Definition und Epidemiologie
Unter dem Begriff „Abort“ wird ein (nichtartifizieller) Verlust der Schwangerschaft vor Eintritt der Lebensfähigkeit des Kindes, definiert durch ein Geburtsgewicht von <500 g verstanden (Definition der WHO).
Die Rate an klinischen Aborten nach Ausbleiben der Regelblutung, bezogen auf die Gesamtzahl aller festgestellten Schwangerschaften, liegt im Mittel zwischen 10 und 15 %. Bis zu 4-mal mehr Embryonen dürften in der kurzen Zeitspanne zwischen Implantation und Periodenblutung unbemerkt abgehen und weitere rund 15 % noch vor der Implantation, wodurch die Rate an präklinischen (vor dem Ausbleiben der Regelblutung) und klinischen Aborten zusammen über 50 % betragen dürfte.
Aus klinischer Sicht ist eine Einteilung in Frühaborte bis zur 12.–14. SSW und in Spätaborte ab der 14. SSW sinnvoll. Hinsichtlich der Ätiologie scheinen jedoch, bis auf die endokrinen Ursachen und die Zervixinsuffizienz, die Übergänge zwischen Früh- und Spätaborten fließend zu sein. Aus diesem Grund werden die ätiologischen Faktoren, die zu Aborten im ersten und zweiten Trimenon führen können, im Folgenden gemeinsam abgehandelt.
Klinik des Abortgeschehens
Klinisch findet sich bei drohendem Abort (Abortus imminens) eine vaginale Blutung mit oder ohne uterine Kontraktionen, i. d. R. ohne Eröffnung des äußeren Muttermundes. Sonografisch findet sich ein vitaler Embryo/Fetus, eine erhaltene Cervix uteri und ein geschlossener innerer Muttermund. Der Nachweis eines möglicherweise vorliegenden perichorialen Hämatoms erlaubt die differenzialdiagnostische Abgrenzung von einer Portioektopieblutung oder anderen Blutungsursachen. Laborchemisch finden sich bis zur 10. SSW regelrechte Verdopplungszeiten des HCG.
Sind beim drohenden Abort im ersten Trimenon Herzaktionen vorhanden, ist in etwa 90 % der Fälle mit einem günstigen Schwangerschaftsverlauf zu rechnen. Dies ist zur Beruhigung der betroffenen Patientin von hoher praktischer Bedeutung.
Beim beginnenden Abort (Abortus incipiens) kommt es unter wehenartigen uterinen Kontraktionen zu einer Erweichung und Verkürzung der Cervix uteri mit Dilatation des Zervikalkanals. In dieser Situation ermöglicht die Sonografie eine Bestätigung der klinischen Befunde: des Öfteren finden sich eine deformierte Chorionhöhle mit einem nichtvitalen Embryo/Fetus sowie ein ausgeprägtes perichoriales Hämatom.
Ist es bereits zu einer teilweisen bzw. vollständigen Spontanausstoßung des Embryos/Fetus und der Plazenta gekommen, liegt ein inkompletter bzw. kompletter Abort (Abortus incompletus bzw. completus) vor. Im Rahmen der klinischen Untersuchung tastet sich der Uterus häufig kleiner als dem Gestationsalter entsprechend und es findet sich ein klaffender Zervikalkanal, wobei sich dieser bei einem kompletten Abort allerdings auch wieder formiert haben kann. Mit der Sonografie kann eine intrauterine Chorionhöhle mit einem vitalen Embryo nicht mehr nachgewiesen werden. Schwierigkeiten bereitet häufig die sonografische Differenzierung zwischen „in utero“ verbliebenen Plazentaresten und Blutkoageln, die jeweils als unregelmäßige echodichte Strukturen imponieren können. Da sowohl klinisch als auch sonografisch eine Unterscheidung zwischen einem kompletten und inkompletten Abort nicht sicher möglich ist, kann – insbesondere bei persistierenden Blutungen – eine Saugkürettage angeboten werden (s. u.).
Bei einem verhaltenen Abort („missed abortion“) kommt es, trotz abgestorbener oder sich nicht mehr entwickelnder Schwangerschaft, zu keinen spontanen Abortbestrebungen. Klinisch ist der Uterus kleiner als der Zeitspanne der Amenorrhö entsprechend, die Zervix erscheint derb und der Zervikalkanal ist geschlossen. Im Rahmen der HCG-Bestimmungen ist nicht ein möglicherweise erniedrigter Ausgangswert von Bedeutung, sondern die ausbleibende bzw. verzögerte Verdopplung der Werte innerhalb eines Zeitraums. Im Ultraschall findet sich kein oder ein nichtvitaler Embryo/Fetus, der im Rahmen einer Stoßpalpation des Uterus den Bewegungen des Fruchtwassers passiv nachfolgt.
Beim länger bestehenden verhaltenen Abort ist in Einzelfällen über schwere Gerinnungsstörungen mit der Ausbildung einer
disseminierten intravasalen Koagulopathie berichtet worden. Es handelt sich aber hierbei um eine sehr seltene Komplikation, die im klinischen Alltag kaum je Probleme bereitet.
Von expektativem oder medikamentösem Vorgehen muss bei folgenden Kontraindikationen Abstand genommen werden: ein septischer Abort, starke vaginale Blutung, Kreislaufinstabilität, Gerinnungsstörungen, ein liegendes Intrauterinpessar oder der Verdacht auf eine
Trophoblasterkrankung machen eine operative Intervention notwendig, ebenso sollte der Wunsch der Patientin berücksichtigt werden. International werden für eine medikamentöse Intervention 800 μg Misoprostol vaginal (effektiver als oral) – falls verfügbar nach vorangegangener Gabe von 200 mg Mifepriston – empfohlen, mit eventuell einer einmaligen Wiederholung nach 3 Stunden bis 7 Tagen bei fehlendem Erfolg. Regelmäßige sonografische Kontrollen sollen den Abgang des Fruchtsacks und eine Endometriumdicke von <3 mm dokumentieren, bei expektativem Vorgehen mindestens alle zwei Wochen (Zusammenfassung in Musik et al.
2021).
Bei geschlossenem Muttermund sollten präoperativ
Prostaglandine zur Erweichung der Zervix verwendet werden, mit dem Zweck der Verhinderung operativer Komplikationen und späterer Zervixinsuffizienzen. In der Leitlinie zur
Geburtseinleitung (AWMF LL 015-088 Geburtseinleitung S2k, gültig bis 30.11.
2025) finden sich hierzu (allerdings für intakte Schwangerschaften) der Hinweis auf die mögliche Verwendung von osmotischen Dilatatoren, Mifepriston (200 mg oral) oder Misoprostol (400 μg vaginal) (off lable use!), Gemeprost 1 mg vaginal ist auch zu diesem Zweck zugelassen.
Bei der operativen Intervention sollte eine Saugkürettage aufgrund der geringeren Komplikationsraten bevorzugt werden, am häufigsten ist mit 1–3 % der verbleibende Plazentarest (Musik et al.
2021). Sofern eine verstärkte Blutung unter/nach operativer Uterusentleerung auftritt, muss eine medikamentöse Uterustonisierung wie bei einer atonen Nachblutung nach Entbindung erfolgen (AWMF LL 015-063 Peripartale Blutung: Diagnostik und Therapie, S2k, gültig bis 31.03.
2020).
Entspricht die Größe der Fruchtanlage dem zweiten Trimenon, ist zunächst eine medikamentös unterstützte Spontanausstoßung anzustreben, wobei eine anschließende Kürettage zur Entfernung von noch verbliebenen Plazentaresten i. d. R. notwendig ist. Verschiedene
Prostaglandine (Gemeprost, Sulproston, Dinoproston, Minprostin und Misoprostol) sowie Oxytozin finden je nach Muttermundsreife bzw. aktuellem Zulassungsstatus ihren Einsatz (AWMF LL 015-088
Geburtseinleitung S2k, gültig bis 30.11.
2025).
Für das Vorliegen eines
infizierten Aborts spricht eine Temperaturerhöhung über 38 °C, eine Leukozytose von ≥12.000 sowie eine signifikante Erhöhung der Blutsenkungsgeschwindigkeit und des C-reaktiven Proteins (CRP). Meist liegt das klinische Stadium eines Abortus incipiens oder incompletus vor, wobei in dieser Situation auch an einen vorausgegangenen versuchten
Schwangerschaftsabbruch gedacht werden muss. Im Initialstadium betrifft die Infektion das Cavum uteri, sie kann sich jedoch im weiteren Verlauf auf die Parametrien mit Adnexen, auf das Peritoneum und hämatogen im Sinne eines
septischen Aborts ausbreiten.
Ein häufig unterbewertetes Frühsymptom eines beginnenden septischen Geschehens ist die persistierende Hypotension mit Tachykardie, die evtl. zunächst als vegetative
Dystonie oder als Folge eines Volumenmangels fehlgedeutet wird. Im weiteren Verlauf kann sich ein septischer Schock mit den Kardinalsymptomen Kreislauf- und
Nierenversagen sowie manifester DIC entwickeln mit einer Mortalität von etwa 20 % (Finkielman et al.
2004).
Aufgrund der heutzutage verfügbaren
Antibiotika hat sich dieses Vorgehen gegenüber dem zu langen Zuwarten und der Gefahr der Entwicklung eines Endotoxinschocks deutlich bewährt.