstützung von Selbstwirksamkeitserfahrungen als Promotor für faktische Verselbstständigung stellt einen Schwerpunkt inhaltlicher und konzeptueller Überlegungen dar, die an praktischen Beispielen langjährig erfolgreicher Behandlungskonzepte für die Transitionsphase vorgestellt werden.

Einleitung

Die Entwicklungsphase zwischen 15 und 25 Jahren wird in der Literatur als Transitionsphase bezeichnet (Banaschewski et al. 2019). Damit soll charakterisiert werden, dass es sich um den Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenalter handelt. Während es keine für dieses Alter typische spezifische psychische Krankheit gibt, sondern prinzipiell alle Störungsbilder auch in der Adoleszenz vorkommen können, gibt es doch Besonderheiten und spezifische Entwicklungsaufgaben, die in dieser Phase zu Schwerpunktthemen der Therapie werden können.
Die Adoleszenz ist die Lebensphase des Übergangs vom Kind oder Jugendlichen zum Erwachsenen. Die frühe Adoleszenz wird mit Beginn der körperlichen Pubertät angenommen, während die späte Adoleszenz bis in das Erwachsenenalter reicht. Sie war schon immer gekennzeichnet durch Umbrüche, spezifische Krisen und Probleme. In der Gegenwart führten die komplexen gesellschaftlichen Veränderungen auch zu Veränderungen in der Adoleszenz und in der Reifung junger Erwachsener. Allgemein beobachtet man, dass die Adoleszenz heute früher beginnt als in vergangenen Zeiten, und dass sie länger andauert, über das 21. Lebensjahr hinaus. Ebenso beobachten wir eine Zunahme junger Erwachsener, die juvenil handeln. Gesellschaftlich hat sich die Phase des Erwachsenwerdens in allen europäischen Ländern verlängert, obwohl die körperliche Reifung zunehmend früher einsetzt (Worthman und Trang 2018). Für diese spezifische Übergangsphase wurde der Begriff der Emerging Adulthood geprägt (Arnett 2000), wobei der Beginn des Erwachsenenlebens als ein soziokulturell geprägtes gesellschaftliches Konstrukt angesehen wird und erheblichen individuellen Unterschieden unterliegt (Ledford 2018).
Für die psychische Entwicklung eines Menschen ist die Adoleszenz eine entscheidende Lebensphase. Aus transitionsmedizinischer Sicht ist hervorzuheben, dass in dem Kernabschnitt zwischen 15 und 25 Jahren viele psychische Störungen erstmals ausbrechen, einmalig auftreten oder sich aus dem Kindesalter fortsetzen. Vor allem die Identitätskrisen der letzten Pubertätsjahre können vielfältige Störungen erzeugen oder aggravieren. Die bisherigen Studien zeigen mit überzeugender empirischer Evidenz, dass sich der größte Anteil (75 %) aller psychischen Erkrankungen, die über die gesamte Lebensspanne auftreten, spätestens im jungen Erwachsenenalter erstmalig manifestieren (Kessler et al. 2005). Man könnte argumentieren, dass die „normalen“ Stressoren in Kindheit und Adoleszenz nach Abschluss dieser Lebensphasen verschwinden und die manifesten psychischen Probleme und Erkrankungen automatisch remittieren. Allerdings widerspricht genau dies dem Forschungsstand, der eine hohe Persistenz von frühen psychischen Störungen in der Adoleszenz in das Erwachsenenalter belegt (de Girolamo et al. 2012). Dabei wurde gezeigt, dass die Entwicklungen zur Manifestation der psychischen Erkrankung in einem Kontinuum von frühen unspezifischen Verhaltensauffälligkeiten, ersten Symptomen bis hin zur Entwicklung des erkrankungsspezifischen Vollbildes verlaufen (Costello et al. 2003; McGue et al. 2006; Reef et al. 2009; Teplin et al. 2012). Erkenntnisse zur Persistenz früher psychischer Störungen in das Erwachsenenalter wurden auch aus erkrankungsspezifischen Studien gewonnen. Hier haben Untersuchungen zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Verhaltensstörungen im Kindes- und Jugendalter, Zwangsstörungen, Angststörungen, bipolare Störungen, Schizophrenie, Essstörungen, Autismus oder Schmerzstörung ebenfalls eine hohe Persistenz früher psychischer Störungen nachgewiesen (Lambert et al.). Darüber hinaus sind psychische Erkrankungen in der Adoleszenz mit der Entwicklung komorbider Störungen assoziiert. Dies betrifft vor allem sekundäre Suchterkrankungen, Depressionen oder Angststörungen (Kessler et al. 2012). Ein weiterer für die Transition zentraler Fokus ist bei allen genannten Störungen die Identitätsentwicklung.

Neurobiologischer Umbau und Identität

Das Gehirn in der Adoleszenz gleicht einer Dauerbaustelle. Die graue Substanz nimmt ab, dies scheint nach Brunner und Kollegen bei bestimmten Patienten vorwiegend im präfrontalen und orbitofrontalen Kortex der Fall zu sein (Brunner et al. 2010).
Demgegenüber nimmt die weiße Substanz zu und somit die dort befindliche Zahl der myelinisierten Axone, die wichtig für schnelle Informationsweiterleitung sind. Dieser Umbau betrifft auch und vor allem offenbar das Dopaminsystem (Asato et al. 2010). Insbesondere im präfrontalen Kortex findet eine erhebliche Reifung der dopaminergen Transmission statt (Hoops und Flores 2017). Die Gliazellen, speziell Oligodendrozyten, werden als Motor dieser schnellen Myelinisierung postuliert (Konrad et al. 2013). Dabei entwickelt sich die Myelinisierung von inferioren zu superioren Hirnarealen und auch eher von hinten nach vorne.
Insbesondere die Veränderungen im Dopaminsystem werden mit vermehrt risikosuchendem Verhalten in Verbindung gebracht. Auch kann sich durch Umbauprozesse im präfrontalen Kortex immer auch eine Veränderung im Bereich der Exekutivfunktionen, wie Handlungsplanung, Impulskontrolle etc., ergeben.
Umbauprozesse sind auch störanfällig und für das Individuum möglicherweise belastend, insbesondere müssen diese ja auch selbst erlebten Veränderungen in Wahrnehmung und Verhaltenssteuerung mit dem bisherigen Selbstbild in Einklang gebracht werden.
Patienten in der Transition zeigen daher oft eine erhöhte Instabilität ihres Selbstbildes und ihrer Beziehungen (O. F. Kernberg 1978) und die Störung des Identitätserlebens ist durch eine massive, andauernde Instabilität der Selbstwahrnehmung gekennzeichnet (Saß et al. 2003). Durch das erfolgreiche Bewältigen von Identitätskrisen kommt es subjektiv zum Gefühl von Kontinuität und Kohärenz bezüglich des eigenen Selbsterlebens. Dieses Gefühl bildet die Grundlage für eine integrierte Identität als harmonische Gesamtheit (Force 2008; OPD Task Force 2008). Identitätskrisen entstehen durch Diskrepanzen zwischen sich schnell ändernden physischen und psychischen Erlebnissen oder einem zunehmendem Unterschied zwischen der eigenen Wahrnehmung des Selbst und der Wahrnehmung darüber, wie Andere einen sehen (O. F. Kernberg 1978). Phasenhafte Identitätskrisen sind psychophysiologische Erscheinungen der adoleszenten Entwicklungsphase (Foelsch et al. 2010). Diese Krisen manifestieren sich meistens als chronisches Gefühl der Leere, Widersprüchlichkeiten innerhalb des eigenen Selbst, Oberflächlichkeit und anderen Anzeichen einer Ich-Schwäche (O. F. Kernberg 1978). Die Bewältigung und Lösung von Identitätskrisen führt zur gesteigerten Konsolidierung und Flexibilität der Identität (P. F. Kernberg et al. 2000). Dabei bleibt die Kernvorstellung des eigenen Ichs trotz eventueller Experimente mit unterschiedlichen Rollen zeitlich und situativ beständig (P. F. Kernberg et al. 2000). Auch Kernberg sieht die Bewältigung von zeitweiligen Identitätskrisen als Voraussetzung für realistische Selbstreflexion, Eigenständigkeit und Befriedigung durch soziale Interaktion, sowie als Grundlage für eine Vorhersagbarkeit und Kontinuität des Empfindens und des Erlebens über die Zeit und verschiedene Situationen hinweg. Diese Fähigkeiten und Eigenschaften führen zur Entwicklung einer integrierten Identität (O. F. Kernberg 1992; Skodol et al. 2002).
Einige Menschen können die unterschiedlichen Aufgaben der Identitätsentwicklung nur schwer integrieren und erleben durch die Unfähigkeit zur Bewältigung einer Identitätskrise eine Blockade in der Identitätsentwicklung (Birkhoelzer et al. 2015). Diese andauernde Identitätskrise mit blockierter Identitätsentwicklung wird als Identitätsdiffusion beschrieben und liegt Störungen in der Transitionsphase häufig zugrunde oder begleitet diese.
Anders als die phasenhaften Identitätskrisen, die als psychophysiologische Erscheinungen der adoleszenten Entwicklungsphase gesehen werden können, zeigt eine Identitätsdiffusion einen gravierendes Ausmaß der Symptome (Foelsch et al. 2010). Es kommt zur mangelhaften Integration des eigenen Konzepts des Selbst und des Konzepts bedeutsamer Anderer, zu einer Unfähigkeit zur Selbstdefinition, zu einem schmerzhaften Gefühl der Inkohärenz sowie fehlender Verbindlichkeit bezüglich eigener Ziele, Wertvorstellungen und Beziehungen (Birkhoelzer et al. 2015). Schwerpunktthemen dieser Patienten sind ein Verlust der Fähigkeit der Definition des eigenen Selbst, defizitäre Autonomiefunktionen, mangelnde oder fehlende Integration des Konzepts des Selbst und Anderer, Schwierigkeiten bei der Überwindung von Separations- und Individuationsphasen, Perspektivenverlust, chaotische Selbstbeschreibungen, rigide Beschreibung von anderen Personen mit auffälliger Anzahl von Widersprüchlichkeiten und Klischees, Pseudo-Unterwürfigkeit oder Pseudo-Aufsässigkeit, ein nicht integriertes Über-Ich, Überidentifikation mit bestimmten Gruppen oder Rollen, ein schmerzhaftes Gefühl von Inkohärenz, und ein reduziertes Engagement bei der Arbeit, in vertraulichen Beziehungen oder bezüglich eigener Werte oder Ziele (Foelsch et al. 2010). Diese Identitätsdiffusion bildet die Grundlage für verschiedene Persönlichkeitsstörungen und taucht meistens im Zusammenhang mit einem Spektrum an maladaptiven und dysfunktionalen Verhaltensweisen auf, die als häufiger Behandlungsanlass in der Transitionsphase imponieren (Fonagy et al. 2004).
Hauptziel aller Therapien im Transitionsalter ist es, die Affektregulation und Spannungstoleranz der Patienten zu verbessern, belastende oder traumatische Erfahrungen zu verarbeiten und eine selbstständige Lebensführung, soziale Einbindung und Arbeitsfähigkeit zu erlangen (Herpertz 2001).

Spezifische Versorgungsprobleme in der Transitionsphase

Aufgrund individueller Defizite in der Fähigkeit unter anderem zur Impulskontrolle, emotionalen Regulation, Stresstoleranz, Mentalisierung und Selbstfürsorge profitieren Patienten in der Transitionsphase oft noch nicht von Therapieangeboten aus der Erwachsenenpsychiatrie, sind aber den Angeboten der Kinder- und Jugendpsychiatrie bereits entwachsen (Blankenburg et al. 2008; S. P. Singh et al. 2017). Dies führt nicht selten zu einem Scheitern von Behandlungsversuchen und negativen Therapiebewertungen. Die Folgen sind eine altersspezifisch besonders hohe Rate von Therapieabbrüchen zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr, im ungünstigen Fall eine rasche und wiederkehrende Entwicklung psychischer Krisen mit häufigen Notfallkontakten und dem sog. Drehtüreffekt und eine altersspezifisch sehr niedrige Therapieinanspruchnahme von 4–8 % vor allem hinsichtlich kontinuierlich durchgeführter Therapien (Pottick et al. 2008; S.P. Singh 2009). Diese Brüche in der psychiatrischen Versorgung führen auch unter Berücksichtigung heterogener Krankheitsverläufe gerade bei schweren psychischen Erkrankungen zu einer Behandlungsverzögerung von durchschnittlich 7 Jahren mit einem hohen Risiko für frühe Chronifizierungen (Gore et al. 2011; Lambert et al.). Die Folgen sind eine hohe und langfristige Krankheitslast für junge Menschen und ihre Angehörigen sowie hohe direkte und indirekte Kosten für die Gesellschaft (Vos et al. 2012).
Zahlreiche diagnoseübergreifende Studien aus verschiedenen westlichen Gesundheitssystemen zeigen eine niedrige Inanspruchnahme von Therapiemaßnahmen von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen in der Transitionsphase (Burgess et al. 2009; Lora 2008; S.P. Singh 2009). Damit hat die Altersgruppe mit der höchsten Prävalenz und Inzidenz von psychischen Erkrankungen und dem höchsten Risiko für frühe Chronifizierungen und langfristige negative Konsequenzen die niedrigste Behandlungsrate (Burgess et al. 2009).
Das junge Ersterkrankungsalter zusammen mit der hohen Erkrankungspersistenz einerseits und die niedrige Therapierate andererseits haben eine lange Behandlungsverzögerung zur Folge. Verschiedene Studien zeigten darüber hinaus, dass die Länge der Verzögerung der Behandlung paradoxerweise signifikant invers mit einem frühen Ersterkrankungsalter assoziiert ist, d. h. bei Kindern und Jugendlichen besteht eine noch längere Behandlungsverzögerung als bei Erwachsenen (Karow et al. 2013; Lambert et al. 2013a). Eine lange Behandlungsverzögerung geht mit einer Vielzahl negativer Konsequenzen für den Verlauf und die Prognose von psychischen Erkrankungen einher. Dies konnte nicht nur für die schon sehr gut evaluierten Schizophrenie-Spektrum-Erkrankungen oder bipolaren Störungen gezeigt werden, sondern auch für alle anderen bis dato auf diesen Zusammenhang untersuchten psychischen Erkrankungen (Karow et al. 2013; Lambert et al. 2013a).

Anforderungen an das Versorgungssystem in der Transitionsphase

Ziel der Entwicklung eines spezifischen Behandlungsangebots für Adoleszente ist es somit die spezifischen Bedürfnisse dieser Patientengruppe adäquater zu adressieren und die bestehenden Versorgungsansätze und -strukturen fächerübergreifend sinnvoll zu integrieren. Die Etablierung transitionspsychiatrischer Schnittstellen verfolgt inhaltlich vor allem drei übergeordnete Ziele, die sich auch als Maßnahmen sekundärer bzw. indizierter, tertiärer und quartärer Prävention einordnen lassen (Hurrelmann et al. 2010):
1.
Die strukturierte Begleitung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit frühen, schweren und chronischen psychischen Erkrankungen und langfristigem Behandlungsbedarf aus dem kinder- und jugendpsychiatrischen in das erwachsenenpsychiatrische Versorgungssystem.
 
2.
Die interdisziplinäre Früherkennung und Frühbehandlung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einem hohen Risiko für die zukünftige Entwicklung schwerer psychischer Erkrankungen.
 
3.
Die Förderung einer progressiven Entwicklung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in psychischen bzw. adoleszentären Krisen und Vermeidung langfristiger Krankheitsentwicklung bzw. unnötiger Chronifizierung und Hospitalisierung.
 
Spezifische therapeutische Anforderungen des Transitionsalters sind die Förderung und Begleitung in der Bewältigung familiärer, beruflicher und sozialer Entwicklungsaufgaben, die Erwerb sozialer Kompetenzen, Partnerschaft und Sexualität, die schulische und berufliche Perspektiventwicklung, Selbstständigkeit und Loslösung von dem Elternhaus, eigenständiges Wohnen, aber auch Führerscheinerwerb oder Umgang mit Substanzkonsum. Dies führt auch zu spezifischen Anforderungen an therapeutische Rahmenbedingungen:
  • Die Habilitation (lat. Befähigung) versus Rehabilitation als zentrale therapeutische Aufgabe,
  • die Notwendigkeit der Orientierung nach Draußen und fächerübergreifende und interdisziplinäre Einbindung aller Systeme,
  • den Umgang mit überlappenden Zuständigkeiten im Sozialrecht zwischen Familien- und Jugendhilfe und Sozialhilfe und entsprechender Schnittstellenproblematik.
Die Involvierung der Eltern in die Therapie ist in der Adoleszenz fast immer erforderlich, wohingegen mit zunehmender Selbstständigkeit und Alter familientherapeutische Aspekte in den Hintergrund treten. Angesichts veränderter familiärer Strukturen und einer verlängerten Adoleszenz im Rahmen der Emerging Adulthood, aber auch in Abhängigkeit von Schwere und Verlauf der jeweiligen psychischen Erkrankung, sind familientherapeutische Ansätze und eine verstärkte Autonomieförderung nicht selten bis weit in die Volljährigkeit erforderlich.
Weitere Voraussetzungen sind die Identifikation und der Umgang mit jugendtypischen Verhaltensweisen sowie komorbiden Belastungen (z. B. ADHS, Störung des Sozialverhaltens, selbstverletzendes Verhalten, Mischkonsum psychotroper Substanzen, exzessiver Medienkonsum). Spezielle vernetzte ambulante, (teil-)stationäre und rehabilitative Versorgungsstrukturen für Adoleszente mit riskantem und abhängigem Substanzgebrauch sowie Verhaltenssüchten (pathologisches Spielen und Internetgebrauch) sind für die effektive Behandlung erforderlich (Karow et al. 2019). Auch der Einfluss von frühen Traumatisierungen, sowie Bullying- bzw. Mobbing-Erfahrungen müssen in der Diagnostik und Behandlung beachtet werden.
Adäquate Schulabschlüsse und das Finden von Ausbildungsmöglichkeiten sind große Herausforderungen in der Behandlung, die einer besonderen Expertise im Umgang mit beiden Systemen bedürfen und die Kooperation mit der Jugendhilfe (SGB VIII) und/oder dem Bereich der Arbeitsagenturen (SGB II/III) notwendig machen. Hilfen zur Erziehung (SGB VIII § 27ff) und Hilfen zur Eingliederung nach § 35a SGB VIII enden oft mit dem Alter von 18 Jahren. Gleichzeitig besteht aber aufgrund von Entwicklungsrückständen mit schulischen Diskontinuitäten und fehlenden Abschlüssen und Ausbildungen ein hoher Bedarf an Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII). Hierbei wirkt zusätzlich hemmend, dass junge Erwachsene nicht selten Angebote der Jugendhilfe nach SGB VIII eigeninitiativ im Sinne dysfunktionaler Autonomieentwicklung beenden, gleichzeitig aber durch Eingliederungshilfen nach SGB IX noch nicht erreicht werden, sodass eine Beendigung von Maßnahmen oft zu einem vollständigen Ausbleiben von Unterstützungssystemen führt und die jungen Erwachsenen nicht mehr von dem Versorgungssystem erreicht werden, was wiederum stark negative Auswirkungen auf die Krankheitsentwicklung hat.

Störungsspezifische Anforderungen an das Versorgungssystem in der Transitionsphase

In den Versorgungskonzepten zwischen Kindes- und Jugendalter gegenüber dem Erwachsenenalter finden sich viele konzeptuelle Brüche, welche in der Transitionsmedizin berücksichtigt und so gut wie möglich überwunden werden müssen (Banaschewski et al. 2019). Dies betrifft sowohl die Systematik der Diagnostik psychischer Erkrankungen als auch (psycho-)therapeutische Behandlungsansätze und pharmakologische Therapien. Viele psychische Erkrankungen in der Adoleszenz zeigen eine eher unspezifische Symptomatik, die nicht ganz leicht einer nosologischen Einheit zugeordnet werden kann und rasch wechselt (z. B. gleichzeitiges Vorliegen sowohl depressiver als auch manischer Symptome). Auch von den Betroffenen und ihren Angehörigen werden Symptome nicht von Beginn an als krankhafte Entwicklung eingeordnet.
Eine entwicklungstypische Aggravierung von affektiven Störungen sowie das Auftreten kategorialer psychopathologischer Wechsel im Übergang von Adoleszenz zu jungem Erwachsenenalter erfordern in der Transitionsphase Versorgungsstrategien, die das erhöhte Risiko für Suizidalität und selbstschädigendem Verhalten lückenlos, effektiv und kontinuierlich berücksichtigen. Auch Traumafolgestörungen fallen oft nicht durch spezifische Symptome posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) auf, sondern zeigen sich in Form gesteigerter (selbst-)schädigender und risikosuchender Verhaltensweisen bzw. Selbstmedikationsmaßnahmen wie Alkohol- und Drogenkonsum und Dissozialität, die im erwachsenenpsychiatrischen System oft nicht ausreichend hinterfragt werden (Fegert und Freyberger 2019). Darüber hinaus sind die Adoleszenten durch ein mit Traumatisierungen assoziiertes gestörtes Bindungsverhalten mit einem höheren Anteil unsicherer und desorganisierter Bindungstypen kaum in der Lage ambulante psychotherapeutische Komm-Strukturen zuverlässig zu nutzen oder therapeutische Beziehungen zu Personen des Hilfesystems einzugehen, was wiederum die altersspezifisch hohen Therapieabbruchraten bei dem Übergang vom kinder- und jugendpsychiatrischen in das erwachsenenpsychiatrische System erklärt. Eine kontinuierliche Behandlung über das 18. Lebensjahr hinaus von Jugendlichen beispielsweise mit Aufmerksamkeits-Defizit-Syndromen (ADHS) kann komorbider Entwicklung von Dissozialität und Sucht vorbeugen und Entwicklungsverzögerungen und -defizite adressieren (Banaschewski et al. 2020).
Fächerspezifische Unterschiede hinsichtlich der Konzeption von Diagnostik finden sich in verschiedenen Störungsbereichen. So wird beispielhaft die Diagnosestellung von emotional instabilen Störungen vom Borderline-Typ im Jugendalter in der klinischen Praxis vielfach sehr zurückhaltend durchgeführt, während eine systematische Diagnostik im Erwachsenenalter etabliert ist. Gründe für die Zurückhaltung sind Befürchtungen hinsichtlich nicht ausreichender Validität und Stabilität der Störung im Jugendalter, die Befürchtung einer Pathologisierung alterstypischer Denk- und Verhaltensweisen und die Sorge vor einer Stigmatisierung junger Menschen mit der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung. Mittlerweile wird eine frühe und systematische Diagnostik zum Zwecke der Einleitung von angemessenen störungsspezifischen Therapien international vor dem Hintergrund hinreichender Evidenz für die Validität, Stabilität und Behandelbarkeit dieser Erkrankung empfohlen, wenngleich noch nicht systematisch umgesetzt [2,4,5].
Evidenzbasierte und langjährige Erfahrungen für transitionsmedizinische Behandlungsansätze liegen vor allem für die Früherkennung und -behandlung von Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis und bipolaren Psychosen vor (Karow et al. 2019). Dabei fokussieren indizierte Präventionsmaßnahmen die Früherkennung von Risikosymptomen für die Entwicklung von psychotischen Störungen. Verschiedene Länder haben bereits vor zwei Jahrzehnten begonnen, Empfehlungen zur Früherkennung und Frühintervention in Form von sog. Early Intervention Services (EIS) im regulären Versorgungssystem umzusetzen. Hierbei handelt es sich um populationsbezogene Früherkennungs- und Behandlungsnetzwerke, in denen Mitarbeiter diagnose-, alters- und fachübergreifend ambulant und stationär zusammenarbeiten und damit eine erfolgreiche Transition strukturiert, flächendeckend, patientenorientiert und flexibel ermöglichen und damit Fehl- und Unterversorgung verhindern (e.v. 2017). Diese schon lange bestehenden internationalen Early Intervention Services zeigen eine im Vergleich zur Regelversorgung verbesserte Effektivität bei hoher Effizienz auch Jahre nach Beendigung der intensiven Erstbehandlung (Karow et al. 2013; Lambert et al. 2013a). Durch die Implementierung von Servicestrukturen für Patienten mit schweren psychischen Störungen wurde darüber hinaus eine Steigerung der Behandlungsqualität und Verbesserung der Gesamtprognose auch für ersterkrankte Patienten in der Transitionsphase erreicht. Bei diesen Servicestrukturen handelt es sich ausnahmslos um teambasierte Modelle intensiver und aufsuchender Behandlung in einem Netzwerk sozialpsychiatrischer Angebote mit unterstützter Ausbildung, Arbeit und Wohnen sowie Kooperationen zur Prävention und Behandlung somatischer Erkrankungen und ambulanter Psychotherapie. International erfolgreiche und etablierte Modelle intensiver und aufsuchender Behandlung sind Assertive Community Treatment (ACT; Marshall und Lockwood 2011) mit seinen Modifikationen RACT (Norden und Norlander 2014; van Veldhuizen et al. 2015), therapeutisches ACT (Lambert et al. 2010) und FACT (Norden und Norlander 2014; Nugter et al. 2016), Crisis Resolution and Home Treatment (CRHT; Murphy et al. 2015) und Community Mental Health Teams (CMHT; Malone et al. 2007).

Psychotherapeutische Behandlungsansätze in der Transitionsphase

Vier für das Transitionsalter wertvolle, wesentliche evidenzbasierte Psychotherapien der Deutschen S2-Leitlinien sind hervorzuheben:
1.
Die von O. Kernberg entwickelte Transference Focussed Psychotherapy (TFP) mit dem Evidenzgrad IIa nach Chambless und Hollon,
 
2.
die Schematherapie nach J. Young mit dem Evidenzgrad IIa nach Chambless und Hollon,
 
3.
das psychodynamisch/psychoanalytische Konzept der Mentalization-based Therapy (MBT) nach (Bateman und Fonagy 2001) mit dem Evidenzgrad IIa nach Chambless und Hollon und
 
4.
die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) (Linehan 1993) mit dem Evidenzgrad Ib nach Chambless und Hollon (M Bohus et al. 2008; Gaebel und Falkai 2006).
 
Die übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference Focussed Psychotherapy, TFP) wurde im Zusammenhang mit psychodynamischen Ansätzen explizit für Persönlichkeitsstörungen entwickelt und geht davon aus, dass unbewusste Reaktivierungen pathologischer, internalisierter Beziehungen aus der Vergangenheit die aktuellen Schwierigkeiten der Patienten bedingen (Clarkin et al. 2001). Im Verlauf der TFP wird versucht, tiefgreifende Veränderung psychischer Strukturen durch Lockerung der fixierten, internalisierten Objektbezeichnungen zu bewirken, sowie die abgespaltenen Selbst- und Objektrepräsentanzen zu integrieren (Herpertz 2001).
Die Schematherapie nach Young gründet auf einem integrativen Modell mit der Annahme, dass frühere, unerfüllte zentrale Bedürfnisse die Grundlage für Dysfunktionen bezüglich der eigenen Person und der Beziehungen zu anderen Menschen darstellen. Dabei geht man davon aus, dass Patienten bestimmte Schemata inklusive entsprechender Erinnerung, Emotionen, Kognitionen oder Körperempfindung aktivieren, wenn sie sich mit Situationen oder Umgebungen konfrontiert fühlen, die sie an frühkindliche Ereignisse erinnern. Die Schematherapie zielt darauf ab, maladaptive Verhaltensmuster aktiv aufzubrechen (Young 1994; Young et al. 2003).
Das psychodynamisch/psychoanalytische Konzept der Mentalization-based Therapy (MBT) nach Bateman und Fonagy (2001) basiert auf der Annahme, dass frühere Schwierigkeiten im Bindungsverhalten im späteren Lebensverlauf in massiven Schwierigkeiten resultieren, aus Handlungsbeobachtungen auf die entsprechenden Absichten anderer zu schließen. Dadurch ergeben sich eine Reihe von Missverständnissen in zwischenmenschlichen Interaktionen, die oft zu scheiternden Beziehungen führen (M Bohus und Kröger 2011). Nach der Theorie der MBT bilden Mentalisierungseinschränkungen die Grundlage für Regulationsstörungen von Affekten und Impulsen. Dabei bildet die Theory-of-Mind-Theorie den Ausgangspunkt für die MBT mit dem Ziel dem Patienten eine „sichere Identität“ zu vermitteln und Hilfestellungen beim Erreichen eines „optimalen Erregungs- und Beziehungsniveau“ zu geben, in dem die therapeutische Beziehung als Modell gilt und der Fokus auf der Verbesserung von Affektregulation und emotionsgesteuerten Interaktionen liegt. Dabei werden, statt spezifischen Fertigkeiten, hauptsächlich dialogische Prozesse mit integrierten Aspekten der Übertragung vermittelt. Die MBT zeigt diese Verbesserung der Affektregulation durch reduzierte dysfunktionale Verhaltensmuster allerdings frühestens nach 12 Monaten und ist daher nicht als rasch wirksames Programm im stationären Setting oder als Krisenintervention zu empfehlen (M Bohus und Kröger 2011). In zwei kontrolliert randomisierten Studien zeigte sich zwar die gute Struktur der MBT, sie ist störungsunspezifischen Therapien aber nicht überlegen (Bateman und Fonagy 1999, 2009).
Die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) stützt sich auf die biosoziale Theorie mit der Annahme, dass sich Störungen im Adoleszentenalter durch eine Interaktion der konstitutionell bedingt gestörten Affektregulation und einer durch Erfahrungen erlernten Emotionsdysregulation entwickeln (Beraldi 2010). Die DBT ist ein integratives Modell von verschiedenen Behandlungstechniken, die sich je nach unterschiedlichen, an den Patienten angepassten Anforderungen organisieren. Sie stellt damit den Prototyp einer prinzipiengeleiteten und modularen Therapie dar, der sich aus den Modulen der Einzeltherapien im Stadium I zur Motivationssteigerung für die anstehenden Veränderungen und den Aufbau eines Verständnisses der beobachteten situativen, emotionalen und kognitiven Probleme, Skillsgruppen, die dem Erlernen von Fähigkeiten zur Emotionsregulation, Stresstoleranz, Achtsamkeit und adäquater sozialer Interaktion dienen, sowie Telefon- und Email-Coaching, das beim Umsetzen und Anwenden der erlernten Fähigkeiten unter Belastungen im Alltag hilft, und einem strukturiertem Intervisionskonzept für die Therapeuten zusammensetzt (M Bohus und Kröger 2011).
Ziel der DBT ist folglich, maladaptive Verhaltensmuster durch Einüben und Reflektieren von Verhaltensweisen und Taktiken zur Verbesserung der Spannungstoleranz, Emotionsregulation, sozialen Kompetenz und der Achtsamkeit zu reduzieren (Beraldi 2010). Die Wirksamkeit der DBT konnte schon 1995 in einer kontrollierten Studie mit einem modifizierten Konzept der DBT gezeigt werden. Dabei konnte durch die modifizierte Therapie eine Reduktion von suizidalen und selbstverletzenden Verhalten bei Jugendlichen mit Symptomen der Borderline-Persönlichkeitsstörung gezeigt werden (Miller et al. 1995). Laut Metastudien konnte das erste Behandlungsstadium in 8 kontrolliert randomisierten Studien (M Bohus und Kröger 2011) und weiteren 8 nichtkontrollierten Studien (Kliem et al. 2010) unabhängig von den Forschergruppen evaluiert werden.
Die Therapieplanung sollte grundsätzlich multimodal sein und verschiedene Bausteine unterschiedlicher therapeutischer Richtungen kombinieren. Hierzu zählen neben den genannten Verfahren selbstverständlich Gesprächstherapie und Gruppenpsychotherapie, indikative Gruppen, kotherapeutische Strukturierung, außerklinische Therapieaufgaben, Erlebnistherapie sowie Angehörigenberatung. Eine systemische Familientherapie ist in vielen Fällen indiziert. Die Familien der jungen Patienten sind etwas weniger intensiv eingebunden als in der Kinderpsychiatrie, aber wiederum stärker als in der Erwachsenenpsychiatrie. So werden sie auf Adoleszenzstationen z. B. eingeladen zu Elternabenden in monatlichen Abständen sowie in Einzelfällen auch noch zu speziellen individuellen Familiensitzungen. Für die schulpflichtigen Patienten ist im Falle einer stationären oder teilstationären Behandlung auch noch Schulunterricht verpflichtend. Der Sporttherapie kommt in diesem Alter gleichfalls große Bedeutung zu, sie dient nicht nur der Verbesserung der körperlichen Fitness und des Selbstbildes, sie zielt auch auf Verbesserung der Interaktion. So ist sie geeignet, zusätzliche Ressourcen aufzuzeigen, sowohl im selbstbezogenen Sinne wie auch in der Interaktion. Achtsamkeitsübungen, kognitives Training, kreatives Arbeiten und sensorische Integration gehören zum Aufgabenbereich der Ergotherapie. Für einzelne Patienten wird Musik- und Reittherapie angeboten bei spezifischer Indikation. Im Rahmen psychotherapeutischer Arbeit ist Exposition selbstverständlicher Bestandteil. Dem Sozialdienst kommen neben beratender Tätigkeit auch therapeutische Aufgaben zu, hier steht das Training sozialer Kompetenz an erster Stelle.

Beispiele für Behandlungsmodelle der Adoleszenzpsychiatrie

Heidelberger Frühbehandlungszentrum – Pionier der Transitionsbehandlung und unmittelbares Vorbild auch für die Adoleszenzstation der SHG-Kliniken Saarbrücken

Im Herbst 2003 wurde die erste und damals in Deutschland einzigartige, interdisziplinäre, adoleszentenpsychiatrische Station eröffnet. Das Heidelberger Frühbehandlungszentrum (FBZ) ist konzipiert als kooperatives Zentrum zweier Kliniken des Psychosozialen Zentrums im Universitätsklinikum Heidelberg, nämlich der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das Frühbehandlungszentrum umfasst 16 vollstationäre, offen geführte Behandlungsplätze sowie drei bis sechs teilstationäre Plätze. Zudem bestehen vorstationäre, sowie nachstationäre und ambulante Behandlungsplätze. Darüber hinaus ist eine nachstationäre aufsuchende Behandlungseinheit (mobiles Bezugspersonensystem) in das Zentrum integriert. Es diente auch als Modell für die Adoleszenzstation in Saarbrücken, die 2010 eröffnet wurde, zunächst mit 10 Betten. Aufgrund der hohen Nachfrage wurden auch hier mittlerweile 18 Betten bereitgestellt. Konzeptuell lehnt es sich sehr eng an das Heidelberger Modell an.
Das Team des Frühbehandlungszentrums setzt sich aus Ärzten, Fachtherapeuten, Sozialarbeitern und Pflegekräften/Erziehern beider Abteilungen zusammen, die gleichberechtigt in der Versorgung sowohl jugendlicher als auch volljähriger Patienten arbeiten. Durch die gemeinsame Nutzung der Klinikschule wird jungen Erwachsenen die schulische Frührehabilitation über das 18. Lebensjahr hinaus ermöglicht. Lediglich die therapeutische Letztverantwortung ist im Sinne der fachärztlich-oberärztlichen Betreuung sowie der Wahrung der Fachaufsicht den beiden Oberärzten und Klinikleitern zugeschrieben.
Im Rahmen eines solchen Kooperationsmodells ergeben sich besondere Fort- und Ausbildungsperspektiven, die einen fachlichen Austausch zwischen beiden Kliniken auf allen Ebenen und in allen beteiligten Berufsgruppen möglich machen. Wichtige Vernetzungen bestehen an den Schnittstellen zur Jugendhilfe, wobei auch die Kooperationen mit anderen Kliniken (z. B. Kinderklinik oder andere Fachbereiche des Klinikums Heidelberg) aufgebaut wurden. Darüber hinaus wird ein enger Kontakt mit niedergelassenen Ärzten im Rahmen der Netzwerkpflege gesucht.

Indikationsbereiche

Im Frühbehandlungszentrum werden Patienten im Alter von 14–28 Jahren behandelt. Die diagnostischen und therapeutischen Schwerpunkte beziehen sich primär auf junge Menschen mit Erkrankungen aus dem schizophrenen und affektiven Formenkreis sowie deren Differenzialdiagnosen. Besonders häufig sind depressive Störungen und Rückzugssyndrome, die mit Kontaktabbruch, Leistungsminderung und dynamischen Einbußen einhergehen. Psychotische Ersterkrankungen stellen ebenso einen Schwerpunkt dar wie auch Patienten mit unklaren Psychoserisikosyndromen, den sog. Ultra-High-Risk-Patienten, die häufig eine Vielzahl von Diagnosen wie affektive Störungen, Angststörungen oder Borderline-Störungen aufweisen.
Folgende wesentliche Grundprinzipien (Abb. 1) und resultierende Charakteristika zeichnen das Konzept des Heidelberger Frühbehandlungszentrums aus:
  • Flexibilität des Settings bei personeller Kontinuität,
  • Interdisziplinarität von Diagnostik und Therapie,
  • Funktionsorientierung von Diagnostik und Behandlung,
  • sozialpsychiatrisches Management mit Perspektivstellung,
  • Weichenstellerfunktion.

Rasche Aufnahmemöglichkeiten bei hoher Flexibilität des Behandlungssettings

Das Frühbehandlungszentrum wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen, als „offene“ Station geführt. Um dennoch das gesamte Spektrum schwerer und akuter Erkrankungen zu behandeln, erfolgt hier eine besonders enge personelle Betreuung.
Das Frühbehandlungszentrum verfügt über vollstationäre, tagesklinische sowie ambulante Angebote. Ein wesentliches Grundprinzip des Frühbehandlungszentrums ist die Gewährleistung einer personellen Kontinuität, die den jungen Menschen über die Settings hinweg ein stabiles psychosoziales Helfersystem zur Seite stellen soll. Hierzu dient auch das sog. mobile Bezugspersonensystem (MBS), welches eine Form der aufsuchenden Behandlung darstellt. Beim MBS begleiten spezifisch geschulte Mitglieder des Pflege- und Erziehungsteams die Patienten Setting-übergreifend durch alle Phasen der Therapie, sowohl im stationären und teilstationären Bereich als auch bis in die psychosoziale Nachsorge. Auf diese Weise steht jedem Patienten eine definierte Bezugsperson als kontinuierlicher Ansprechpartner zur Verfügung.
Das MBS kann auch helfen Krisen zu bewältigen und Rückfälle zu verhindern. Auch bei sich anbahnender Verschlechterung klinischer Symptome strebt das Heidelberger Frühbehandlungszentrum eine frühzeitige Intervention an. Dies setzt allerdings voraus, dass Schwellenängsten der Patienten, sich einer neuerlichen Behandlung anzunähern, bereits im Vorfeld entgegengewirkt wird.

Fokus auf Spezifika psychischer Störungen in der Adoleszenz

Das Heidelberger Frühbehandlungszentrum richtet sich im Gegensatz zur primär nosologischen Vorgehensweise in erster Linie nach den Bedürfnissen der adoleszenten Patienten und zielt somit auf eine funktions- und problemorientierte Diagnostik ab. Unklaren Symptomen und differenzialdiagnostischen Herausforderungen können im Heidelberger Frühbehandlungszentrum neben der gängigen störungsspezifischen Diagnostik mit Hilfe des multimodalen Teams und somit hoher Interdisziplinarität begegnet werden. Die klassische nosologische Diagnostik wird ergänzt durch eine störungsübergreifende Diagnostik adoleszenztypischer Problembereiche.

Kurzzeitbehandlung adoleszenztypischer Probleme

Der Zugang zum Behandlungsangebot soll möglichst niederschwellig gestaltet werden. Hierzu dient die modulare Konzeption der therapeutischen Angebote, welche die Bedürfnisse und Wunschvorstellungen der Patienten mit den therapeutischen Behandlungszielen verbinden soll. Wie auch bei der Diagnostik handelt es sich bei den Interventionen um funktionell statt nosologisch orientierte Behandlungsangebote. Sie widmen sich wesentlichen Themen der vulnerablen Transitionsphase von der Kindheit in das Erwachsenenalter. Zusätzlich zur individuellen Einzeltherapie, die sich sowohl störungsspezifisch als auch funktionsorientiert mit den adoleszentenpsychiatrischen Problemen des Individuums auseinandersetzt, finden im Frühbehandlungszentrum moduläre Kurzzeitbehandlungen von adoleszenztypischen Bereichen statt, die vorwiegend in Gruppen durchgeführt wird. Dabei werden die folgenden Themen schwerpunktmäßig behandelt:
  • Identität/Selbstwert, z. B. durch Strategien und Fertigkeiten aus der DBT,
  • zwischenmenschliche Beziehungen, ebenfalls mit Fertigkeiten der DBT oder des sozialen Kompetenztrainings),
  • Aktivierung/Perspektivenentwicklung, z. B. mit verhaltenstherapeutischer Gruppenarbeit nach dem Züricher Ressourcenmodell,
  • körperliche Gesundheit (Sport, Lebensführung, Sexualität).
Über die Angehörigenarbeit werden Konflikte und Störungen des altersbedingten Ablöseprozesses auch bei den jungen Erwachsenen begleitet. Hervorzuheben ist, dass die unterschiedlichen Behandlungselemente nicht wie üblich entweder Therapie- oder Realräume darstellen, sondern lediglich unterschiedliche Lebensräume verkörpern. Das Heidelberger Konzept zielt auf eine Integration aller therapeutischen und pädagogischen Bemühungen in einem gemeinsamen interpersonellen Raum ab.

Sozialpsychiatrisches Management und Weichenstellerfunktion

Im Frühbehandlungszentrum – mit seinem Schwerpunkt auch auf der Behandlung von Psychosen in der Adoleszenz und den diesbezüglichen Behandlungsempfehlungen (Karow et al. 2019) – liegt ein besonderer Fokus auf der Perspektivklärung und -entwicklung. Die jungen Menschen werden engmaschig in den Feldern berufliche und schulische Perspektive, Wohnsituation sowie weitere Lebensgestaltung unterstützt. Dem Heidelberger Frühbehandlungszentrum liegt das Verständnis von therapeutischer Hilfe als Hilfe zur Selbsthilfe im individuellen Entwicklungsprozess zugrunde. Dieses Betreuungskonzept birgt letztlich das Potenzial mögliche Misserfolge im Rahmen erster ambulanter Emanzipationsschritte abzufangen, indem die Jugendlichen weiterhin auf relativ selbstständigem Niveau unter Zuhilfenahme nichtelterlicher Bezugspersonen den sozialen Integrationsprozess fortsetzen können, anstatt sich neuerlich in den Schutz der Familie zurückzuziehen. Auf diese Weise erfährt auch das Familiensystem dahingehend Unterstützung, sich nicht zu sehr aus Sorge um die jugendlichen Patienten in den Entwicklungsprozess einzuschalten und damit der Bewältigung altersgemäßer Entwicklungsaufgaben im Wege zu stehen.
Das Heidelberger Frühbehandlungszentrum ist keine Psychotherapiestation und hat keinen ausgeprägt störungsspezifischen Fokus. Es nimmt dagegen eine Weichenstellerfunktion ein. Ein Schwerpunkt liegt auf der Behandlung juveniler Psychosen, da in diesem Alter oft die Erstmanifestation auftritt (Resch 2008). Von hier aus findet nach abgeschlossener Diagnostik und Perspektivklärung oftmals eine Verlegung zur störungsspezifischen Psychotherapie auf die Spezialstationen statt. Bei Entlassung kommt es häufig zu Überweisungen in Spezialambulanzen des Zentrums für psychosoziale Medizin oder in ambulante Psychotherapien der universitären Institute. Ambulante Nachbetreuungen sind im Frühbehandlungszentrum je nach Kapazität ebenfalls möglich und beinhalten meist die zusätzliche Anbindung an das MBS (Abb. 2).
Zusammenfassend ist das Frühbehandlungszentrum ein Beispiel für eine interdisziplinäre adoleszentenpsychiatrische Versorgungseinheit zur Früherkennung und Frühbehandlung seelischer Krisen bei jungen Menschen. Eine derartige Kooperation zwischen der Psychiatrie des Erwachsenen- und des Jugendalters erfordert eine enge Abstimmung bezüglich der therapeutischen Haltungen, der Therapieangebote und der Betonung unterschiedlicher Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz. Unsere Erfahrungen im Frühbehandlungszentrum in Heidelberg zeigen jedoch, dass wir alle in hohem Maße voneinander profitieren können, wenn es gelingt, eine gemeinsame Sichtweise und eine einheitliche therapeutische Haltung zu entwickeln.

Adoleszenzpsychiatrie an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf

Der stationäre Bereich Adoleszenzpsychiatrie in Hamburg wurde 2013 in einem Kooperationsmodell gemeinsam durch die Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) und Erwachsenenpsychiatrie (EP) der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf gegründet und verfügt über 21 stationäre und 8 teilstationäre Behandlungsplätze für Patienten im Alter zwischen 16 und 25 Jahren (Karow et al. 2013). Das Team des Bereichs Adoleszenzpsychiatrie ist von Beginn an fachübergreifend, interdisziplinär und multiprofessionell und setzt sich aus den Berufsgruppen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie, nämlich Ärzten, Psychologen, medizinischen Fachangestellten, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten und dem Pflege- und Erziehungsdienst zusammen (Abb. 3). Die ambulante Versorgung der Patienten aus dem Adoleszenzbereich findet in Kooperation mit zahlreichen Netzwerkpartnern aus der ambulanten Versorgung, Behörden und Schuleinrichtungen statt. Eine systematische Kooperation besteht mit der Alters-, Diagnose- und Fachübergreifenden Früherkennungsambulanz für Psychische Störungen (FEPS), welche Jugendliche und junge Erwachsene mit ihren Familien zwischen ihrem 12.–29. Lebensjahr mit Risikosyndromen und Erstmanifestationen psychischer Erkrankungen betreut (Karow et al. 2013).
Der Bereich Adoleszenzpsychiatrie am UKE setzt Behandlungsschwerpunkte in der Psychotherapie für Patienten mit emotional instabilen Syndromen und affektiven Störungen und bietet störungsübergreifende Krisenintervention, Früherkennung und Diagnostik an. Behandelt wird nach einem integrativen multimodalen Modell, das Anteile aus tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer Ausrichtung individuell bedarfsadaptiert verbindet.
Es gibt 8–10 Behandlungsplätze für emotional instabile Entwicklungsstörungen in einer DBT-Gruppe sensu Linehan und Bohus (M. Bohus und Kroger 2011). Patienten nehmen über einen Zeitraum von 10 Wochen zweimal wöchentlich an einer DBT-Gruppentherapie sowie ein- bis zweimal wöchentlich an einer Einzeltherapie teil. Bestandteile der DBT-Behandlung sind Inhalte aus den Bereichen Stresstoleranz, Achtsamkeit, Umgang mit Gefühlen, Zwischenmenschliches sowie Selbstwert. Im Rahmen der Therapie werden funktionale Emotionsregulationsstrategien gestärkt und suizidale und selbstgefährdende Verhaltensweisen abgebaut. Patienten erarbeiten, wie sie psychischen Krisensituationen vorbeugen können und stellen einen persönlichen „Notfallkoffer“ zusammen. Verhaltensexzesse, die Patienten während der Behandlungszeit ausführen, werden in Form von therapeutischen Verhaltensanalysen aufgegriffen. Selbstbeobachtungsprotokolle unterstützen die Patienten dabei, schwierige Situationen zu identifizieren, um darauf abgestimmte Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Weitere 8–10 Behandlungsplätze sind für die Behandlung juveniler Depressionen in einer Depressionsbewältigungsgruppe (DBG) sensu Ellis und Hautzinger (Harter et al. 2010; Possel et al. 2013; Stangier et al. 2013) vorgesehen, die sich an verhaltenstherapeutischen Grundlagen orientiert. Der Umfang umfasst 20 Gruppensitzungen, zweimal wöchentlich mit jeweils 90 Minuten Dauer. Die inhaltliche Ausrichtung für Adoleszente zeichnet sich durch eine interaktive Gestaltung der Gruppen mit Anpassung der Therapieinhalte an die Realität der Heranwachsenden aus. Das Dreieck zwischen Gefühlen – Gedanken – Verhalten als verhaltenstherapeutischer Ansatz wird vermittelt und der Aufbau positiver Aktivitäten geübt. Weiterhin fließt das Bewusstmachen von Bewertungen anhand des ABC-Modells mit dem Ziel kognitiver Umstrukturierung ein. Als adoleszenzspezifische Inhalte wurden zudem soziale Phobien und Werte als eigene Module eingefügt.
Innerhalb adoleszenzspezifischer Therapiegruppen wurden zusätzliche Angebote mit Themen entwickelt (Tab. 1), die für die adoleszente Patientengruppe häufig Herausforderungen darstellen und Krisen auslösen können. Bei den ausgewählten Themen handelt es sich um Umgang mit sozialen Ängsten, Identität und Werten, Selbstwert, Sucht, Sexualität und Glück. Die Inhalte werden dabei weniger theoretisch-psychoedukativ vermittelt, vielmehr sollen die Patienten durch erlebnisorientierte Übungen Erlerntes innerhalb von Expositionsübungen (Do-it-Gruppe) direkt explorieren und gemeinsam nachbesprechen. Die Inhalte werden kontinuierlich auf die Altersgruppe abgestimmt und anhand aktueller Beispiele und Übungen vermittelt, die die Adoleszenten beschäftigen und ihnen zugänglich sind, z. B. Ausschnitte aus aktuellen TV-Serien. Zu den Behandlungselementen für alle Patienten im Adoleszenzbereich gehören neben den kontinuierlichen Einzelpsychotherapien und Einbezug ihres Umfelds in Form von Familiengesprächen, Elemente aus der Bezugsarbeit, Skillstraining und Beziehung und Kommunikation (in Anlehnung an Soziales Kompetenztraining (SKT) nach Hinsch und Pfingsten; Hinsch und Pfingsten 2007).
Tab. 1
Gruppentherapienangebote des Adoleszentenbereichs an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf
 
Depressionsbewältigungsgruppe (DBG)
Offene Therapiegruppe
Ansatz
DBT nach M. Linehan,
Adaptation aus DBT, DBT-A und psychodynamischen Ansätzen
Verhaltenstherapeutisch, aktivierend, adaptiert an jugendliche Bedürfnisse
Tiefenpsychologisch orientiert und Psychoedukation
Behandlungsplätze
6–9
6–9
4–12
Anzahl Module
6 (+ Einstiegssitzung)
7 (+ Einstiegssitzung)
-
Gruppensetting
Einstieg zu jedem Modul möglich
Einstieg zu jedem Modul möglich
Einstieg jederzeit möglich
Behandlungseinheiten pro Woche
2 × 90 min Theorie und Einzeltherapie/Skillstraining
2 × 90 min Theorie und 90 min praktisches Üben (Do it-Gruppe)
1 × 50 min
Behandlungsdauer
10–12 Wochen
10–12 Wochen
Bedarfsorientiert
Indikation
Emotionale Instabilität, Impulskontrollstörungen, dysfunktionale Selbstregulation
Major Depression, depressive Symptome und Antriebsstörungen
Teilnahme am Gruppensetting der Station oder Tagesklinik
Therapieziele
Reduktion von Suizidalität und selbstverletzendem Verhalten, funktionale Emotionsregulation
Aktivierung, Stärkung positiver Aktivitäten, kognitive Umstrukturierung
Aufgreifen adoleszentärer Themen und Dynamik der Peergroup, Gruppenfähigkeit
Als Alternativkonzept zur „klassischen“ ärztlichen Visite wird analog zu der Erwachsenenpsychiatrie einmal wöchentlich eine Behandlungskonferenz in Form einer multiprofessionellen Teambesprechung, bei der Patienten und Vertreter aller Berufsgruppen unter größtmöglicher Transparenz über den gesamten Behandlungsprozess, den aktuellen Stand und die zukünftige Planung der Therapie sprechen (Aderhold et al. 2010). In Kooperation mit der Behörde für Schule und Berufsbildung kann für die schulpflichtigen Jugendlichen bis zu drei Stunden täglich Unterricht in der Klinikschule angeboten werden, um sie an schulische Anforderungen heranzuführen bzw. eine Rückkehr in den schulischen Alltag zu ermöglichen.

Fazit

Inhalt und Relevanz der transitionspsychiatrischen Arbeit in theoretischer Überlegung und am praktischen Beispiel zu verdeutlichen war das Ziel dieses Kapitels. Als weiteres Fazit kann festgehalten werden: Therapeutische Verfahren und Versorgungsformen müssen entwickelt und weiterentwickelt werden, um den spezifischen Erfordernissen der Transition zu entsprechen. In der psychotherapeutischen Behandlung sollten typische Problembereiche der Transitionsphase adressiert werden (z. B. Rollenwechsel, Identitätsentwicklung, soziale Konflikte, Defizite und Isolation). Bei Hochrisikogruppen oder -situationen sollten präventive therapeutische Maßnahmen beispielsweise mit störungsspezifischen oder modularen Konzepten eingeleitet werden. Störungsspezifische Risiken bezüglich Schulabschluss und Ausbildung müssen gezielt in der Behandlung adressiert werden. Komplementäre Hilfesysteme (SGB VIII § 41, SGB II) müssen in Transitionskonzepte integriert werden. Insbesondere bei chronischen Verläufen ist die Erhaltung von Teilhabe essenziell: Dazu gehört die Integration in Ausbildung und Arbeit. Bisher fehlen gemeinsame evidenzbasierte Konzepte zur psychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung schwerer und chronischer Verläufe in der Übergangsphase und zur Verbesserung der Teilhabe und Verhinderung und Chronifizierung.
Die übergreifende Versorgung zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie lässt noch viel Raum für differenzierte Kooperationen und Schwerpunktbildungen. Hinsichtlich der anzustrebenden Kooperationen ist die Störungsentwicklung bei Personen mit einem hohen Risiko für die Entwicklung schwerer und chronischer psychischer Erkrankungen herauszuheben. Diese Gruppe von Patienten benötigt von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter einer kontinuierlichen Aufmerksamkeit und therapeutischer Interventionen.
Jenseits aller allgemeinen und für dieses Alter spezifischen Psycho- und Pharmakotherapieschwerpunkte gilt es, den betroffenen jungen Menschen auf ihrem schwierigen Weg der Verselbstständigung Hilfestellung zu leisten. Diesem Ziel ordnen sich Kommunikations- und Konflikttraining unter ebenso wie Entspannungstechniken und Krisenbewältigung mit Hilfe von DBT-basierten Emotionsregulationstechniken. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) und die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) vertreten dies in einem Eckpunktepapier, sowie folgenden gemeinsam entwickelten, themenspezifischen Publikationen (Banaschewski et al. 2019). Darin forderten die Fachgesellschaften auch, transitionspsychiatrische Programme in die Aus-, Fort- und Weiterbildung zu integrieren. Systematische Forschungsförderung, die auf Transitionsvorgänge fokussiert, ist erforderlich. Politischer Handlungsbedarf wird auch bei den Versorgungsstrukturen gesehen. So endet die kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung in der Regel spätestens mit 21 Jahren. Aus diesen Gründen ist es für unsere Heranwachsenden ausgesprochen wichtig, dass Versorgungsmodelle geschaffen werden, die den Besonderheiten im Übergang zwischen Jugend- und Erwachsenenalter Rechnung tragen.
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