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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 24.04.2015

Infektiologische Systemerkrankungen

Verfasst von: Bernd Salzberger
Hantavirusinfektionen und Leptospirosen sind systemische Erkrankungen mit nur kurzen klinischen Manifestationen, während sowohl Q-Fieber als auch Brucellosen langwierige und komplizierte Verläufe verursachen können. Gerade die beiden letzteren Infektionen, die mit einer Reihe von Organkomplikationen einhergehen können, stellen somit wichtige Differenzialdiagnosen bei Patienten mit Fieber unklarer Genese, kulturnegativer Endokarditis oder Lymphadenopathie dar.

Definition

Einige Infektionserkrankungen, insbesondere nicht primär von Mensch zu Mensch übertragene, sind aufgrund von Infektionsmechanismus und Organbefall nicht einfach unter beispielsweise respiratorische Infektionen oder Infektionen spezifischer Organsysteme einzuordnen. Dieses Kapitel soll diese Lücke schließen und die wichtigsten dieser Erkrankungen aufführen. An spezifischen Infektionskrankheiten werden hier Hantaviruserkrankungen, die Leptospirose, das Q-Fieber und die Brucellose aufgeführt. Diese Liste ist nicht vollständig, sämtliche anderen Erkrankungen mit den genannten Charakteristika sind allerdings in Deutschland extreme Raritäten (z. B. Läuserückfallfieber, Flecktyphus) und sind deshalb hier nicht gesondert aufgeführt.

Q-Fieber

Definition

Q-Fieber ist die Erkrankung durch Coxiella burnetii beim Menschen. Coxiella burnetii ist ein pleomorpher Coccobacillus mit gramnegativer Zellwand und ein intrazellulärer Erreger.

Epidemiologie

Das Q-Fieber ist eine Zooanthroponose, infiziert sind vor allem Schafe, Ziegen und Rinder. Infektionen bei Menschen entstehen meist durch Inhalation erregerhaltiger Stäube (z. B. von infizierten Tieren, aber auch durch Wolle und Tierhäute). Direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich, wenn auch sehr selten. Labor- und nosokomiale Infektionen sind selten (Maurin und Raoult 1999). Insgesamt werden in Deutschland jährlich zwischen 100 und 500 Fälle gemeldet. Höhere Zahlen sind typischerweise durch größere lokalisierte Ausbrüche verursacht.

Klinik

Die Inkubationszeit beträgt zwischen 9 und 40 Tagen. Inapparente oder selbstlimitierende Infektionen sind häufig. Symptomatische Infektionen beginnen oft mit Schüttelfrost und starken Schmerzen im Thoraxbereich, aber auch Schmerzen in den Extremitäten können auftreten. Charakteristisch ist ein stirnbetonter Kopfschmerz, der sehr heftig sein kann und nicht selten den Beginn einer Meningitis vortäuscht, zusätzlich tritt ein ausgeprägter unproduktiver Reizhusten auf.
Nach zwei bis drei Tagen ist radiologisch der Nachweis einer atypischen Pneumonie möglich. Die Infiltrate sind häufig disseminiert, unscharf begrenzt und zeigen eine ausgeprägte Hilusbeteiligung. Typischerweise besteht kein pathologischer Auskultationsbefund.
Fiebertyp: vier- bis fünftägige Kontinua und dann Übergang in einen intermittierenden Fiebertyp. Es besteht in den meisten Fällen eine relative Bradykardie.
Die Leukozyten bleiben meist im Normbereich, zeigen aber zum Teil eine erhebliche Linksverschiebung mit bis 40 % stabkernigen Granulozyten. Die Transaminasen sind leicht erhöht. Eine Hyperbilirubinämie kann auftreten.
Als Komplikationen sind beschrieben: Meningoenzephalitis, Orchitis, Epididymitis, Perikarditis, Myokarditis. Eine besondere Form ist das chronische Q-Fieber mit intermittierendem Fieber und Manifestationen als Endokarditis (auch bei Kunstklappen), Aortitis (häufig mit der Entwicklung von Aneurysmen) und granulomatöser Hepatitis.

Diagnostik

Die Diagnose kann mittels Serologie, kulturellem Nachweis und PCR gestellt werden. Drei serologische Verfahren sind etwa gleichwertig: indirekte Immunfluoreszenz und ELISA. Signifikante Titeranstiege können zwei bis vier Wochen nach Beginn der Erkrankung erwartet werden. Immunantworten gegen zwei verschiedene Antigentypen (Phase I und Phase II) werden nachgewiesen: Phase-II-Antikörper dominieren bei einer akuten und selbstlimitierenden Erkrankung, während bei chronischem Verlauf hochtitrige Antikörper gegen Phase-I-Antigen typisch sind. Die wichtigsten Differentialdiagnosen bei den akuten Erkrankungen sind atypische Pneumonien anderer Ursache, Bakteriämien, virale Meningoenzephalitis.

Therapie

Eine ganze Reihe von Antibiotika sind gegen Coxiella burneti wirksam, u. a. Rifampicin, Gyrasehemmer, Cotrimoxazol, neuere Makrolide sowie Chloramphenicol. Betalaktame sind unwirksam. Die Behandlung der Q-Fieber-Pneumonie erfolgt mit Doxycyclin 200 mg/Tag über sieben bis zehn Tage (Empfehlungsgrad C; 1, 2); bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit ist Clarithromycin eine Alternative. Bei der Q-Fieber-Endokarditis ist eine Langzeitkombinationstherapie von mindestens zwölf Monaten nötig. Gute Ergebnisse wurden mit der Kombination aus Doxycyclin und Hydroxychloroquin berichtet (Empfehlungsgrad C; 1, 3). Ein operativer Herzklappenersatz oder ein Ersatz der Aorta ascendens (bei Aortitis) ist oft notwendig.

Leptospirosen

Definition

Leptospirosen werden durch Infektionen mit pathogenen Spezies von Leptospiren (aerobe grampositive Spirochäten), vor allem Leptospira interrogans, verursacht. Für nahezu alle Spezies gibt es noch zusätzlich unterschiedliche Serovarianten. Leptospirosen sind Zooanthoponosen. Befallen sind primär Nager, die den Erreger mit dem Urin ausscheiden. Die Infektion geschieht häufig durch Aufnahme der Erreger über kleine Hautverletzungen oder in feuchtwarmen Gewässern auch über die Schleimhäute, Fälle sind auch bei Wassersportlern beschrieben (Bharti et al. 2003).

Epidemiologie

In Deutschland werden ca. 80 Erkrankungen pro Jahr gemeldet, davon etwa ein Drittel mit schweren Verläufen (Morbus Weil). Diese werden vor allem von dem Serotyp Leptospira interrogans icterohaemorrhagiae hervorgerufen, der durch Ratten übertragen wird.

Symptomatik und klinisches Bild

Die Inkubationszeit ist kurz (5–14 Tage). Die Erkrankung verläuft meist in zwei Phasen, einer bakteriämischen Phase über 3–8 Tage und einer zweiten, immunreaktiven Phase mit Organmanifestationen. Die erste Phase beginnt schlagartig mit hohem Fieber, Kopfschmerzen und Myalgien. In der zweiten Phase treten aseptische Meningitis, Nephritis und Hepatitis auf, seltener Myokarditis und andere Organinfektionen. 85–90 % der Leptospirosen verlaufen ohne Ikterus und sind nicht lebensbedrohlich. Die schweren Erkrankungen verlaufen ikterisch (Morbus Weil) und haben eine Letalität von bis zu 10 %. Spezifische Komplikationen sind schwere Sepsis mit Verbrauchskoagulopathie, akutes Nierenversagen und Lungenblutung.

Diagnostik

Innerhalb der ersten Krankheitswoche können die Leptospiren mikroskopisch (Dunkelfeld, wenig sensitiv und spezifisch) und kulturell (Spezialmedien, spezifisch, aber nicht sehr sensitiv) im Blut und Liquor nachgewiesen werden, ab der zweiten Woche dann im Urin. Der Nachweis von Leptospiren-DNA im Blut und Urin mittels PCR ist in den ersten zehn Tagen sehr sensitiv. Ab Tag 6 finden sich Antikörper (Agglutinationsreaktion oder IgM-ELISA). Die Differenzialdiagnose ist breit, sie umfasst u. a. Malaria, Virusgrippe, Meningitis und Hepatitiden. Die unspezifische Symptomatik und die Seltenheit des Krankheitsbildes bringen es mit sich, dass in der frühen Phase selten an die Leptospirose gedacht wird.

Therapie

Wichtig ist die supportive Therapie. Leptospiren sind hochempfindlich gegenüber einer ganzen Reihe von Antibiotika. Empfohlen wird die Gabe von Doxycyclin (200 mg pro Tag) oder parenteralen Betalactamen (Penicillin G 6–8 Mio. Einheiten pro Tag in sechsstündigem Dosierungsintervall, alternativ Ceftriaxon 1–2 g alle 24 Stunden) für sieben Tage (Empfehlungsgrad C, 4–6). Der Nutzen einer antibiotischen Therapie in der immunreaktiven Phase ist nicht klar nachgewiesen und wird nur bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock empfohlen.

Hantavirusinfektionen

Definition

Hantaviren sind RNA-Viren aus der Familie der Bunyaviridae mit Nagern als primärem Wirt. Zwei verschiedene Formen sind beschrieben: in Europa und Asien Erkrankungen mit renaler Beteiligung sowie in Nord- und Südamerika Infektionen mit pulmonaler Beteiligung (Tab. 1) In Europa prävalente Spezies sind Puumala (Skandinavien, Russland, Nordeuropa), Dobrava-Belgrad (Balkan) und Seoul (weltweit); eine besonders schwere renale Form wird durch das Hantaanvirus verursacht (Koreanisches hämorrhagisches Fieber, Asien). Zu den für die pulmonale Form verantwortlichen Virenstämmen gehört Sin Nombre.
Tab. 1
Hantaviren: Spezies, Vorkommen und Organmanifestation
Spezies
Vorkommen
Manifestation
Hantavirus Puumala
Europa, Asien
Nephropathia epidemica, >90 % asymptomatisch
Hantavirus Hantaan, Dobrava/Belgrad, Seoul
Europa, Asien
Fieber, Thrombozytopenie, Nierenversagen (renales Hantavirus-Syndrom) mit Komplikationen (Blutung und Nierenversagen)
Hantavirus sin nombre, andere
Nord- und Südamerika
Pulmonales Hantavirus-Syndrom mit Komplikationen (Schock und akutes Lungenversagen)

Epidemiologie

Die Übertragung findet durch Kontakt mit Aerosolen von Nagetierexkrementen oder -urin statt. Insgesamt werden 150.000–200.000 Fälle von Hantavirusinfektionen mit renaler Beteiligung jährlich angenommen, die Anzahl der Infektionen mit pulmonaler Beteiligung wird auf unter 1000 Fälle/Jahr geschätzt. In Deutschland werden bis zu ca. 2000 Erkrankungen pro Jahr gemeldet. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist in Einzelfällen beim pulmonalen Hantavirussyndrom beschrieben.

Symptomatik und klinisches Bild

Bei den europäischen und asiatischen Formen ist der Beginn abrupt mit Kopf- und Rückenschmerzen sowie Fieber, Schleimhautblutungen und Petechien. Später entwickeln sich Hypotonie, Oligurie sowie akutes Nierenversagen. Die Schwere der Thrombozytopenie hat prognostische Bedeutung.
Bei der amerikanischen Form ist der Beginn ebenfalls abrupt mit Fieber, Husten und Allgemeinsymptomen. Ein Lungenversagen entwickelt sich innerhalb von Stunden bis Tagen. Die Letalität beträgt ca. 40 %.
In den letzten Jahren sind allerdings zunehmend auch Fälle von Nierenversagen bei amerikanischen Stämmen und Lungenbeteiligung auch bei europäischen Stämmen beschrieben worden. Eine Zuordnung zu den verschiedenen Viren nach den klinisch führenden Symptomen scheint nach heutigem Kenntnisstand nicht mehr eindeutig möglich zu sein.

Diagnostik und Differenzialdiagnose

Abzugrenzen sind das hämolytisch-urämische Syndrom, thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, Leptospirose und andere mit Thrombozytopenie einhergehende Infektionen. Die Diagnose kann serologisch gestellt werden (Nachweis von Hantavirus-IgG- und -IgM-Antikörpern) oder durch Direktnachweis des Erregers mittels PCR aus Blut, Urin oder resp. Material. Die kulturelle Anzucht wird nur noch in seltenen Fällen routinemäßig durchgeführt.

Therapie

Die Therapie ist supportiv. Beim koreanischen hämorrhagischen Fieber ist die Therapie mit Ribavirin intravenös wirksam, die insgesamt sehr geringe Rate an Komplikationen bei einheimischen Hantavirusinfektionen rechtfertigt jedoch nicht den Einsatz von Ribavirin (Empfehlungsgrad A; 7) (Huggins et al. 1991).

Brucellose

Definition

Brucellosen sind Erkrankungen mit nicht bekapselten gramnegativen Bakterien, meist den eng verwandten Spezies Brucella abortus und Brucella melitensis.

Epidemiologie

Brucella spp. finden sich weltweit in Schafen und Ziegen, mit einer Häufung im Mittelmeerraum, der arabischen Halbinsel, Zentralasien und Mittelamerika. In den meisten westlichen Ländern kommt die Brucellose durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen in der Tierhaltung praktisch nicht mehr vor. In Deutschland werden jährlich weniger als 100 Fälle gemeldet. Die Infektion findet statt durch direkten Tierkontakt, durch Aerosole oder durch Aufnahme von unpasteurisierten Milchprodukten.

Klinik

Meist zwei bis vier Wochen nach Infektion treten zunächst unspezifische Symptome auf (Fieber, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Rückenschmerzen). Klar objektivierbare Befunde dagegen sind eher selten. So finden sich Lymphknotenvergrößerungen nur bei 10–20 % und Hepatosplenomegalie bei 20–30 % der betroffenen Patienten.
Bei längerer Infektion ist das Fieber manchmal typisch undulierend. Brucellose ist eine Systemerkrankung mit möglicher Beteiligung nahezu jeden Organsystems. Die klinischen Bilder umfassen Enteritis mit zum Teil schwerer Ileitis, Hepatitis, Meningoenzephalitis, Endokarditis und Osteomyelitis. Auch Rückfälle nach Therapie sind aufgrund der häufig disseminierten und schlecht therapeutisch erreichbaren Foci, z. B. im Skelettsystem, möglich.

Diagnostik

Der vermutlich wichtigste Aspekt in der Diagnosestellung ist den Verdacht auf die Erkrankung zu äußern. Definitiv kann die Diagnose durch Kultur des Erregers aus der Blutkultur oder einem Organfokus gestellt werden. Der Nachweis von Brucellen-DNA aus klinischem Material oder hochtitriger Antikörper kann ebenfalls die Diagnose sichern.

Therapie

Die am besten wirksame Substanzgruppe sind Tetrazykline, allerdings ist eine Monotherapie mit einer hohen Rate von Rückfällen behaftet. Der Therapiestandard ist eine Kombination von Doxycyclin 2× 100 mg für sechs Wochen plus Gentamycin 5 mg/kg KG i.m. für sieben Tage.
Alternativ einsetzbare Substanzen sind Cotrimoxazol, Chinolone und Rifampicin. Für die Therapie von schweren und chronischen Infektionen, vor allem mit Gefäß-, ZNS- und Knochenbefall mit Brucellen, sind keine guten Standards etabliert. Empfohlen wird häufig eine Tripeltherapie (z. B. Doxycyclin plus Cotrimoxazol plus Rifampicin) über mehrere Monate (Young 2010).

Zusammenfassung

Hantavirusinfektionen und Leptospirosen sind systemische Erkrankungen mit nur kurzen klinischen Manifestationen, während sowohl Q-Fieber als auch Brucellosen langwierige und komplizierte Verläufe verursachen können. Gerade die beiden letzteren Infektionen, die mit einer Reihe von Organkomplikationen einhergehen können, stellen somit wichtige Differenzialdiagnosen bei Patienten mit Fieber unklarer Genese, kulturnegativer Endokarditis oder Lymphadenopathie dar. Weitere seltene systemische Infektionskrankheiten, die prinzipiell auch in Deutschland auftreten können, sind Infektionen mit T. whipplei (Kap. Tropheryma whipplei bedingte Erkrankungen) und mit verschiedenen Rickettsien-Spezies und Bartonellosen, auf die hier aufgrund des seltenen Vorkommens nicht näher eingegangen wird.
Literatur
Bharti AR, Nally JE, Ricaldi JN et al (2003) Leptospirosis: a zoonotic disease of global importance. Lancet Infect Dis 3:757–771CrossRefPubMed
Huggins JW, Hsiang CM, Cosgriff TM et al (1991) Prospective, double-blind, concurrent, placebo-controlled clinical trial of intravenous ribavirin therapy of hemorrhagic fever with renal syndrome. J Infect Dis 164:1119–1127CrossRefPubMed
Maurin M, Raoult D (1999) Q fever. Clin Microbiol Rev 12:518–553PubMedCentralPubMed
Young EL (2010) Brucella species, Kap. 126. In: Mandell GL, Bennett JE, Dolin R (Hrsg) Principles and Practice of Infectious Diseases. 7. Aufl. Churchill-Livingstone/Elsevier, Philadelphia