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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 11.06.2015

Fibromyalgiesyndrom

Verfasst von: Christoph Baerwald
Das Fibromyalgiesyndrom kann als funktionelles somatisches Syndrom klassifiziert werden. Kernsymptome des Fibromyalgiesyndroms sind neben chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafstörungen bzw. nicht erholsamer Schlaf und Müdigkeit bzw. Erschöpfungsneigung. Die klinische Diagnose beruht auf der Anamnese eines typischen Symptomkomplexes, klinischer Untersuchung und dem Ausschluss körperlicher Erkrankungen. Hinsichtlich der Therapie wird empfohlen, eine Kombination aus nicht pharmakologischen und pharmakologischen Ansätzen zu wählen, wobei in Deutschland kein Medikament zur Behandlung eines Fibromyalgiesyndroms zugelassen ist. Bei der Vielzahl von Therapieoptionen wird auf die S3-Leitlinie verwiesen.

Definition

Das Fibromyalgiesyndrom (FMS) wurde in den ACR-Klassifikationskriterien von 1990 durch chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen und Druckschmerzhaftigkeit von mindestens 11 von 18 „tender points“ definiert zur Abgrenzung von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und Arthrosen. Sie stellen eine Konsensusdefinition von Klinikern im Sinne der Beschreibung eines klinischen Bildes dar und waren als Klassifikationskriterien und nicht als diagnostische Kriterien konzipiert. Das Fibromyalgiesyndrom kann als funktionelles somatisches Syndrom klassifiziert werden, was mit einem typischen klinischen Komplex körperlicher Symptome, eine definierte Zeitdauer und durch das Fehlen eines die Symptome ursächlich erklärenden somatischen Krankheitsfaktors (z. B. strukturelle Gewebsschädigung, biochemische Störung, spezifische Laborbefunde) einhergeht. Da das Beschwerdebild durch einen Symptomenkomplex definiert wird, ist der Begriff Fibromyalgiesyndrom angemessener als der Begriff Fibromyalgie. Im Jahre 2012 wurde eine S3-Leitlinie zur Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms veröffentlicht, die Grundlage dieses Buchbeitrages ist und ein vertieftes Studium in die einzelnen Aspekte des Fibromyalgiesyndroms zulässt (Häuser et al. 2012).

Pathophysiologie

Bei dem Fibromyalgiesyndrom handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem mehrere biologische, mechanische und psychosoziale Faktoren an der Entstehung beteiligt sind. Aufgrund einer familiären Häufung des Fibromyalgiesyndroms (achtfach höheres Risiko für Familienangehörige von Patienten mit Fibromyalgiesyndrom) wurden in Studien genetische Polymorphismen identifiziert, die offensichtlich mit einem höheren Risiko der Entstehung einer Fibromyalgie verknüpft sind und u. a. im Serotoninrezeptor 5-HT2A, im Serotonintransportergen, im Dopamin-4-Rezeptor und in der Catechol-O-Methyltransferase lokalisiert sind. Allerdings spielen diese Gene auch bei anderen Schmerzerkrankungen eine Rolle, sodass dies keine spezifischen Befunde für ein Fibromyalgiesyndrom sind (Diatchenko et al. 2013). Daneben spielen noch Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Übergewicht und mangelnde körperliche Aktivität eine Rolle. Als psychische Risikofaktoren konnten in Studien körperliche Misshandlung und sexueller Missbrauch sowohl in der Kindheit als auch im Erwachsenenalter sowie Stress am Arbeitsplatz identifiziert werden. Weiterhin werden eine veränderte zentrale Schmerzverarbeitung, eine Dysfunktion der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse als auch des peripheren Nervensystems sowie Lernmechanismen wie operante Konditionierung und Sensitivierung eine Rolle in der Pathogenese des Fibromyalgiesyndroms zugeschrieben. Schließlich kann sich auch im Rahmen von chronischen rheumatologischen Erkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes) ein Fibromyalgiesyndrom manifestieren. Zusammenfassend wird von einem Modell für die Entwicklung eines Fibromyalgiesyndroms ausgegangen, bei dem physikalische und/oder biologische und/oder psychosoziale Stressoren bei einer entsprechenden genetischen und lerngeschichtlichen Prädisposition vegetative, endokrine und zentralnervöse Reaktionen auslösen, aus denen die Symptome des Fibromyalgiesyndroms wie Schmerz, Fatigue, Schlafstörungen, vegetative und psychische Symptome resultieren. Das Fibromyalgiesyndrom stellt somit eine Endstrecke verschiedener ätiopathogenetischer Faktoren und pathophysiologischer Mechanismen dar.

Epidemiologie

In Deutschland lag die Prävalenz des Fibromyalgiesyndroms (ACR-1990-Kriterien) bei 35- bis 74-jährigen Frauen einer Bevölkerungsstichprobe bei 5,5 %, was auch in dem Bereich von anderen Ländern liegt (Schaefer et al. 2011; Wolfe et al. 1995). Auch Kinder und Jugendliche können erkranken, die Inzidenz steigt jedoch mit zunehmendem Alter an, besonders postmenopausal, um dann nach einem Gipfel in der siebten Lebensdekade wieder abzusinken (Abb. 1). Das Verhältnis Frauen zu Männern lag zwischen 2–21:1 (Gran, 2003), jedoch wird bei Männern die Prävalenz unterschätzt, da zum einen die Tender Points weniger druckschmerzhaft sind, zum anderen Frauen bei körperlichen Beschwerden häufiger medizinische Leistungen in Anspruch nehmen.

Klinik

Kernsymptome des Fibromyalgiesyndroms sind neben chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafstörungen bzw. nicht erholsamer Schlaf und Müdigkeit bzw. Erschöpfungsneigung (körperlich und/oder geistig). Die Hauptsymptome in einer Umfrage unter Betroffenen (>97 % der Betroffenen) waren Muskelschmerzen wechselnder Lokalisation, Rückenschmerzen, Müdigkeit, Gelenkschmerzen wechselnder Lokalisation, Gefühl, schlecht geschlafen zu haben, Morgensteifigkeit, Zerschlagenheit am Morgen, Konzentrationsschwäche, Antriebsschwäche, geringe Leistungsfähigkeit und Vergesslichkeit (Häuser et al. 2008).
Letztendlich handelt es sich um einen fließenden Übergang in der Symptomatologie von Patienten mit muskuloskelettalen Beschwerden. In einer repräsentativen deutschen Bevölkerungsstichprobe ließen sich vier Gruppen von Personen unterscheiden (Häuser et al. 2009):
  • Schmerzfreie Personen ohne körperliche und seelischer Beschwerden („Gesundheitscluster“)
  • Personen mit oligolokulären Schmerzen und geringer körperlicher und psychischer Symptombelastung („Regionale Schmerzen“-Cluster)
  • Personen mit Schmerzen in mehreren Körperregionen und geringer körperlicher und keiner seelischen Symptombelastung („Chronic widespread pain“(CWP)-Cluster)
  • Personen mit Schmerzen in mehreren Körperregionen und mäßiger körperlicher und seelischer Symptombelastung (FMS-Cluster).
Innerhalb eines Kontinuums von körperlicher (inkl. Anzahl Schmerzorte) und seelischer Symptombelastung befinden sich Personen mit CWP im äußeren Bereich und Personen mit Fibromyalgiesyndrom im Endbereich des Kontinuums.

Diagnostik

Im Falle der Erstevaluation eines möglichen chronischen Schmerzes in mehreren Körperregionen ist eine genaue Schmerzanamnese mit Ausfüllen einer Schmerzskizze erforderlich mit der Exploration weiterer Kernsymptome wie Müdigkeit und Schlafstörungen. Eine ausführliche körperliche Untersuchung sollte durchgeführt werden, gefolgt von gezielten Laboruntersuchungen zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen:
  • Blutsenkungsgeschwindigkeit
  • Kleines Blutbild
  • Kreatininkinase
  • Kalzium
  • Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH).
Abhängig von den Ergebnissen und der Verdachtsdiagnose können sich weitere Untersuchungen anschließen, insbesondere rheumatologische Erkrankungen sollten ausgeschlossen werden.
Die klinische Diagnose beruht letztendlich auf der Anamnese eines typischen Symptomkomplexes, klinischer Untersuchung und dem Ausschluss körperlicher Erkrankungen, die diesen Symptomkomplex ausreichend erklären könnten. Die Diagnose des Fibromyalgiesyndroms kann dann nach den ACR-1990-Klassifikationskriterien, den symptombasierten Kriterien der S3-Leitlinie zum Fibromyalgiesyndrom oder den vorläufigen modifizierten ACR-2010-Kriterien gestellt werden. Die ACR-Kriterien von 1990 wurden 2010 modifiziert und eine Selbsteinschätzung der körperlichen Symptombelastung durch den Patienten mittels eines Fragebogens eingeführt (Tab. 1, Wolfe et al. 2010). Die deutsche S3-Leitlinie zum Fibromyalgiesyndrom hat schließlich auch Kriterien für die klinische Diagnose des Fibromyalgiesyndroms entwickelt, die Symptomtrias von chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, Müdigkeit und Schlafstörung werden darin als Kernsymptome für die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms gefordert. Tabelle 2 stellt die derzeit gültigen Kriterien gegenüber.
Tab. 1
Vorläufige Diagnosekriterien des ACR 2010 (Späth 2011)
Kriterien
Ein Patient erfüllt die diagnostischen Kriterien der Fibromyalgie, wenn die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind:
1. „Widespread-Pain“- Index (WPI) ≥7 und Wert auf der Symptomschwereskala ≥5 oder WPI 3–6 und Wert auf der Symptomschwereskala ≥9
2. Die Symptome bestehen seit mindestens drei Monaten in ähnlicher Stärke.
3. Der Patient bietet keine Hinweise auf eine Erkrankung, die die Schmerzen anderweitig erklären könnte.
Bestätigung
1. WPI: Bestimmung der Zahl der Areale, in denen der Patient in der letzten Woche Schmerzen hatte. Die Areale sind hier aufgeführt, der Wert liegt zwischen 0 und 19.
Schultergürtel links
Hüfte (Gesäß, Trochanter) links
Kiefer links
Oberer Rücken
Schultergürtel rechts
Hüfte (Gesäß, Trochanter) rechts
Kiefer rechts
Unterer Rücken
Oberarm links
Oberschenkel links
Brustkorb
Nacken
Oberarm rechts
Oberschenkel rechts
Abdomen
Unterarm links
Unterschenkel links
Unterarm rechts
Unterschenkel rechts
2. Wert auf der Symptomschwereskala:
a. Fatigue
b. Nicht erholtes Aufwachen
c. Kognitive Symptome
Angabe des Schweregrads für jedes der drei genannten Symptome in der vergangenen Woche anhand der folgenden Skala:
0: Kein Problem
1: Unbedeutende oder leichte Probleme, allgemein geringfügig oder intermittierend
2: Mittelgradige, beträchtliche Probleme, oft und/oder in mittlerer Stärke vorhanden
3: Schwere, tiefgreifende, kontinuierliche, lebenseinschränkende Probleme
Ausmaß der somatischen Symptome 1:
0: Keine Symptome
1: Wenige Symptome
2: Eine mittlere Zahl von Symptomen
3: Ein hohes Maß an Symptomen
Der Wert auf der Symptomschwereskala ist die Summe der Schwere der drei Symptome (Fatigue, nicht erholtes Aufwachen, kognitive Symptome) plus das Ausmaß (Schwere) somatischer Symptome allgemein. Der Endwert liegt zwischen 0 und 12.
1 Somatische Symptome, die in Betracht gezogen werden könnten: Muskelschmerzen, Reizdarmsyndrom, Fatigue/Müdigkeit, Denk- oder Gedächtnisstörung, Muskelschwäche, Kopfschmerzen, Schmerzen/Krämpfe im Abdomen, Taubheit/Kribbeln, Schwindel, Schlafstörung, Depression, Verstopfung, Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Nervosität, Brustschmerzen, Verschwommensehen, Fieber, Diarrhö, Mundtrockenheit, Juckreiz, Giemen, Raynaud-Phänomen, Urtikaria/Angioödem, Tinnitus, Erbrechen, Sodbrennen, orale Ulzera, Verlust/Veränderung des Geschmacksinns, Krampfanfälle, trockene Augen, Kurzatmigkeit, Appetitverlust, Hautausschlag, Sonnenempfindlichkeit, Hörstörungen, Hämatomneigung, Haarverlust, Pollakisurie, Algurie, Blasenkrämpfe
Tab. 2
Gegenüberstellung der Kriterien für die Klassifikation bzw. Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms
 
ACR-Klassifikations-kriterien 1990 (Wolfe et al. 1990)
Modifizierte vorläufige ACR-Diagnosekriterien 2010 (Wolfe et al. 2010)
S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom, diagnostische Kriterien
Obligates Hauptsymptom
CWP nach ACR-1990-Kriterien
Regionaler Schmerzindex ≥7/19 Schmerzorte auf der regionalen Schmerzskala*
CWP nach ACR-1990-Kriterien
Obligate weitere Symptome
Keine
Symptomschwereskala ≥5*
Müdigkeit (körperlich und/oder geistig) und Schlafstörungen und/oder nicht erholsamer Schlaf und Schwellungs- und/oder Steifigkeitsgefühl Hände und/oder Füße und/oder Gesicht
Ausschlussdiagnostik
Keine
Ausschluss einer körperlichen Erkrankung, die das typische Symptommuster ausreichend erklärt
Ausschluss einer körperlichen Erkrankung, die das typische Symptommuster ausreichend erklärt
CWP „chronic widespread pain“, ACR American College of Rheumatology
*bzw. WPI 3–6 und Symptomschwereskala ≥9

Differenzialdiagnostik

Chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen und Müdigkeit können Symptome verschiedener internistischer und neurologischer Erkrankungen (Tab. 3 und 4) sein. Muskel- und Gelenkschmerzen in mehreren Körperregionen ohne Nachweis einer Neuropathie oder Myopathie können auch durch zahlreiche Arzneimittel hervorgerufen werden.
Tab. 3
Wichtige Differenzialdiagnosen von chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen (Kollner et al. 2009)
Innere Erkrankungen
Neurologische Erkrankungen
- Chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankungen
- Hyper-/Hypothyreose
- Vitamin-D-Mangel
- Degenerative Myopathien
- Toxische Myalgien
- Myalgien bei seltenen Erkrankungen (z. B. „Stiff-Person“-Syndrom)
- Myalgien bei Schädigungen des zentralen und peripheren Nervensystems
Tab. 4
Durch Medikamente und Drogen ausgelöste schmerzhafte Myopathien
Andere Myopathien
Myopathie und Neuropathie
- Cimetidin
- D-Penicillamin
- Levodopa
- Penicillin
- Sulfonamide
- Zidovudin
- ACTH
- Carbimazol
- Clofibrat
- Cromoglycinsäure
- Cyclosporin
- Enalapril
- Ezitimib
- HMG-CoA-Reduktasehemmer
- Metoprolol
- Minoxidil
- Protonenpumpeninhibitor
- Salbutamol
- Colchicin
- Heroin
- Interferon
- Vincristin

Therapie

Die Therapie des Fibromyalgiesyndroms ist sehr vielschichtig, auch bedingt durch die komplexe Pathogenese der Erkrankung. Die deutsche S3-Leitlinie hat die aktuellen Studien ausgewertet und dementsprechend eine Empfehlung bis hin zu einer negativen Empfehlung für die unterschiedlichen Therapieansätze ausgesprochen. Prinzipiell wird empfohlen, eine Kombination aus nicht pharmakologischen und pharmakologischen Ansätzen zu wählen, wobei in Deutschland kein Medikament zur Behandlung eines Fibromyalgiesyndroms zugelassen ist. Allerdings gibt die Leitlinie bei einzelnen Medikamenten Hinweise auf den Einsatz, z. B. im Rahmen von Komorbiditäten bei einem Fibromyalgiesyndrom oder auch zum „off-label use“ bei fehlenden Therapiealternativen.
Bei leichten Formen des Fibromyalgiesyndroms soll der Patient zu angemessener körperlicher und psychosozialer Aktivierung ermutigt werden. Patienten, die eine Besserung durch aerobes Ausdauertraining erfahren, sollen dieses dauerhaft durchführen. Bei schweren Verläufen sollen mit dem Patienten körperbezogene Therapien, eine zeitliche befristete medikamentöse Therapie sowie multimodale Therapien (mindestens ein körperlich aktivierendes Verfahren mit mindestens einem psychologischen/psychotherapeutischen Verfahren) durchgeführt werden.
Die beiden am gründlichsten untersuchten nicht pharmakologischen Therapien sind die kognitive Verhaltenstherapie und die Bewegungstherapie. Beide Behandlungen können eine anhaltende Verbesserung bei Fibromyalgie bewirken, insbesondere dann, wenn die Patienten die Therapien konsequent durchführen (Späth 2011).
Die medikamentöse Therapie sollte immer auf Wirksamkeit bzw. Nebenwirkungen überprüft werden und nach einer Therapiedauer von sechs Monaten ein Medikamentenauslassversuch erwogen werden.
In diesem Sinne sollte Amitriptylin (10–50 mg/Tag) zeitlich befristet eingesetzt werden. Amitriptylin ist in Deutschland nicht zur Therapie des Fibromyalgiesyndroms, aber zur Therapie chronischer Schmerzen im Rahmen eines Gesamttherapiekonzeptes zugelassen.
Duloxetin wird in einer Dosierung von 60 mg/Tag bei FMS-Patienten mit depressiven Störungen und/oder einer generalisierten Angststörung (in Deutschland für diese Indikationen zugelassen) für einen zeitlich befristeten Einsatz empfohlen. Bei Patienten ohne diese komorbiden Störungen kann der Einsatz von Duloxetin oder Pregabalin (150–450 mg/Tag) erwogen werden, wenn eine leitliniengerechte Therapie des Fibromyalgiesyndroms kontraindiziert bzw. nicht wirksam war oder nicht vertragen wurde („off-label use“). Milnacipran ist in den USA zur Therapie eines Fibromyalgiesyndroms zugelassen, wird jedoch in der deutschen S3-Leitlinie negativ bewertet. Auch Opioide und nicht steroidale Antirheumatika werden in der S3-Leitlinie nicht zur Therapie eines Fibromyalgiesyndroms empfohlen, da es häufig zu Therapieabbrüchen in den Studien kam, die Effektivität gering und die Nebenwirkungsrate hoch waren.
Bei der Vielzahl von weiteren diskutierten Therapieoptionen wird auf die S3-Leitlinie verwiesen, die alle Therapiemöglichkeiten bis hin zu alternativen Therapieansätze bewertet.

Verlauf und Prognose

Der Verlauf und die Prognose von Patienten mit Fibromyalgiesyndrom hängen zum größten Teil von der Symptomschwere ab, wo sie sich in dem Kontinuum von körperlicher und seelischer Symptombelastung befinden. Tabelle 5 gibt einen Überblick über mögliche Verlaufsformen, von denen die leichte Verlaufsform eine relativ gute Prognose hat und sich die Patienten mit einem schweren Verlauf an dem Ende des Kontinuums einordnen, bei denen dann die Prognose bezüglich Besserung der Beschwerdesymptomatik nicht so gut ist. Es muss jedoch betont werden, dass die Daten vor der Einführung von Medikamenten wie Pregabalin, Duloxetin und Milnacipran (alle drei Medikamente in den USA für die Behandlung des Fibromyalgiesyndroms zugelassen) erhoben wurden. Neue Studien müssen zeigen, ob durch diese Medikamente das „Outcome“ eines Fibromyalgiesyndroms gebessert werden kann, genauso müssen noch neue Therapien, die für die Behandlung des Fibromyalgiesyndroms in Entwicklung sind, diesbezüglich untersucht werden (Schmidt-Wilcke und Clauw 2011).
Tab. 5
Kriterien für einen leichten bzw. schweren Verlauf eines Fibromyalgiesyndroms
Kriterium
Leichter Verlauf
Schwerer Verlauf
Körperliche Beschwerden
Überwiegend muskuloskelettale Beschwerden
Zahlreiche Beschwerden (muskuloskelettale als auch andere Organsysteme)
Dauer körperliche Beschwerden
Rezidivierend, beschwerdefreie oder beschwerdearme Intervalle
Anhaltend, keine oder seltene beschwerdefreie oder beschwerdearme Intervalle
Seelische Beschwerden
Gering
Ausgeprägt
Subjektive Krankheitsannahmen
Angemessen (z. B. Abhängigkeit von Stress- oder Temperatur)
Unangemessen (z. B. anhaltende Ängste vor schwerwiegender Krankheit trotz erfolgter Ausschlussdiagnostik)
Subjektive Beeinträchtigung (Beruf, Familie, Freizeit)
Fehlend oder gering
Hoch
Inanspruchnahme medizinischer Leistungen
Gering
Hoch („doctor hopping“)
Psychosoziale Belastung
Wenige bzw. leichtgradige Stressoren (Familie, Beruf)
Zahlreiche und/oder schwerwiegende Stressoren (Familie, Beruf)
Behandler-Patient-Beziehung
Kooperativ
„Schwierig“, frustrierend
Literatur
Diatchenko L et al (2013) The phenotypic and genetic signatures of common musculoskeletal pain conditions. Nat. Rev. Rheumatol. advance online publication:doi:10.1038/nrrheum.2013.43
Gran JT (2003) The epidemiology of chronic generalized musculoskeletal pain. Best Pract Res Clin Rheumatol 17:547–561CrossRefPubMed
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Häuser W et al (2012) S3 Leitlinie Fibromyalgiesyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. AWMF online:http://​www.​awmf.​org/​leitlinien/​detail/​ll/​041-004.​html. Zugegriffen am 15.06.2015.
Kollner V et al (2009) Diagnosis and therapy of fibromyalgia syndrome. Dtsch Med Wochenschr 134:1163–1174CrossRefPubMed
McBeth J, Mulvey MR (2012) Fibromyalgia: mechanisms and potential impact of the ACR 2010 classification criteria. Nat Rev Rheumatol 8:108–116PubMed
Schaefer C et al (2011) The comparative burden of mild, moderate and severe fibromyalgia: results from a cross-sectional survey in the United States. Health Qual Life Outcomes 9:71–79PubMedCentralCrossRefPubMed
Schmidt-Wilcke T, Clauw DJ (2011) Fibromyalgia: from pathophysiology to therapy. Nat Rev Rheumatol 7:518–527CrossRefPubMed
Späth M (2011) Fibromyalgia. Z Rheumatol 70:573–585CrossRefPubMed
Wolfe F et al (1990) The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of fibromyalgia. Report of the Multicenter Criteria Committee. Arthritis Rheum 33:160–172CrossRefPubMed
Wolfe F et al (1995) The prevalence and characteristics of fibromyalgia in the general population. Arthritis Rheum 38:19–28CrossRefPubMed
Wolfe F et al (2010) The American College of Rheumatology preliminary diagnostic criteria for fibromyalgia and measurement of symptom severity. Arthritis Care Res (Hoboken ) 62:600–610CrossRef