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2021 | Buch

Notfallmedizin

verfasst von: Dr. Thomas Ziegenfuß

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Lehrbuch bietet Ihnen einen vollständigen Überblick über alle prüfungsrelevanten Inhalte der Notfallmedizin. Es leitet Sie leicht verständlich von den Grundlagen bis zur Praxis durch das gesamte Wissen. Profitieren Sie von der langjährigen Erfahrung des Autors, der sorgfältig das Wesentliche für Sie ausgewählt und aufbereitet hat.

Der Inhalt

Diese aktualisierte Neuauflage berücksichtigt die Leitlinien des European Resuscitation Council 2020. Zahlreiche Abbildungen und das bewährte didaktische Konzept ermöglichen ein effizientes Lernen:

Prüfungsteil – Für eine optimale Vorbereitung auf Fallstudien

Cave- und Merksätze – Bringen das Wichtigste auf den Punkt

Praxistipps – Stellen einen anschaulichen Bezug zur Notfallpraxis her

Der Autor

Dr. Thomas Ziegenfuß ist Chefarzt der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin des St. Josef-Krankenhauses in Moers. An der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Universitätskliniken des Saarlandes war er Oberarzt, langjähriger Einsatzleiter für den Notarztdienst und Leitender Notarzt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Basis der Notfallmedizin
Zusammenfassung
Eine notfallmedizinische Behandlung soll bei allen schweren Erkrankungen oder Verletzungen mit Störungen der Vitalfunktionen oder starken Schmerzen so schnell wie möglich nach dem Notfallereignis erfolgen. Die Behandlung kann präklinisch (Rettungsmedizin) oder innerklinisch stattfinden. In Deutschland erfolgt sie präklinisch durch qualifizierte Notärzte und ausgebildetes nichtärztliches Rettungspersonal. Bei Großunfällen ist die Koordination der rettungsdienstlichen Tätigkeit durch einen leitenden Notarzt erforderlich. Für das Gelingen der Rettung ist das rasche und reibungslose Ineinandergreifen aus Meldung, lebensrettenden Sofortmaßnahmen (Erste Hilfe), professionell-rettungsdienstlicher Behandlung und definitiver Versorgung in der Klinik entscheidend (Rettungskette). Grundsätzliches Ziel der notfallmedizinischen Versorgung ist die bestmögliche Stabilisierung des Patienten noch am Notfallort, ohne den Transport in ein geeignetes Krankenhaus (v. a. bei unstillbaren Blutungen) unnötig zu verzögern.
Thomas Ziegenfuß
2. Diagnostik und Überwachung in der Notfallmedizin
Zusammenfassung
Die notfallmedizinische Diagnostik dient dem raschen Erkennen lebensbedrohlicher Situationen. Hierzu kommen neben Anamnese (SAMPLE-Schema) und orientierender klinischer Untersuchung (Inspektion, Palpation, Auskultation und grob-neurologischer Untersuchung) auch apparative Maßnahmen zum Einsatz. Eine noninvasive arterielle Blutdruckmessung gehört zur Basisdiagnostik in fast allen Notfallsituationen, ebenso wie eine EKG-Ableitung; bei kardialen Notfällen soll darüber hinaus auch bereits präklinisch ein 12-Kanal-EKG angefertigt werden. Die Pulsoximetrie erlaubt die Messung der partiellen arteriellen Sauerstoffsättigung und dient dazu, eine bedrohliche Hypoxie zu erkennen. Die Kapnometrie kann bei beatmeten und reanimierten Patienten Hinweise auf die korrekte Tubuslage, die Ventilation und das Herzzeitvolumen geben. Der präklinische Einsatz von Point-of-Care-Ultraschall (POCUS) kann behebbare Ursachen eines Schocks oder Kreislaufstillstands aufdecken. Besonders bei bewusstlosen oder agitierten Patienten ist zudem eine präklinische Blutzuckermessung indiziert. Die Diagnostik in Notfallsituationen sollte standardisiert nach der ABCDE-Methode erfolgen. Oft ist der Notarzt auch mit der Todesfeststellung konfrontiert, dabei ist insbesondere die Kenntnis der unsicheren (Atemstillstand, Kreislaufstillstand, Herzstillstand, Hautblässe) und sicheren Todeszeichen (Totenflecken, Totenstarre, Leichenfäulnis) unabdingbar.
Thomas Ziegenfuß
3. Grundlegende notfallmedizinische Maßnahmen
Zusammenfassung
Rettungs-, Schienungs- und Lagerungstechniken sind grundlegend für die Tätigkeit als Notarzt oder Rettungsassistent. Die Rettung erfolgt unter Beachtung der Eigensicherung situationsangepasst mit den verfügbaren Hilfsmitteln. Zu den Rettungsmaßnahmen ohne Hilfsmittel gehört der Rautek-Griff. Wichtige Hilfsmittel der Rettung sind Rettungsboa, Schaufeltrage und Spineboard. Eine Schienung ist bei traumatologischen Notfällen erforderlich zur Ruhigstellung einer Extremität (Vakuum- oder Luftkissenschienen), der Halswirbelsäule (HWS-Stütze) oder der gesamten Wirbelsäule (Vakuummatratze oder Spineboard). Lagerungstechniken können die Therapie verschiedener Erkrankungen unterstützen, v. a. der Herzinsuffizienz (Oberkörperhochlagerung) und des Volumenmangels (Kopftieflagerung, Schocklage). Die Seitenlagerung kann zum Offenhalten der Atemwege ohne weitere Hilfsmittel bei Bewusstlosigkeit beitragen.
Thomas Ziegenfuß
4. Atemwegssicherung, Intubation und Beatmung
Zusammenfassung
Atemwegsmanagement und Beatmung gehören zu den wichtigsten notfallmedizinischen Maßnahmen und sind elementare Bestandteile der kardiopulmonalen Reanimation. Atemwegsmanagement beinhaltet das Freimachen und Freihalten der Atemwege, ggf. mit der Möglichkeit zur Beatmung. Das Freimachen kann ohne Hilfsmittel durch digitales Ausräumen des Mundes erfolgen, erfolgt im professionellen Rettungsdienst aber meist mit Hilfsmitteln wie Absaugpumpe oder Magill-Zange. In Erstickungssituationen aufgrund tiefer in die Atemwege eingedrungener Fremdkörper sind Schläge auf den Rücken, in schweren Fällen auch Thorax- oder Oberbauchkompressionen (Heimlich-Manöver) erforderlich. Das Freihalten erfolgt am sichersten durch die endotracheale Intubation. Alternativen zum Endotrachealtubus (ETT) mit geringerem Schutz vor Aspiration und Dislokation sind die sog. supraglottischen Atemwege (SGA) Larynxtubus und Larynxmaske. Einfachere Mittel wie oro- oder nasopharyngeale Tuben können ebenfalls ausreichend sein. Auch ohne Hilfsmittel lassen sich die Atemwege meist durch Seitenlagerung, Reklination des Kopfes und Anheben des Unterkiefers oder den sog. Esmarch-Handgriff offen und frei halten. Ist ein Atemwegsmanagement mit den bisher beschrieben Methoden nicht möglich, muss rechtzeitig der Entschluss zur Koniotomie gefasst werden. Beatmet wird entweder über eine Beatmungsmaske, einen ETT oder einen SGA. Die Beatmung kann mit einem manuellen Beatmungsbeutel oder einem transportablen Beatmungsgerät erfolgen, in den meisten Notfallsituationen vorzugsweise mit erhöhter FiO2 (0,5–1,0). Hauptziele der Beatmung sind das Sicherstellen einer ausreichenden arteriellen Sauerstoffkonzentration (Oxygenierung) und einer ausreichenden Abatmung von Kohlendioxid (Ventilation) zur Vermeidung von Hypoxie, Hyperkapnie und respiratorischer Azidose.
Thomas Ziegenfuß
5. Venöser Zugang
Zusammenfassung
Die Schaffung eines Zugangs zum Gefäßsystem ist eine Standardmaßnahme bei jedem vitalbedrohlichen Notfall. Der Zugang dient der Medikamentenapplikation und Infusionstherapie. Ganz überwiegend wird ein periphervenöser Zugang mit einer Venenverweilkanüle angelegt. Wenn keine periphere Vene punktiert werden kann, wird im Notfall die Anlage eines intraossären Zugangs empfohlen. In Ausnahmefällen kann ein zentralvenöser Zugang erwogen werden, wenn der Notarzt in der Punktion zentraler Venen geübt ist.
Thomas Ziegenfuß
6. Notfallmedikamente und Infusionslösungen
Zusammenfassung
Infusions- und medikamentöse Therapie stellen einen wesentlichen Teil der präklinischen Behandlung des Notfallpatienten dar. Wichtigste Indikation der Infusionstherapie ist ein Volumenmangelzustand (Volumenersatztherapie). Hier sind v. a. kristalloide Vollelektrolytlösungen (NaCl 0,9 %, Ringer-Lösung) indiziert. Die meisten und wichtigsten Notfallmedikamente entstammen den Bereichen Sympathomimetika, Sympatholytika und Vasodilatanzien sowie Analgetika, Sedativa und Narkotika. Das präklinisch bedeutsamste Sympathomimetikum ist Adrenalin. Die wichtigsten vasodilatorisch wirkenden Pharmaka sind Nitroglycerin und Urapidil. Gängige Analgetika umfassen das fiebersenkende Paracetamol, das schwach wirksame Opioid Tramadol, das stark wirksame Opioid Morphin (oder Piritramid) sowie Ketamin. Das meistverwendete Sedativum ist Midazolam. Die präklinische Narkose – möglichst immer als Intubationsnarkose – kann mit einem Injektionshypnotikum (Thiopental, Propofol, Etomidate, Ketamin) eingeleitet und einem Opioid (z. B. Fentanyl) oder Ketamin plus Midazolam oder Propofol aufrechterhalten werden.
Thomas Ziegenfuß
7. Kardiopulmonale Reanimation (CPR)
Zusammenfassung
Hauptziel der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) ist die rasche Wiederherstellung eines ausreichenden Kreislaufs unter Vermeidung irreversibler zerebraler Schäden. Die grundsätzlichen Maßnahmen lassen sich nach dem erweiterten ABC-Schema merken: Atemwege freimachen, Beatmung (B), Compression des Thorax (TK), Drugs (Medikamente), EKG-Diagnose, Fibrillationsbehandlung (Defibrillation). Einige Maßnahmen können von jedermann durchgeführt werden, sog. Basismaßnahmen (BLS), andere nur durch den professionellen Rettungsdienst, sog. erweiterte Maßnahmen (ALS). Die wichtigsten Basismaßnahmen sind effektive und möglichst wenig unterbrochene TK (100–120/min, TK/B 30:2) und die Anwendung eines automatischen Defibrillators (AED); dazu kommen Freimachen und Freihalten der Atemwege durch Überstrecken des Kopfes plus Hochziehen des Kinns und die Mund-zu-Mund-Beatmung. Die wichtigsten erweiterten Maßnahmen bestehen – neben guten TK wie bei BLS – in einer effektiveren Atemwegssicherung (Intubation oder Tubusalternativen), Beatmung mit erhöhter Sauerstoffkonzentration, der Gabe vasokonstringierender (Adrenalin) und antiarrhythmischer (Amiodaron) Medikamente und – wenn noch nicht durch AED geschehen – der schnellstmöglichen Defibrillation bei Kammerflimmern oder pulsloser Kammertachykardie (VF/pVT). Unter besonderen Umständen kann die CPR mit mechanischen Reanimationsgeräten wie AutoPulse oder extrakorporalen Reanimationssystemen (eCPR) fortgeführt werden. Parallel zur CPR müssen die Ursachen des Kreislaufstillstands gesucht und therapiert werden. Im Erwachsenenalter dominieren primär kardiozirkulatorische Probleme als Ursache des Kreislaufstillstands, insbesondere VF/pVT im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms, während im Kindesalter Ersticken und andere Atmungsprobleme mit sekundärem, hypoxischem Kreislaufstillstand vorherrschen. Daher ist im Kindesalter auch die Beatmung bereits zu Beginn der CPR wichtiger als im Erwachsenenalter. Nach der Reanimation muss eine aktive Temperaturkontrolle erfolgen, eine therapeutische Hypothermie kann die zerebrale Erholung fördern.
Thomas Ziegenfuß
8. Störungen der Vitalfunktionen
Zusammenfassung
Störungen der Atmung können mit unzureichender Ventilation (CO2-Abgabe) oder Oxygenierung (O2-Aufnahme) einhergehen. Ventilationsstörungen führen ohne zusätzliche Sauerstoffgabe zu einer hyperkapnischen Hypoxie mit respiratorischer Azidose (Beispiel: dekompensierte COPD). Primäre Oxygenierungsstörungen bewirken dagegen zunächst eine hypokapnische Hypoxie (Beispiel: akutes Lungenversagen, ARDS). Die Therapie besteht grundsätzlich in der Gabe von Sauerstoff und, wenn erforderlich, der respiratorischen Unterstützung durch künstliche Beatmung. Bei obstruktiven Ventilationsstörungen (Asthma, COPD) ist zusätzlich eine bronchodilatorische (β2-Mimetika) und ggf. antientzündliche (Kortikosteroide) Therapie indiziert. Störungen des Herz-Kreislauf-Systems beinhalten neben Schock und Herzrhythmusstörungen v. a. das akute Herzversagen (mit oder ohne Lungenödem) und die hypertensive Krise. Die präklinische Therapie des akuten Herzversagens muss abhängig vom Blutdruck erfolgen und beinhaltet meist eine Kreislaufstabilisierung mit Katecholaminen; bei begleitendem Lungenödem sind bei ausreichendem Blutdruck Nitrate und Diuretika indiziert. Bei der hypertensiven Krise muss eine vorsichtige Blutdrucksenkung erfolgen (z. B. mit Urapidil), um Komplikationen wie Hirnblutung und Schlaganfall zu vermeiden. Präklinisch relevante Bewusstseinsstörungen umfassen v. a. das Koma und den akuten Erregungszustand. Kann ein Koma nicht sofort behoben werden, müssen eine ausreichende Ventilation und Oxygenierung durch Atemwegssicherung und Beatmung aufrechterhalten werden. Bei akutem Erregungszustand ist meist eine pharmakologische Sedierung/antipsychotische Therapie mit Neuroleptika und Benzodiazepinen indiziert.
Thomas Ziegenfuß
9. Schock und Schockformen
Zusammenfassung
Unter Schock versteht man ein akutes Kreislaufversagen mit unzureichender Sauerstoffversorgung der Organe. Es gibt kardiogene, obstruktive, hypovolämische und distributive Schockformen, zu den letzteren gehören der septische, anaphylaktische und neurogene Schock. Die symptomatische Therapie besteht bei den meisten Schockformen im Volumenersatz, kombiniert mit Katecholaminen. Der kardiogene Schock ist eine schwere Verlaufsform des akuten Herzversagens. Häufigste Ursachen sind Myokardinfarkt und dekompensierte chronische Herzinsuffizienz. Symptomatisch sind Katecholamine zur Blutdruck- und Perfusionssteigerung indiziert, bei Myokardinfarkt muss schnellstmöglich eine Rekanalisationstherapie erfolgen. Bei den obstruktiven Schockformen Lungenembolie, Herzbeuteltamponade und Spannungspneumothorax lässt sich mit symptomatischer Therapie alleine meist keine Stabilisierung herstellen, sie bedürfen einer schnellen kausalen Therapie: Thrombolyse, Perikardentlastung, Pleuradrainage. Beim hypovolämischen Schock durch Blutung, Ileus oder Verbrennung liegt der Schwerpunkt der symptomatischen Therapie auf der Zufuhr von Vollelektrolytlösungen. Zu den distributiven Schockformen zählen septischer, anaphylaktischer und neurogener Schock. Hier sind therapeutisch v. a. Volumen und vasopressorische Katecholamine indiziert. Beim septischen Schock muss darüber hinaus so früh wie möglich die Antibiotikatherapie beginnen. Beim anaphylaktischen Schock ist neben Adrenalin und Volumen die Gabe von Antihistaminika und Kortikosteroiden angezeigt.
Thomas Ziegenfuß
10. 10. Herzrhythmusstörungen
Zusammenfassung
Tachykardien werden für akutmedizinische Zwecke zunächst danach eingeteilt, ob der Patient pulslos, instabil oder stabil ist. Bewusstlose Patienten ohne Puls müssen sofort defibrilliert und reanimiert werden. Zeichen für Instabilität sind Schock, Synkope, Myokardischämie und Herzversagen. Tachykarde Patienten mit diesen Symptomen sollen zügig elektrisch kardiovertiert und ggf. zusätzlich mit Amiodaron behandelt werden. Bei stabilen Patienten ist für die weitere Therapie zwischen Tachykardien mit schmalem und breitem QRS-Komplex zu unterscheiden, und bei jeder Gruppe wiederum zwischen regelmäßigen und unregelmäßigen Formen. Tachykardien mit schmalem Kammerkomplex sind supraventrikulären Ursprungs; die wichtigsten regelmäßigen Formen sind die paroxysmalen AV-Knoten-Reentry-Tachykardien, die wichtigste unregelmäßige Form ist die Tachyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern. Bei regelmäßigen Formen sind zunächst Vagusstimulationsmanöver und Adenosin angezeigt. Ansonsten können supraventrikuläre Tachykardien meist mit β-Blockern, Verapamil oder Digoxin gebremst werden; in schweren Fällen ist Amiodaron indiziert. Tachykardien mit breiten Kammerkomplexen sind meist ventrikulären Ursprungs, aber sie können sich auch als supraventrikuläre Tachykardien mit Schenkelblockierung herausstellen. Im Zweifelsfall werden sie wie ventrikuläre Tachykardien behandelt: mit Amiodaron und/oder Kardioversion. Unregelmäßige ventrikuläre Tachykardien sind meist Torsades de pointes, hier ist Magnesium indiziert. Grundsätzlich gilt: Das heute wichtigste Antiarrhythmikum ist Amiodaron, aber noch effektiver ist bei instabilen Patienten die Elektrokardioversion. Schwere Bradykardien beruhen meist auf einem höhergradigen AV-Block. Therapeutisch werden hauptsächlich Atropin oder Adrenalin, in therapierefraktären Fällen auch eine externe Schrittmacherstimulation eingesetzt.
Thomas Ziegenfuß
11. Spezielle kardiozirkulatorische und respiratorische
Zusammenfassung
Kardiozirkulatorische und respiratorische Notfälle machen den größten Teil aller Notarzteinsätze aus. Besonders häufig ist das akute Koronarsyndrom (ACS). Darunter werden die instabile Angina pectoris und alle Formen des akuten Myokardinfarkts zusammengefasst. Für die weitere Therapie ist die Unterscheidung eines ACS mit und ohne ST-Hebungen entscheidend. Beim ACS mit ST-Hebungen (STEMI) soll schnellstmöglich eine Öffnung des verschlossenen Koronargefäßes mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) erfolgen; wenn nicht zeitnah möglich, mit intravenöser Lysetherapie. Ansonsten besteht die präklinische Therapie des ACS in der Gabe von Nitraten, Opioiden, ASS, Heparin und Sauerstoff (nur bei Hypoxie). Lebensbedrohliche Komplikationen des ACS sind schwere Rhythmusstörungen, akutes Herzversagen, kardiogener Schock und Lungenödem. Die Therapie des Lungenödems besteht in Sauerstoffgabe, ggf. Beatmung mit PEEP, Entlastung des Herzens mit Nitraten und Diuretika sowie der Verbesserung der myokardialen Pumpleistung durch Inotropika wie Dobutamin. Ebenfalls mit einem akuten Thoraxschmerz gehen die Krankheitsbilder Lungenembolie und akutes Aortensyndrom einher. Beide können mit präklinischen Mitteln nicht sicher diagnostiziert, sondern nur anhand der Symptomatik und Anamnese vermutet werden. Lebensbedrohlichen Störungen der Atmung liegen im Bereich der Notfallmedizin oft ein akuter, schwerer Asthmaanfall oder eine dekompensierte COPD zugrunde. In diesem Fall sind neben einer Sauerstoffzufuhr bronchodilatorische Maßnahmen vordringlich, insbesondere die Gabe von β2-Mimetika.
Thomas Ziegenfuß
12. Gastrointestinale und abdominale
Zusammenfassung
Akut lebensbedrohliche gastrointestinale Notfallsituationen ergeben sich in erster Linie aus starken Blutungen aus dem oberen Gastrointestinaltrakt. Blutungsquelle ist meist ein Ulcus duodeni (seltener Ulcus ventriculi) oder eine Ösophagusvarizenblutung. Für die Beeinflussung einer Ulkusblutung gibt es keine etablierten präklinisch einsetzbaren Verfahren. Dagegen kann die Ösophagusvarizenblutung prinzipiell mit mechanischen und pharmakologischen Mitteln behandelt werden. Der Patient muss in jedem Fall unter Volumensubstitution zügig in ein Krankenhaus mit endoskopischer und chirurgischer Interventionsmöglichkeit gebracht werden. Ein akutes Abdomen kann eine Reihe heterogener Ursachen haben, die diagnostisch meist erst in der Klinik abgeklärt werden müssen. Die entscheidende Aufgabe des Notarztes ist die Stabilisierung des Kreislaufs in Verbindung mit adäquater Schmerzlinderung.
Thomas Ziegenfuß
13. Notfälle durch Störungen des inneren Milieus
Zusammenfassung
Die notfallmedizinisch wichtigsten endokrinen Störungen betreffen die Blutzuckerregulation. Der hypoglykämische Notfall bei Diabetikern ist häufig und muss bei allen Störungen des Bewusstseins differenzialdiagnostisch erwogen und mit Glukoseinfusion oder Glukagon therapiert werden. Hyperglykämische Notfälle können zum ketoazidotischen oder hyperosmolaren Koma führen. Im Vordergrund der präklinischen Therapie steht in jedem Fall eine ausreichende Volumentherapie. Hyperthyreote oder hypothyreote Notfälle, eine Addison-Krise bei Nebenniereninsuffizienz oder eine hypertensive Krise beim Phäochromozytom sind notfallmedizinisch sehr selten. Azidosen und Alkalosen können nur in Kenntnis der Blutgasanalyse und des Säure-Basen-Status sicher diagnostiziert und rational therapiert werden. Eine Differenzierung dieser Störungen in respiratorische und metabolische Azidosen bzw. Alkalosen kann durch Beurteilung folgender 3 Parameter vorgenommen werden: pH, BE und paCO2. Entscheidend bei allen Störungen des Säure-Basen-Haushalts ist die Therapie der Grunderkrankung. Die Therapie einer metabolischen Azidose mit Natriumbikarbonat ist in vielen Fällen umstritten und präklinisch nicht obligat. Die wichtigsten lebensbedrohlichen Elektrolytstörungen betreffen den Kalium- und Natriumhaushalt. Hypokaliämien disponieren zu schweren tachykarden Herzrhythmusstörungen und müssen in Kenntnis der Kaliumkonzentration durch Kaliumsubstitution therapiert werden. Eine schwere Hyperkaliämie ist die am häufigsten mit einem Kreislaufstillstand assoziierte Elektrolytstörung und initial mit Kalzium, β2-Mimetika und Glukose-Insulin-Infusionen zu behandeln. Störungen des Natriumhaushalts sind eng mit Störungen des Wasserhaushalts verknüpft, die je nach Krankheitsbild eine Volumen- und Elektrolytsubstitution (Dehydratation) oder eine Diuretika- bzw. Nierenersatztherapie (bei Hyperhydratation) erforderlich machen.
Thomas Ziegenfuß
14. Zerebrale
Zusammenfassung
Neurologische Notfälle sind im Notarztdienst häufig. Die präklinische Therapie beschränkt sich in der Regel auf Vitalfunktionssicherung und Krampfunterdrückung. Bei einem Schlaganfall ist v. a. auf eine ausreichende zerebrale Perfusion (systolischer Blutdruck >140 und <220 mmHg) zu achten, eine gute Oxygenierung sicherzustellen und eine Hypoventilation zu vermeiden. Wichtig ist ein rascher Transport in die Klinik, da beim akuten ischämischen Insult nach Ausschluss einer Blutung (durch CCT oder NMR) eine Thrombolysetherapie oder eine neuroradiologische Thrombektomie erfolgen kann. Bei Verdacht auf eine Subarachnoidalblutung soll wegen der hohen Nachblutungsgefahr eine Hypertension vermieden werden. Krampfanfälle (v. a. der Grand mal) lassen sich präklinisch in den meisten Fällen mit Benzodiazepinen effektiv therapieren. Bei Meningitis ist die sofortige Antibiotikatherapie lebensrettend.
Thomas Ziegenfuß
15. Notfälle im Kindesalter
Zusammenfassung
Die Therapie pädiatrischer Notfälle muss die altersspezifischen Besonderheiten der Kinder berücksichtigen. Die meisten Notarzteinsätze betreffen – abgesehen von den häufigen Unfällen im Klein- und Schulkindesalter – respiratorische Notfälle. Mit Erstickungssymptomatik können das Krupp-Syndrom, die Epiglottitis und die Fremdkörperaspiration einhergehen. Das Krupp-Syndrom ist häufig, aber selten wirklich lebensbedrohlich. Zugrunde liegt meist eine Viruserkrankung, die Therapie ist symptomatisch, abschwellend. Demgegenüber ist die bakteriell bedingte, akute Epiglottitis immer lebensbedrohlich und kann eine künstliche Beatmung erfordern. Aspiration von Fremdkörpern ist eine weitere häufige Ursache für kindliche Atemnot, ggf. muss eine präklinische Therapie durch Expulsionsversuche mittels Rückenschlägen und Thoraxkompressionen gemacht werden. Dem plötzlichen Kindstod (SIDS) liegt vermutlich eine zentrale Atemregulationsstörung zugrunde, deren Ursache nicht bekannt ist; betroffen sind fast ausschließlich Kinder im ersten Lebensjahr.
Thomas Ziegenfuß
16. Notfälle in Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt
Zusammenfassung
Wichtig ist bei jedem Notfall in der Spätschwangerschaft die richtige Lagerung der Patientin zur Vermeidung einer aortokavalen Kompression. Die häufigste notfallmedizinische Erkrankung der Spätschwangerschaft ist die Präeklampsie mit ihren Varianten Eklampsie (mit zerebralen Krampfanfällen) und HELLP-Syndrom (mit Leberfunktionsstörungen und Thrombopenie und evtl. klinisch dem Bild eines akuten Abdomens). Dabei kann sich auch eine hypertensive Krise entwickeln, die mit Antihypertensiva wie Nifedipin oder Urapidil behandelt werden sollte. Krampfanfälle werden am besten mit Magnesium therapiert. Bei der Reanimation schwangerer Patientinnen jenseits der 20. SSW muss auf die Besonderheiten der Spätschwangerschaft Rücksicht genommen, der Uterus zur Seite gehalten und frühzeitig an die Möglichkeit eines Notkaiserschnitts gedacht werden. Wenn unter der Geburt bereits die Austreibungsphase erreicht ist, muss die Entwicklung des Kindes in der Regel präklinisch erfolgen, ansonsten kann – ggf. unter tokolytischer Therapie mit β2-Mimetika – noch der Transport ins Krankenhaus erfolgen. Entscheidend für die Erstversorgung des Neugeborenen ist immer die Vermeidung eines Wärmeverlustes. Darüber hinaus ist bei unkomplizierter Geburt und einem sofort schreienden und lebensfrischen Neugeborenen keine weitere Therapie erforderlich. Bei stärkeren Adaptationsstörungen, d. h. insuffizienter Atmung, Bradykardie <100/min und schlaffem Tonus, sind folgende Maßnahmen indiziert: Freisaugen der Atemwege, Maskenbeatmung (zunächst mit Raumluft) und bei Herzfrequenz <60/min auch Herzmassage. Das wichtigste Notfallmedikament im Rahmen der Neugeborenenreanimation ist Adrenalin.
Thomas Ziegenfuß
17. Spezielle Notfälle und Blutungen
Zusammenfassung
Ophthalmologische Notfälle: Ein Glaukomanfall wird zunächst mit Acetolamid und topischen Parasympathomimetika behandelt. Bei Verletzungen der Augen sollen präklinisch keine Manipulationen erfolgen, Verätzungen sollen dagegen großzügig mit Wasser gespült werden. HNO-Notfälle: Nasenbluten kann in schweren Fällen zum hämorrhagischen Schock führen. Wenn die Kompression der Nasenflügel zur Blutstillung nicht ausreicht, muss eine Bellocq-Tamponade (zur Not mit einem zweckentfremdeten Blasenkatheter) vorgenommen werden. Gynäkologische Notfälle: Die präklinische Therapie gynäkologischer Notfälle gleicht im Wesentlichen dem Vorgehen bei anderen Blutungen und Schmerzzuständen oder beim akuten Abdomen: Vitalfunktionssicherung, Infusionstherapie, Analgesie. Urologische Notfälle: Diese sind selten akut lebensbedrohlich; die Schmerztherapie steht präklinisch im Vordergrund.
Thomas Ziegenfuß
18. Traumatologische
Zusammenfassung
Lebensbedrohliche Verletzungen entstehen hierzulande meist durch stumpfe Traumen. Perforierende Verletzungen (Schusswaffen, Messer) sind erheblich seltener. Therapeutisch ist präklinisch stets für eine ausreichende Analgesie durch Opioide oder Ketamin zu sorgen. Bei schweren Verletzungen, insbesondere bei Polytrauma, kann eine Notfallnarkose erforderlich sein. Die Volumenersatztherapie muss situationsabhängig vorgenommen werden: Einerseits kann sie dazu dienen, normale Kreislaufverhältnisse wieder herzustellen und die Gewebeoxygenierung zu verbessern, andererseits kann sie bei fortbestehender Blutung (besonders bei penetrierenden Thorax- oder Bauchverletzungen) das Ausbluten fördern. Extremitätenfrakturen sollen möglichst achsengerecht ruhiggestellt werden. Beim Schädel-Hirn-Trauma ist auf einen ausreichend hohen Blutdruck und die Vermeidung von Hypoxie und Hypoventilation zu achten. Stets muss an eine Verletzung der Halswirbelsäule gedacht und im Verdachtsfall eine HWS-Stütze angelegt werden. Ein Thoraxtrauma erfordert oft das bereits präklinische Einlegen einer Thoraxdrainage zur Entlastung eines Spannungspneumothorax. Bei Reanimation eines Patienten mit traumatischem Kreislaufstillstand hat die Blutstillung oberste Priorität, außerdem soll frühestmöglich eine notfallsonografische Diagnostik durchgeführt, im Zweifel eine beidseitige Thoraxdrainierung vorgenommen und eine Herzbeuteltamponade drainiert oder durch Reanimationsthorakotomie entlastet werden. Wichtig ist bei allen schweren Traumen der zügige Transport in die Klinik, wo nach bildgebender Diagnostik oft eine rasche operative Versorgung erfolgen muss.
Thomas Ziegenfuß
19. Spezielle Unfälle und Verletzungen
Zusammenfassung
Verbrennung: Jede Verbrennung hat lokale Gewebezerstörungen und systemische Auswirkungen zur Folge, die bis zum Multiorganversagen führen können (Verbrennungskrankheit). Begleitend können ein Rauchgasinhalationstrauma und eine Kohlenmonoxidintoxikation vorliegen, die Intubation und Beatmung erforderlich machen. Ansonsten besteht die präklinische Therapie in Analgesie, Infusionstherapie mit Vollelektrolytlösungen und dem sterilen Abdecken der Verbrennungswunden. Hitzschlag: Eine globale Hitzeeinwirkung bei unzureichender Wärmeabgabe kann in schweren Fällen zum lebensbedrohlichen Hitzschlag führen. Sofortige Kühlung verbunden mit Infusion von Vollelektrolytlösungen sind die präklinischen Therapiemaßnahmen. Unterkühlungen führen je nach Ausmaß zu kardiozirkulatorischen, zerebralen und metabolischen Störungen. Beim Eintreten eines Kreislaufstillstandes soll die Reanimation wegen der protektiven Wirkung der Hypothermie länger als sonst üblich fortgesetzt werden. Ertrinken: Die Unterscheidung zwischen Süß- und Salzwasserertrinken ist therapeutisch bedeutungslos. Bei der Reanimation von Ertrinkungsopfern soll initial mit Sauerstoff beatmet werden, gefolgt von einer Standard-CPR. Taucherkrankungen: Die Dekompressionskrankheit (DCI) wird abhängig von ihrem Entstehungsmechanismus in Dekompressionskrankheit (DCS) durch Inertgasblasenbildung im Gewebe und arterielle Gasembolie (AGE) eingeteilt. Sauerstoffzufuhr und Organisation des Transports in die nächste einsatzbereite Überdruckkammer sind in schweren Fällen entscheidend. Stromunfälle: Sowohl Nieder- als auch Hochspannungsunfälle können tödlich sein. Niederspannungsunfälle können lebensbedrohliche Rhythmusstörungen auslösen, Hochspannungsunfälle schwerste Gewebezerstörungen. Der Blitzschlag ist eine Sonderform der Hochspannungsunfälle. Verätzungen sollen präklinisch ausgiebig gespült werden und erfordern eine adäquate Schmerztherapie.
Thomas Ziegenfuß
20. Toxikologische Notfälle
Zusammenfassung
Besonders häufig sind Überdosierungen von Medikamenten oder Rauschdrogen und Vergiftungen mit Rauch- und Abgasen. Hinweise auf zugrundeliegende Toxine können sich aus der Kenntnis der sog. Toxidrome ergeben. Die präklinischen Therapiemaßnahmen beschränken sich i. d. R. auf die Vitalfunktionssicherung. Bei Vergiftungen mit sehr toxischen Substanzen und einem langen Transportweg in die Klinik kann die Gabe des sog. Universalantidots Aktivkohle erwogen werden. Spezifische Antidote sind präklinisch nur bei wenigen Giften indiziert. Zu diesen zählen Opioide (Antidot: Naloxon), Insektizide vom Typ der Organophosphate (Antidot: Atropin), Methämoglobinbildner (Antidot: Toluidinblau) und Zyanide (Antidote: 4-DMAP und Hydroxocobolamin). Rauch- und Reizgasinhalationen können zum akuten Lungenversagen führen und eine Beatmung erforderlich machen. Pilzvergiftungen bewirken oft gastrointestinale Beschwerden, am gefährlichsten ist die Knollenblätterpilzvergiftung, die zum fulminanten Leber- und Multiorganversagen führen kann.
Thomas Ziegenfuß
21. Klinische Fälle
Zusammenfassung
Die thematischen Schwerpunkte der folgenden Fallbeispiele bilden mehr oder weniger alltägliche oder zumindest typische Notfallsituationen, die sich so oder ähnlich im Umfeld des Autors ereignet haben und deren Management besprochen wird. Es ist nicht beabsichtigt, den Leser durch vieldeutige Informationen auf falsche Fährten zu locken (obwohl dies, wie im wirklichen Leben, vorkommen kann) oder seltene „Orchideenerkrankungen“ vorzustellen, auf die man nur unter Aufbietung eines gehörigen fachspezifischen Detailwissens kommen kann. Vielmehr sollte der „notfallmedizinische Alltag“ exemplarisch (wenngleich natürlich zwangsläufig lückenhaft) abgebildet werden. Die geschilderten notärztlichen Maßnahmen sind dabei nicht unbedingt die einzig möglichen; oft ist auch ein anderes und vielleicht sogar besseres Notfallmanagement denkbar.
Thomas Ziegenfuß
Backmatter
Metadaten
Titel
Notfallmedizin
verfasst von
Dr. Thomas Ziegenfuß
Copyright-Jahr
2021
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-63568-1
Print ISBN
978-3-662-63567-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-63568-1