Allgemeines
Als Nichtopioid-Analgetika werden chemisch heterogene schmerzlindernde Pharmazeutika bezeichnet, die ihre Wirkung – anders als Opioid-Analgetika – nicht durch Bindung an Opioidrezeptoren entfalten.
Sie wirken häufig durch Hemmung der Cyclooxygenase (COX) und damit als Prostaglandin-Synthesehemmer. Die Wirkstoffe sind in unterschiedlichem Ausmaß sowohl schmerzlindernd wie auch entzündungshemmend und fiebersenkend.
Prostaglandine beeinflussen nicht nur Entzündungsprozesse, sondern haben auch andere, physiologische Funktionen, schützen die Magenschleimhaut und regulieren an der Niere den Natrium- und
Wasserhaushalt. Daher erklären sich die häufigsten Nebenwirkungen der COX-Hemmer:
COX-1 ist entscheidend für die Synthese der
Prostaglandine, die die Schleimhaut schützen, eine Rolle bei der Thrombozytenaggregation haben und den Elektrolyt- und
Wasserhaushalt regulieren.
COX-2 hingegen synthetisiert Entzündungsmediatoren. Selektive, überwiegend COX-2-hemmende Substanzen haben somit ein niedrigeres Nebenwirkungspotenzial hinsichtlich Magen-Darm-, Nieren- und Blutdruckregulation.
Paracetamol
Paracetamol wurde schon 1878 hergestellt und seinerzeit bereits therapeutisch eingesetzt. Seit den 1950er-Jahren gehört es zu den weltweit gebräuchlichsten Schmerzmitteln (z. B. Tylenol Children’s Elixir®) und steht auf der Liste der „unentbehrlichen Arzneimittel“ der WHO. In den USA und Kanada wird die Substanz von ihrem chemischen Namen (para-(Acetylamin)ophenol) abgeleitet Acetaminophen
genannt.
Jährlich werden in Deutschland ca. 80 Mio. Medikamentenpackungen Paracetamol-Präparate mit einem Marktwert von 145 Mio. Euro verkauft (Miller et al.
2006). Packungen mit bis zu 10 g
Paracetamol unterliegen in Deutschland nicht der Verschreibungspflicht.
Der genaue Wirkmechanismus von
Paracetamol ist bis heute nicht geklärt. Offenbar wirkt Paracetamol über die Prostaglandinsynthesehemmung eher zentralnervös, wodurch sich auch der antipyretische Effekt erklärt. Experimentelle Daten lassen einen Zusammenhang mit einer Aktivierung von serotoninergen schmerzhemmenden Mechanismen vermuten, analog der Wirkweise von
Opioiden. Ein im Gehirn gebildeter Paracetamol-Metabolit wirkt indirekt auf die Cannabinoid-Rezeptoren, die die Körpertemperatur mitregulieren, und indirekt kommt es zu einer Konzentrationserhöhung des endogenen Cannabinoids Anandamid (Bertolini et al.
2006; Högestätt et al.
2005).
Paracetamol hat anders als die NSAR keine relevante antiphlogistische Wirkung und ist auch für den Magen-Darm-Trakt relativ unschädlich. Bei unkomplizierten
Schmerzen, kleineren chirurgischen Eingriffen und nach Weichteiltraumata ist es den NSAR in der Wirkung nicht unterlegen. Aufgrund des ähnlichen Wirkmechanismus ist jedoch von einer Kombination hochdosierten Paracetamols und NSAR abzuraten, da sich hier die Nebenwirkungen potenzieren können.
Häufig wird
Paracetamol sinnvoll mit
Metamizol oder
Opioiden (z. B. mit
Tramadol) kombiniert eingesetzt. Eine Einsparung von Opioiden erscheint hierbei möglich. Diese Kombination (Zaldiar®) ist für die Behandlung mäßig starker bis starker
Schmerzen zugelassen. Retardiertes Paracetamol wurde in Deutschland vom Markt genommen (Borsch
2017; BFArM Dez.
2017).
Anwendung
Paracetamol ist als Tablette und Brausetablette, als Suppositorium und Saft in verschiedenen Dosierungen sowie als intravenöse Gabe verfügbar.
Während die über 10–15 min applizierte intravenöse Kurzinfusion einen raschen Wirkungseintritt generiert, wirkt z. B. die rektale Gabe und auch die Tablette erst nach 2 h.
Die Höchstdosis beim Erwachsenen beträgt 4 g/Tag und sollte möglichst unterschritten bleiben. Bei Patienten mit bekannten Nieren- und Leberschädigungen muss deutlich geringer dosiert werden.
Risiken, Wechselwirkungen und Kontraindikationen
Bekannte Überempfindlichkeit gegen
Paracetamol und eine bekannte, schwere Beeinträchtigung der Leberfunktion verbieten den Einsatz.
Auch bei Patienten mit Morbus Gilbert-Meulengracht und Patienten mit chronischem
Nierenversagen mit einer
Kreatinin-Clearance von <10 ml/min sollte
Paracetamol nur unter ärztlicher Kontrolle und Überwachung der entsprechenden Laborparameter eingesetzt werden, zumal zuletzt auch Hinweise auf renale und kardiovaskuläre Nebenwirkungen publiziert wurden.
Mangelernährung, Alkoholabusus und allgemeine Dehydration sind relative Kontraindikationen.
Treten Hepato- und
Nephropathien unter der Gabe von
Paracetamol neu auf, ist die Applikation sofort zu stoppen. Gefürchtet ist eine schwere Hepatopathie mit Leberzellnekrosen, meist ausgelöst durch eine Überdosierung. Aufgrund der hohen Letalität dieser
Vergiftung hat z. B. die FDA in den USA die Tageshöchstdosen und die Menge Wirkstoff pro Tablette reduziert.
Das Entstehen eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes ist nach längerer, hochdosierter Einnahme möglich.
Während frühere Studien keine schädigende Wirkung von
Paracetamol auf den Fötus bei Gabe während der Schwangerschaft nachweisen konnten, wird neuerdings ein Zusammenhang mit dem Auftreten von Asthma beim Kind, Entwicklungsverzögerungen des Embryos und spätere Verhaltensauffälligkeiten der Kinder diskutiert (Persky et al.
2008; Allmers et al.
2009; Farquahar et al.
2010; Bremer
2017; Brandlistuen et al.
2013). Während der Stillzeit von der Mutter eingenommen sind offenbar keine unerwünschten Wirkungen auf den Säugling durch Paracetamol bekannt.
Metamizol
Metamizol gehört als Schmerzmittel und Fiebersenker zur Gruppe der nichtsauren Nichtopioid-Analgetika. Es ist ein Pyrazolonderivat und wurde bereits 1922 von der Firma Hoechst in Deutschland eingeführt. Heute ist es für
Tumorschmerz, Koliken, bei starken
Schmerzen und
Fieber zugelassen.
Obwohl sein Stellenwert in der
Schmerztherapie immer wieder kritisch diskutiert wird (siehe unten), erreichte Novalgin® (Sanofi) im Jahr 2010
Rang 16 der am häufigsten verordneten Medikamente der Privaten Krankenversicherung (PKV) und sein Generikum, Novaminsulfon® (ratiopharm), Rang 3 der verordnungshäufigsten Medikamente im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV; Wild
2012). Im Jahr 2007 wurden 85,8 Mio. Tagesdosen
Metamizol in Deutschland verordnet (Schwabe und Paffrath
2014).
Metamizol hemmt indirekt die COX-Isoformen und damit die Prostaglandinsynthese. Der Wirkungsmechanismus ist allerdings ein anderer als der der NSAR. Somit hat es kaum antiphlogistische Effekte, allerdings wirkt es auf spinaler und zerebraler Ebene, ist entsprechend antipyretisch und auch potent analgetisch wirksam. Auch wirkt es spasmolytisch, weshalb es auch bei Gallen- und Nierenkoliken eingesetzt wird.
Im Gegensatz zu den NSAR beeinträchtigt
Metamizol die Nierenfunktion kaum, kann aber wie alle NSAR eine interstitielle Nephritis auslösen. Eine
chronische Niereninsuffizienz hat keinen Einfluss auf die Elimination von Metamizol aus dem Körper.
Metamizol hat kaum Nebenwirkungen am Magen-Darm-Trakt und auch nur ein sehr leicht erhöhtes gastrointestinales Blutungsrisiko. Besonders bei Patienten, bei denen sich NSAR verbieten, kann es eine wirksame Alternative sein. Übelkeit und Erbrechen können u. a. als Nebenwirkungen auftreten, selten sind Überempfindlichkeitsreaktionen beschrieben.
Der
Urin kann über Stoffwechselprodukte rot gefärbt sein, was als harmlos gilt.
Anwendung
Metamizol ist in Tabletten- und Tropfenform verfügbar. Die intramuskuläre Gabe und auch die intravenöse Applikation gelten als obsolet: Das Risiko eines anaphylaktischen Schocks ist bei zu hoher Injektionsgeschwindigkeit mit 0,1–1 % unverhältnismäßig hoch (siehe unten).
Metamizol sollte in einem Dosierungsintervall von 4 bis maximal 6 h gegeben werden, also viermal täglich. Die Wirkung setzt nach 15–30 min ein. Die wirksame Einzeldosis wird für den gesunden Erwachsenen mit 1 g angegeben.
Risiken, Wechselwirkungen und Kontraindikationen
Metamizol wurde weltweit seit den 1920er-Jahren bei Millionen Menschen angewendet. Das Risiko einer
anaphylaktischen oder anaphylaktoiden Reaktion mit Schock und Todesfolge ist nach intravenöser Gabe von Metamizol beschrieben und hängt offenbar mit der Geschwindigkeit der Infusion zusammen. Eine Infusion darf – wenn überhaupt sinnvoll – nur über 30–45 min unter sorgfältiger Kreislaufüberwachung erfolgen. Insofern wird hiervon besser ganz Abstand genommen. Wie bei anderen NSAR kann in einzelnen Fällen die orale Einnahme zu allergischen Reaktionen führen.
Gefährliche gastrointestinale oder hepatorenale Komplikationen wie bei den NSAR oder
Paracetamol sind nicht bekannt.
Kontrovers diskutiert wird seit Jahrzehnten das Risiko des Auftretens einer im Einzelfall letal verlaufenden
Agranulozytose, weshalb
Metamizol seit 1986 in Deutschland wieder verschreibungspflichtig ist. Großbritannien, Frankreich, Skandinavien, Nordamerika, Australien und Indien haben Metamizol vom Markt genommen, auf der anderen Seite ist es in vielen anderen Ländern weiterhin rezeptfrei erhältlich.
Die immunologisch ausgelöste Reaktion der Agranulozytose beginnt mit einer Granulopenie, die reversibel ist. In seltenen Fällen kann aber die Nebenwirkung auch bereits früher oder sogar nach einmaliger Anwendung auftreten, vermutlich in Zusammenhang mit früheren Expositionen, die erfragt werden sollten.
Immer sollen sofort
alle Medikamente abgesetzt werden, die das Risiko der Agranulozytose beinhalten, also auch andere
Analgetika, Antipyretika,
Neuroleptika, Thyreostatika und Sulfonamide. Die wichtigsten auslösenden Medikamente einer Agranulozytose sind neben
Metamizol auch
Clozapin, Propylthiouracil, Clomipramin, Ticlopidin, Carbimazol, Thiamazol, Sulfasalazin, Cotrimoxazol,
Carbamazepin und Perchlorat (Andersohn et al.
2007).
Als Symptome der Agranulozytose können zuerst lokale Infekte mit Halsschmerzen, Schleimhautulzera,
Fieber und Schüttelfrost auftreten. Bei Verdacht ist eine sofortige Klinikeinweisung des Patienten erforderlich. In Deutschland sind 38 Todesfälle im Zeitraum von 22 Jahren gesichert (Stammschulte et al.
2015). Kontraindikation für die Anwendung von
Metamizol sind somit unklare oder neu aufgetretene Leukopenien.
In Deutschland wird von verschiedenen Autoren empfohlen, dass nach regelmäßiger Anwendung von
Metamizol nach 7–14 Tagen eine Blutbildkontrolle erfolgen sollte, um eine mögliche Granulopenie zu erkennen. Weitere Kontrollen sollten nach 4 Wochen und später in größeren Abständen sowie bei unklaren Infekten erfolgen.
Unlängst fassten Haschke und Liechti in einer Übersichtsarbeit die Fakten zu Nutzen und Risiken von
Metamizol im Vergleich zu
Paracetamol und NSAR zusammen (2017). Sie bewerten nach der verfügbaren Datenlage das Agranulozytoserisiko unter Metamizol als sehr gering: 0,5–1,5 Fälle auf 1 Mio. Anwendungen pro Tag (AT) oder 1 Fall auf 95.000–286.000 Anwendungen pro Woche. Bei einer Letalität von ca. 10 % wäre also mit einem Todesfall pro 5–15 Mio. AT oder pro 0,95–2,9 Mio. Anwendungen über 1 Woche zu rechnen. Das Risiko, an einer Metamizol-induzierten Agranulozytose zu versterben, ist somit kleiner als das Risiko eines Todesfalls wegen einer gastrointestinalen Blutung (1–10/1 Mio. AT) oder einer kardiovaskulären Komplikation bedingt durch ein NSAR (0,1/1 Mio. AT).
Wegen der Seltenheit der Agranulozytose halten diese Autoren auch nach Literaturlage regelmäßige Laborkontrollen beim asymptomatischen Patienten insbesondere in der ambulanten Anwendung weder medizinisch noch wirtschaftlich für sinnvoll. Unbedingt sollte aber der Patient über die Gefahr der Agranulozytose informiert werden und die Instruktion erhalten, bei Halsschmerzen oder Ulzerationen im Mund mit oder ohne
Fieber die Behandlung mit
Metamizol zu stoppen und rasch einen Arzt aufzusuchen.
Da
Metamizol – ebenso wie andere NSAR – reversibel die Thrombozytenaggregation hemmen kann, ist auch hier bei gleichzeitiger Einnahme mit
ASS eine Herabsetzung der Wirksamkeit des stärkeren Thrombozytenaggregationshemmers, also der Acetylsalicylsäure, möglich. Die klinische Relevanz dieses Effekts ist jedoch umstritten (Graff et al.
2007; Geisslinger et al.
1996).
Cimetidin als H2-Blocker kann die Plasmakonzentration von
Metamizol um bis zu 70 % steigern.
Patienten, die
Ciclosporin z. B. aufgrund einer Organtransplantation einnehmen, sollten aufgrund der möglichen Herabsetzung des Ciclosporin-Serumspiegels bezüglich dessen Plasmaspiegels überwacht bzw. nur in Ausnahmefällen überhaupt mit
Metamizol behandelt werden.
Bei gleichzeitiger Gabe von Substanzen, bei denen ein erhöhtes Agranulozytoserisiko bekannt ist (z. B. Methotrexat), sollte immer engmaschig das Blutbild kontrolliert bzw. die Indikation kritisch gestellt und wenn möglich die Kombinationstherapie vermieden werden.
NSAR
Unter dem Oberbegriff der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR
)
fasst man die „traditionellen“ NSAR (tNSAR), die Coxibe und Acetylsalicylsäure (ASS) zusammen. ASS spielt – außer in der Kopfschmerzbehandlung – in der Therapie chronischer
Schmerzen und auch postoperativ keine Rolle.
Alle tNSAR und Coxibe
haben antiphlogistische, antipyretische und analgetische Wirkungen und hemmen auch die zentralnervöse Sensibilisierung von
Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen. Da viele tNSAR nicht verschreibungspflichtig sind, auch aktiv beworben und damit verharmlost werden, muss vor dem Einsatz von NSAR eine sorgfältige Medikamentenanamnese erhoben werden, um nicht eine Potenzierung der sowieso schon häufigen und durchaus auch gefährlichen Nebenwirkungen zu riskieren. Mögliche Interaktionen mit anderen, bei älteren Patienten häufig eingesetzten Medikamenten (Antikoagulantien,
Immunsuppressiva,
ACE-Hemmer, Schleifendiuretika etc.), müssen dem verordnenden Arzt bekannt sein.
Während in der Rheumatherapie viele verschiedene tNSAR zur Anwendung kommen, sollten in der Therapie akuter
Schmerzen Substanzen mit kürzerer
Halbwertszeit wie
Ibuprofen oder
Diclofenac oder die COX-2-Inhibitoren Celecoxib oder Etoricoxib verordnet werden. Bei orthopädischen Eingriffen (besonders bei Hüftgelenksersatz) werden die Substanzen auch zur Prophylaxe von heterotopen Ossifikationen eingesetzt und sind sämtlich wirksam, so sie direkt postoperativ für die Dauer von 1–2 Wochen angewendet werden. Bei planbaren Operationen und bekannter, guter Nierenfunktion ist die direkt präoperative, präemptive Anwendung von NSAR zur effektiveren postoperativen Analgesie von vielen Schmerztherapeuten als sinnvoll beschrieben.
Alle NSAR sollten aufgrund des Risikoprofils so kurz wie möglich und möglichst selten für die Dauertherapie eingesetzt werden. Ist bei chronischen
Schmerzen eine langfristige Einnahme nicht zu umgehen, sollte überprüft werden, ob nicht eher
Opioide verordnet werden. Zur Therapie von Arthroseschmerz sollten NSAR nur kurzfristig in Phasen der Aktivierung oder bei besonderen Belastungssituationen eingenommen werden.
Seit Langem ist die intramuskuläre Applikation von NSAR obsolet, wird aber dennoch weiterhin vielfach durchgeführt. Zwingend ist in jedem Fall danach eine mehrstündige Überwachung des Patienten unter Gewährleistung von Soforthilfemaßnahmen bei Eintreten einer anaphylaktoiden Spätreaktion. Dieses Auftreten lebensbedrohlicher Schockreaktionen ist wiederholt nach parenteraler Applikation beschrieben worden. Falls eine parenterale Gabe unbedingt erforderlich ist, steht alternativ Parecoxib für die intravenöse Applikation zur Verfügung.
Alle NSAR können eine pseudoallergische pulmonale Asthmareaktion auslösen, besonders bei Patienten mit diesbezüglicher Anamnese auf andere
Analgetika oder allergische Reaktionen. Die Coxibe haben auch hier ein geringeres Risiko. Sie sind allerdings kontraindiziert bei Hinweisen auf eine Sulfonamidallergie
.
Außer ASS werden alle NSAR im Dünndarm resorbiert. Die Gabe als Suppositorium hat keinen Einfluss auf das gastrointestinale Nebenwirkungsprofil, hier ist die Wirkstoffkonzentration im Blut entscheidend.
Die vom Hersteller empfohlenen Tageshöchstdosen dürfen nicht überschritten werden, bei eingeschränkter Nierenfunktion verbietet sich der Einsatz von NSAR bei den meisten Patienten gänzlich.
Auch muss auf eine durch ein NSAR verursachte, neu aufgetretene Nierenfunktionsstörung mit dem Absetzen des Medikaments reagiert werden. Beinödeme und ein Anstieg des Blutdrucks können die klinischen Symptome sein und sollten erkannt werden. Patienten mit längerfristiger Anwendung müssen deshalb regelmäßig klinisch und laborchemisch überwacht und begleitet werden.
Während alle tNSAR ein gastrointestinales Blutungsrisiko (mit einer Letalität von bis zu 5 %) haben, ist dieses Risiko bei den Coxiben deutlich geringer. Außerdem verursachen Coxibe offensichtlich keine Blutungen im unteren Gastrointestinaltrakt und können somit ggf. auch bei Patienten mit
Morbus Crohn oder
Colitis ulcerosa eingesetzt werden. Bei allen NSAR potenziert die gleichzeitige Einnahme von ASS das Blutungsrisiko.
Die prophylaktische Gabe von Protonenpumpenhemmern
(Omeprazol oder Esomeprazol) zur Reduktion der gastrointestinalen Nebenwirkungen wird nach den aktuellen Leitlinien bei Patienten über 60 Jahren oder bei Ulkusanamnese empfohlen. COX-2-Hemmer müssen in der Regel nicht mit Protonenpumpenhemmern kombiniert werden, was wiederum deren Einsatz – obgleich sie teurer als tNSAR sind – auch wirtschaftlich sinnvoll macht. Der Einsatz von Coxiben sollte bei allen Risikopatienten erwogen werden. Ein prophylaktischer Einsatz von Protonenpumpenhemmer ist nicht frei von Nebenwirkungen (
Osteoporose, nosokomiale pulmonale Infektionen inklusive
Sepsis bei aufsteigender Besiedlung der Gastrointestinaltrakts mit Darmbakterien,
Lupus erythematodes etc.).
Ödeme durch Natriumretention,
Hypernatriämie und -kaliämie und andere renale Nebenwirkungen treten häufig (5 %) nach NSAR-Einnahme auf. Auch
Hyponatriämien sind beschrieben.
Bei 40 % aller Patienten, die ein medikamenteninduziertes
akutes Nierenversagen entwickeln, wird die NSAR-Einnahme als kausaler Faktor angesehen. Insgesamt kann die renale Elimination von anderen Medikamenten beeinträchtigt werden (z. B.
Methotrexat,
Lithium). Methotrexat
beeinträchtigt die Elimination von COX-Inhibitoren, ein Analgetikawechsel am Behandlungstag ist im Einzelfall empfehlenswert.
Kardiovaskuläre Nebenwirkungen der Coxibe sind seit Langem bekannt und haben zur Rücknahme der Zulassung von Rofecoxib (Vioxx®) geführt. Inzwischen ist eine diesbezügliche Neueinschätzung auch der tNSAR erfolgt. Dosisabhängig kann jedes NSAR gravierende thrombembolische Ereignisse auslösen und das Risiko für einen
Myokardinfarkt damit erhöhen. Naproxen scheint diesbezügliche das geringste Risiko zu haben. Man geht heute davon aus, dass Celecoxib und Etoricoxib ein ähnliches Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse haben wie
Ibuprofen und
Diclofenac. Die absolute Ereigniswahrscheinlichkeit wird auf unter 1 % geschätzt und liegt damit unter dem Risiko für eine gastrointestinale Blutung, weshalb Patienten mit erhöhtem gastrointestinalen Blutungsrisiko eher ein Coxib erhalten sollten, auch wenn ein erhöhtes kardiales Risiko besteht. Besser verzichtet man bei diesen Patienten natürlich ganz auf die Gabe eines NSAR. Falls doch eine Verordnung erfolgt, sollte man den Patienten über die Risiken aufklären.
Coxibe weisen auch Vorteile hinsichtlich des Auftretens eines Leberversagens
auf, insgesamt ist dies aber eine sehr seltene Nebenwirkung der NSAR und COX-unabhängig.
Ibuprofen zum Beispiel führt zwar häufig zum Transaminasenanstieg, aber das Risiko für ein schweres hepatisches Ereignis ist relativ gering (2/100.000).
Alle tNSAR beeinflussen reversibel die Synthesefähigkeit von
Thromboxan A in den
Thrombozyten und damit deren Aggregationsfähigkeit, was zu signifikant erhöhter
Blutungsneigung von gastrointestinalen Ulzera nach Trauma oder Operationen führt.
Coxibe beeinträchtigen diesen COX-1-getriggerten Prozess nicht und haben somit auch diesbezüglich ein niedrigeres Risikopotenzial.
Alle tNSAR
blockieren außerdem die Wirkung von ASS auf die Thrombozytenaggregation, sollten somit frühestens 2 h nach der Einnahme von ASS verabreicht werden, um die Wirkung des ASS nicht aufzuheben.
COX-Inhibitoren
können die Wirkung oder Nebenwirkungen von Medikamenten beeinflussen, wie beispielsweise von
Antikoagulantien durch Verstärkung der Antikoagulation infolge einer Hemmung der Thrombozytenaggregation (deutlich bei ASS, schwächer bei COX-1-Inhibitoren, nicht bei Coxiben)
Vitamin-K-Antagonisten durch Verstärkung der Antikoagulation infolge einer Verdrängung der Plasmaproteinbindung
Glukokortikoiden durch Erhöhung des ulzerogenen Risikos am Gastrointestinaltrakt (besonders tNSAR)
ACE- und AT-Hemmern, kaliumsparenden Diuretika: Hyperkaliämie durch COX-Hemmung der Nierenfunktion
Ciclosporin durch Verstärkung der Nephrotoxizität
Prokinetika, Misoprostol und Herzglykosiden durch Verstärkung einer Diarrhö bei älteren Patienten
Antihypertensiva durch Verringerung der Wirkung infolge einer Erhöhung der Vorlast
Diuretika durch Verringerung der Wirkung infolge einer Reduktion der Diurese und Natriurese
Eine Übersicht über Dosierungen und wichtigste Nebenwirkungen der Nichtopioid-Analgetika als WHO-Stufe-1-Analgetika zeigt Tab.
1.
Tab. 1Dosierungen und wichtigste Nebenwirkungen der NSAR
| 0,5–1 g 4 g/Tag | 500 mg p.o. 1 g Supp. 1 g i.v. als Kurzinfusion | 45 min i.v.: 5–12 min 4–6 h | 3–4 × 325/500/1000 mg/Tag | Cave: Leberschaden Antidot: Acetylcystein |
| 500 mg–1 g 4 g/Tag | 500 mg p.o. 1 g Supp. 500 mg als Kurzinfusion, langsam | 30–60 min i.v.: 20–30 min 4 h | 4 × 500–1000 mg | Hypotonie Agranulocytoserisiko Laborkontrollen! |
| 400–600 mg 2400 mg/Tag | 200–600 mg p.o. 800 mg retard 500 mg Supp. | 30 min 6–8 h | 3 × 400–600 mg oder 1–2 × 800 mg retard | Interaktion mit ASS Alle tNSAR-NW |
| 50–100 mg 150 mg/Tag | 25–50 mg p.o. 75 mg retard 100 mg Supp. | 30 min 4–8 h, retard bis 12 h | 2–3 × 50–100 mg | Alle tNSAR-NW Erhöhte kardiogene Risiken |
Naproxen | 500–1000 mg 1250 mg/Tag | 150–750 mg p.o. | HWZ 13–15 h | 3–4 × 150–200 mg | – |
Celecoxib | 100–200 mg 400 mg/Tag | 100/200 mg p.o. | 3h HWZ 11 h | 1–2 × 200 mg | Wirkeintritt langsam |
Etoricoxib | 30/60/90/120 mg 90 mg/Tag, kurzfristig 120 mg/Tag | 1× tägl. p.o. | 25 min HWZ 15–22 h | 1 × 30/60/90 mg | Lange HWZ 1× tägliche Gabe |
Parecoxib | 20–40 mg 80 mg/Tag | 40 mg i.v. initial, nachdosieren von 20–40 mg | 10 min HWZ 5–7 h | 2 × 40 mg | – |