Eine zytoreduktiven Nephrektomie
vor Initiierung einer systemischen Therapie wird in entsprechend ausgewählten Patienten mit metastasiertem
Nierenzellkarzinom empfohlen (Escudier et al.
2014; Ljungberg et al.
2016). Diese Empfehlung basiert auf 2 randomisierten Studien aus der prä-Target-Therapie-Ära, die einen medianen Überlebensvorteil von 7 Monaten nach zytoreduktiver Nephrektomie mit Immuntherapie mit Interferon-Alpha im Gegensatz zu einer alleinigen Immuntherapie mit Interferon-Alpha nachweisen konnten (Flanigan et al.
2001; Mickisch et al.
2001). Eine Empfehlung zur zytoreduktiven Nephrektomie erhalten laut den aktuellen Leitlinien, Patienten, welche einen guten Performance-Score, einen großen Primärtumor und/oder ein geringes Metastasenvolumen aufweisen (Leitlinienprogramm Onkologie
2015; Ljungberg et al.
2016). Keine Empfehlung zur zytoreduktiven Nephrektomie erhalten hingegen Patienten mit schlechtem Performance- oder Heng-Score, kleinem Primarius, hohem Metastasenvolumen und/oder sarkomatoider Histologie. Eine altersabhängige Grenze wird in den Guidelines nicht genannt (Ljungberg et al.
2016). In einer Arbeit von Kader et al. (
2007) wurde der Outcome von 24 alten Patienten (>75 Jahre) gegenüber 380 ≤ 75-jährigen Patienten untersucht. Bei den >75-Jährigen kam es in 21 % zu perioperativen Todesfällen verglichen mit 1,1 % Todesfällen bei den jüngeren Patienten (p < 0,01). Blutverlust, Transfusionsraten und Operationszeit waren bei den Patienten, die perioperativ verstarben signifikant größer (p < 0,05), das mediane Überleben war in beiden Gruppen mit 16,6 Monaten (ältere Patienten) und 13,7 Monaten (jüngere Patienten) nicht statistisch signifikant unterschiedlich. Hieraus schlussfolgerten die Autoren, dass die zytoreduktive Nephrektomie bei alten Patienten mit dem Auftreten einer signifikanten Morbidität und Mortalität vergesellschaftet sein kann. In sehr ausgesuchten und motivierten Patienten kann diese Operation auch als Teil eines multidisziplinären Ansatzes bei >75-jährigen Patienten zu längerem Überleben beitragen. Jedoch sollte der Eingriff vorsichtig und unter realistischen Vorstellungen von Seiten des Patienten und der Ärzte durchgeführt werden. Die perioperative Mortalität der zytoreduktiven Nephrektomie wird in anderen Studien mit 4,7 % bei 70- bis 79-Jährigen, 8,2 % bei >80-Jährigen (Cloutier et al.
2009), mit 4,8 % bei ≥75-Jährigen im Vergleich zu 1,9 % bei den <75-Jährigen (Sun et al.
2012) angegeben. In einer Studie von Berger et al. (
2012) an 180 Patienten >80 Jahre (
Range 80–92 Jahre), die sich einer (partiellen) Nephrektomie bei V. a. metastasiertes Nierenzellkarzinom unterzogen, kam es in 38,8 % zu einer oder mehreren Komplikationen, 3,3 % der Patienten verstarben aufgrund
postoperativer Komplikationen. Ein ECOG-Performance-Score von 2–4 und eine GFR von <30 ml/min waren unabhängige Risikofaktoren für eine postoperative Morbidität (Berger et al.
2012). Aufgrund des nach wie vor nicht belegten Benefits der zytoreduktiven Nephrektomie unter zielgerichteten Therapien und hoher perioperativer Morbidität und Mortalität bei alten Patienten, schlussfolgern die Autoren van den Brom et al. (
2016), dass eine zytoreduktive Nephrektomie nicht für alte und geriatrische Patienten empfohlen werden kann. Laut der Autoren dieses Reviews sollte über diesen Eingriff nur für fitte ältere Patienten mit einem metastasierten Nierenzellkarzinom mit symptomatischem, großem Primarius und wenig Metastasen-Last nachgedacht werden.