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Praktische Schmerzmedizin
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Publiziert am: 15.12.2017

Tumorschmerz

Verfasst von: Lukas Radbruch, Frank Elsner und Roman Rolke
Mit fortschreitendem Tumorwachstum treten bei der Mehrzahl der Patienten starke, behandlungsbedürftige Schmerzen auf. Schmerzen sind eines der häufigsten Symptome bei Tumorpatienten. In einer Übersicht aus verschiedenen epidemiologischen Studien gaben zwischen 75 und 90 % der Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien Schmerzen an. Bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung litten 20–50 % der Patienten unter Schmerzen, und oft sind es die Schmerzen, die als erstes Symptom den Patienten zum Arzt bringen und zur Tumorsuche und -diagnose führen.
Mit fortschreitendem Tumorwachstum treten bei der Mehrzahl der Patienten starke, behandlungsbedürftige Schmerzen auf. Schmerzen sind eines der häufigsten Symptome bei Tumorpatienten. In einer Übersicht aus verschiedenen epidemiologischen Studien gaben zwischen 75 und 90 % der Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien Schmerzen an. Bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung litten 20–50 % der Patienten unter Schmerzen, und oft sind es die Schmerzen, die als erstes Symptom den Patienten zum Arzt bringen und zur Tumorsuche und -diagnose führen.

Schmerzsyndrome

Die Häufigkeit von behandlungsbedürftigen Schmerzen hängt von der Pathophysiologie des Tumors ab. So verursachen Tumoren mit häufiger Metastasierung in das Skelettsystem bei mehr als 80 % der Patienten Schmerzen, während Lymphome und Leukämien nur bei 25–45 % zu Schmerzen führen.
Im Rahmen des progressiven Wachstums des Tumors und des begleitenden peritumorösen Ödems lösen der mechanische Druck und/oder die freigesetzten Entzündungsmediatoren Schmerzen aus. Je nach Art der Reizung und der betroffenen Strukturen werden diese Schmerzsyndrome sehr unterschiedlich empfunden. Aus den Angaben der Patienten können phänomenologische Schmerztypen beschrieben werden. Die Berücksichtigung der Schmerztypen bei der Therapieplanung hat sich in der klinischen Praxis bewährt. Vor der Therapieplanung sollte deshalb eine Tumorschmerzdiagnose formuliert werden, die Schmerzlokalisation, Schmerztyp, Schmerzätiologie und Schmerzintensität umfasst.

Schmerztypen

Knochenmetastasen oder Tumorinfiltration im Knochen verursachen durch die Reizung des Periosts Schmerzen, die vom Patienten genau lokalisiert und oft als scharf oder stechend beschrieben werden (Abb. 1). Typisch sind eine Zunahme der Schmerzen bei Bewegung und dementsprechend oft eine Abnahme der Schmerzen in der Nacht. Patienten mit Knochenmetastasen können trotz ausreichender Schmerzlinderung in Ruhe schon bei geringfügigen Bewegungen unter unerträglichen Schmerzen leiden. Die Schmerzen können entlang der Muskeln und Sehnenansätze ausstrahlen.
Weichteilschmerzen werden ähnlich wie Knochenschmerzen als scharf oder stechend beschrieben. Wie bei Knochenschmerzen wird der Schmerzreiz durch Tumorwachstum, Druck, Entzündung oder Ischämie an den Nozizeptoren ausgelöst. Die Schmerzen werden vom Patienten genau am Ort der Schädigung lokalisiert. Bei offenen Stellen der Haut oder Schleimhäute wird nach Berührung oder Reizung oft ein lang anhaltendes Brennen geschildert. Die sichtbaren Veränderungen mit Ulzera oder Rötungen an Haut oder Schleimhaut führen schnell zur Diagnose des Schmerztyps.
Dekubitalulzera der Haut sind bei bettlägerigen und kachektischen Patienten nicht immer zu vermeiden. Bei sachgerechter Wundversorgung sind Dekubitalulzera nur wenig schmerzhaft. Im Gegensatz dazu führen Ulzera oder Entzündungen an den Schleimhäuten zu starken Weichteilschmerzen, die oft auf eine Opioidtherapie nur schlecht ansprechen. Eine Mukositis nach Strahlen- oder Chemotherapie kann so schmerzhaft sein, dass eine orale Ernährung nicht mehr möglich ist.
Viszerale Schmerzen werden durch Zug oder Druck auf die serösen Häute oder die Bindegewebsstrukturen der Eingeweide ausgelöst, indem die viszeralen Nozizeptoren in diesen Geweben gereizt werden. Diese Schmerzen werden oft als dumpf oder drückend beschrieben. Die Schmerzen können nicht genau lokalisiert werden und werden im gesamten Bauchraum oder Thorax angegeben. Bei Verlegung von Hohlorganen können kolikartige Schmerzen auftreten.
Die Infiltration oder Kompression von peripheren Nerven, Nervenplexus oder im ZNS kann zu neuropathischen Schmerzen führen (Abb. 2). Diese Schmerzen werden oft als elektrisierend, einschießend oder lanzierend beschrieben und können sich im Versorgungsbereich eines Nervs oder Dermatoms ausbreiten. Sensible – seltener auch motorische – Ausfälle in den schmerzhaften Arealen weisen auf die zugrunde liegende Nervenschädigung hin. Neuropathische Schmerzen können auch als brennende Dauerschmerzen geschildert werden, entweder im Versorgungsbereich einzelner Nerven oder strumpf- bzw. handschuhförmig, zum Beispiel im Rahmen einer Chemotherapie-assoziierten Polyneuropathie.
Bei der Mehrzahl der Patienten treten im Verlauf Kombinationen von verschiedenen Schmerztypen auf. In einer großen epidemiologischen Untersuchung traten Knochen- oder Weichteilschmerzen bei 35 % der Patienten auf, viszerale Schmerzen bei 17 % und neuropathische Schmerzen bei 9 %, während bei den übrigen 39 % der Patienten mehrere Schmerztypen kombiniert waren (Grond et al. 1996). Neuere Daten weisen darauf hin, dass neuropathische Schmerzen im Rahmen einer Tumorerkrankung mit einem Anteil von 19–39 % der Patienten noch häufiger auftreten (Bennett et al. 2012).

Schmerzattacken

Die zeitliche Verteilung der Schmerzen ist für die Therapieplanung ebenfalls von Bedeutung. Tumorschmerzen treten in der Regel als Dauerschmerzen auf. Zusätzlich zu den Dauerschmerzen klagen viele Patienten aber über Schmerzattacken („breakthrough pain“). Schmerzattacken können ein Zeichen für die unzureichende Behandlung der Dauerschmerzen sein, z. B. wenn die Schmerzattacken häufig kurz vor der nächsten Medikamentengabe auftreten („end-of-dose-failure“).
Ein Teil der Patienten kann auslösende Ursachen für die Schmerzattacken benennen, z. B. bestimmte Bewegungen, Nahrungsaufnahme oder Stress. Manche Patienten schildern auch Maßnahmen, mit denen sie die Schmerzattacken selbst lindern oder durchbrechen können, z. B. durch Einnahme einer bestimmten Körperhaltung oder Position. Wenn möglich, sollte dies vom Therapeuten unterstützt werden, indem auslösende Faktoren vermieden und lindernde Faktoren verstärkt werden.
Für die Therapieplanung sollten Schmerzattacken ebenso wie die Dauerschmerzen in nozizeptive (Knochen- und Weichteilschmerzen, viszerale Schmerzen) und neuropathische Schmerzattacken differenziert werden (Abb. 3). Die zeitliche Charakteristik der Schmerzattacken ist dabei hilfreich. So sind neuropathische Schmerzattacken oft blitzartig, treten innerhalb von Sekunden auf und halten nur selten länger als wenige Minuten an.

Spezielle Tumorschmerzsyndrome

Im Rahmen bestimmter Komplikationen können spezielle Schmerzsyndrome auftreten, die mit der üblichen analgetischen Therapie nicht ausreichend gelindert werden können. Das schnelle Erkennen dieser Syndrome ist notwendig, um eine spezifische Behandlung einleiten zu können.
Patienten mit osteolytischen Knochenmetastasen können ein Hyperkalzämiesyndrom entwickeln. Dabei leiden die Patienten neben anderen Symptomen wie Übelkeit, Verwirrtheit und Durst oft auch unter starken Schmerzen, die nicht genau lokalisiert werden können und häufig am ganzen Körper empfunden werden. Die Steigerung der Opioiddosis ist ineffektiv, führt aber oft zu zunehmender Verwirrtheit. Eine Senkung des Serumcalciums durch Bisphosphonatinfusionen führt dagegen innerhalb weniger Stunden oder Tage zu einer Schmerzlinderung (Kap. „Radiologische Verfahren in der Schmerzmedizin“).
Metastasen in den Bauchorganen wie Leber oder Milz können durch Tumor und Begleitödem zu einem Druck auf die Bindegewebskapsel des Organs führen. Die Leber ist bei der Untersuchung vergrößert und deutlich druckschmerzhaft. Dieser Kapselspannungsschmerz ist ebenfalls durch Opioide kaum zu lindern. Eine Corticoidtherapie kann durch Reduktion des Begleitödems dagegen schnell zu einer Abnahme der Spannung und zur Schmerzlinderung führen.
Bei Tumorwachstum im Bereich der Wirbelsäule, z. B. bei Tumoren mit Knochenmetastasen in den Wirbelkörpern, kann es bei der Progression des Tumors zu einem Einbruch in den Spinalkanal kommen. Vor allem an den engen Stellen des Spinalkanals, z. B. im Bereich der Brustwirbelsäule, kann dies schnell zu einer spinalen Kompression führen. Ein frühes Warnzeichen ist die Zunahme der Schmerzen, sobald der Patient sich hinlegt, da der Druck im Spinalkanal dann ansteigt und die Kompression durch Tumorgewebe und Begleitödem sich dann stärker auswirkt. Bei Wirbelsäulenmetastasen lassen dagegen die Schmerzen im Liegen eher nach, da diese Knochenschmerzen bewegungsabhängig sind und mit körperlicher Ruhe gelindert werden. Bei Verdacht auf eine neu aufgetretene spinale Kompression ist eine weiterführende Diagnostik notwendig, um die Indikation zur operativen Entlastung zu überprüfen. Ist eine Operation nicht möglich, sollten Corticoide eingesetzt werden.

Differenzialdiagnose maligner und nichtmaligner Schmerzursachen

Mehr als 80 % der Tumorschmerzsyndrome werden durch den Primärtumor oder die Metastasen ausgelöst. Das Tumorwachstum selbst, aber auch Entzündung und Ödem um den Tumor herum sowie Ischämien im Tumorrandgebiet können Nozizeptoren reizen. Im Tumorgewebe produzierte Zytokine, ATP, Prostaglandine, Bradykinin und NGF können ebenfalls Nozizeptoren aktivieren. Behandlungsbedürftige Schmerzen können jedoch nicht nur durch den Tumor selbst, sondern auch durch begleitende Symptome des Tumors verursacht werden, z. B. durch ein Lymphödem oder durch eine paraneoplastische Herpes-zoster-Infektion.
Die antineoplastische Therapie der malignen Erkrankung kann mit der Tumorverkleinerung oft auch eine Schmerzreduktion bewirken. Andererseits kann aber auch die Therapie selbst mit anhaltenden Schmerzen verbunden sein. Mehr als 15 % der Tumorschmerzsymptome sind Narbenschmerzen oder andere Schmerzsyndrome nach Operationen, Polyneuropathien nach Chemotherapie oder schmerzhafte Mukositiden nach Strahlentherapie. Diese therapiebedingten Schmerzen können die Patienten mehr beeinträchtigen als die Tumorschmerzen selbst. Neuropathische Schmerzsyndrome infolge einer Strahlenfibrose treten u. U. noch mehrere Monate oder Jahre nach der Strahlentherapie auf.
Die Unterscheidung zwischen tumorbedingten und therapiebedingten Schmerzen ist nicht immer einfach. So können Schmerzen in Axilla und Arm, die mehrere Monate nach Resektion und Bestrahlung eines Mammakarzinoms auftreten, neuropathische Deafferenzierungsschmerzen nach intraoperativen Nervenverletzungen oder infolge einer Strahlenfibrose sein. Häufig werden Schmerzen an der Innenseite des Oberarmes angegeben, wenn der 2. Interkostalnerv intraoperativ verletzt worden ist. Die Schmerzen können auch Folge des ansteigenden Drucks im Rahmen eines beginnenden Lymphödems sein. Andererseits können die Schmerzen das erste klinische Zeichen des Tumorrezidivs sein. Für die Differenzierung ist eine sorgfältige klinische Untersuchung erforderlich. Bei neuropathischen Schmerzen lassen sich oft sensible neurologische Ausfälle im Versorgungsbereich eines Interkostalnervs oder bei Anteilen des Plexus brachialis feststellen.
Bei neu auftretenden oder stetig zunehmenden Schmerzen sollte eine weiterführende Diagnostik erfolgen, z. B. mit bildgebenden Verfahren, um ein Tumorrezidiv auszuschließen. Ein negativer Befund sollte bei anhaltenden Beschwerden allerdings in der Nachsorge in 3-monatlichen Abständen wiederholt kontrolliert werden, da die Unterscheidung zwischen Narbengewebe und Rezidiv auch mittels Computertomografie oder Magnetresonanztomographie nicht immer einfach ist. Anhaltende Schmerzen sind ein sehr sensibles, wenn auch relativ unspezifisches Frühwarnsymptom des Rezidivs, das der radiologischen Bestätigung des Rezidivs mehrere Monate vorausgehen kann.
Außer den tumor- und therapiebedingten Schmerzen können Tumorpatienten aber auch unter chronischen Schmerzen leiden, die mit der Tumorerkrankung nicht im Zusammenhang stehen. Rund 10 % der Schmerzsyndrome bei Tumorpatienten sind solche tumorunabhängigen Schmerzen. Chronische Rückenschmerzen oder eine schon lange bestehende Migräne können unerträglich werden, wenn die Patienten mit nachlassendem Allgemeinzustand sich weniger bewegen können und schließlich das Bett kaum noch verlassen. Die Unterscheidung von tumorunabhängigen Schmerzen und tumor- oder therapiebedingten Schmerzen lässt sich am besten aus der Anamnese und der Schilderung des Patienten ableiten, da die tumorunabhängigen Schmerzen schon vor Beginn der Tumorerkrankung bestanden haben und vom Patienten meist eindeutig von den Tumorschmerzen unterschieden werden können.
Die Unterscheidung zwischen tumorbedingten, therapiebedingten und tumor- und therapieunabhängigen Schmerzen ist für die Planung des therapeutischen Vorgehens von Bedeutung und muss deshalb in die Schmerzdiagnose aufgenommen werden.

Therapie von Tumorschmerzen

Zunächst muss klargestellt werden, dass kausale Therapieansätze, wenn sie möglich sind, den rein symptomatischen in der Regel überlegen sind. Für den einzelnen Patienten können jedoch kausale Ansätze (z. B. Operationen, Chemo- oder Strahlentherapie) mit derart belastenden, unerwünschten Wirkungen einhergehen, dass eine symptomatische, oft medikamentöse Schmerztherapie die bessere Alternative darstellt.
Der Einsatz einer kontinuierlichen Therapie mit Analgetika setzt voraus, dass ein kontinuierliches körperliches Korrelat für Schmerzen hinreichend belegt ist (z. B. eine Knochenmetastase), wenigstens jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet werden kann. Dauerhafte Schmerzen müssen mit einer dauerhaften Therapie behandelt werden. Einige Patienten mit nur einzelnen und seltenen Schmerzanfällen ohne kontinuierliche Schmerzen kommen jedoch auch mit einer analgetischen Bedarfsmedikation aus.

WHO-Empfehlungen

Im Jahr 1986 wurden von einem Expertenkomitee im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Empfehlungen zur Tumorschmerztherapie herausgegeben. Diese Empfehlungen wurden in nur wenig veränderter Form 1990 und 1996 fortgeschrieben. In mehreren Ländern wurde in zum Teil großen Fallserien die Effektivität der WHO-Empfehlungen bestätigt und eine zufriedenstellende Schmerzlinderung bei 80 % der Patienten erreicht. Diese WHO-Empfehlungen sind allerdings mehr ein didaktisches Modell als eine evidenzbasierte Zusammenstellung von Studienergebnissen. Von der European Association for Palliative Care wurden auf dieser Grundlage evidenzbasierte Empfehlungen erarbeitet, die in der S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Tumorerkrankung (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin 2015) des Leitlinienprogramms Onkologie übernommen worden sind.
Zu bedenken ist bei den WHO-Empfehlungen insbesondere, dass sie eine Art Weltgültigkeit aufweisen müssen. Im Hinblick auf einen Therapieerfolg müssen insofern auch mit einfachen Mitteln gemäß der jeweiligen Verfügbarkeit von Medikamenten möglichst große Erfolge in der Behandlung erzielt werden können. So kann die grundsätzliche Empfehlung für die ganze Welt, zuerst mit eher gut verfügbaren Nichtopioidanalgetika zu behandeln, im Durchschnitt mehr Erfolgsaussichten haben als ein primär mechanismenorientierter Ansatz.
In Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz, in denen die Nichtverfügbarkeit der Medikation eine eher untergeordnete Rolle spielt, können die WHO-Empfehlungen jedoch einer bestmöglichen Therapie in einzelnen Situationen sogar im Wege stehen. In Gebieten mit sehr guter Medikamentenverfügbarkeit sollte eine an den diagnostizierten (oder wenigstens vermuteten) Mechanismen der jeweiligen Schmerzen ausgerichtete Therapie dem WHO-Stufenplan vorgezogen werden. So kann beispielsweise ein neuropathischer Schmerz zunächst ausschließlich mit Koanalgetika behandelt werden, ohne dass ein systemisches Schmerzmittel eingesetzt wird. Dies kann durchaus einen besseren Erfolg bei weniger unerwünschten Wirkungen bedeuten. Die jeweils folgerichtigen Therapieansätze für die verschiedenen Mechanismen der Schmerzursache werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels beschrieben.
Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zur Tumorschmerztherapie
  • Patienten mit Tumorschmerzen sollen eine symptomatische Schmerztherapie erhalten.
  • Die Tumorschmerztherapie soll in erster Linie mit Schmerzmedikamenten erfolgen.
  • Die Schmerzmittel sollen v. a. oral appliziert werden.
  • Die Schmerzmedikation soll als Dauermedikation mit festen Einnahmezeiten und nicht nur nach Bedarf verabreicht werden.
  • Die Schmerzmittel sollen entsprechend der Schmerzstärke und der Vorbehandlung nach einem analgetischen Stufenplan ausgewählt werden.
  • Koanalgetika oder adjuvante Medikamente sollen bei entsprechender Indikation zusätzlich zu den Analgetika verabreicht werden.
  • Der Therapieerfolg soll kontrolliert und bei nicht ausreichender Wirkung der Therapieplan angepasst werden.
  • Die Schmerztherapie soll an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst werden.

Applikationsweg

Der orale Applikationsweg ist einfach und unkompliziert und belastet den Patienten am wenigsten. Mit der Vielzahl der verfügbaren Präparate und Applikationsformen ist eine orale Zufuhr oder eine Applikation über eine Ernährungssonde auch bei Patienten mit Schluckstörungen und Passagebehinderungen möglich. Die subkutane oder parenterale Zufuhr führt zu einem schnelleren Anstieg der Plasmakonzentration, dies bringt bei einer Dauertherapie aber keinen Vorteil. Die Effektivität oder die Nebenwirkungsrate wird durch den Wechsel auf die parenterale Zufuhr nicht verbessert.
Wenn Patienten Morphin nicht oral zu sich nehmen können, ist der bevorzugte Applikationsweg der subkutane Zugang oder ein Pflaster mit einem transdermal freisetzenden Wirkstoff. Eine intramuskuläre Zufuhr ist für den Patienten unangenehm und deshalb in der Tumorschmerztherapie obsolet.
Vorteil der subkutanen Injektion ist zum einen, dass die benötigten Nadeln dünner sind und die Gefahr von Nervenschäden geringer ist, sodass die Wahl der Injektionsstelle nicht so wichtig ist. Ein zweiter Vorteil ist die bessere Sichtbarkeit der Venen, sodass die Gefahr einer versehentlichen intravenösen Injektion geringer ist. Die Absorption ist ähnlich, Spitzenplasmakonzentrationen werden nach 15–30 min erreicht, mit einem schnelleren Anfluten der Wirkung im Vergleich zur oralen Applikation.
Während Schmerzspitzen bei den meisten Patienten mit einer oralen Zusatzmedikation gut durchbrochen werden können, treten bei einigen Patienten Schmerzattacken so schnell und kurz auf, dass die Wirkung der oralen Zusatzmedikation erst einsetzt, wenn die Schmerzattacke schon wieder vorbei ist. Hier kann beispielsweise Fentanyl auch als rasch wirksames, transmukosal appliziertes Opioid hilfreich sein. Fentanyl steht in Zubereitungen für eine bukkale, sublinguale und auch nasale Anwendung zur Verfügung. Alternativ kann die subkutane Applikation oder sogar die intravenöse Gabe über eine patientenkontrollierte Pumpe mit Bolusfunktion sinnvoll sein, um ein schnelles Anfluten von beispielsweise Morphin oder Hydromorphon zu ermöglichen.
Das durchschnittliche Verhältnis der relativen Potenz von oral appliziertem zu subkutanem Morphin liegt zwischen 1 : 2 und 1 : 3 (d. h. 20–30 mg Morphin oral entspricht 10 mg subkutan).
Nach parenteraler Applikation umgehen die verabreichten Medikamente die präsystemische Metabolisierung in der Leber („first-pass effect“). Die relative Wirkstärke von parenteralem Morphin im Verhältnis zur oralen Dosis wird kontrovers diskutiert. Anscheinend bestehen nicht nur interindividuelle Variationen, sondern zusätzliche Schwankungen in Abhängigkeit von den Umständen, unter denen Morphin eingesetzt wurde. Bei der Umrechnung von oraler auf subkutane Applikation sollte 1/3 der Dosierung gewählt werden, um eine grob äquianalgetische Wirkung zu erreichen, jedoch können Dosisanpassungen nach unten oder oben erforderlich sein.
Die intravenöse Infusion kann bei Patienten bevorzugt werden, die bereits einen intravenösen Zugang haben, Patienten mit generalisierten Ödemen, Patienten, die unter der subkutanen Infusion Erytheme, Hautläsionen oder sterile Abszesse entwickeln, Patienten mit Störungen der Blutgerinnung und Patienten mit peripheren Durchblutungsstörungen. Die relativen Wirkstärken bei intravenöser und subkutaner Applikation sind gleich. Bei der Umstellung von oraler Gabe auf intravenös appliziertes Morphin sollte 1/3 der Dosis verabreicht werden.
Alternative Opioide, insbesondere Hydromorphon, können für die parenterale Anwendung bevorzugt werden, da aufgrund der höheren Lösbarkeit gegenüber Morphin geringere Injektionsvolumina erforderlich sind.
Transdermal appliziertes Fentanyl oder Buprenorphin kann eine nützliche nichtinvasive Alternative für Patienten mit stabilem Opioidbedarf sein.
Die rektale Applikation kann von manchen Patienten bevorzugt werden. Die Bioverfügbarkeit und die Wirkdauer entsprechen der oralen Applikation, die Dosierung bei oraler und rektaler Gabe ist äquianalgetisch.

Applikationszeiten

Tumorschmerzen sind in der Regel Dauerschmerzen und erfordern eine Dauermedikation . Die Applikationszeiten sollten der Wirkdauer der Analgetika angepasst werden. Nichtretardierte Morphinpräparate wie auch Metamizol müssen deshalb alle 4 h verabreicht werden, retardierte Präparate können alle 8–12 h gegeben werden. Wenn die Schmerzen immer wieder auftreten, bevor die nächste Dosis fällig ist, sollte die Dosis der Dauermedikation erhöht werden. Für Morphin sind mehrere Applikationsformen mit retardierter Freisetzung verfügbar, wobei keine Hinweise dafür vorliegen, dass die verschiedenen Applikationsformen für die 12-stündliche Anwendung (Tabletten, Kapseln oder Lösung) in ihrer Wirkdauer oder ihrer relativen analgetischen Potenz wesentliche Unterschiede aufweisen. Das Gleiche gilt für die 24-stündliche Anwendung, obwohl hierzu weniger Daten vorliegen.
Mehr als die Hälfte der Tumorschmerzpatienten benötigt neben der Dauermedikation eine Bedarfsmedikation zur Behandlung von Schmerzattacken. Diese Bedarfsmedikation, in der Regel ein nichtretardiertes Morphinpräparat, kann auch zur Dosisfindung bei der Einstellung der Therapie genutzt werden. Die Bedarfsmedikation soll möglichst eine schnell wirksame Form des gleichen Opioids sein, das auch für die Dauertherapie eingesetzt wird, wenn eine solche Form zur Verfügung steht: also z. B. nichtretardierte Morphinlösung oder Tabletten bei einer Dauermedikation mit retardierten Morphintabletten oder Fentanyl in verschiedenen transmukosalen Applikationsformen bei einer Dauertherapie mit transdermalem Fentanyl.
Allerdings ist bekannt, dass bei 2 von 3 Patienten Schmerzattacken nach bereits 30 min auch spontan wieder abgeklungen sind (Gómez-Batiste et al. 2002). Bei diesen 2/3 der Patienten sind die meisten nichtretardierten Opioide mit einem Wirkeintritt nach ungefähr 30 min nach oraler Gabe schlichtweg zu langsam. Daher ist in Zukunft zu überlegen, ob nicht für die Behandlung von spontanen Durchbruchschmerzen eher rasch freisetzendes Fentanyl in unterschiedlicher, nichtinvasiver Applikationsform bei einer bestehenden kontinuierlichen Opioidtherapie empfohlen werden sollte, auch wenn das Basisopioid nicht Fentanyl ist. Bei einem solchen Vorgehen ist allerdings die Indikation sehr genau und kritisch zu stellen, da ein nicht unerhebliches Missbrauchspotenzial insbesondere bei Tumorpatienten besteht, die als geheilt gelten und eine längerfristige Lebenserwartung haben.
Die Dosis der Bedarfsmedikation richtet sich nach der Dauermedikation und muss bei Erhöhung der Dauermedikationsdosis entsprechend angepasst werden. Als Richtwert gilt 1/6 der Tagesdosis der Dauermedikation. Bei einer täglichen Dauertherapie mit 180 mg retardiertem Morphin oral kann also eine Bedarfsmedikation von 30 mg nichtretardierter Morphinlösung oral oder 10 mg subkutan appliziertes Morphin (1/3 der oralen Dosis) sinnvoll sein. Dieses Vorgehen ist allerdings nicht durch Untersuchungen belegt. Die effektive und verträgliche Bedarfsdosis beim einzelnen Patienten kann von diesem Richtwert nach oben oder unten abweichen.
Insbesondere für die unterschiedlichen Applikationsformen von Fentanyl wird deshalb eine individuelle Titration der benötigten Dosis für die Bedarfsmedikation empfohlen.

Analgetika

Die Auswahl der Analgetika erfolgt nach dem analgetischen Stufenplan der WHO (Tab. 1). Die Bezeichnungen „niederpotente“ und „hochpotente“ Opioide für die WHO-Stufen 2 und 3 ist weit verbreitet, obwohl diese Begriffe aus pharmakologischer Sicht nicht sinnvoll sind. Eine Monotherapie mit Opioiden ist bei vielen Schmerzsyndromen nicht ausreichend effektiv. Die Kombination von Opioiden mit Nichtopioiden auf den Stufen 2 und 3 führt zu einer deutlichen Verbesserung der Effektivität. Auf allen Stufen können die Analgetika mit Koanalgetika oder adjuvanten Medikamenten zur Behandlung von Nebenwirkungen und anderen Symptomen des Tumors kombiniert werden.
Tab. 1
Analgetischer WHO-Stufenplan zur Tumorschmerztherapie
Stufe
Medikation
3
Opioide für mittlere bis starke Schmerzen ± Nichtopioide
2
Opioide für mäßige bis mittlere Schmerzen ± Nichtopioide
1
Nichtopioidanalgetika
Der WHO-Stufenplan soll nicht als starres Schema angewendet werden, das von unten nach oben durchlaufen werden muss.
Bei mittleren oder starken Schmerzen kann die analgetische Behandlung auf Stufe 2 oder 3 begonnen werden. In einer großen Fallserie mit mehr als 2000 Patienten durchliefen nur 10 % der Patienten alle 3 Stufen.

Nichtopioidanalgetika (Antipyretika, Antiphlogistika)

Bei leichten Schmerzen sind Nichtopioidanalgetika wie Metamizol, Paracetamol oder nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) effektiv. In einer älteren Metaanalyse waren NSAIDs signifikant wirksamer als Placebo und genauso wirksam wie Opioide der Stufe 2. Bei Knochen- oder Weichteilschmerzen sind NSAIDs wegen der meist entzündungsbedingten Schmerzen besonders wirksam. Diclofenac (bis 150 mg/d) oder Ibuprofen (bis 1800 mg/d) können mit gutem Effekt eingesetzt werden. Mit zunehmender Verschlechterung des Allgemeinzustandes sind die Patienten anfälliger für die Nebenwirkungen der NSAIDs. Wassereinlagerungen in den Beinen können bei der Mobilisation von bettlägerigen Patienten stören, gastrointestinale Beschwerden bei Patienten mit Kachexie und Appetitmangel besonderes unangenehm empfunden werden. Insbesondere bei sich verschlechternder Nierenfunktion sollen NSAIDs und Paracetamol wegen der Gefahr eines akuten Nierenversagens nicht angewendet werden. Metamizol soll in dieser Situation mit Vorsicht und ggf. verringerter Dosis eingesetzt werden.
COX-2-selektive NSAIDs wie Celecoxib (2 × 100–200 mg/d) oder auch Etoricoxib (60–90 mg/d) verursachen weniger gastrointestinale Nebenwirkungen. Eine gastroprotektive Begleitmedikation, z. B. mit Omeprazol, ist nicht bei allen Patienten erforderlich. Insbesondere bei Risikopatienten, wenn beispielsweise gleichzeitig eine Corticoidtherapie durchgeführt wird, ist eine solche prophylaktische Gabe von Gastroprotektiva meist notwendig. Das Risiko von Nierenfunktionsstörungen ist bei exsikkierten Tumorpatienten sowohl nach Gabe von COX-2-selektiven als auch von nichtselektiven NSAIDs höher; die Nierenfunktion sollte daher durch regelmäßige Laborkontrollen überprüft werden.
Bei viszeralen Schmerzen ist Metamizol mit Dosierungen von 3000–6000 mg aufgrund der spasmolytischen Eigenschaften vorteilhaft, da häufig eine Affektion der glatten Darmmuskulatur mit dem Geschehen einhergeht. Die Applikation muss alle 4–6 h erfolgen, da keine retardierte Form verfügbar ist.
Der Einsatz von Paracetamol ist auf Kinder mit Tumorschmerzen beschränkt, bei Erwachsenen ist die analgetische Wirksamkeit nicht ausreichend und die Tageshöchstmenge deutlich begrenzt.

Opioide der WHO-Stufe 2

Bei leichten bis mittleren Schmerzen oder wenn die Analgetika der Stufe 1 nicht ausreichend effektiv sind, können Opioide der Stufe 2 wirksam sein. In Deutschland werden in erster Linie Dihydrocodein, Tramadol und Tilidin/Naloxon eingesetzt. Die Gabe von Dihydrocodein wird mit Dosierungen von 120 mg/d begonnen und kann bis 360 mg/d gesteigert werden. Es wird bei Tumorschmerzen aufgrund der oft ausgeprägten Obstipation jedoch nur noch selten eingesetzt. Tramadol und Tilidin werden in Tagesdosierungen von 200–600 mg bei oraler Applikation eingesetzt; für beide Opioide sind retardierte und unretardierte Formen im Handel. Tramadol kann in Dosierungen bis 400 mg/d auch intravenös verabreicht werden. Für Tramadol ist neben der Opioidwirkung eine Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin nachgewiesen. Dies bewirkt eine Aktivierung von aus dem Hirnstamm absteigenden Schmerzhemmsystemen. Möglicherweise ist dies vorteilhaft bei Patienten mit neuropathischen Tumorschmerzen. Allerdings wird bei Tramadol, v. a. bei Gaben in Tropfenform, häufig Übelkeit und Erbrechen als Nebenwirkung berichtet. Der Wechsel auf eine andere Applikationsform, z. B. retardierte Tabletten, kann diese Nebenwirkungen oft beseitigen.
Alle hier genannten Opioide der WHO-Stufe 2 werden erst in der Leber zu den jeweils aktiven Hauptwirkmetaboliten aktiviert, sodass eine weitgehend erhaltene Leberfunktion Voraussetzung für eine gute Wirksamkeit ist.
Außerdem kann die Aktivierung in der Leber durch verschiedene andere und gleichzeitig eingenommene Medikamente gehemmt werden, was zu einer verringerten Schmerzlinderung führen kann.

Opioide der WHO-Stufe 3

Opioide der Stufe 3 sollten spätestens dann bei Tumorschmerzen eingesetzt werden, wenn die bisher genannten Analgetika keine ausreichende Schmerzlinderung erzielen konnten. Auch auf der WHO-Stufe 3 kann das eingesetzte Opioid – in Abhängigkeit von den vermuteten Mechanismen – mit einem Nichtopioid und einem Koanalgetikum und auch Adjuvanzien kombiniert werden. Nach einer aktuellen Übersicht der EAPC (European Association for Palliative Care) von 2012 werden hier Morphin, Hydromorphon und Oxycodon gemeinsam als Opioide der ersten Wahl empfohlen. Weitere Substanzen sind Levomethadon, Tapentadol und transdermal appliziertes Fentanyl oder Buprenorphin.
Morphin ist in vielen verschiedenen Applikationsformen und für viele Applikationswege verfügbar. Es ist das am längsten eingesetzte Opioid, mit dem die meisten klinischen Erfahrungen gesammelt wurden. Morphin kann deshalb als Goldstandard in der Tumorschmerztherapie angesehen werden. Die Behandlung sollte mit 30–60 mg Tagesdosis begonnen und nach Bedarf gesteigert werden. Es gibt keine Obergrenze, wenn auch die Dosierung aus praktischen Gründen meist 600 mg als Tagesdosis nicht überschreitet.
Oxycodon und Hydromorphon wurden erst vor wenigen Jahren als retardierte Applikationsformen eingeführt. Die Unterschiede zum Morphin sind in der klinischen Praxis eher gering, wenn auch für einzelne Patienten Vorteile von einer der Substanzen zu erwarten sind. So kann die geringe Plasmaeiweißbindung des Hydromorphon z. B. bei Patienten unter einer Chemotherapie das Risiko von Arzneimittelinteraktionen verringern. Im Endstadium einer Tumorerkrankung ist der Plasmaeiweißspiegel oft sehr niedrig. Bei Hydromorphon wird dies die Wirkung und Nebenwirkungen weniger beeinflussen als bei Opioiden mit einer höheren Plasmaeiweißbindung. Hydromorphon ist ca. 7,5-mal stärker analgetisch wirksam als Morphin. Die Behandlung wird mit 8 mg als Tagesdosis begonnen. Wie bei Morphin bestehen keine Obergrenzen, sodass Dosierungen von 200 mg oder mehr erreicht werden können.
Der Hinweis auf die geringere Inzidenz zentralnervöser Nebenwirkungen unter Oxycodon im Vergleich zu anderen Opioiden kann unserer klinischen Erfahrung nach bei Tumorpatienten nicht bestätigt werden. Die Evidenz klinischer Studien ist hierzu nicht eindeutig. Oxycodon ist analgetisch ca. 2-mal effektiver als Morphin. Als Anfangstagesdosis werden 20 mg gewählt und bei Ineffektivität gesteigert.
Für Patienten mit Schluckstörungen, z. B. aufgrund eines Passagehindernisses bei gastrointestinalen Tumoren oder aufgrund von therapieresistentem Erbrechen, stellt die sublinguale Therapie mit Fentanyl oder Buprenorphin oder die transdermale Therapie mit Fentanyl oder Buprenorphin eine nichtinvasive parenterale Alternative dar. Das Opioid diffundiert aus dem Pflastersystem in die oberste Hautschicht und bildet dort ein Depot. Aus diesem Depot erfolgt die langsame systemische Resorption. Das intrakutane Depot führt zu gleichmäßigen Wirkstoffspiegeln über die Applikationszeit von 2–3 Tagen, bedingt aber auch eine eingeschränkte Steuerbarkeit des Systems, da sich Dosisänderungen erst nach 12–24 h auswirken.
Das Fentanylpflaster ist in mindestens 7 Wirkstärken erhältlich. Die Pflasterstärken entsprechen Tagesdosierungen von 0,3–3,6 mg (12–150 μg/h). Bei opioidnaiven Patienten kann die Behandlung mit dem kleinsten Pflastersystem begonnen werden, bei Patienten mit höher dosierter Opioidvorbehandlung wird die Tagesdosis mit dem Verhältnis von 100 : 1 (Morphin oral: Fentanyl transdermal) umgerechnet. Mehrere Pflastersysteme können kombiniert werden, mehr als 6 Pflaster sind allerdings kaum praktikabel.
Als Bedarfsmedikation für die transdermale Fentanyltherapie ist Fentanyl als oral applizierbare Schmelztablette oder Nasenspray verfügbar. Die Fentanyl-Schmelztablette wird als bukkale oder sublingual applizierte Tablette im Mund gehalten, über die Schleimhaut wird Fentanyl schnell in die systemische Zirkulation aufgenommen. Vergleichbar schnell wird Fentanyl nach einem Sprühstoß (ca. 50–200 μg pro Hub) von der Nasenschleimhaut resorbiert. Innerhalb von 10–20 min wird so eine ausreichende Analgesie erreicht. Diesen neuen Applikationsformen ist ebenfalls gemeinsam, dass ihre Wirkdauer in der Regel eine Stunde nicht überschreitet. So kommen diese Medikamente dem Anforderungsprofil einer möglichst schnellen, aber nicht zu lange anhaltenden Wirkung sehr nahe.
Das Buprenorphinpflaster ist in mehreren Stärken mit 5–70 μg/h erhältlich. Bei opioidnaiven Patienten mit starken Schmerzen soll die Behandlung mit kleiner Pflasterstärke begonnen werden, evtl. kann das Matrixpflaster auch geteilt werden. Mehrere Pflastersysteme können kombiniert werden, allerdings ist die Anbringung von mehr als 3–4 Pflastern aufwendig und benötigt größere Hautflächen. Buprenorphin ist ein partieller μ-Agonist mit hoher Affinität zum Opioidrezeptor.
Der partielle Agonismus wurde im Tierversuch mit einem Ceiling-Effekt in Verbindung gebracht. Ein Ceiling-Effekt ist erst bei hohen Dosierungen zu erwarten. Ob dies in der klinischen Praxis von Bedeutung sein kann, ist unklar. Die hohe Plasmaeiweißbindung über 90 % kann bei Tumorpatienten zu vermehrten Interaktionen mit anderen Medikamenten führen und zu Veränderungen der Pharmakokinetik mit dem Fortschreiten der Erkrankung, wenn die Plasmaeiweißspiegel absinken. Sublinguale Buprenorphintabletten stehen als Bedarfsmedikation für die transdermale Buprenorphintherapie zur Verfügung.
Levomethadon wirkt an den μ-Opioidrezeptoren, aber auch über die δ-Opioidrezeptoren und als Antagonist am NMDA-Rezeptor. Diese Mechanismen bieten eine Erklärung für die Wirksamkeit von Levomethadon bei Patienten, die mit anderen Opioiden keine ausreichende Wirkung oder intolerable Nebenwirkungen erfuhren. Die lange und variable Elimination mit einer Halbwertszeit zwischen 13 und 100 h, die bei vielen Patienten nach einiger Zeit zu einer Kumulation führt, und das Fehlen von sicheren Umrechnungsfaktoren lassen Levomethadon jedoch eher für die Therapie beim Spezialisten geeignet erscheinen. Für die Umstellung von einem anderen Opioid auf Levomethadon ist oft eine erneute Dosistitration erforderlich und in den ersten Tagen nach der Umstellung eine engmaschige Kontrolle.
Als neues Opioid der WHO-Stufe 3 verfügt Tapentadol über einen dualen Mechanismus und wirkt zum einen als μ-Agonist mit 2,5-fach geringerer Affinität als Morphin am μ-Rezeptor, zum anderen zusätzlich auch als Noradenalin-Wiederaufnahmehemmer.
Häufige Nebenwirkungen der Opioide sind Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit und Obstipation. Zunehmend werden auch neurotoxische Nebenwirkungen wie Alpträume, Halluzinationen, Myoklonien oder Hyperalgesien beschrieben. Bei den Therapiekontrollen sollten diese Nebenwirkungen kontrolliert und, falls notwendig, mit adjuvanten Medikamenten behandelt werden. Während Übelkeit und Müdigkeit meist nur in der Einstellungsphase und nach Dosiserhöhungen behandelt werden müssen, sollte die prophylaktische Therapie der Obstipation mit Laxanzien für die gesamte Dauer der Opioidtherapie fortgesetzt werden.

Opioidrotation

Bei den meisten Patienten sind mit fortschreitendem Tumorwachstum und zunehmenden Schmerzen Dosissteigerungen der Opioide erforderlich. Obergrenzen sind für die Opioide der Stufe 3 nicht bekannt, außer für Buprenorphin. Das Auftreten von Nebenwirkungen kann jedoch weitere Dosissteigerungen verhindern. Durch den Wechsel auf ein anderes Opioid können die Nebenwirkungen reduziert und die Schmerzlinderung verbessert werden. Die Richtung des Wechsels – also von welchem Opioid auf welches neue Opioid gewechselt wird – scheint dabei von geringer Bedeutung zu sein. So wurde in einer Studie eine Verbesserung der Effektivität und Verträglichkeit nach dem Wechsel von Morphin auf Hydromorphon ebenso wie von Hydromorphon auf Morphin beschrieben.
Die Dosierungen des neuen Opioids können oft deutlich unter den mit Hilfe der Umrechnungsfaktoren berechneten Dosierungen bleiben. Die Dosis des neuen Opioids wird deshalb nach den äquianalgetischen Umrechnungsfaktoren berechnet, diese berechnete Dosis sollte dann aber um 25–50 % reduziert werden. Diese Reduktion im Rahmen eines Opioidwechsels ist sinnvoll, da sich gegenüber dem zuerst eingesetzten Opioid eine gewisse Toleranz entwickelt haben kann, die jedoch nicht gegenüber dem jetzt neu eindosierten Opioid bestehen muss (fehlende Kreuztoleranz). Alternativ kann eine Titrationsphase mit dem neuen Opioid zwischengeschaltet werden.
Die Opioidrotation ist als therapeutisches Konzept mittlerweile anerkannt. Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass der Opioidwechsel nur eine Option zur Verbesserung der Effektivität und Verträglichkeit der analgetischen Therapie ist. Der Wechsel des Applikationswegs kann ebenso genutzt werden, um Nebenwirkungen zu reduzieren und die Analgesie zu verbessern. Möglich ist auch die Fortsetzung der Therapie mit intensiver adjuvanter Behandlung der Nebenwirkungen.
Vor allem ist beim Auftreten von Nebenwirkungen stets zu überprüfen, ob diese Symptome nur durch die Steigerung der Opioidmedikation ausgelöst worden sind oder ob eine ursächliche Behandlung möglich ist.
So kann die Senkung eines erhöhten Serumcalciumwertes durch Gabe von Bisphosphonaten Übelkeit und Verwirrtheit reduzieren, ohne dass die Opioiddosis verändert werden muss.

Koanalgetika

Bei bestimmten Indikationen können zusätzlich zu den Analgetika des WHO-Stufenplans andere Medikamente eingesetzt werden. Zu diesen Koanalgetika gehören einige Antidepressiva und Antikonvulsiva sowie Bisphosphonate, Steroide und Muskelrelaxanzien. Antidepressiva aktivieren deszendierende Nervenbahnen, die die Schmerzleitung auf Rückenmarkebene hemmen; Antikonvulsiva stabilisieren die Zellmembranen der Nervenzellen. Beide Medikamentengruppen können deshalb bei Tumorschmerzen mit neuropathischen Komponenten sinnvoll sein. Antidepressiva werden bei brennenden Dauerschmerzen und schmerzhaften Parästhesien bevorzugt, während Antikonvulsiva v. a. bei einschießenden, elektrisierenden Schmerzen eingesetzt werden.
Bisphosphonate hemmen die Aktivität der Osteoklasten. Bei Patienten mit osteolytischen Metastasen wird das Wachstum dieser Metastasen gehemmt und so eine Schmerzreduktion erreicht. Eine direkte analgetische Wirkung der Bisphosphonate wird diskutiert. Es handelt sich dabei jedoch um einen Off-label-Use dieser sehr teuren Medikamente, der überdies mit dem Risiko der aseptischen Knochennekrose im Kieferbereich belastet ist.
Steroide wirken antiphlogistisch. Sie werden als Koanalgetika eingesetzt, wenn ein Zusammenhang der Schmerzsymptomatik mit dem peritumorösen Ödem vermutet wird, z. B. bei Infiltration des Plexus lumbosacralis oder des Plexus brachialis, bei Tumorwachstum im Spinalkanal oder bei Leberkapselspannungsschmerz. Andere Wirkungen der Steroide wie Appetitsteigerung, Gewichtszunahme oder Euphorie werden von den Tumorpatienten oftmals als positiv empfunden.
Muskelrelaxanzien wirken lindernd auf einen gemischten Tumorschmerz mit zusätzlicher muskulärer Verspannungskomponente. Im Vordergrund stehen zentral wirksame Muskelrelaxanzien aus den Gruppen der GABAA- und GABAB-Antagonisten, die allein durch eine relaxierende Wirkung auf den Muskel wirken.

Adjuvanzien

Zur Behandlung von Nebenwirkungen der Schmerzmittel und von Begleitsymptomen der Therapie ist bei den meisten Patienten der Einsatz von weiteren Medikamenten erforderlich. Eine Obstipationsprophylaxe sollte bei allen Patienten mit Opioiden der WHO-Stufe 3 verordnet werden, da die obstipierende Wirkung der Opioide bei fortgeschrittener Tumorerkrankung durch eine Reihe weiterer Faktoren wie z. B. Exsikkose, Bettlägerigkeit oder andere Medikamente verstärkt werden kann. Allerdings scheint die Häufigkeit der Obstipation bei der transdermalen Anwendung geringer zu sein, sodass bei diesem Applikationsweg eine Anwendung nur bei Bedarf gerechtfertigt scheint.
Zumindest während der Einstellung auf eine Opioidmedikation benötigen viele Patienten Antiemetika. Die emetogene Wirkung der Opioide wird über Dopaminrezeptoren vermittelt, sodass der antiemetische Einsatz von Neuroleptika sinnvoll ist, die an diesen Rezeptoren ansetzen.

Invasive Verfahren

Spinale Applikation

Bei Ausschöpfung aller Mittel der WHO-Empfehlungen bleibt nur eine kleine Gruppe von Patienten übrig, bei denen eine ausreichende Schmerzlinderung nicht erreicht werden kann. Für diese Patienten muss die Indikation für invasive Maßnahmen überprüft werden. Mit den zunehmenden Möglichkeiten der systemischen Schmerztherapie ist der Anteil invasiver Therapiemaßnahmen in den letzten Jahren jedoch deutlich rückläufig. Rückenmarknahe Schmerztherapie oder neurolytische Nervenblockaden sind auch in spezialisierten Einrichtungen bei weniger als 5 % der Patienten erforderlich.
Durch die spinale Applikation werden die Opioide in die Nähe der Rezeptoren im Rückenmark gebracht. Dies kann über die epidurale oder die intrathekale Applikation erfolgen. Bei einer voraussichtlich längeren Therapiedauer kann die intrathekale Applikation gewählt und ein Therapiesystem mit Katheter und Medikamentenpumpe subkutan implantiert und mit dem Spinalkatheter verbunden werden. Die epidurale Applikation ist v. a. als zeitüberbrückende Maßnahme z. B. bis zum Ansprechen einer Strahlentherapie oder bei Patienten mit einer stark begrenzten Lebenserwartung sinnvoll. Die benötigten Infusionsvolumina sind höher als bei der intrathekalen Applikation, sodass implantierte Medikamentenpumpen nicht eingesetzt werden können. Der Epiduralkatheter wird mit einer externen Medikamentenpumpe verbunden. Neben Opioiden können andere analgetisch wirksame Substanzen wie Clonidin oder niedrigdosierte Lokalanästhetika eingesetzt werden.

Neurolyse

Die Zerstörung der schmerzleitenden Nervenstrukturen durch chemische oder thermische Läsionen bietet die Möglichkeit, eine anhaltende Schmerzlinderung durch eine einmalige Maßnahme zu erreichen. Mögliche Indikationen sind
  • viszerale Oberbauchschmerzen, z. B. bei Pankreaskarzinom, für die Neurolyse des Plexus coeliacus,
  • perianale Schmerzen bei Rektumkarzinom für die intrathekale Neurolyse der Sakralnerven oder
  • Schmerzen im Versorgungsbereich der Interkostalnerven oder anderer peripherer Nerven für die Kryo- oder Thermoläsion.
Allerdings sind nur wenige Patienten nach solchen Eingriffen längerfristig schmerzfrei. Oft wird nur eine Reduktion des Analgetikabedarfs erreicht. Der analgetische Effekt ist mit fortschreitendem Tumorwachstum bei vielen Patienten nach wenigen Tagen oder Wochen bereits verschwunden. Die Komplikationsmöglichkeiten dieser Verfahren sind zum Teil erheblich. So wurden nach der intrathekalen Neurolyse der Sakralnerven irreversible Blasenfunktionsstörungen oder Paresen der Beine beschrieben. Aus diesen Gründen werden neurodestruktive Verfahren nur noch in ausgewählten Fällen durchgeführt.
Auch in spezialisierten neurochirurgischen Zentren werden andere invasive Verfahren wie die Chordotomie, die operative Durchtrennung der Schmerzbahn (Tractus anterolateralis) im zervikalen Rückenmark, bei Tumorschmerzen mittlerweile kaum mehr angewandt.

Therapieplanung

Neben den ausführlich beschriebenen medikamentösen Therapieansätzen mit unterschiedlichen Applikationsmöglichkeiten muss noch einmal betont werden, dass eine ursächliche Therapie immer erwogen und nach Möglichkeit angewendet werden sollte – auch wenn mit einem zeitlich nur begrenzten Erfolg zu rechnen ist. Die meist notwendige Koordination verschiedener Disziplinen und auch Berufsgruppen stellt hierbei eine besondere Herausforderung dar.
Psychologie, Psychosomatik, Physiotherapie, Chirurgie, Strahlentherapie, Onkologie und einige andere Bereiche müssen je nach Patientensituation einbezogen werden, um einen bestmöglichen Therapieerfolg erreichen zu können.
Des Weiteren hat die Absprache der geplanten (oft medikamentösen) Schmerztherapie mit dem Patienten und seinen Angehörigen in der Tumorschmerztherapie einen besonders hohen Stellenwert.
Barrieren und Ängste gegenüber Morphin und anderen Schmerzmitteln sind bei Tumorpatienten weit verbreitet und sollten vor Therapiebeginn angesprochen werden.
Nur bei einem Teil der Tumorpatienten kann eine vollständige Schmerzfreiheit erreicht werden. Es ist sinnvoll, mit dem Patienten ein realistisches Therapieziel zu vereinbaren. Dies kann zunächst in der Wiederherstellung der Nachtruhe bestehen oder in einer ausreichenden Schmerzlinderung bei Bettruhe. Unter Umständen hat der Patient schon ein klar definiertes Ziel, z. B. einen bestimmten Urlaubswunsch.
Der Schmerztyp sollte bei der Therapieplanung berücksichtigt werden. Bei Patienten mit Knochenmetastasen und bewegungsabhängigen Schmerzen, aber nur geringen Schmerzen in Ruhe führen z. B. Steigerungen der Opioiddosis u. U. zu einer Zunahme der Nebenwirkungen, in erster Linie der Sedierung, sodass keine Zunahme der Aktivität erreicht wird. Die Kombination eines nichtsteroidalen Antiphlogistikums mit einem Opioid kann bei diesen Patienten deutlich effektiver sein als eine Opioidmonotherapie. Weitere Therapieoptionen sind neben der rückenmarknahen Applikation der Wechsel des Opioids, die Kombination mit einem Amphetaminderivat zur Behandlung der opioidinduzierten Sedierung oder der Einsatz von Koanalgetika (Abb. 4).

Dokumentation

Die Schmerzdiagnose des Patienten und die durchgeführte Therapie müssen dokumentiert werden. Für Tumorpatienten sind kurze Instrumente wie die deutsche Version des Brief Pain Inventory sinnvoll, mit denen die Schmerzintensität und die schmerzbedingte Beeinträchtigung erfasst werden können.
Der Erfolg der Schmerztherapie sollte bei den regelmäßigen Kontrollterminen überprüft und dokumentiert werden. Das Fortschreiten einer Tumorerkrankung kann immer wieder zu einer erneuten Zunahme der Schmerzsymptomatik führen, sodass die Schmerztherapie entsprechend angepasst werden muss. Außer den Tumorschmerzen sollten dabei auch andere Symptome erfasst werden, da neben der Schmerztherapie häufig andere belastende Symptome mitbehandelt werden müssen. Eine standardisierte Erfassung durch die Selbsteinschätzung des Patienten bietet das Minimale Dokumentationssystem MIDOS, mit dem Schmerzintensität, Übelkeit, Luftnot, Verstopfung, Müdigkeit, Angst und Schlafstörungen sowie das allgemeine Befinden auf einer kurzen Checkliste dokumentiert werden können (Abb. 5).

Neuropathische Komponente bei Tumorschmerzen

Neuropathische Schmerzen werden von den Patienten in verschiedenen Ausprägungen angegeben. Selten treten sie als alleinige Schmerzart auf, viel häufiger handelt es sich um sogenannte gemischte Schmerzsyndrome, also eine Kombination aus z. B. neuropathischen mit Nozizeptorschmerzen. Infiltration und Kompression von Nervenstrukturen können zum einen zu unangenehmen Brennschmerzen führen, andererseits auch elektrisierende, einschießende Schmerzattacken auslösen. Die schmerzhaften Areale entsprechen oft, aber nicht immer dem Versorgungsbereich der betroffenen Nervenstrukturen.
In der Therapie neuropathischer Schmerzen haben Koanalgetika einen hohen Stellenwert (Abb. 6). Antidepressiva haben sich zur Behandlung der Brennschmerzen bewährt. Die meisten Erfahrungen liegen mit trizyklischen Antidepressiva, v. a. mit Amitriptylin, Doxepin und Clomipramin vor. Die Belastung der Patienten durch Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Obstipation oder Sedierung kann jedoch erheblich sein. Zur analgetischen Wirkung von neueren Substanzen wie den serotoninspezifischen Reuptake-Inhibitoren (SSRI) stehen klinische Studien noch aus. Nach eigenen Erfahrungen und anekdotischen Berichten können aber auch diese Substanzen als Koanalgetika eingesetzt werden und sind dann mit deutlich weniger Nebenwirkungen verbunden.
Grundsätzlich werden Antidepressiva in der Tumorschmerztherapie in einem niedrigen Dosisbereich eingesetzt, der deutlich unter den in der Psychiatrie üblichen Dosierungen bleibt. So wird Amitriptylin in Dosierungen von 10–75 mg pro Tag verabreicht. Eine einschleichende Therapie mit Beginn als „Abendmedikation“ hat sich zur Vermeidung von initialer Müdigkeit bewährt. Die Wirkung der Antidepressiva baut sich langsam innerhalb der ersten 5–7 Behandlungstage auf, vor Ablauf dieser Zeit ist der therapeutische Nutzen nicht sicher abschätzbar, jedoch treten die substanztypischen Nebenwirkungen sofort mit Therapiebeginn auf. Die Antidepressiva eignen sich nur für eine längerfristige Therapie.
In der Behandlung von einschießenden neuropathischen Schmerzen bewähren sich Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Gabapentin oder Pregabalin. Die Dosis der Antikonvulsiva sollte von einer niedrigen Anfangsdosis langsam gesteigert werden, bis die Schmerzreduktion ausreicht oder die Nebenwirkungen nicht mehr toleriert werden. Dabei können Dosierungen von mehr als 2000 mg Gabapentin oder bis zu 600 mg Pregabalin erreicht werden. Spiegelbestimmungen wie in der antiepileptischen Therapie sind nicht sinnvoll und in vielen Laboren nicht möglich.
Auch für neuropathische Schmerzen gilt, dass Koanalgetika allein selten ausreichend sind. Die Wirksamkeit von Opioiden auch bei neuropathischen Tumorschmerzen wird mittlerweile allgemein akzeptiert.
Bei ausbleibendem Effekt der systemischen Therapie ist auch bei neuropathischen Schmerzen ein Wechsel auf die rückenmarknahe Applikation von Opioiden, Lokalanästhetika und anderen Substanzen möglich.

Leitlinien

Internetquellen

Literatur
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