Epidemiologie
Weltweit erfolgen Schwangerschaftsabbrüche, in der internationalen Literatur zumeist als induzierte Abort
e bezeichnet, bei ungeplanten unerwünschten Schwangerschaften, weitaus seltener – in der Regel < 5 % der Fälle – wegen fetaler Anomalien und maternaler Erkrankungen. So erfolgten 2022 in Deutschland 103.927 Schwangerschaftsabbrüche, 96 % davon nach Beratungsregelung, bei 738.819 Lebendgeborenen. In den USA lag die Schwangerschaftsabbruchrate 2021 bei 11,6 % der Frauen zwischen 15 und 44 Jahren, die Abbruchratio bei 204/1000 Lebendgeburten (Kortsmit et al.
2023). In Schweden, Großbritannien und Frankreich sind die Abbruchraten mit 17–20 % deutlich höher. Weltweit werden laut Schätzung der WHO jährlich rund 73 Mio. Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt; rund 6 von 10 (61 %) ungeplanten Schwangerschaften und 3 von 10 (29 %) Schwangerschaften insgesamt enden in einem Schwangerschaftsabbruch (Bearak et al.
2020). Länderspezifisch schwankt diese Abortrate erheblich, abhängig u. a. von der Anzahl ungeplanter Schwangerschaften – in den deutschsprachigen Ländern liegt sie jährlich bei 20–23/1000 Frauen im reproduktionsfähigen Alter (15–49 Jahre) – und den gegebenen Möglichkeiten, Zugang zu einem Abbruch zu erhalten (Bearak et al.
2022). Bei einem Schwangerschaftsabbruch wird die Schwangerschaft chirurgisch oder medikamentös vorzeitig beendet, mit dem Ziel oder unter Inkaufnahme des embryonalen oder fetalen Todes. Dieses unterscheidet ihn von einer iatrogen induzierten vorzeitigen Entbindung aus maternalen oder fetalen Gründen, bei der das Überleben von Mutter und Kind Ziel des Eingriffs ist.
Ein „sicherer Abort
“ („safe abortion“) erfolgt durch dafür ausgebildetes Personal entsprechend dem medizinischen Standard und in einem adäquaten Umfeld. Hingegen sind u. a. aufgrund gesetzlicher Restriktionen, administrativer Barrieren und anderer Hindernisse diese Voraussetzungen weltweit vielfach nicht gegeben, sodass noch immer eine hohe Anzahl „unsicherer Aborte
“ („unsafe abortion“) stattfindet (WHO
2011). 2008 erfolgten weltweit annährend 43,8 Mio. induzierte Aborte, wobei 21,6 Mio. als unsichere Aborte durchgeführt wurden(14 unsichere Schwangerschaftsabbrüche/1000 Frauen im reproduktionsfähigen Alter von 15 bis 44 Jahren) (WHO
2011), von diesen 97 % in Entwicklungsländern und bei Frauen in vulnerablen und marginalisierten Situationen; unsichere Aborte sind aber für 4,7–13,2 % aller mütterlicher Todesfälle weltweit verantwortlich (WHO
2022), d. h., jährlich sterben zwischen 13.865 und 38.940 Schwangere, da ihnen kein Zugang zu einem sicheren Abort geboten wird (WHO
2022). Ein wichtiges Ziel für die Gesundheitssysteme ist es daher, allen Frauen den Zugang zu einem „sicheren Abort“ zu gewährleisten.
Ziel dieses Buchbeitrages ist es, auf die medizinischen und legalen Aspekte hierbei einzugehen. Schon an dieser Stelle sei auf die 2022 publizierte AWMF S2k-Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon“ hingewiesen, in der sehr detailliert all diese Aspekte diskutiert werden, ebenso wie die einer flächendeckenden Versorgung und der Aus- und Weiterbildung des medizinischen Personals (AWMF
2022). In der Schweiz liegt eine Leitlinie der SGGG mit Empfehlungen zum späten Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Wochen vor (SGGG
2022). Die medizinischen Aspekte von Reduktion und selektivem Fetozid bei Mehrlingen werden im Kap. „Mehrlingsschwangerschaft und Mehrlingsgeburten“ dieses Buches abgehandelt.
Definition
Die Begriffe, die den Schwangerschaftsabbruch beschreiben, werden nicht immer einheitlich verwendet; teilweise beeinflussen auch die jeweiligen länderspezifischen Regelungen ihre Definitionen. International wird für den Schwangerschaftsabbruch zumeist der Begriff induzierter Abort („induced abortion“) benutzt; aber auch Interruptio und „termination of pregnancy“ sind gebräuchlich; in Deutschland wir zudem noch immer der Begriff Abtreibung verwendet. Weiterhin ist, wie schon dargelegt, zwischen einem unsicheren und einem sicheren sowie zwischen einem medikamentösen und einem chirurgischen Schwangerschaftsabbruch zu differenzieren. Ein induzierter Abort basierend allein auf dem Wunsch der Schwangeren wird als elektiver („elective“ oder „volontary“) Schwangerschaftsabbruch bezeichnet, im Gegensatz zum therapeutischen („therapeutic“) Schwangerschaftsabbruch aufgrund medizinischer Gründe (Gefährdung der maternalen Gesundheit oder schwere fetale Anomalien). Als früher Schwangerschaftsabbruch gilt ein Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimester („first-trimester abortion“), dessen zeitliche Obergrenze unterschiedlich bei 11 + 6 SSW (Tag 83), 12 + 6 SSW (Tag 90) oder gar bei 13 + 6 SSW (Tag 97) nach Beginn der letzten Regelblutung (post menstruationem, p.m.) angesetzt wird; letztere Grenze entspricht der im § 218 StGB für die Beratungsregelung von < 12 SSW post conceptionem (p.c.). Nach diesem Zeitraum wird von einem späten Schwangerschaftsabbruch gesprochen bzw. von einem Abbruch im zweiten und dritten Trimester; hierbei ist noch zwischen Abbrüchen mit 12–20 SSW – gelegentlich auch einem Gewicht < 500 g – und denen darüber bei möglicher Lebensfähigkeit unterschieden, die als „termination of pregnancy“ gegenüber „induced abortion“ abgegrenzt werden. Bei
Mehrlingsschwangerschaften werden Embryozid und Fetozid unterschieden, die ebenfalls allein auf Wunsch der Mutter (Beratungsregelung) oder aus medizinisch-therapeutischen Gründen (nichtselektive Reduktion, selektiver Embryo- oder Fetozid) erfolgen können.
Die Abortrate („abortion rate“, Schwangerschaftsabbruchrate) entspricht in diesem Zusammenhang der Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche unter 1000 Frauen im reproduktionsfähigen Alter (15–44 oder auch 15–49 Jahre) innerhalb eines Jahres, die Abortratio („abortion ratio“, Schwangerschaftsabbruchratio) der Anzahl von induzierten Aborten bezogen auf 1000 Lebendgeburten innerhalb eines gleichen Zeitraums. In Deutschland wird in der Schwangerschaftsabbruchstatistik hierbei allerdings die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche in Bezug zu 1000 Lebensgeborenen gesetzt.
Gesetzliche Regelungen
Die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch variieren weltweit stark, auch wenn global in den letzten Dekaden zumeist eine Liberalisierung erfolgt ist. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einer
Fristenlösung, die allgemein, in der Regel mit sehr geringen Zugangsbarrieren, einen straffreien Schwangerschaftsabbruch bis zu einem bestimmten Gestationsalter gestattet, beispielsweise in Österreich, Schweiz, Italien, Schweden, Dänemark, Norwegen, Spanien und in noch einigen Staaten den USA, und einer
Indikationslösung, die die Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs unterschiedlich stark einschränkt, indem sie sie an im Gesetz ausgestaltete Bedingungen knüpft und zusätzlich auch das zulässige Schwangerschaftsalter festlegt; Beispiele hierfür sind Länder wie Großbritannien, Australien. Auch bei der Indikationsstellung sind – teilweise in Abhängigkeit vom Gestationsalter – mehr oder weniger restriktive Regelungen vorgegeben; so erfolgt die Indikationsstellung beispielsweise durch einen oder mehrere Ärzte, durch spezialisierte Ärzte oder auch durch Kommissionen, teilweise mit Gutachten, teilweise mit Bescheinigungen. Schließlich gibt es auch eine
Mischform wie in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Belgien, die ähnlich wie die Fristenlösung innerhalb eines frühen Schwangerschaftszeitraums eine weite Zulässigkeit ermöglicht, aber gleichzeitig den Eingriff als grundsätzlich zu vermeidenden Ausnahmefall einstuft. Meist sind es nur Ärzte, die den Schwangerschaftsabbruch vornehmen können, in einigen Ländern aber auch Hebammen, wie in Frankreich. In vielen Ländern Afrikas und Lateinamerikas ist jedoch ein Schwangerschaftsabbruch strikt verboten oder nur bei Gesundheitsgefährdung der Mutter erlaubt; in diesen Ländern finden daher Abbrüche illegal und nicht dem medizinischen Standard entsprechend statt. Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch im Rahmen der Fristen- bzw. Beratungsregelungen müssen in einigen Ländern von den Schwangeren selbst getragen werden, wobei sie in materieller Notlage meist von Institutionen übernommen werden, in anderen Ländern sind sie gesetzliche Leistungen der Krankenkassen; Letzteres gilt für Schwangerschaftsabbrüche bei medizinischer und kriminologischer Indikation (Obinger-Gidulis
2014).
In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch gemäß § 218 a Strafgesetzbuch (StGB)
grundsätzlich rechtswidrig und für alle Beteiligten strafbar. Es gelten allerdings drei Ausnahmen.
1.)
Beratungsregelung
nach § 218a Absatz 1 StGB: Ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht strafbar, wenn deren Vorgaben befolgt werden. Verlangt die Schwangere den Eingriff, so muss sie sich mindestens 3 Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen (Beratung einer Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage gemäß § 219 StGB zum Schutz des ungeborenen Lebens). Diese Beratung
dient dem Schutz des ungeborenen Lebens und soll zur Fortsetzung der Schwangerschaft ermutigen, der Schwangeren Perspektiven für ein Leben mit dem Kind eröffnen und ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen – im Wissen um das eigene Recht des Ungeborenen auf Leben (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
2022). Regelungen und Inhalte der Beratung sind im Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG)
weiter ausgeführt. Der Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft vornimmt, ist als Berater ausgeschlossen. Der Schwangerschaftsabbruch muss von einem Arzt vorgenommen werden; diesem ist die schriftliche Bescheinigung über die Beratung vorzulegen. Seit der Empfängnis dürfen nicht mehr als 12 Wochen vergangen sein, d. h., ein Schwangerschaftsabbruch kann nach der Beratungsregelung bis 11 + 6 SSW post conceptionem (p.c.) bzw. 13 + 6 SSW post menstruationem (p.m.) erfolgen. Somit stellt diese Regelung den Abbruch < 14 + 0 SSW p.m. zwar straffrei, bewertet aber im Einklang mit § 219 des Schwangerenkonfliktgesetzes den Eingriff als grundsätzlich zu vermeidenden Ausnahmefall und knüpft die Zulässigkeit substanziell an das Vorliegen einer Notlage, die „die zumutbare Opfergrenze übersteigt“. Mädchen und junge Frauen benötigen ab einem Alter von 14 Jahren für einen Schwangerschaftsabbruch nicht die Zustimmung der Eltern, wenn sie einsichts-, urteils- und somit einwilligungsfähig sind. Sie müssen ihre Eltern oder ihren Partner auch nicht über den Eingriff informieren.
2.)
Medizinische Indikation nach § 218a Absatz 2 StGB: Der Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig und daher auch nicht strafbar, wenn er unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlichen Erkenntnissen angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der körperlichen und seelischen Gesundheit der Schwangeren abzuwenden, und wenn die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. Ein derartig begründeter Schwangerschaftsabbruch kann grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft erfolgen. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen können in Deutschland Abbrüche ≥ 12 + 0 SSW p.c. bzw. ≥ 14 + 0 SSW p.m. nur aufgrund dieser Indikation erfolgen. Die frühere und in anderen Ländern gängige embryopathische Indikation gibt es in Deutschland nicht; sie ist in der medizinischen Indikation subsummiert und enthalten, da die Schwere der fetalen Erkrankung und deren zu erwartendes Kurz- und Langzeitoutcome die zu prognostizierende Beeinträchtigung der maternalen Gesundheit entscheidend beeinflussen. Neben den Abbrüchen nach Diagnose schwerwiegender fetaler Anomalien fallen unter diese medizinische Indikation auch Abbrüche bei schweren vorbestehenden und in der Schwangerschaft neu aufgetretenen maternalen Erkrankungen.
Gerade die Einschätzung einer zukünftigen Gesundheitsgefährdung der Schwangeren aufgrund einer diagnostizierten Erkrankung oder Fehlbildung des ungeborenen Kindes fällt sehr schwer und erscheint im Einzelfall oft nicht möglich. In der Regel müssen die fetalen Erkrankungen und Fehlbildungen bei Lebensfähigkeit und mit zunehmendem Schwangerschaftsalter schwerer sein, um die Indikation zu einem Schwangerschaftsabbruch zu rechtfertigen. In Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche im späten zweiten und dritten Trimester durchführen, werden zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben und den sich daraus ableitenden Regularien weitere Restriktionen gelebt, um diesem Problem besser gerecht zu werden, wie eine individuelle Ethikberatung oder die Übertragung der Entscheidung auf eine interdisziplinäre Ethikkommission (von Kaisenberg et al.
2005).
Ferner sind bei einem Schwangerschaftsabbruch die Ausführungen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) zu beachten, die u. a. festlegen, dass der Arzt, der die Diagnose einer fetalen oder auch maternalen Gesundheitsstörung mitteilt, über die medizinischen und psychosozialen Aspekte berät, Ärzte hinzuzieht, welche mit der vorliegenden Erkrankung oder Fehlbildung Erfahrung haben, und über die Folgen eines Abbruchs informiert. Zudem ist auf den Anspruch auf eine vertiefende psychosoziale Beratung hinzuweisen und es sind Kontakte zu Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Behindertenverbände darzulegen und ggf. herzustellen. Auch der Arzt, der die Indikation für den Schwangerschaftsabbruch zum Abbruch stellt, muss prüfen, ob diese Vorgaben beachtet wurden. Sehr hilfreich sind hierbei auch die „Formblätter für Gynäkologinnen und Gynäkologen zur Gesprächsdokumentation bei einem auffälligen Befund in der Pränataldiagnostik“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die zum Download als PDF-Datei auf deren Webseite zur Verfügung gestellt werden, ebenso die Broschüre „Schwangerschaftsberatung § 218“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die umfassende Informationen und Kontaktadressen hierzu liefert.
Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Schwangerschaftskonfliktberatung von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als 22 Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat (§ 218 a Absatz 4 StGB).
3.)
Laut § 218 a Absatz 3 StGB ist der Schwangerschaftsabbruch auch dann nicht strafbar, wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176–178 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung, sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen) begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als 12 Wochen vergangen sind (sog. kriminologische Indikation).
In Österreich ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar, wenn
(1.)
der Schwangerschaftsabbruch als Fristenlösung innerhalb der ersten 3 Monate nach Beginn der Schwangerschaft, also bis 13 + 0 SSW p.c. bzw. 15 + 0 SSW p.m., von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen wird (§ 97 Abs. 1 StGB). Voraussetzung ist, dass zuvor eine ärztliche Beratung stattgefunden hat. Die schwangere Frau muss sich jedoch nicht erklären, also keine Begründung angeben. Es ist ausschließlich ihre Entscheidung;
(2.)
der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist oder eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde, oder wenn die Schwangere zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist und in allen diesen Fällen der Abbruch von einem Arzt vorgenommen wird;
(3.)
der Schwangerschaftsabbruch zur Rettung der Schwangeren aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr unter Umständen vorgenommen wird, unter denen ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist.
Mädchen und junge Frauen benötigen ab einem Alter von 14 Jahren für einen Schwangerschaftsabbruch nicht die Zustimmung der Eltern, wenn sie einsichts- und urteilsfähig sind. Sie müssen ihre Eltern oder ihren Partner auch nicht über den Eingriff informieren.
In der Schweiz gilt ebenfalls eine Fristenlösung, allerdings nur bis zur 12. SSW (≤ 11 + 6 SSW) p.m. Nach Abschluss der 12. SSW ist ein Schwangerschaftsabbruch nur bei Vorliegen einer medizinischen Indikation möglich, und zwar dann, wenn die physische und/oder
psychische Gesundheit der schwangeren Frau gefährdet ist; diese muss umso schwerer sein, je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist.
Auch Reduktionen und selektive Fetozide bei
Mehrlingsschwangerschaften unterliegen den aufgeführten Gesetzesvorgaben zum Schwangerschaftsabbruch. Sie erfolgen zumeist aus medizinischer Indikation, sind aber auch nach Beratungs- bzw. Fristenregelung möglich.
In den deutschsprachigen Ländern und auch in vielen anderen Ländern ist gesetzlich vorgegeben, dass ein Schwangerschaftsabbruch nur durch einen Arzt erfolgen darf. Weltweit weichen die Regelungen davon ab. Um möglichst allen Frauen die Möglichkeit eines „sicheren Aborts“ („safe abortion“) zu geben, empfiehlt die WHO, dass bei entsprechender Ausbildung und unter entsprechenden Voraussetzungen auch andere Berufsgruppen des Gesundheitsbereiches medikamentöse und chirurgische Schwangerschaftsabbrüche vornehmen sollten, insbesondere diese < 14 SSW (WHO
2022).
In allen deutschsprachigen Ländern gilt, dass niemand verpflichtet ist, an einem Schwangerschaftsabbruch teilzunehmen, mit der Ausnahme, dass nur so der Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung abzuwenden ist. Dies führt in allen drei Ländern dazu, dass die Möglichkeiten für einen späten Schwangerschaftsabbruch, in einigen Regionen auch für einen frühen Schwangerschaftsabbruch, sehr beschränkt sind, da die Mehrzahl der niedergelassenen Ärzte und Krankenhäuser keine Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Insbesondere bei Abbrüchen im späten zweiten und dritten Trimester führen diese zusätzlichen Restriktionen zu einem nationalen, teilweise auch länderübergreifenden „Abbruchtourismus“, verbunden mit oft erheblichen zeitlichen Verzögerungen und enormen Belastungen für die betroffenen Eltern. Einerseits bestehen an den wenigen Zentren, die auch einen Abbruch im späten zweiten und dritten Trimester bei gegebener medizinischer Indikation durchführen, die besten strukturellen und personellen Voraussetzungen sowie die erforderliche Erfahrung für eine umfassende und ganzheitliche Betreuung der Eltern, andererseits ist dies auch mit einem großen organisatorischen und personellen Aufwand und zeitweise einer physischen wie psychischen Überlastung der Betreuenden verbunden (Schild und Morfeld
2020).