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Die Anästhesiologie
Info
Publiziert am: 16.05.2017

Anästhesiologische Beurteilung des Patienten: Nervensystem

Verfasst von: Rüdiger Noppens
Um eine möglichst umfassende Untersuchung durchzuführen, sollte ein standardisiertes Schema eingehalten werden (Tab. 2). Dieses Vorgehen erlaubt eine schnelle Orientierung über den aktuellen Gesundheitsstatus des Patienten und gestattet die umfassende und individuelle Narkoseplanung. Eine orientierende neurologische Untersuchung ergibt sich dabei zu \( {2}\left/ {3}\right. \) aus gezielter Anamnese und zu \( {1}\left/ {3}\right. \) aus körperlicher Untersuchung.
Einleitung
Patienten mit neurologischen Vorerkrankungen weisen häufig anästhesiologisch relevante Besonderheiten auf. Um eine optimale perioperative Betreuung gewährleisten zu können, muss der Anästhesist mit neurologischen Symptomen (Tab. 1) sowie den zugrunde liegenden Störungen und den daraus erwachsenden Komplikationsmöglichkeiten vertraut sein. Bei der präoperativen Untersuchung sollen neurologische Störungen und Ausfälle dokumentiert werden, um etwaige Veränderungen im Verlauf erkennen zu können.
Tab. 1
Leitsymptome neurologischer Störungen
Krampfanfälle
– Fokal
– Generalisiert
Fokale Ausfälle
– Motorische Störungen an Extremitäten
– Hirnnervenausfälle
– Hemiparese
Symptome eines erhöhten Hirndrucks
Abschn. 3.2
Zeichen eines meningealen Reizsyndroms
– Übelkeit/Erbrechen
– Fotophobie
– Nackensteifigkeit
Störungen des peripheren Nervensystems
– Sensorische/motorische Störungen an Extremitäten
– Pathologische Reflexe
Bewusstseinsstörung
– Somnolenz
Stupor
Koma
Psychopathologische Befunde
– Antriebs- und Affektstörungen

Orientierende klinisch-neurologische Untersuchung

Um eine möglichst umfassende Untersuchung durchzuführen, sollte ein standardisiertes Schema eingehalten werden (Tab. 2). Dieses Vorgehen erlaubt eine schnelle Orientierung über den aktuellen Gesundheitsstatus des Patienten und gestattet die umfassende und individuelle Narkoseplanung. Eine orientierende neurologische Untersuchung ergibt sich dabei zu \( {2}\left/ {3}\right. \) aus gezielter Anamnese und zu \( {1}\left/ {3}\right. \) aus körperlicher Untersuchung.
Tab. 2
Orientierende klinische Untersuchung
Bewusstsein
– Ansprechen, Anfassen, ggf. Schmerzreiz
– Glasgow-Koma-Skala (Tab. 4)
Augen
– Bulbusstellung
– Pupillenreflexe (Lichtreaktion)
– Kornealreflex
Extremitäten
– Oberflächensensibilität
– Muskeltonus/Muskelkraft
– Pyramidenbahnzeichen (z. B. Babinski)

Inspektion der Augen

Die orientierende neurologische Beurteilung beinhaltet immer eine Untersuchung der Augen. Untersucht und dokumentiert werden: Bulbusstellung, Lichtreaktion, Pupillenweite und ggf. Kornealreflex.
Beim bewusstseinsgestörten Patienten ist die Stellung der Bulbi von Bedeutung um Hinweise auf die Ätiologie und mögliche intrakranielle Läsionen zu erhalten:
Bulbusstellung
  • Divergenz und spontane Pendelbewegungen zeigen eine funktionelle oder anatomische Hirnstammschädigung in der Brücken-/Mittelhirnregion.
  • Bei einseitiger Hemisphärenschädigungen kommt es zu einer Blickwendung in Richtung auf den Herd.
  • Eine pontine Schädigung resultiert zu einer Blickwendung vom Herd weg.
  • Konjugierte Abweichungen der Bulbi zur Seite lassen auf eine Störung im Stammhirn oder in der Brücke schließen.
  • Spontane Vertikalbewegungen sind als ein prognostisch ungünstiges Zeichen zu werten.
Bei hellem Umgebungslicht stellt das Öffnen der Augenlider bereits einen adäquaten Reiz für den Pupillenreflex dar. Bei Lichteinfall kommt es bei einem intakten Mittelhirn zu einer Miose (Lichtreflex). Durch abwechselndes Abdecken der Augen wird die Beurteilung der konsensuellen Lichtreaktion ermöglicht.
Wichtige Hinweise auf die Lokalisation einer Schädigung liefert die Pupillenweite.
Pupillenweite
  • Eine mäßige Miosis (Pupillendurchmesser: 2–3 mm) kann durch eine Läsion im Subthalamus bedingt sein.
  • Läsionen in der Brückenhaube führen wegen Unterbrechung der sympathischen Fasern zu einer bilateralen maximalen Miosis (Pupillendurchmesser: 1 mm).
  • Als Auslöser einer starken Mydriasis (Pupillendurchmesser: 7–11 mm) kommt eine subtotale Mittelhirnschädigung in Betracht.
  • Schwere Mittelhirnschädigungen sind an einer mäßigen Mydriasis (Pupillendurchmesser: 4–6 mm) mit gleichzeitig verlangsamter Lichtreaktion erkennbar.
  • Anisokorie tritt v. a. nach einer Schädigung des N. oculomotorius auf, z. B. bei einer oberen Einklemmung (Temporallappenherniation).
  • Eine Intoxikation mit Opioiden führt zu einer beidseitigen Miosis mit träger Lichtreaktion.
Überprüfung der Okulomotorik beim bewusstlosen Patienten
  • Prüfung darf nur erfolgen wenn eine Verletzung der Halswirbelsäule ausgeschlossen ist.
  • Beim okulozephalen Reflex wird der Kopf zügig zur Seite gedreht. Typischerweise kommt es zu einer konjugierenden Augenbewegung in entgegengesetzter Richtung (Puppenkopf-Phänomen). Ein Ausbleiben ist typisch für eine Schädigung im Bereich von Brücke und Mittelhirn.
Der Kornealreflex wird durch Berühren der Kornea mittels eines kleinen Tupfers von lateral überprüft (Abschn. 3.3).

Untersuchung der Extremitäten

Die Oberflächensensibilität kann durch feine Berührung (z. B. Finger oder Wattetupfer) und Schmerzreize (z. B. Kneifen) geprüft werden. Häufig berichten Patienten nach gezieltem Nachfragen von Taubheitsgefühlen. Je nach Sitz der Läsion findet sich eine segmentale (sensible Hinterwurzel des Rückenmarks), periphere (peripherer Nerv) oder eine halbseitenförmige Ausbreitung (zentrale Störung).
Um Störungen der motorischen Funktion zu untersuchen, sind die beiden Qualitäten Muskeltonus und Muskelkraft zu prüfen. Der Tonus von Armen und Beinen wird durch bilaterale, abwechselnde, nichtrhythmische Bewegungen überprüft. Die Muskelkraft wird durch einen beidseitigen Händedruck und durch den Armhalteversuch (der Patient hält mit geschlossenen Augen beide Arme mit gespreizten Fingern ausgestreckt vor sich) geprüft. Bei Vorliegen einer zentralen Parase kommt es zu einer Pronation mit Absinken des betroffenen Arms.
Sowohl Dehnungszeichen (z. B. Meningismusprüfung, Lasègue-Zeichen) als auch Pyramidenbahnzeichen (z. B. Babinski-Gruppe) können untersucht werden. Das Babinski-Zeichen wird ausgelöst indem an der Fußaußenkante von unten nach oben in einem Bogen entlang gestrichen wird. Pathologisch ist eine tonische Dorsalextension der Großzehe bei gleichzeitigem Spreizen der anderen Zehen. Entsprechende Befunde sind immer zu dokumentieren, um Ausgangswerte für den weiteren Verlauf zu haben.
Für eine periphere (schlaffe) Lähmung sprechen Muskelhypotonie, Abschwächung bzw. Aufhebung des zugehörigen Muskeleigenreflexes und Denervierungszeichen (Fazikulationen). Für eine zentrale (spastische) Parese sprechen Tonuserhöhung, Reflexsteigerung, Verlust der Feinmotorik, Kloni und Pyramidenbahnzeichen (z. B. Babinski).

Anatomie und Physiologie

Zentrales Nervensystem

Zur Anatomie von Hirnhäuten und Rückenmark Kap. Rückenmarknahe Regionalanästhesie: Anatomie, Physiologie, Kontraindikationen, Komplikationen, Antikoagulation.

Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel

Blutversorgung
Der zerebrale Blutfluss („cerebral blood flow“, CBF) beträgt beim Erwachsenen 45–65 ml/100 g/min (12–15 % des Herzzeitvolumens), das intrakranielle Blutvolumen liegt konstant bei ca. 100–150 ml.
Die Blutversorgung des zentralen Nervensystems erfolgt über die Aa. carotis internae und die Aa. vertebrales. Diese Gefäße sind anatomisch, aber nicht immer auch funktionell über den Circulus arteriosus cerebri (Willisi) verbunden.
Die beiden Aa. carotides internae sind über die Aa. communicantes posteriores mit den Aa. cerebri posteriores, die aus der A. basilaris entspringen, verbunden. Nach rostral ist die A. carotis interna der einen Seite über die A. cerebri anterior, die A. communicans anterior und die kontralaterale A. cerebri anterior mit der A. carotis interna der Gegenseite verbunden (Abb. 1).
Intrakranielle Venen führen das abfließende Blut den Sinus durae matris zu.
Die Venen stehen untereinander in Verbindung und münden über den Sinus sigmoideus in die V. jugularis interna. Über diese Vene wird das zerebrale Blut zu 95 % drainiert.
Das Gefäß verlässt den Schädel durch das Foramen jugulare mit einer Erweiterung, die Bulbus venae jugularis superior genannt wird. In diesem Gefäßabschnitt befindet sich ausschließlich zerebrales Blut. Im weiteren Verlauf münden weitere Venen (z. B. V. facialis) in die V. jugularis interna ein.
Eine Seitendifferenz in der venösen Drainage ist funktionell möglich.
Metabolismus
Das Gehirn hat einen hohen Grundbedarf an Sauerstoff und Glukose bei gleichzeitig minimaler Reservekapazität. Pro Minute werden ca. 50 ml Sauerstoff und etwa 78 mg Glukose aufgenommen. Der Anteil des Gehirns am Gesamtenergieumsatz beträgt 20 %, obwohl es nur 2 % des Körpergewichts ausmacht.
Dieser Energiebedarf kann bei vermehrter Aktivierung in bestimmten Hirnarealen erheblich zunehmen. Das Gehirn ist nicht in der Lage, größere Mengen Energie zu speichern, weshalb eine ständige Substratzufuhr erfolgen muss.
Etwa 40 % der Energie wird zur Aufrechterhaltung des Strukturstoffwechsels (Zellintegrität) der Nerven- und Gliazellen verwendet (Basalumsatz). Die restliche Energie dient zur Aufrechterhaltung eines konstanten extrazellulären Milieus sowie für den Funktionsstoffwechsel (Funktionsumsatz).
Wird die O2-Zufuhr vermindert (Ischämie), z. B. durch Verringerung des CBF, kommt es zu einer zunehmenden Einschränkung des Funktionsstoffwechsels (CBF <20 ml/min/100 g) und schließlich zum Erliegen der neuronalen Aktivität (CBF <15 ml/min/100 g) mit irreversibler Gewebszerstörung (CBF <10 ml/min/100 g, Tab. 3).
Tab. 3
Einfluss des zerebralen Blutflusses (CBF) auf den neuronalen Stoffwechsel
CBF [ml/100 g/min]
Aktivität des neuronalen Stoffwechsels
40–60
Normaler Funktionsstoffwechsel
<20
Eingeschränkter Funktionsstoffwechsel
<15
Erliegen der neuronalen Aktivität
<10
Neuronaler Zellschaden
Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel sind eng aneinander gekoppelt. Ist die Hirndurchblutung gestört, so kommt es unweigerlich zu einer Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Glukose. Eine Zunahme des Hirnstoffwechsels führt über verschiedene Regulationsmechanismen zu einer regional spezifischen Steigerung des CBF, um das Gehirn mit genügend Substraten zu versorgen. Diese Regulation geschieht sehr schnell. Wird z. B. eine Extremität bewegt, führt dies innerhalb von nur 1 s in dem zuständigen Hirnareal zu einem gesteigerten Blutfluss.
Regulation der Hirndurchblutung
Die Hirndurchblutung wird hauptsächlich durch 3 Faktoren beeinflusst:
  • Autoregulation,
  • paCO2,
  • paO2.
Autoregulation
Die zerebrovaskuläre Autoregulation stellt den wichtigsten Regulationsmechanismus dar, um innerhalb eines physiologischen Regelbereiches den zerebralen Perfusionsdruck (CPP) konstant zu halten.
Bei Anstieg des CPP verhindert eine adaptierte zerebrale Vasokonstriktion Hyperämie, Kapillarschäden und Hirnödem. Umgekehrt wird bei sinkendem CPP eine zerebrale Ischämie durch zerebrale Vasodilatation vermieden. Die Autoregulation des zerebralen Blutflusses (CBF) geschieht durch Veränderungen des zerebralen Strömungswiderstands (CVR) als Folge einer Änderung des zerebralen Perfusionsdrucks (CPP).
$$ C B F=\frac{CPP}{CVR} $$
Die Differenz aus arteriellem Mitteldruck (MAP) und dem intrakraniellen Druck (ICP) entspricht dem zerebralen Perfusionsdruck (CPP).
$$ C P P= MAD- I C P $$
Die Autoregulation findet bei einem gesunden Gehirn in einem Bereich des arteriellen Mitteldrucks von 60–150 mmHg statt. Bei Patienten mit nichttherapiertem arteriellen Hypertonus ist dieser Bereich in Richtung höherer Blutdruckwerte verschoben.
Die Grenze, bei der es bereits zu einer Minderperfusion des Gehirns kommen kann, liegt beim Hypertoniker oberhalb eines CPP von 50 mmHg (Abb. 2).
Ein erniedrigter Blutdruck oder ein erhöhter intrakranieller Druck induzieren proportional zu dieser Änderung eine Vasodilatation. Durch diese Erhöhung des intrakraniellen Blutvolumens soll ein gleichbleibender CBF sichergestellt und damit eine Ischämie verhindert werden. Bei einer Erhöhung des MAP kommt es reaktiv zu einer Vasokonstriktion, um den CBF aufrechtzuerhalten. Auf die Vasokonstriktion folgt eine Reduktion des intrakraniellen Blutvolumens.
Außerhalb der Grenzen der Autoregulation steigt bzw. fällt der CBF linear mit dem CPP. Durch einen erhöhten CPP kann es zu Kapillarschädigung, Hirnödem und zu einem Anstieg des intrakraniellen Blutvolumens kommen. Da der knöcherne Schädel rigide ist und dem erhöhten Innendruck nicht nachgibt, kann dies zu einem erhöhten ICP und damit zur Ischämie/Hypoxie des Gehirns führen.
Ein erniedrigter CPP (unterhalb der Autoregulationsgrenze) reduziert die Hirndurchblutung und führt somit ebenfalls zur Ischämie/Hypoxie.
Nach einer temporären Hypoperfusion kommt es nach Wiederherstellung einer ausreichenden Perfusion (innerhalb der Autoregulationsgrenzen) zu einer Hyperämie. Nach einer temporären Ischämie ist die Autoregulation des CBF häufig gestört. Die Autoregulation des Gehirns funktioniert nur, wenn unverletzte, NO (Stickoxid) produzierende Endothelzellen in den Gefäßen vorhanden sind. Diese Beobachtung weist auf die Bedeutung von vasodilatierndem NO für den CBF hin.
Einfluss von CO2 auf den CBF
Hyperkapnie führt zur zerebralen Vasodilatation, erniedrigt den zerebralen Perfusionsdruck und erhöht den zerebralen Blutfluss.
Hypokapnie bewirkt das Gegenteil: es kommt zur zerebralen Vasokonstriktion, erhöhtem zerebralen Perfusionsdruck und einem erniedrigten CBF (Abb. 3).
Ein Anstieg des arteriellen CO2-Partialdrucks (paCO2) um 1 mmHg (Hypoventilation bei Normotonie) erhöht den CBF um 1–2 ml/100 g/min in einem Bereich von 30–75 mmHg. Wenn der paCO2 von 40 auf 80 mmHg ansteigt, verdoppelt sich der CBF.
Durch Absenkung des paCO2 durch z. B. Hyperventilation kann der CBF gesenkt werden. Die hypokapnische Vasokonstriktion reduziert darüber hinaus das zerebrale Blutvolumen und den intrakraniellen Druck.
Eine starke Hyperventilation (paCO2 < 25 mmHg) kann den CBF auf ischämische Werte senken und ein potenzieller Auslöser für eine Schädigung der Neurone sein. CO2 wirkt auf die glatte Gefäßmuskulatur im Gehirn zum größten Teil über Erhöhung bzw. Erniedrigung des pH-Werts (Anstieg der H+-Ionenkonzentration).
HCO3 und H+ können die Blut-Hirn-Schranke nur schwer passieren, während CO2 diese Barriere sehr gut überwinden kann. Dies erklärt, warum eine respiratorische Azidose im Gegensatz zu einer metabolischen Azidose den CVR erniedrigt und so die zerebrale Durchblutung beeinflussen kann. Die Veränderung des perivaskulären pH durch paCO2 und HCO3 basiert auf der chemischen Reaktion:
$$ C{O}_2+{H}_2 O\leftrightarrow {H}_2 C{O}_3\leftrightarrow H C{O}_3^{-}+{H}^{+} $$
Eine Hyperkapnie senkt den perivaskulären pH und löst damit innerhalb von 20–30 s eine Vasodilatation aus. Der pH des Liquors beginnt sich nach ca. 6 h wieder zu normalisieren. Diese Adaption limitiert unter anderem den Einsatz der therapeutischen Hyperventilation bei erhöhtem intrakraniellen Druck.
Einfluss von O2 auf den CBF
Eine Änderung des paO2 – speziell eine Hypoxie – geht ebenfalls mit CBF-Veränderungen einher (Abb. 4). Sauerstoff kann vermutlich die glatte Muskulatur der Widerstandsgefäße direkt beeinflussen. Der genaue Mechanismus ist jedoch bisher nicht eindeutig geklärt.
Cave
Ein paO2 von <50 mmHg resultiert in zerebraler Vasodilatation und konsekutiver Hyperämie
Weitere Einflüsse auf den CBF
Adenosin- und Adeninderivate weisen bei funktioneller Freisetzung vasodilatatorische Effekte auf. Auch endogene Opioide nehmen Einfluss auf den CBF.
Eine NO- Freisetzung aus Endothelzellen führt zu einer Gefäßweitstellung im Gehirn, speziell unter den Bedingungen der Hypoventilation.
Die Blutviskosität beeinflusst im physiologischen Bereich die Hirndurchblutung nicht (Hämatokrit: 30–50 %). Ein hoher Hämatokrit oder eine Hyperglobulinämie haben, aufgrund der erhöhten Viskosität des Bluts, eine verminderte Gehirndurchblutung zur Folge.
Der Durchmesser und die Form der zerebralen Widerstandsgefäße beeinflussen die Reibung des Bluts mit der Gefäßwand („shear stress“). Enge, arteriosklerotisch veränderte Gefäße vermindern den CBF zum einen durch das verengte Lumen und zum anderen durch Wirbelbildung an den Gefäßwänden.

Peripheres somatisches Nervensystem

Zur Anatomie des peripheren Nervensystems: Kap. Rückenmarknahe Regionalanästhesie: Anatomie, Physiologie, Kontraindikationen, Komplikationen, Antikoagulation.
Zur Physiologie der neuromuskulären Übertragung: Kap. Muskelrelaxanzien und ihre Antagonisten.

Autonomes Nervensystem

Das autonome oder vegetative Nervensystem stimuliert und kontrolliert viszerale Organe, glatte Muskulatur und sekretorische Drüsen (Abb. 5). Es wird in 2 Teile gegliedert, das sympathische und das parasympathische Nervensystem. Die beiden Systeme wirken als Gegenspieler an den meisten Organen. Eine sympathische Stimulation führt z. B. am Herzen zu einer Frequenzbeschleunigung, während die parasympathische Stimulation die Frequenz verlangsamt.

Sympathisches Nervensystem

Das sympathische Nervensystem dominiert in Stresssituationen. Die Stoffwechselvorgänge haben katabolen Charakter.
Sämtliche Bahnen des sympathischen Nervensystems bestehen aus 2 Neuronen. Die Zellkörper des ersten Neurons befinden sich in der grauen Substanz im Seitenhorn des Rückenmarks (Th1–L3). Die präganglionären Axone verlassen das Rückenmark über die Vorderwurzel mit den jeweiligen Spinalnerven. Sie treten in den sympathischen Grenzstrang ein, der auf beiden Seiten der Wirbelsäule vom Hals bis zum Os sacrum verläuft.
Die sympathische Innervation des Kopfes und des Halses wird über Ganglien (Ganglion cervicale superius) vom primären Neuron (myelinisiert, präganglionäres Neuron) auf das sekundäre Neuron (nichtmyelinisiert, postganglionäres Neuron) umgeschaltet. Das postganglionäre Neuron erreicht seine Zielgebiete (Blutgefäße, Auge, Speicheldrüse), indem es sich um die Arterien schlingt, die das Gebiet versorgen.
Die Neurone, die für die Innervation von Herz und Lunge zuständig sind, befinden sich im Seitenhorn der Segemente Th1–Th5. Die Axone verlassen das Rückenmark und treten in die Grenzstrangganglien ein, wo sie mit den postganglionären Neuronen in Kontakt treten. Die postganglionären Neurone bilden Nervenstränge, die Herz und Lunge versorgen.
Das Ganglion coeliacum wird über die Seitenhörner der Segmente Th5–Th12 innerviert und versorgt Leber, Milz, Nieren, Pankreas, Dünndarm sowie den proximalen Dickdarm.
Einige der präganglionären Axone verlaufen ohne Umschaltung zur Nebenniere. Das Nebennierenmark besteht aus Zellkörpern postganglionärer Neurone, die direkt Adrenalin ausschütten können.
In den Seitenhörnern der Segmente L1–L3 befinden sich die präganglionären Neurone der Beckenorgane. Die Axone ziehen ebenfalls ohne Umschaltung durch den Grenzstrang hindurch. Die Umschaltung auf postganglionäre Neurone findet im Ganglion mesentericum inferius statt, von wo aus Harn- und Geschlechtsorgane, das Colon descendens, das Sigma und das Rektum versorgt werden.
Der chemische Transmitter zwischen postganglionären Axon und der innervierten Struktur ist hauptsächlich Noradrenalin und in geringen Mengen Adrenalin.

Parasympathisches Nervensystem

Das parasympathische Nervensystem ist ebenfalls aus prä- und postganglionären Neuronen aufgebaut.
Das parasympathische Nervensystem dominiert, wenn der Organismus sich in Ruhe und Entspannung befindet.
Die präganglionären Zellkörper befinden sich im Hirnstamm und in der grauen Substanz der Sakralregion des Rückenmarks.
Im Hirnstamm befinden sich die Nervenkerne, deren Axone dem III., VII., IX. und X. Hirnnerven angegliedert sind. Die Umschaltung auf das postganglionäre Neuron erfolgt unmittelbar vor den Zielstrukturen in speziellen Ganglien (z. B. Ganglion oticum). Die postganglionären Fasern innervieren Drüsen, das Herz und Organe mit glatter Muskulatur.
Im Nucleus Edinger Westphal liegen präganglionäre Zellkörper, die sich dem N. oculomotrius (III. Hirnnerv) anschließen, um mit diesem zum Auge zu ziehen. Nach Umschaltung im Ganglion ciliare verlaufen die postganglionären Axone (Nn. ciliares breves) zum M. sphincter pupillae und zum M. ciliares.
Die präganglionären Neurone, die mit dem N. facialis verlaufen (VII. Hirnnerv), befinden sich im Nucleus salivatorius superior. Die Umschaltung erfolgt im Ganglion pterygopalatinum und im Ganglion submandibulare. Von diesen Ganglien ziehen die postganglionären Axone zu den Glandulae submandibularis und sublingualis sowie zur Tränendrüse.
Die dem N. glossopharyngeus (IX. Hirnnerv) begleitenden präganglionären Zellkörper sind im Nucleus salivatorius inferior zu finden. Die Axone werden im Ganglion oticum auf postganglionäre Fasern umgeschaltet und innervieren die Glandula parotis.
Der bedeutendste parasympathische Nerv ist der N. vagus (X. Hirnnerv).
Die meisten der Nervenfasern sind parasympathisch und innervieren Herz, Lunge und alle abdominellen Organe bis zur Flexura coli sinistra. Die präganglionären Zellkörper befinden sich im Nucleus dorsalis nervi vagi und werden in unmittelbarer Nähe der Zielorgane verschaltet.
Beim sakralen Anteil des Parasympathikus befinden sich die präganglionären Neurone in den seitlichen Anteilen der grauen Substanz der Rückenmarkssegmente S2–S4. Die Axone ziehen als Nn. pelvici in den Plexus hypogastricus inferior, um dann postganglionär den Kolon descendens und das Urogenitalsystem zu innervieren.
Als chemischer Transmitter zwischen den parasympathischen, postganglionären Axonen und den zu innervierenden Strukturen dient Acetylcholin.

Neuroendokrines System

Hypothalamisch-hypophysäres System

Siehe Kap. Anästhesiologische Beurteilung des Patienten: Endokrines System.

Epiphyse

In der Epiphyse wird in den Pinealozyten Melatonin produziert. Somit ist Melatonin ebenfalls Teil des neuroendokrinen Systems; mit einer hemmenden Wirkung auf alle endokrinen Organe. Die Epiphysenaktivität ist vom exogenen Lichtangebot abhängig. Ein erhöhtes Lichtangebot führt zu einer Hemmung der Melatoninproduktion, während ein vermindertes Lichtangebot eine Steigerung der Melatoninproduktion zur Folge hat.

Der Patient mit neurologischenStörungen

Störungen des Bewusstseins

Prämedikation

Beim bewusstseinsgestörten Patienten wird zunächst geprüft, ob eine Reaktion auf Ansprache erfolgt. Geschieht dies nicht, wird ein taktiler Schmerzreiz am Rumpf gesetzt. Mögliche Reaktionen sind: z. B. Augenöffnen, Zu- oder Abwenden des Gesichts, Grimassieren, verbale Äußerungen. Kommt es zu ungezielten oder gezielten Abwehrbewegungen bzw. zu Beuge- oder Strecksynergismen, ist dies häufig Zeichen einer schweren Dysfunktion des Gehirns. Kann mit dem Patienten gesprochen werden, gilt es zu bewerten, ob Antworten adäquat oder unzusammenhängend ausfallen. Grundsätzlich werden die Befunde dieser Untersuchung mit Hilfe der Glasgow-Koma-Skala dokumentiert (Tab. 4).
Tab. 4
Glasgow-Koma-Skala
Augen öffnen
Spontan
4
Auf Ansprache
3
Auf Schmerzreiz
2
Keine
1
Verbale Erwiderung
Orientiert, prompt
5
Verwirrt
4
Inadäquat
3
Unverständlich
2
Keine
1
Beste motorische Antwort
Gezielt auf Aufforderung
6
Gezielt auf Schmerz
5
Ungezielt auf Schmerz
4
Beugemechanismen
3
Streckmechanismen
2
Keine
1
Gesamtpunktzahl
15
Liegen Störungen der Orientierung (zeitlich, örtlich, zur Person) vor, so gilt es vor elektiven Eingriffen mittels einer psychiatrischen Untersuchung durch den Spezialisten zu klären, ob der betroffene Patient einwilligungsfähig ist.

Schädel-Hirn-Trauma

Ist ein Patient nach einem Schädel-Hirn-Trauma bewusstlos, müssen fremdanamnestisch begleitende Umstände eruiert werden. Bei einem Verkehrsunfall muss mit zusätzlichen, evtl. lebensbedrohlichen Verletzungen gerechnet werden.
Die Bewusstseinslage direkt nach dem Ereignis und deren Veränderung im weiteren Verlauf kann wertvolle Informationen über die zugrunde liegende Störung liefern.
Bei bewusstseinsgestörten Patienten soll nach dem ABC-Schema vorgegangen werden (Tab. 5). Die Bewusstseinslage wird mit der Glasgow-Koma-Skala mehrfach, zu unterschiedlichen Zeitpunkten, beurteilt und im Verlauf dokumentiert.
Tab. 5
Untersuchung von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma
1.
 
Nach offensichtlichen Verletzungen suchen
2.
 
Erste Beurteilung
A
Atemwege (A = „airway“)
Sehen von Atembewegungen (Thorax, Oberbauch)
Hören von Atemgeräuschen (über Mund, Nase)
Fühlen der Atmung (Luftstrom über Mund, Nase)
B
Belüftung (B = „breathing“, Atmung)
Suffiziente Atmung sicherstellen
Nach Verletzungen des Atemsystems suchen (z. B. Pneumothorax)
Bilaterales Atemgeräusch
C
Kreislauf (C = „circulation“)
Periphere Pulse tasten, prüfen der kapillären Füllung, Blutdruck messen
EKG durchführen
D
Dysfunktion des Nervensystems (D = „disability“)
Bewusstseinskontrolle: WASN-Schema
– Patient wach?
– Auf Ansprache erweckbar?
– Auf Schmerzreiz erweckbar?
Nicht erweckbar?
Pupillenkontrolle
E
Exposition (E = „exposure“)
Patienten von Kopf bis Fußuntersuchen
Weitere wichtige Informationen liefern die Extremitätenbewegungen. Wurden alle Extremitäten nach einem Verkehrsunfall spontan bewegt, ist eine schwere Schädigung des Rückenmarks mit Querschnittsymptomatik unwahrscheinlich. Wurden primär keine Beinbewegungen beobachtet, muss an eine Paraplegie gedacht werden.
Eine lückenlose Dokumentation von Herz-Kreislauf- und Pupillenstatus sollte durchgeführt werden, um Verschlechterungen frühzeitig erkennen und therapieren zu können.

Erhöhter intrakranieller Druck

Typische klinische Symptome bei erhöhtem Hirndruck
  • Kopfschmerz (morgens häufig stärker)
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Somnolenz
  • Papillenödem
  • Pupillendifferenz
  • Hemiplegie
  • Hirnnervenausfälle
Hirndruckzeichen ähneln „Katersymptomen“.
Ein chronisch subdurales Hämatom kann durch lokale Kompression des Gehirns zu einer Hemiparese bzw. Extremitätenschwäche führen.
Eine intrakranielle Druckerhöhung kann nicht nur zur Einklemmung von Hirngewebe im Bereich des Tentoriumschlitzes und des Foramen magnum führen, sondern auch eine Zugwirkung auf die Hirnnerven, besonders auf den N. oculomotorius und den N. abducens ausüben. Der Keilbeinkörper (Os sphenoidale) bildet mit der Pars basilaris des Os occipitale den Clivus. An der Kante des Clivus können der N. oculomotorius und der N. abducens durch den entstandenen Druck abgeklemmt werden (Clivuskantensyndrom). Hier liefert eine Computertomographie des Schädels die beste Aussage über den aktuellen Zustand des Patienten.
Gelegentlich sind Hirndrucksymptome nur spärlich vorhanden, eine zusätzliche Untersuchung kann zur weiteren Klärung beitragen: Führt der Patient ein Valsalva-Manöver durch oder beugt sich vornüber, kommt es über einen erhöhten intrathorakalen Druck zur Behinderung des venösen Rückstroms aus dem Gehirn und damit zu einer temporären Erhöhung des intrakraniellen Volumens. Ein Patient mit eingeschränkten Kompensationsmechanismen wird Zeichen eines gesteigerten Hirndrucks zeigen, z. B. Auftreten von bzw. Verstärkung bereits bestehender Kopfschmerzen.

Druckbedingte neurologische Ausfälle

Patienten mit Hirntumoren berichten von neurologischen Ausfällen. Je nach Ausfall kann auch auf die Lokalisation des Tumors geschlossen werden. Bei Lokalisation des Tumors im oder nahe des motorischen Kortex kommt es zur Kraftminderung oder Lähmung z. B. von Arm, Bein oder Gesicht, bei Tumoren im Hirnstammbereich kommt es zu Hirnnervenausfällen. Zu umschriebenen Ausfällen der Hirnnerven können auch große Aneurysmen der A. basilaris führen, welche die entsprechenden Strukturen lokal komprimieren.

Hirnnervenausfälle

Als Hirnnerven werden die insgesamt 12 paarigen Nerven bezeichnet, die aus dem Gehirn austreten. Im Gegensatz zu den Spinalnerven besitzen einige Hirnnerven nur eine Faserqualität (rein sensorisch, rein motorisch):
Nn. olfactorii (I. Hirnnerv)
Rein sensorisch: Sie leiten Riechempfindungen von der Riechschleimhaut zum Endhirn. Veränderungen im Frontalhirn, der Hypophyse sowie Menigitis und Frakturen der vorderen Schädelgrube können zu Geruchsstörungen führen. Prüfung durch aromatische Riechstoffe.
N. opticus (II. Hirnnerv)
Rein sensorisch: Er leitet Lichtreize von der Retina zum Zwischenhirn. Ausfälle distal des Chiasma opticum führen zur monookularen Blindheit (das betroffene Auge zeigt keine Lichtreaktion, bei Prüfung des kontralateralen Auges kommt es jedoch zur konsensuellen Lichtreaktion). Bei Ausfällen im Bereich des Chiasma opticum (Hypophysentumore) zeigt sich eine bitemporale Hemianopsie. Ausfälle im lateralen Verlauf führen zur nasalen Hemianopsie des ipsilateralen Auges. Störungen proximal des Chiasma führen zur homonymen Hemianopsie (Sehverlust der kontralateralen Felder). Eine Pupillenkontrolle sollte bei allen neurochirurgischen Patienten durchgeführt werden.
N. oculomotorius (III. Hirnnerv)
Motorisch: Seine Äste innervieren, mit Ausnahme des M. obliquus superior und des M. rectus lateralis, alle äußeren Augenmuskeln. Parasympathisch: M. ciliaris, M. sphinkter pupillae. Beim Ausfall kommt es zu: Ptosis (oberes Augenlid hängt herunter), Mydriasis (geweitete Pupille) und Akkomodationsstörung. Der Blick nach unten außen ist nicht mehr möglich. Zum Ausfall kommt es typischerweise durch Einklemmung des Temporallappens.
N. trochlearis (IV. Hirnnerv)
Motorisch: M. obliquus superior. Beim Ausfall kommt es zur Fehlstellung des Auges nach innen/oben. Der Patient beschreibt schräge Doppelbilder beim Blick nach unten.
N. trigeminus (V. Hirnnerv)
Sensibel und motorisch: Wichtigster sensibler Nerv im Kopfbereich. Beim Ausfall kommt es zum Sensibilitätsverlust im Gesichtsbereich, zu Hörstörungen und zu einer Abschwächung des Kornealreflexes.
N. abducens (VI. Hirnnerv)
Rein motorisch: M. rectus lateralis. Sein Ausfall bewirkt ein Einwärtsschielen des betroffenen Auges, Patienten berichten über Doppelbilder beim Blick nach lateral. Eine Störung tritt v. a. bei einem erhöhten ICP sowie einer Schädelbasisfraktur auf.
N. facialis (VII. Hirnnerv)
Motorisch und parasympathisch: Eine Fazialisparese kann durch intrakranielle oder extrakranielle Schädigungen verursacht sein. Bei der zentralen, einseitigen Fazialisparese sind alle mimischen Muskeln einer Seite gelähmt. Die motorische Versorgung der Stirn bleibt jedoch im Gegensatz zur peripheren Fazialisparese erhalten. Als Symptome peripherer Lähmung können auftreten: Hyperakusis, Tränen- und Speichelsekretion, Störung der Geschmacksempfindung im vorderen \( {2}\left/ {3}\right. \) der Zunge, motorische Lähmung der mimischen Muskeln und die Unfähigkeit zum Lidschluss auf der betroffenen Seite.
N. vestibulocochlearis (VIII. Hirnnerv)
Sensorisch: Bei einer Schädigung (z. B. beim Akustikusneurinom) kann es zu Übelkeit, Schwindel und Gleichgewichtsstörung mit Fallneigung zur betroffenen Seite hin kommen. Hörstörungen bis hin zur Taubheit sind möglich.
N. glossopharyngeus (IX. Hirnnerv)
Sensorisch, sensibel, motorisch und parasympathisch: Bei einem Ausfall kann es u. a. zum Geschmacksverlust und zu einer Tachykardie kommen.
N. vagus (X. Hirnnerv)
Sensibel, sensorisch, motorisch und parasympathisch. Je nach geschädigtem Nervenast kommt es u. a. zur Stimmlippenlähmung, Tachykardie und zu Spasmen im Ösophagus- und Magenbereich.
N. accessorius (XI. Hirnnerv)
Motorisch: Beim Ausfall kann der Patient seinen Kopf nicht mehr zur gesunden Seite hin wenden. Ein Seitwärtsheben des Arms über die Horizontale ist ebenfalls deutlich behindert.
N. hypoglossus (XII. Hirnnerv)
Motorisch. Bei einer Läsion kommt es zu Sprech- und Schluckstörungen. Bei einseitiger Lähmung weicht die Zunge beim Herausstrecken zur gelähmten Seite hin ab.

Krampfanfälle

Krampfanfälle kommen relativ häufig vor, die Inzidenz liegt etwa bei 5 %. Die Ursachen sind vielfältig (Tab. 6).
Tab. 6
Ätiologie von Krampfanfällen
Infektionen
– Meningoenzephalitis
Trauma
– Traumafolge
Kokain
– PCP
– Acetylsalicylsäure
– Kohlenmonoxid
Blei
Metabolische Störungen
Vaskuläre Ursachen
– Intrakranielles Hämatom
– Hypertensive Enzephalopathie
Hirntumor, psychologische Ursachen
– Hyperventilation
Angeborene Störungen
– Malformationen des zentralen Nervensystems
– Peripartale Hypoxie
– Metabolische Störungen
Vorbestehende Krampfanfälle
– Non-Compliance (z. B. Absetzen der antikonvulsiven Therapie)
– Inadäquater Medikamentenspiegel
Krampfanfälle sind ein häufiges Symptom intrakranieller Tumoren und treten nicht selten als Erstsymptom der Erkrankung auf.
Während der präoperativen Untersuchung wird dokumentiert, ob es sich um ein generalisiertes oder fokales Krampfgeschehen handelt. Nach der Anfallshäufigkeit und nach auslösenden Faktoren muss gefragt werden. Erhält der Patient eine antikonvulsive Therapie muss geklärt werden, ob diese die Anfälle kontrollieren kann. Eine aktuelle Plasmaspiegelbestimmung der Antikonvulsiva sollte veranlasst werden. Aufgrund der hepatotoxischen Wirkung von Antikonvulsiva (speziell Phenytoin) ist eine laborchemische Kontrolle der Transaminasen durchzuführen.
Im Rahmen von malignen Erkrankungen können Hypo- bzw. Hyperkalzämien auftreten. Eine Hypokalzämie ist ein Risikofaktor für zerebrale Krampfanfälle.

Meningismus

Charakteristische Symptome einer meningealen Reizung sind Kopfschmerzen, Photophobie und Nackensteifigkeit.
Die beiden häufigsten Ursachen für eine meningeale Reizung sind Meningitis und Subarachnoidalblutung (SAB). Patienten mit einer SAB berichten gelegentlich über rezidivierende Episoden mit meningealen Reizungszeichen, bevor es letztendlich zur Manifestation der Blutung kam.
Die frühzeitige Diagnose einer meningealen Reizung im Rahmen einer Subarachnoidalblutung erlaubt frühzeitige operative Versorgung mit gutem postoperativem Ergebnis.
Der neurologische Status bei einer SAB wird mit Hilfe von Scoringsystemen erfasst. Das gebräuchlichste wurde von Hunt u. Hess beschrieben (Kap. Anästhesie in der Neurochirurgie).

Andere Schädigungen des zentralen und peripheren Nervensystems

Myasthenie, multiple Sklerose, M. Parkinson

Kap. Anästhesie bei Patienten mit Myasthenia gravis, Kap. Anästhesie bei Patienten mit Multipler Sklerose und Kap. Anästhesie bei Patienten mit Parkinson-Syndrom (Paralysis agitans).

Diabetische Neuropathie

Bei einem über Jahre bestehenden Diabetes mellitus muss an eine diabetische Neuropathie gedacht werden. Das motorische, sensorische und das autonome Nervensystem können betroffen sein. Insbesondere eine autonome Beteiligung geht mit einer Reihe perioperativer Risiken einher (Kap. Anästhesie bei Patienten mit Diabetes mellitus).

Schädigungen der Wirbelsäule

Vorbestehende Nervenschäden müssen präoperativ sorgfältig dokumentiert werden, um nachfolgenden forensischen Fragen sicher begegnen zu können. Im Zweifelsfall sollte immer ein Experte (z. B. Neurologe) hinzugezogen werden.
Sind Nervenwurzeln betroffen, können Ausfälle in den entsprechenden Dermatomen festgestellt werden. Abhängig von dem betroffenen Anteil des Nervs kommt es zu einer motorischen Schwäche oder sensorischen Störungen (Schmerzen, Parästhesien). Beide Erscheinungen können nebeneinander bestehen. Die Ausfälle sind auf das vom jeweiligen Nerv versorgte Areal beschränkt. Durch Kompression der Nervenwurzel C5–6 wird z. B. der Bizepssehnenreflex abgeschwächt oder aufgehoben.
Bei einer Rückenmarkschädigung (Myelopathie) sind die Funktionen des zentralen und peripheren Nervensystems unterhalb bzw. in Höhe der Läsion betroffen.
Bei einer spinalen Kompression (z. B. durch einen Bandscheibenprolaps) treten Symptome sowohl in der Höhe des betroffenen als auch in allen darunter liegenden Segmenten auf. Eine Kompression des zervikalen Rückenmarks führt zu Muskelschwäche und Gefühlsstörungen in den oberen und unteren Extremitäten. Zusätzlich können Darm- und Blasenstörungen vorliegen.
Im Gegensatz zu Nervenwurzelschäden kommt es bei einer Rückenmarkkompression zu einer Steigerung der Reflexe unterhalb der Schädigung aufgrund des Verlustes der inhibitorischen Modulation von kortikospinalen Efferenzen.
Reflexe auf Höhe der Läsion sind wie bei einer Nervenwurzelschädigung vermindert oder aufgehoben.
Die Symptome können jedoch in unterschiedlichsten Ausprägungen vorliegen.
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Berlit P (2014) Basiswissen Neurologie, 6. Aufl. Springer, Berlin/HeidelbergCrossRef