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Hereditäre Immundefekte

Verfasst von: Stephan Schreml und Mark Berneburg
Der Terminus primäre Immundefekte (PIDs) umfasst hereditäre Störungen der Immunantwort, die sich durch eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit auszeichnen. Dies kann sich an wiederholt rückfälligen und persistierenden Krankheitsverläufen, aber auch in opportunistischen Infektionen zeigen. Diese Erkrankungen sind für den Dermatologen wichtig, da etwa die Hälfte der Patienten Hautveränderungen zeigt. Von diesen PIDs müssen sekundäre Immundefizienzen (SIDs) abgegrenzt werden (zum Beispiel HIV, medikamentöse Immunsuppression, Enteropathien mit starkem Proteinverlust, Mangelernährung). Unter den PIDs ist die Common Variable Immunodeficiency (CVID) am häufigsten. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die zahlreichen PIDs und deren assoziierte Hautveränderungen. Insbesondere die beigefügte Tabelle soll dem Leser erlauben, anhand von Hautsymptomen und dem Verdacht auf eine der zahlreichen PIDs die entsprechende, meist genetische, Diagnostik einzuleiten. Weiterhin wird kurz auf die hereditären autoinflammatorischen Syndrome und die bei diesen auftretenden Hautveränderungen eingegangen.

Einführung

Klassifikation
Der Terminus primäre Immundefekte (PIDs) umfasst hereditäre Störungen der Immunantwort, die sich durch eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit auszeichnen. Dies kann sich an wiederholt rückfälligen und persistierenden Krankheitsverläufen, aber auch in opportunistische Infektionen zeigen. Diese Erkrankungen sind für den Dermatologen wichtig, da etwa die Hälfte der Patienten Hautveränderungen zeigt. Von diesen PIDs müssen sekundäre Immundefizienzen (SIDs) abgegrenzt werden (zum Beispiel HIV, medikamentöse Immunsuppression, Enteropathien mit starkem Proteinverlust, Mangelernährung). Unter den PIDs ist die Common Variable Immunodeficiency (CVID) am häufigsten.
Die International Union of Immunological Societies (IUIS) klassifiziert PIDs phänotypisch in:
  • I: Kombinierte Immundefizienzen (zelluläre und humorale Immunität)
  • II: Kombinierte Immundefizienzen mit assoziierten oder syndromalen Merkmalen
  • III: Vorwiegende Antikörperdefekte
  • IV: Erkrankungen mit Immundysregulation
  • V: Kongenitale Phagozytendefekte
  • VI: Defekte der angeborenen Immunität
  • VIII: Komplement-Defekte
  • IX: Phänokopien von PIDs
Beispiele für primäre Immundefekt-Syndrome mit typischen Hauterscheinungen sind das Chédiak-Higashi-Syndrom (Kap. Störungen der Melaninpigmentierung) und die Ataxia teleangiectatica (Kap. Genodermatosen). Sekundäre Immundefizienzen im Zusammenhang mit der HIV-Infektion werden an anderer Stelle besprochen (Kap. HIV/AIDS).
Epidemiologie
In Europa liegt die Prävalenz aller über 300 PIDs zusammen bei etwa 4:100.000. Es gibt aufgrund des X-chromosomal-rezessiven Erbgangs bei den häufigsten Syndromen ein Überwiegen des männlichen Geschlechts. Eine frühe Diagnose ist wichtig für die genetische Beratung der Familien und vor allem für die rasche Einleitung lebensrettender Therapien, wie Antikörpersubstitution, allogene Stammzell-/Knochenmarktransplantation oder Gentherapie.
Klinik
Etwa die Hälfte der Patienten mit PIDs zeigt im Verlauf Hautveränderungen. Ein Hinweis für eine pathologische Anfälligkeit gegenüber Infektionen ist bei Erwachsenen gegeben, wenn innerhalb eines Jahres mehr als drei behandlungsbedürftige (einschließlich Antibiose) Krankheiten von jeweils mehr als 4 Wochen Dauer vorliegen. PIDs können sich auch an einer Dysregulation des Immunsystems zeigen, wobei das Akronym GARFIELD die entsprechenden Symptome enthält:
  • Granulome
  • Autoimmunerkrankung
  • Rekurrente Fieberepisoden und chronische Inflammation
  • Ungewöhnliche Ekzeme
  • Lymphoproliferative Erkrankungen
  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Allergische oder atopische Hauterscheinungen sind ungewöhnlich häufig und schwer ausgeprägt bei Patienten mit PIDs. Weitere Hinweise für eine PID können sein:
Für den Dermatologen oder auch für Mediziner anderer Fachrichtungen ist es wichtig bei Verdacht auf PID und entsprechenden Hautveränderungen eine erste Einordnung vorzunehmen. Tab. 1 führt kutane Symptome (alphabetisch) und PIDs auf, auf die diese Hautzeichen hinweisen können. Durch Suche nach den kutanen Symptomen und Kombinationen kutaner Symptome kann die Anzahl relevanter PIDs reduziert und eine weitere Diagnostik (Labor, Genetik) gebahnt werden. Für weitere Informationen zu der Vielzahl an PIDs mit kutaner Symptomatik wird aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen auf weiterführende Literatur verwiesen. Im Anschluss an die Tabelle findet sich eine kursorische Darstellung wichtiger PIDs, die mit charakteristischen Hautveränderungen einhergehen. Aus Gründen der Lesbarkeit werden teils die angloamerikanischen Ausdrücke verwendet, wenn diese im Schrifttum verbreiteter sind.
Tab. 1
Hautveränderungen bei hereditären Immundefizienzen
Hautzeichen
Primäre Immundefizienz = PID
Gene
Neutrophilendefekte
LYST
Chronic granulomatous disease = CGD
CYBA/B, NCF1/2/4
Kongenitale/zyklische Neutropenie
ELANE = ELA2, HAX1, G6PC3, VPS45A, JAGN1, GFI1, GSD1b, CTSC, WAS
Leukozyten-Adhäsions-Defizienz = LAD
ITGB2, SLC35C1, FERMT3
Neutrophil-specific granule deficiency
CEBPE, GFI1
Weitere
Autosomal-dominantes Hyper-IgE-Syndrom (HIES) = Hiob/Job’s-Syndrom = AD-HIES
STAT3
Autosomal-rezessives HIES mit DOCK8-Defizienz = AR-HIES
DOCK8
ICF-Syndrom = Immundefizienz, Zentromeren-Instabilität und faziale Anomalien-Syndrom
DNMT38, ZBTB24
IL10-Defekte → perianale Abszesse
IL10, IL10RA/B
Papillon-Levèvre-Syndrom → mit palmoplantaren Hyperkeratosen
Cathepsin C
X-linked Agammaglobulinämie = XLA
BTK
X-linked inhibitor of apoptosis-Defizienz
XIAP
Dermatofibrosarcoma protuberans
SCID aufgrund von Adenosin-Desaminase-Defizienz = ADA-SCID
ADA
Alopezie
Autosomal-dominante ektodermale Dysplasie mit Immunodefizienz
IKBA
Knorpel-Haar-Hypoplasie / RNA component of mitochondrial RNA-processing endoribonuclease deficiency (RMRP-Defizienz)
RMRP
NEMO-Defizienz = X-chromosomale ektodermale Dysplasie mit Immunodefizienz → Haare brüchig oder Atrichose
NEMO
Omenn-Syndrom
RAG1/2
Winged Helix Deficiency = FOXN1-Erkrankung/Nude
FOXN1
X-linked Agammaglobulinämie = XLA
BTK
Ekzeme
Häufig bei
Comel-Netherton-Syndrom
SPINK5
Autosomal-dominantes HIES = Hiob/Job‘s-Syndrom = AD-HIES → Ekzem schon bei Neugeborenen
STAT3
Autosomal-rezessives HIES mit DOCK8-Defizienz = AR-HIES → Ekzem schon bei Neugeborenen selten
DOCK8
WAS
Auch bei:
ATM
Common variable immunodeficiency CVID
CD19, CD81, CR3, ICOS, IL21, LRBA, MS4A1, NFKB2, TNFRSF13B/C
IPEX-Syndrom = Immundysregulation, Polyendokrinopathie, Enteropathie, X-linked-Syndrom
FOXP3
Selektive IgA-Defizienz
IGHA1/2
STAT5b-Defizienz
STAT5B
Erythrodermie
Comel-Netherton-Syndrom → Ichthyosis linearis circumflexa
SPINK5
Omenn-Syndrom → mit Wachstumsretardierung
RAG1/2
Severe combined immunodeficiency = SCID
ADA, CD3delta/epsilon, IL7R, JAK3, PNP, RAG1/2
Granulome
Ataxia teleangiectatica = Louis-Bar-Syndrom
ATM
Chronic granulomatous disease = CGD
CYBA/B, NCF1/2/4
Common variable immunodeficiency = CVID
CD19, CD81, CR3, ICOS, IL21, LRBA, MS4A1, NFKB2, TNFRSF13B/C
Knorpel-Haar-Hypoplasie / RNA component of Mitochondrial RNA-processing endoribonuclease deficiency (RMRP-Defizienz)
RMRP
MHC-Klasse I-Defizienz
TAP1/2, TAPBP
Omenn-Syndrom
RAG1/2
X-linked Agammaglobulinämie = XLA
BTK
Haaranomalien
Chediak-Higashi-Syndrom → silbriges Haar
LYST
Comel-Netherton-Syndrom → Trichorrhexis invaginata = bamboo hair
SPINK5
Hermansky-Pudlak-Syndrom Typ 2 → silbriges Haar
AP3B1
IL-10-Defekte → Follikulitiden
IL10, IL10RA/B
IL17F-Defizienz → Follikultiden
L17F
NEMO-Defizienz = X-chromosomale ektodermale Dysplasie mit Immunodefizienz → Haar brüchig oder Atrichose
NEMO
SCID vom Schimke-Typ → feines Haar
SMARCAL1
Herpes-simplex-Virus-(HSV)-Infektionen
(isoliert, schwer)
Autosomal-rezessive HIES mit DOCK8-Defizienz = AR-HIES
DOCK8
MCM4-Defizienz
MCM4
T-Lymphozyten-Defekte (beispielsweise idiopathische CD4-Lymphopenie, IL2-Mangel, IL2R-Mutationen)
IL2/IL2RG
Ichthyose
Comel-Netherton-Syndrom → Ichthyosis linearis circumflexa
SPINK5
NEMO-Defizienz = X-chromosomale ektodermale Dysplasie mit Immunodefizienz
NEMO
Kombinierte bakterielle, virale und mykotische Infektionen, BCG-Knoten
Severe combined immunodeficiencies = SCID:
Adenosin-Desaminase-Defizienz
ADA
Artemis-Defizienz
DCLRE1C
IL7Ra-Defizienz
IL7RA
JAK3-Defizienz
JAK3
RAG1/2-Defizienz
RAG1/2
Schimke-Syndrom
SMARCAL1
X-chromosomal
L2RG
Molluscum contagiosum (schwer und persistierend)
Autosomal-rezessives HIES mit DOCK8-Defizienz = AR-HIES
DOCK8
CD40-Liganden-(CD154)-Defizienz =
X-chromosomal-rezessives Hyper-IgM-Syndrom = HIGM1
CD40
Wiskott-Aldrich-Syndrom
WAS
Morbilliforme Exantheme
Severe combined immunodeficiency = SCID im Rahmen einer akuten GvHD
ADA, IL2RG, IL7RA, JAK3, DCLRE1C, RAG1/2, SMARCAL1
Schwere T-Lymphozyten-Defekte im Rahmen von Lebendimpfungen (beispielsweise idiopathische CD4-Lymphopenie, IL2-Mangel, IL2R-Mutationen)
IL2/IL2RG
Mukokutane Candida-Infektionen
APECED-Syndrom = Autoimmune Polyendokrinopathie, Candidose, ektodermale Dystrophie-Syndrom (= polyglanduläres Autoimmun- Syndrom Typ 1)
AIRE
Autosomal-dominantes HIES = Hiob/Job’s-Syndrom = AD-HIES
STAT3
Autosomal-rezessive HIES mit DOCK8-Defizienz = AR-HIES
DOCK8
Chronische mukokutane Cadidose = CMC
AIRE, CARD9, CANDN1, CLEC7A, IL17RA, IL17F, STAT1
Dectin-1-Defizienz
Dectin1
TBX1
 
IL12/23-Defizienz
IL12B, IL12RB1
Severe combined Immunodeficiency = SCID
ADA, IL2RG, IL7RA, JAK3, DCLRE1C, RAG1/2, SMARCAL1
T-Lymphozyten-Defekte (beispielsweise idiopathische CD4-Lymphopenie, IL2-Mangel, IL2R-Mutationen)
IL2/IL2RG
TYK2-Defizienz
TYK2
Mykobakteriosen (insbesondere atypische)
GATA2-Defekte
GATA2
IFNgammaR1/2-Defekte
IFNGR1/2
IRF8-Defekte
IRF8
ISG15-Erkrankung
ISG15
Makrophagen-gp91-phox-Defekt
CYBB
MSMD = Mendelian susceptibility to mycobacterial disease
IFNGR1/2, IL12B/RB1
NEMO-Defizienz = X-chromosomale ektodermale Dysplasie mit Immunodefizienz
NEMO
STAT1-Defekte
STAT1
Nagelveränderungen
APECED-Syndrom = Autoimmune Polyendokrinopathie, Candidose, ektodermale Dystrophie-Syndrom → Nageldystrohie/Nagelkandidose
AIRE
Autosomal-dominantes HIES = Hiob/Job´s-Syndrom = AD-HIES → Nagelkandidose
STAT3
Autosomal-rezessive Dyskeratosis congenita → dysplastische Nägel
NOLA2/3
Dectin-1-Defizienz → Nagelkandidose
Dectin1
Dyskeratosis congenita → Nageldystrophie
CTC1, DKC1, NHP2, RTEL1, NOP10, TCAB1, TERC/T, TINF2
Orale Ulzerationen mit schweren kutanen Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa
CD40-Liganden-(CD154)-Defizienz = X-chromosomal-rezessives Hyper-IgM-Syndrom = HIGM1
CD40LG = CD154
CD40-Defizienz = Autosomal-rezessives Hyper-IgM-Syndrom = HIGM3
CD40
Petechien
Typisch bei:
Wiskott-Aldrich-Syndrom
WAS
Auch bei:
C2-Defizienz → Purpura Schoenlein-Henoch-artige Hautveränderungen
C2
C4-Defizienz → Purpura Schoenlein-Henoch-artige Hautveränderungen
C4A/B
Chediak-Higashi-Syndrom
LYST
Common variable immunodeficiency CVID
CD19, CD81, CR3, ICOS, IL21, LRBA, MS4A1, NFKB2, TNFRSF13B/C
Dyskeratosis congenita
CTC1, DKC1, NHP2, RTEL1, NOP10, TCAB1, TERC/T, TINF2
Fanconi-Anämie
BRIP1, ERCC4, FANCA-G, FANCI/L/M, PALB2, RAD51C, SLX4
Hepatische venookklusive Erkrankung mit Immundefizienz = VODI
SP111
Hermansky-Pudlak-Syndrom Typ 2
AP3B1
IKAROS-Defekt
IKZF1
RNASAEH2(A-C)-Defizienz = AGS2-4
RNASEH2A-C
SAMHD1-Defizienz = AGS5
SAMHD1
Schwachman-Bodian-Diamond-Syndrom
SBDS
TREX1-Defizienz = AGS1 = Aicardi-Goutieres-Syndrom 1
TREX1
WIP-Defizienz → WAS-Phänotyp
WIPF1
Photosensitivität
Bloom Syndrom
BLM
Pigmentstörungen (Hypo- und Hyperpigmentierung)
Bloom Syndrom
BLM
CHD7
 
Chediak-Higashi-Syndrom → Albinismus
LYST
Common variable immunodeficiency = CVID
CD19, CD81, CR3, ICOS, IL21, LRBA, MS4A1, NFKB2, TNFRSF13B/C
Di-George-Syndrom
TBX1
Dyskeratosis congenita
CTC1, DKC1, NHP2, RTEL1, NOP10, TCAB1, TERC/T, TINF2
Fanconi-Anämie
FANCA-G, FANCI/L/M, BRIP1, PALB2, RAD51C, SLX4, ERCC4
Griscelli-Syndrom Typ 2
RAB27A
Hermansky-Pudlak-Syndrom Typ 2
AB3B1
LIG4-Syndrom
LIG4
Nijmegen breakage syndrome
NBS1
P14/LAMTOR2-Defizienz → partieller Albinismus
ROBLD3, LAMTOR2
PMS2-Defekt mit Café-au-lait-Flecken
PMS2
X-linked Agammaglobulinämie = XLA
BTK
Psoriasis-artige Hautveränderungen
IL10R-Defekte
IL10RA/B
(ICF)-Syndrom = Immundefizienz, Zentromeren-Instabilität und faziale Anomalien-Syndrom
DNMT38, ZBTB24
LIG4-Syndrom
LIG4
Nijmegen breakage Syndrom
NBS1
SCID mit Mikrozephalie, Wachstumsretardierung und Strahlensensitivität-Syndrom
NHEJ1
Pyoderma gangraenosum (PG) oder PG-artige Hautveränderungen
C7-Defizienz
C7
Neutrophilen Adhäsions-Defekte
ITGB2, SLC35C1, KIND3
Systemischer Lupus erythematodes-(SLE)-artige Hautveränderungen
Komplementerkrankungen:
Typisch bei: C2-Defizienz
C2
Auch bei: C3-, C4-, C1q-, C1r-, C1s-, C5- und C1-Esterase-Inhibitor-Defizienz
C1QA/B/C, C1R, C1S, C3, C4, C5
Auch bei:
IgA-Defizienz
IGAD1
X-linked chronic granulomatous disease = CGD
CYBA/B, NCF1/2/4
Common variable immunodeficiency CVID
CD19, CD81, CR3, ICOS, IL21, LRBA, MS4A1, NFKB2, TNFRSF13B/C
Spondyloenchondro-Dysplasie mit Immundysregulation = SPENCD
ACP5
Ulzerationen (mukokutan)
Typisch bei:
Kongenitale/Zyklische Neutropenie
ELANE = ELA2, HAX1, G6PC3, VPS45A, JAGN1, GFI1, GSD1b, CTSC, WAS
Leukozyten-Adhäsions-Defizienz = LAD
ITGB2, SLC35C1, FERMT3
Auch bei:
Chediak-Higashi-Syndrom
LYST
Chronic granulomatous disease = CGD
CYBA/B, NCF1/2/4
Dyskeratosis congenita
CTC1, DKC1, NHP2, RTEL1, NOP10, TCAB1, TERC/T, TINF2
X-linked Agammaglobulinämie = XLA
BTK
Warzen (ausgedehnte, HPV-induziert)
Autosomal-rezessives HIES mit DOCK8-Defizienz = AR-HIES
DOCK8
 
Epidermodysplasia verrruciformis
EVER1/2
 
ICF-Syndrom = Immundefizienz, Zentromeren-Instabilität und faziale Anomalien-Syndrom
DNMT38, ZBTB24
 
WHIM-Syndrom = Warzen, Hypogammaglobulinämie, Infektionen und Myelokathexis-Syndrom
CXCR4
Labor
Üblich in der Labordiagnostik ist die quantitative Bestimmung der Immunglobulinklassen, der Impftiter und spezifischer Infektionsantikörper sowie der Komplementkomponenten. Des Weiteren ist eine FACS-Analyse der Lymphozytensubpopulation etabliert, auch spezieller Oberflächenrezeptoren. Speziellere Analysen betreffen die Funktion der Neutrophilen und Makrophagen. Die Diagnosesicherung erfolgt dann mittels Gendiagnostik.

T-Zell-Defizienzen

Schwere kombinierte Immundefizienz

Bei der schweren kombinierten Immundefizienz (SCID) handelt es sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine ganze Reihe genetisch unterschiedlicher Krankheiten (Tab. 1). Aufgrund mangelhafter Helfer-T-Lymphozytenfunktion sind außer zellulären Immunreaktionen auch humorale Immunfunktionen gestört. Eine Auswahl wichtiger Krankheiten dieser Gruppe umfasst:
  • X-gekoppeltes SCID (OMIM 300400). Der Defekt befindet sich in der γ-Kette des Interleukin-2-Rezeptors; das Gen auf Xq13. Dies ist mit etwa 50 % der Fälle die häufigste Form.
  • Adenosin-Deaminase-Defizienz (ADA-Defizienz) (OMIM 102700). Diese autosomal-rezessiv vererbte Krankheit stellt weitere 25 % der Fälle. Fehlt die ADA, so ist der Purinzyklus unterbrochen und toxische Stoffe lagern sich vor allem in unreifen Lymphozyten ab.
  • Autosomal-rezessives SCID (OMIM 601457). Defekte in den RAG1- und RAG2-Genen auf 11p13 führen zu dieser Störung. Für die V(D) J-Immunglobulin-Rekombination sind diese Gene unerlässlich. Auch beim Omenn-Syndrom liegt eine Schädigung dieser Gene vor.
Klinik
Schwere Infektionsprobleme treten auf, sobald die mütterlichen Immunglobuline im Säugling wegfallen. Typische Hautbefunde sind schwere chronische Candida-Infektionen und anhaltende Virusinfektionen sowie Pyodermien. Auch gastrointestinale, pulmonale und Ohr-Infektionen sind häufig. Der Einsatz von Lebendimpfstoffen kann fatal sein. Im Normalfall besitzen diese Patienten nur wenig lymphatisches Gewebe. Sie laufen Gefahr, durch diaplazentare Übertragung mütterlichen Bluts oder durch Transfusionen eine akute Graft-versus-Host-Reaktion zu erleiden.
Verlauf
Die Säuglinge sterben häufig innerhalb des ersten Lebensjahres.
Therapie
Patienten müssen in einem keimfreien (gnotobiotischen) Umfeld isoliert werden. Die übliche Therapie ist Knochenmark- oder hämatopoetische Stammzelltransplantation. ADA-Defizienz war die erste Krankheit, die am National Institute of Health (NIH) erfolgreich mit somatischer Gentherapie behandelt werden konnte. Da Patienten mit zellulärer Immundefizienz selten eine Immunabwehr gegen körperfremde Genprodukte entwickeln, sind sie geeignete Kandidaten für diesen Versuch.

Omenn-Syndrom

OMIM 603554
AR
11p13
RAG1, RAG2
Recombination activating genes 1 and 2
 
AR
10p
DCLRE1C
Artemis
Mutationen des RAG1- und RAG2-Gens – wie bei einer der SCID-Formen – sowie Mutationen des ebenfalls für die V(D)J-Rekombination essenziellen Artemis-Gens verursachen das Omenn-Syndrom. Die Patienten leiden an Erythrodermie – ähnlich dem Comel-Netherton-Syndrom – und ausgeprägter Eosinophilie. Es gibt Ähnlichkeiten zur angeborenen Graft-versus-Host-Krankheit. Im späteren Verlauf kommt es zu ausgeprägter Lymphadenopathie und Makrophageninfiltration, der familiären hämophagozytischen Lymphohistozytose (Kap. Mesenchymale und neuronale Tumoren).
Hautbefunde
Alopezie, Erythrodermie, Granulome.

DiGeorge-Syndrom/Chromosom 22q11.2 Deletions-Syndrome]

OMIM 188400
AD
22q11.2
TBX1
T-Box1-Protein
Dieses Syndrom sowie allgemeine Chromosom 22q11.2 Deletions-Syndrome umfassen variable Entwicklungsstörungen, die mit verschiedenen genetischen und chromosomalen Defekten assoziiert sind. In über 85 % der Fälle handelt es sich um eine Deletion der chromosomalen Region 22q11.2. Auch Einzelgenveränderungen im T-Box1-Gen (TBX1) sind als ursächlich bekannt. TBX1 ist ein für die ordnungsgemäße Entwicklung der dritten und vierten Pharyngealtaschen und -bögen unerlässliches Protein. So kommt es zur Hypo- oder zur Aplasie des Thymus und der Nebenschilddrüsen, was zu der charakteristischen Kombination aus Defekten der zellvermittelten Immunität und, vor allem in der Neugeborenenperiode, zu Hypokalzämien bis hin zur Tetanie führen kann. Es ist wichtig zu beachten, dass beide Laborauffälligkeiten nicht obligat sind und das Fehlen eines ausgeprägten Immundefekts oder einer Hypokalzämie die Diagnose nicht ausschließen. Eine kardiale Beteiligung oder charakteristische kraniofaziale Stigmata sowie eine variable sprachbetonte Entwicklungsverzögerung können hier wegweisend sein.
Aufgrund der relativen Häufigkeit der Störung (Inzidenz etwa 1:5000) ist die Indikation zur Chromosomenanalyse inklusive FISH-Diagnostik großzügig zu stellen. Seltenere Phänokopien des DiGeorge-Phänotyps aufgrund anderer chromosomaler Aberrationen (zum Beispiel Monosomie 10p13, 11p13 und 4q21) sind ebenfalls beschrieben und können einschließlich in einer Array-CGH-Analyse umfassend abgeklärt werden.
Hautbefunde
Mukokutane Candida-Infektionen und Pigmentanomalien.

Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS)

OMIM 301000
XLR
Xp11.23-p11.22
WAS
WAS-Protein
Dieses Syndrom betrifft aufgrund der X-chromosomalen Vererbung fast ausschließlich Jungen. Das WAS-Genprodukt stellt die Verbindung vom Aktin-Zytoskelett zu einer Vielzahl von Energiequellen her. Die Patienten zeigen Petechien oder Ekchymosen sowie rezidivierende Infektionen, vor allem mit polysaccharidverkapselten, Gram-positiven Bakterien, Viren und Candida albicans.
Das Hautbild gleicht klinisch dem des atopischen Ekzems, allerdings zu einem früheren Zeitpunkt und wesentlich ausgeprägter.
Bei Jungen mit schwerer atopischer Dermatitis und Petechien wird zwar immer wieder das Wiskott-Aldrich-Syndrom diskutiert, tatsächlich kommt diese Krankheit aber äußerst selten vor (1:1.000.000 bis 1:100.000 Jungen). Wer bis zum Jugend- oder Erwachsenenalter überlebt, hat ein stark erhöhtes Risiko, hämatologische Malignome zu entwickeln. Sowohl die Dermatitis als auch die systemischen Probleme bessern sich nach allogener Knochenmarktransplantation.
Zu beachten ist die Triade: atopische Dermatitis, Thrombozytopenie (Petechien) und primäre Immundefizienz (PID).

Cartilage-hair-Hypoplasie

OMIM 250250
AR
9p21–p12
RMRP
Mitochondriale RNA-verarbeitende Endoribonuklease
Die Cartilage-hair-Hypoplasie (Knorpel-Haar-Hypoplasie) beschränkt sich hauptsächlich auf die Amish-Bevölkerung Pennsylvanias, wo sie von McKusik entdeckt wurde sowie auf die finnische Bevölkerung (Heterozygotenfrequenz 1:76). Das hierbei beteiligte Gen ist von Interesse, weil es den RNA-Anteil einer Endoribonuklease verschlüsselt, der zu den Mitochondrien transportiert wird. Die RNA wird nie zu einem Protein umgewandelt. Der wesentliche Immundefekt besteht aus einer Lymphopenie, die zu eingeschränkter zellulärer und humoraler Immunantwort führt.
Die Patienten sind kleinwüchsig mit kurzen Extremitäten und – vor allem an den Gelenken – überschüssigen Hautfalten, ähnlich dem Bild der Cutis laxa, allerdings ohne Defekt der elastischen Fasern. Die Gelenke können eine Hyperextensibilität aufweisen. Das Haar ist hell, fein und seidig. Das Varizella-Virus wird unzureichend abgewehrt und es kommt oft zu Durchfall und einer Vielzahl von Infektionen. Pyodermie und Dermatitis sind unüblich.
Hautbefunde
Alopezie, Cutis laxa und Granulome.

Krankheiten mit verminderter humoraler Immunität

X-gekoppelte Agammaglobulinämie (XLA)

OMIM 300300
XLR
Xq21.3–q22
BTK
Bruton-Tyrosinkinase
Synonym
Bruton-Syndrom
Der Mangel an zytoplasmatischer Bruton-Tyrosinkinase führt zu blockierter B-Zell-Differenzierung. Es kann zu einem reaktiven, Dermatomyositis-ähnlichen Syndrom kommen. Hauptproblem sind wiederkehrende oder sogar anhaltende Infektionen mit eingekapselten Organismen wie Streptococcus pneumoniae und Hemophilus influenzae. Häufig treten auch Konjunktivitis, Bronchitis, Pneumonie und Otitis auf. Die Behandlung mit Immunglobulin-Substitution und sofortiger Einsatz von Antibiotika haben sich bewährt. Zuvor haben nur wenige Patienten länger als 10 Jahre gelebt.
Hautbefunde
Abszesse, Alopezie, Granulome, Pigmentstörungen und mukokutane Ulzerationen.

Hyper-IgM-Syndrom 1 (HIGM1)

OMIM 308230
XLR
Xq26
CD40L
CD40-Ligand = CD154
Es gibt mehrere Formen dieses Syndroms; die gängigste ist gekennzeichnet durch einen Defekt des CD40-Liganden (= CD154). Diese Form des Hyper-IgM-Syndroms ist X-chromosomal-rezessiv vererbt (HIGM1). Andere Formen mit Defizienzen in CD40 werden autosomal-rezessiv vererbt (HIGM3). Hierbei handelt es sich bei CD40 um ein Oberflächenmolekül auf T-Zellen, das für die Aktivierung von B-Zellen, speziell während des Switches der IgM- auf die IgG und IgA-Produktion, von essenzieller Bedeutung ist. Verbreitet kommt es zu Infektionen des Respirationstrakts. Teils treten Hepatosplenomegalie, Neutropenie und Lymphadenopathie auf.
Hautbefunde
Hartnäckige Warzen, schwere orale Ulzerationen, Infektionen mit Molluscum contagiosum und Pseudomonas aeruginosa.

Autosomal-dominantes Hyper-IgE-Syndrom (AD-HIES)

OMIM 147060
AD
4q21
STAT3
  
Synonyme
Hiob-Syndrom, Job´s-syndrome
Epidemiologie
In den USA wurde die Inzidenz auf 1:500.000 geschätzt.
Ätiopathogenese
Diese Patienten zeigen deutlich erhöhte und oftmals gegen Staphylokokken gerichtete IgE-Spiegel sowie Eosinophilie, erhöhte IgD-Spiegel und Beeinträchtigungen der neutrophilen, chemotaktischen Reaktionen.
Klinik
Die klassische Trias besteht aus Ekzemen, Staphylokokken-Infektionen von Haut und Lunge, in Verbindung mit exzessiv erhöhten IgE-Werten. Oft finden sich auch kalte Abszesse – eitrige Haut- und Lungeninfektionen ohne angemessene entzündliche Reaktion oder Fieber (Abb. 1 und 2). Vor allem die Kopfhaut ist betroffen. Neben Infektionen mit Haemophilus influenzae und Staphylococcus aureus werden oft pulmonale Abszesse mit Aspergillus beschrieben. Zahndurchbruch und Zahnwechsel können verzögert sein. Das hauptsächliche Hautsymptom ist eine schwere chronische Dermatitis der Gelenkbeugen und des Gesichts. Obwohl diese dem atopischen Ekzem gleicht, ist sie meist schon bei Neugeborenen zu finden.
Typisch ist die Trias: Ekzeme, Staphylokokken-Infektionen von Haut und Lunge exzessiv erhöhte IgE-Spiegel.
Differenzialdiagnose
Die wichtigste Differenzialdiagnose ist das klinisch sehr ähnliche autosomal-rezessive DOCK-8-Defizienz-Syndrom (OMIM 611432, AR-HIES), wobei sich dieses durch das viel häufigere Auftreten von kutanen Virusinfekten mit HSV und anderen auszeichnet. Bei AD-HIES treten die Ekzeme bereits bei Neugeborenen auf, wobei dies bei AR-HIES meist erst später zutage tritt.

Phagoyzytendefekte

Chronische Granulomatose

Synonym
Chronic granulomatous disease (CGD)
Ätiopathogenese
Für diese gestörte Phagozytenfunktion zeichnet sich eine große Vielfalt von Genen verantwortlich. Fast alle diese Gene behindern die Funktion des Cytochroms P558, das für die Oxidation während der Phagozytose sorgt. In 90 % der Fälle wird die Mutation auf CYBB des X-Chromosoms verursacht, sodass es sich meist um männliche Patienten handelt. Andere autosomale Gene können dieses System ebenfalls beeinflussen.
Klinik
Meist kommt es zu rezidivierenden Staphylococcus aureus-Pyodermien, die sich als perianale oder axilläre Abszesse präsentieren. Kopfhautabszesse sind ebenfalls häufig. Die typische periorifizielle Dermatitis sollte an die Diagnose denken lassen. Gleichzeitige Stomatitis und Gingivitis zeigen, dass die normale Bakterienflora des Mundes nicht adäquat toleriert wird. Oftmals tritt eine suppurative Lymphadenopathie auf. Die systemischen Befunde sind ausgeprägt und beinhalten Osteomyelitis, pulmonale Abszesse und Granulome und Hepatosplenomegalie. Meist sind Katalase-positive Erreger wie etwa Serratia, Klebsiella und Aspergillus hierfür verantwortlich. Die Mütter, die das verantwortliche Gen tragen, weisen oft ringförmige Erytheme auf, ähnlich dem subakuten kutanen Lupus erythematodes. Weit seltener wurde auch von systemischem Lupus berichtet.
Hautbefunde
Abszesse, Granulome und SLE-artige, mukokutane Ulzerationen.

Leukozytenadhäsionsdefizienz (LAD)

OMIM 116920
AR
21q22.3
ITGB2
CD18 (β-2 Integrinkette)
Patienten fehlt die β-2-Integrinkette CD18, welche sich mit CD11a oder CD11b zu jeweils einem funktionsassoziierten Antigen-1 (LFA-1) oder zu Komplementrezeptor 3 (CR 3) oder Komplementrezeptor 4 (CR4) vereint. Diese Strukturen sind für die Zell-Zell- und die Zell-Matrix-Interaktionen unerlässlich. Es sind Makrophagen, natürliche Killerzellen (NK), Neutrophile und Lymphozyten beteiligt. Somit sind Chemotaxis, Phagozytose und Killerzellenfunktion beeinträchtigt.
Die Patienten zeigen eine exzessive Leukozytose, da ihr Körper eine zunehmende Zahl ineffektiver Zellen produziert. Im Neugeborenenalter kommt es oft zu Nabelinfektionen mit Pseudomonas aeruginosa, die zu schwerer Hautnekrose führen können. Ein verzögerter Nabelabfall mit Ulzeration ist ein Indikator. Ebenso findet sich häufig Periodontitis und verzögerte Wundheilung. Bei CD18-defizienten Mäusen wurden psoriasisartige Läsionen gefunden, diese wurden jedoch an Menschen nicht beobachtet. Einige Patienten therapierte man mit Knochenmarktransplantation.
Hautbefunde
Abszesse, mukokutane Ulzerationen und Wundheilungsstörungen.

Kongenitale Zyklische Neutropenie

OMIM 162800
AR
19p13.3
ELANE = ELA2
Weitere Gene: CTSC, GFI1, G6PC3, GSD1b, HAX1, JAGN1, VPS45A
Die Bezeichnung ist irreführend, denn Betroffene leiden etwa alle 3 Wochen an einem dramatischen Abfall sämtlicher zirkulierender hämatopoetischer Zellen – Neutrophile , Lymphozyten, Monozyten und Thrombozyten. Man weiß nur wenig über den Mechanismus. Neutrophilen-Elastase greift die Außenwand vieler Bakterien an und interagiert auch schützend mit dem HI-Virus.
In den zyklisch auftretenden Phasen der niedrigen Blutwerte leiden die Patienten typischerweise an Fieber, Krankheitsgefühl und schweren oralen Ulzerationen. Sie entwickeln verschiedene bakterielle Infektionen, darunter Pyodermien. Der Gendefekt lässt das Fell von Hunden der Collie-Rasse ergrauen, beim Menschen wurde jedoch kein Bezug zur Melanogenese gefunden.
Hautbefunde
Abszesse und mukokutane Ulzerationen.

Autoinflammatorische Syndrome

Diese Syndrome sind selten, gehen aber alle mit dermatologischen Manifestationen einher. Einige sprechen erstaunlich gut auf neueste biologische Wirkstoffe an, was für das Verständnis des angeborenen Immunsystems bedeutungsvoll ist. Das Erscheinungsbild besteht aus spontanen Fieberattacken mit Akutphase-Reaktionen, anschließender Remission und vollständiger Erholung. Im Zentrum der Pathophysiologie steht das Inflammasom, ein für die angeborene Immunreaktion unentbehrlicher Multiproteinkomplex, der auch für die IL-1β-Sekretion verantwortlich ist.

Familiäres mediterranes Fieber

OMIM 249100
AR
16p13
MEFV
Pyrin
Synonym
Hereditäre Polyserositis
Dies ist das einzige häufig anzutreffende, periodische Fiebersyndrom . Betroffen sind in der Regel Patienten aus dem östlichen Mittelmeer-Raum. Pyrin ist ein Schlüsselbaustein des Inflammasoms. Die entzündlichen Schübe bestehen aus Serositis und erysipelartigen Erythemen, in der Regel an den Beinen. Vielfach leiden die Patienten unter starken abdominellen Beschwerden wegen Peritonitiden. Das schnelle Ansprechen auf Kolchizin ist bemerkenswert. Unbehandelt führt die Erkrankung zur sekundären Ausbildung einer systemischen Amyloidose (AA) (Kap. Amyloidosen und Hyalinosen), verursacht durch Ablagerungen des während der Fieberattacken erhöhten Spiegels des Akutphase-Serumamyloids A (SAA).
Differenzialdiagnosen
Abzugrenzen sind Cryopyrin assoziiertes periodisches Syndrom (CAPS, verursacht durch NLRP3-Mutationen), Blau-Syndrom (NOD2), TRAPS (TNF receptor-associated periodic syndrome; TNFRSF1A), Pyoderma-Acne-Syndrome (PAPA, PASH, PAPASH, PASS), HIDS und ELANE-assoziierte Neutropenie.

TNF-Rezeptor-assoziiertes periodisches Fieber-Syndrom

OMIM 142680
AD
12p13.2
TNFRSF1A
TNF-Rezeptor 1
Synonyme
TRAPS, familiäres Hibernian-Fieber
Das Erscheinungsbild besteht aus Fieber, abdominellem Schmerz, schwerer Myalgie und schmerzhaften erythematösen Plaques. Die Attacken dauern länger als bei anderen periodischen Fieber-Syndromen. Hautläsionen finden sich bei über 80 % der Patienten. Die assoziierte Serositis führt zu erhöhten SAA-Spiegeln und der Gefahr der Amyloidose (Kap. Amyloidosen und Hyalinosen). Normalerweise zirkuliert ein Teil des TNF-Rezeptors und blockiert auf diese Weise regulatorisch zirkulierenden TNF. Die Mutationen interferieren mit dem Rezeptor-shedding.

Cryopyrin-assoziierte periodische Syndrome (CAPS)

Den drei mit Cryopyrin assoziierten, periodischen Syndromen (CAPS, 62.5.3-5) liegt eine Alteration des Inflammasoms zugrunde. Ein wichtiger Teil des Inflammasoms ist Cryopyrin, das mit anderen Komponenten interagiert und so Caspase-1 aktiviert und IL-1 freisetzt. Die gesteigerte Produktion des proinflammatorischern Zytokins IL-1 führt zu chronisch rezidivierenden Fieberschübe, Urtikaria und Arthralgien. Die gezielte therapeutische Blockade von IL-1 (Anakinra, Canakinumab, Gevokizumab, Rilonacept) hat die Prognose dieser Krankheitsbilder deutlich verbessert.

Muckle-Wells-Syndrom

OMIM 191900
AD
Iq44
CIAS1
Cryopyrin (NLRP3)
Die klassische Trias umfasst Urtikaria, Hörminderung und Amyloidose (Kap. Amyloidosen und Hyalinosen), Zu der Urtikaria gehören akute Fieberattacken, abdomineller Schmerz, Myalgie und Arthralgie. Taubheit und Amyloidose sind späte Veränderungen. Etwa 25 % der Patienten entwickeln eine zum Tode führende, renale Amyloidose.

Familiäres autoinflammatorisches Kältesyndrom

OMIM 120100
AD
Iq44
CIAS1
Cryopyrin
Synonym
Familial cold autoinflammatory syndrome (FCAS)
Obwohl die Mutation auf demselben Gen sitzt wie bei Muckle-Wells-Syndrom-Patienten, zeigen hier die Betroffenen eine durch Kälte induzierte Autoinflammation und keine Schwerhörigkeit. Beinahe alle Patienten zeigen zu einem frühen Zeitpunkt ihres Lebens eine Urtikaria und zwar meist nach Kälte-Exposition. Auch Fieber, Arthralgie und Konjunktivitis werde bei beinahe allen Betroffenen beobachtet. Die Attacken dauern weniger als 24 h und wieder ist das Hauptproblem die Amyloidose. Anders als bei der erworbenen Kälte-Urtikaria beginnt die FCAS bereits sehr früh im Leben und bessert sich nicht spontan. Anakinra ist wirksam und kann prophylaktisch vor Kälte-Exposition empfohlen werden.

Chronisches infantiles neurologisches kutanes artikuläres Syndrom

OMIM 607115
AD
Iq44
CIAS1
Cryopyrin
Synonyme
CINCA-Syndrom (chronic infantile neurological, cutaneous, and articular snydrome), NOMID-Syndrom (neonatal-onset multi-system inflammatory disease)
Hierbei handelt es sich um ein weitaus schwereres periodisches Fiebersyndrom, das ebenfalls von Mutationen in Cryopyrin, einem Aktivator des Inflammasoms, verursacht wird. CINCA beginnt schon im Neugeborenenalter mit Fieber, Arthropathie, fazialer Dysmorphie und ZNS-Erkrankungen, inklusive aseptischer Meningitis und geistiger Retardierung. Die Haut zeigt ein persistierendes, aber wanderndes, urtikarielles Exanthem, das bereits bei Geburt bestehen kann. Die Arthropathie zeigt sich in großen Gelenken mit Epiphysenüberwucherung und Deformationen. Später taucht auch eine renale Amyloidose als Komplikation auf.
Literatur
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