Endoskopische Therapie der Motilitätsstörungen Botox
Die Behandlungsoptionen der primären Ösophagusmotilitätsstörungen sind palliativ und rein symptomatisch mit dem Ziel einer verbesserten Passage der Speisen durch den Ösophagus in den Magen. Als endoskopische Verfahren stehen uns die pneumatische Ballondilatation (PD), die perorale endoskopische Myotomie (POEM) sowie die Botulinumtoxin (Botox)-Injektion für ausgewählte Fälle zur Verfügung.
Bei den Motilitätsstörungen mit verzögerter Nahrungspassage im oberen Gastrointestinaltrakt, wie der
Achalasie und der Obstruktion des ösophagogastralen Übergangs, ist das oberste Ziel eine Reduzierung der distalen Speiseröhrenobstruktion, um damit entsprechende Symptome, wie Dysphagie und Regurgitationen zu lindern, den Gewichtsverlust zu stoppen und die Entwicklung eines sog.
Megaösophagus zu verhindern.
Hier sollten die Therapieoptionen individuell in Abhängigkeit vom Alter, von den Symptomen, den Begleiterkrankungen, den Achalasie-Subtypen sowie selbstverständlich vom Patientenwunsch ausgewählt werden.
Eine der endoskopischen Möglichkeiten der Behandlung der
Achalasie und der Obstruktion des ösophagogastralen Übergangs bietet die fraktionierte, intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin (Botox) in den UÖS. Hierbei handelt es sich um eine pharmakologische Therapie, bei der das
Botulinumtoxin A, ein Neurotoxin, das die Freisetzung von Acetylcholin an den Nervenendungen im Plexus myentericus hemmt und so der durch cholinerge Nerven gesteuerten Kontraktion des UÖS entgegenwirkt. Dies bewirkt eine bis zu 50 %ige Reduktion des Ruhedrucks des UÖS, was zu einer verbesserten Entleerung der Speisröhre führt. Der anfängliche Therapieerfolg liegt bei etwa 75 %, wobei ältere Patienten die stärkste Symptomverbesserung aufweisen (Pasricha et al.
1996). Die Erfolgsrate kann durch eine Erhöhung der Dosis nicht verbessert werden. Zwei Injektionen à 100 I.E. Botox (25 IE pro Quadrant) im Abstand von 30Tagen gelten als am effektivsten (Annese et al.
2000). Die kurze Wirkdauer der Therapie (etwa 6–12 Monate) erklärt den schlechteren Therapieerfolg im Langzeitverlauf im Vergleich zur pneumatischen Dilatation und Kardiomyotomie (Uppal und Wang
2016). Eine ältere randomisiert kontrollierte Studie (RCT) zur Botoxinjektion versus Ballondilatation zeigte ein signifikant schlechteres klinisches Ansprechen nach zwölf Monaten von 32 % vs. 70 % (Vaezi et al.
1999), eine ebenfalls frühe RCT zum Vergleich mit der laparoskopischen Heller Myotomie zeigte eine Symptomrekurrenz in der Botox-Gruppe von 40 % nach zwölf Monaten im Vergleich zu 13 % der chirurgisch behandelten Patienten (Zaninotto et al.
2004). Es handelt sich vor allem um eine Therapieoption für Patienten mit hoher Komorbidität und begrenzter Lebenserwartung, die ein invasiveres Verfahren nicht tolerieren, oder zur Diagnostik bei manometrisch unklaren Fällen (Katzka und Castell
1999). Bei Patienten < 50 Jahren und gutem Allgemeinzustand sind die Indikationen zur Botox-Applikation limitiert (Zaninotto et al.
2018).
Auch für die hyperkontraktilen Ösophagusmotilitätsstörungen wird die Botoxinjektion eingesetzt. Sie ist ein pathophysiologisch attraktiver Ansatz zur Behandlung von Patienten mit spastischen Störungen. Eine signifikante Verbesserung der klinischen Symptome durch Botox wurde zunächst in Einzelfällen beschrieben. In einer prospektiven placebokontrollierten Studie konnte eine signifikante Symptomverbesserung interessanterweise nur für die Dysphagie, jedoch nicht für den Thoraxschmerz gezeigt werden (Vanuytsel et al.
2013). Auch sind die kurze Wirkdauer der Therapie sowie der Wirkverlust in der Langzeitanwendung einschränkend. Da es für die hyperkontraktilen Störungen jedoch wenig Evidenz zu Therapieoptionen in randomisiert-kontrollierten Studien gibt, findet die endoskopische Botoxinjektion trotz aller o. g. Limitationen in der Praxis noch häufig Anwendung. Allerdings ist die Technik, anders als bei der Therapie der
Achalasie, nicht standardisiert. Es werden sowohl Injektionen in den distalen Ösophagus als auch nur in den ösophagogastralen Übergang beschrieben (Storr et al.
2001).
Die PD gilt neben der POEM als die effektivste nicht-chirurgische Behandlungsmöglichkeit der
Achalasie (Müller et al.
2018). Seit der Erstbeschreibung von Sir Thomas Willis im Jahre 1674, der Patienten mit einer Achalasie mit Walknochen dilatiert hatte, ist das Ziel des Verfahrens, die Schwächung des unteren Ösophagussphinkters, grundsätzlich gleichgeblieben.
Ein einheitlicher Konsens über die optimale Technik der PD bei der
Achalasie existiert nicht (Eckardt und Eckardt
2011). Neben verschiedenen Ballonsystemen wird eine Vielzahl an unterschiedlichen Vorgehensweisen hinsichtlich Ballongröße, Zeit der Inflation, Inflationsdruck und -häufigkeit der Dilatation während einer Sitzung und die Art und Häufigkeit bei der Redilatation beschrieben. Das Konzept der
„graded dilation“, d. h. die stufenweise PD mit steigendem Ballondurchmesser (30, 35 und 40 mm) hat sich hinsichtlich der Risikoreduktion der Perforation und Steigerung der Effizienz als empfehlenswert gezeigt (Zaninotto et al.
2018).
Der Patient sollte prä-interventionell mindestens 12 h nüchtern sein. Patienten, bei denen klinisch oder radiologisch schon eine deutliche Nahrungsmittel-Stase vermutet wird, sollten drei Tage vor dem endoskopischen Eingriff nur noch flüssige Kost zu sich nehmen. Der Eingriff wird in Standardsedierung durchgeführt. Nachdem ein Jagwire- oder Savary-Führungsdraht in den Magen platziert und der ösophagogastrale Übergang sicher identifiziert ist, wird der Ballon über diesen Draht eingeführt und unter radiologischer oder endoskopischer Kontrolle exakt in den Bereich des UÖS positioniert. Zur einfacheren Positionierung des Ballonsystems kann der beim Rückzug des Endoskops festgestellte Abstand vom ösophagogastralen Übergang zur Zahnreihe mit Hilfe eines Filzstifts oder Pflasterstreifens auf dem Ballonkatheter markiert werden, wobei die Mitte des Ballons (ein- oder zweistrichige Röntgenmarkierung) als unterer Messpunkt gewählt wird, korrespondierend zur Lage des Ballons im UÖS.
Anschließend erfolgt die vollständige Aufdehnung bis zum Verstreichen der Taille des Ballons (ca. 7–10 psi), diese wird für 1–3 min gehalten ggf. auch wiederholt, wobei Daten zur optimalen Technik fehlen. Das schnelle Füllen des Ballons mit Luft führt zu einem, zumindest teilweisen, Einreißen der Muskelfasern des UÖS. Der Ballon wird danach vollständig entleert und kann mit dem Führungsdraht gemeinsam entfernt werden. Danach erfolgt die endoskopische Kontrolle zum Ausschluss von Komplikationen, wie Perforation, Blutung oder Hämatom. In vielen Zentren wird 4 h nach dem Eingriff eine zusätzliche Röntgen-Ösophagus-Untersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel durchgeführt, worauf allerdings verzichtet werden kann, wenn die postinterventionelle Endoskopiekontrolle unauffällig ist und der Patient in den Folgestunden nach der Untersuchung keine Beschwerden angibt. Typische Symptome einer Perforation sind
Schmerzen in der Brust, oft mit Ausstrahlung in den Rücken oder in die Schulter, gefolgt möglicherweise von Erbrechen und Dyspnoe (Søreide und Viste
2011).
Die in der Literatur angegebenen Perforationsraten variieren deutlich mit 0–5 %, liegen im Mittel jedoch bei etwa 2 % (Katzka und Castell
2011), in neueren prospektiven Studien aber auch bis zu 5 % (Moonen et al.
2016). Die Perforationsstelle ist meist kurz oberhalb der Kardia linksseitig entlang des Ösophagus lokalisiert, da sich hier eine anatomische Schwachstelle befindet. Große Perforationen mit Flüssigkeitsaustritt ins Mediastinum und drohender
Mediastinitis müssen chirurgisch versorgt werden, kleinere Defekte können bei entsprechender Expertise in Abhängigkeit von der Klinik und bei früher Diagnostik endoskopisch-interventionell (z. B. mit EndoVac-System) behandelt werden (Stathopoulos et al.
2020).
Ein hohes Lebensalter, das Vorhandensein von Ösophagusdivertikeln, ein torquierter Ösophagus, die Behandlung mit Drücken von mehr als 10 psi und ein großer Ballondurchmesser gelten als Risikofaktoren für eine Perforation (Nair et al.
1993).
Erwähnenswert auch in Anbetracht der Abwägung der verschiedenen Therapieoptionen ist, dass ca. 20–30 % aller Patienten nach PD einen gastroösophagealen Reflux entwickeln, da – im Gegensatz zur chirurgischen Therapie – keine Antireflux-Vorrichtung geschaffen wird. Diese Patienten sprechen allerdings in aller Regel gut auf eine PPI-Therapie an (Min et al.
2014). Als relevante Kontraindikation für die PD wird ein deutlich reduzierter Allgemeinzustand bzw. ein multimorbider Patient gesehen, bei dem eine Notfall-OP im Falle einer Perforation zu risikoreich wäre (Moonen und Boeckxstaens
2016).
Während die initialen Erfolgsraten der PD bei der
Achalasie mit 85 % angegeben werden, liegt die Langzeit-Remission nach einmaliger PD nach 10 Jahren nur bei ca. 40 % und mehr als die Hälfte der Patienten muss wiederholt dilatiert werden (Eckardt et al.
2004; Müller et al.
2018). Eine weitere retrospektive Langzeitbeobachtung von 113 Patienten über 13 Jahre zeigte einen klinischen Relaps bei 54 % im Gesamtkollektiv mit Langzeit-Remissionsraten von 53 % nach fünf Jahren und nur noch 49 % nach zehn Jahren.
Bei Einsatz der symptomorientierten stufenweisen Ballondilatation („graded approach“) konnten jedoch im Langzeitverlauf von mindestens fünf Jahren keine signifikant schlechteren Therapieergebnisse im Vergleich zur laparoskopischen Heller-Myotomie festgestellt werden. Allerdings zeigt sich eine Abhängigkeit des Therapieerfolgs vom Subtyp der
Achalasie (Moonen und Boeckxstaens
2016).
Patienten mit einer Typ II-Achalasie sprechen i. d. R. sehr gut auf eine pneumatische Dilatation an, wohingegen bei Patienten mit einer Typ III-Achalasie die endoskopische oder chirurgische Myotomie die bessere Therapieoption darstellt (Zhang
2017). Patienten > 40 Jahre scheinen besser auf die PD zu respondieren, als jüngere. Jüngeres Alter < 40 Jahre, ein unterer ösophagealer Druck > 15 mmHg, eine Kardiaweite < 5 mm sowie eine Barium-Kontrastsäule > 1 cm vier bis zwölf Wochen nach der Dilatation korrelierten signifikant mit einer Symptomrekurrenz.
Daher sollte insbesondere bei jüngeren Patienten und/oder unzureichendem Ansprechen spätestens nach ein bis zwei PD ein alternatives Verfahren diskutiert werden. Hier stehen die POEM und die laparoskopische Heller-Myotomie zur Verfügung.
Der beste Prädiktor für ein erfolgreiches Langzeitergebnis ist die post-interventionelle Senkung des initialen UÖS-Ruhetonus um > 50 % (Ghoshal und Rangan
2011). Bei unzureichender Symptom-Verbesserung nach spätestens 3 Dilatationen ist die chirurgische Myotomie zu empfehlen (Gockel et al.
2004).
Die PD kann nach der Heller-Myotomie ohne erhöhtes Perforationsrisiko z. B. bei Rezidiv der chirurgischen Behandlung durchgeführt werden. Die Erfolgsraten sind im Vergleich zu nicht vortherapierten Patienten zwar schlechter, es kann jedoch bei mehr als 2/3 der Patienten eine erneute Remission erzielt werden (Fernandez-Ananin et al.
2018).
Bei den hyperkontraktilen Motilitätsstörungen konnte durch die PD nur bei einigen Patienten eine geringe Verbesserung der Dysphagie beobachtet werden, allerdings wird auch diskutiert, ob bei diesen Patienten nicht doch eine Frühform der
Achalasie vorliegt (Achem
2014; Roman und Kahrilas
2013).
Die POEM wurde erstmals von Inoue et al. 2010 in Japan beschrieben und hat sich seither weltweit als therapeutische Alternative zur laparoskopischen Heller-Myotomie LHM etabliert.
Dabei wird endoskopisch mit einem schlanken Gastroskop unter Verwendung spezieller Abstandskappen etwa 8–10 cm (Typ I – II-Achalasie) oberhalb des UÖS ein Eingang in den submukosalen Ösophagus geschaffen, im Anschluss erfolgt die Tunnelung mit einem ESD- oder einem Triangle-Messer im submukösen Raum bis zu Kardia und etwas darüber hinaus in den Magen. Größere Gefäße oder aktive Blutungen werden mit speziellen Koagulationszangen koaguliert. Die Myotomie der Ringmuskulatur und zum Teil auch der äußeren Längsmuskulatur erfolgt von oral nach aboral bis über die Kardia hinaus in den proximalen Magen meist unter Verwendung der „Spray-Koagulation“ -Funktion. Abschließend wird der endoluminale Tunneleingang mit einer Clipnaht verschlossen. Das POEM Verfahren erfordert eine Durchführung in Vollnarkose, ein intermittierend entstehendes Pneumoperitoneum während des Eingriffs wird durch Punktion entlastet. Eine peri-interventionelle systemische Antibiose ist angezeigt.
Die
Achalasie Typ II scheint im Vergleich zu Typ I bei der POEM mit einem etwas besseren Outcome verbunden zu sein (Tomizawa et al.
2020), die Länge der intrathorakalen Myotomie kurz (3–4 cm) vs. lang (6–8 cm) zeigte in ersten randomisiert-vergleichenden Studien für den Typ I und II eine gleichwertige Effektivität (Gu et al.
2020; Nabi et al.
2021). Für die Typ III-Achalasie ist nach genauer manometrischer Ausmessung der Hochdruckzone des UÖS das POEM-Verfahren durch die angepasste lange Myotomie vorteilhaft. Zur Frage, ob die POEM der Vorder- oder der Hinterwand des Ösophagus effizienter ist, liegen erste Daten ohne signifikante Unterschiede hinsichtlich der Lokalisation vor (Tan et al.
2018; Ichkhanian et al.
2020).
Komplikationen des Verfahrens sind Ösophagusperforationen,
Mediastinitis, Mediastinalemphysem und Blutungskomplikationen sowie ein
gastroösophagealer Reflux, da keine Antireflux-Prozedur erfolgt (Shiwaku et al.
2020).
Zusammenfassend ist die POEM derzeit das effektivste endoskopische Verfahren zur Behandlung der
Achalasie und hinsichtlich des therapeutischen Zwei-Jahres-Ansprechens sowie der Komplikationsraten der LHM vergleichbar bzw. nicht unterlegen. Über eine etwas höhere Rate für gastroösophagealen Reflux im Vergleich zur LHM sollten die Patienten aufgeklärt werden.