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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 27.10.2023

SARS-CoV-2 und andere neu auftretende Virusinfektionen

Verfasst von: Anahita Fathi
Neu auftretende Infektionserkrankungen stellen eine besondere Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Oft handelt es sich bei den Infektionserregern um Viren zoonotischen Ursprungs, welche auf eine größtenteils immunnaive Bevölkerung treffen und gegen die keine Vakzine oder kausalen Therapien verfügbar sind. Ein dramatisches Beispiel stellt die SARS-CoV-2-Pandemie dar, die auch in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Gefahr, die von neu auftretenden Pathogenen ausgeht, nachdrücklich geschärft hat.
Hochvirulente Coronaviren und Ebolaviren werden von der WHO als Erreger bewertet, die ein hohes Potenzial haben, schwerwiegende Epidemien zu verursachen. Sie haben bereits zu internationalen Gesundheitsnotlagen geführt. Der Fokus dieses Kapitels liegt daher auf der Epidemiologie, Klinik, Diagnostik, Prävention und Therapie der hochvirulenten Coronaviruserkrankungen, inkl. COVID-19, sowie der Ebola-Viruskrankheit.

Einleitung

Erkrankungen, die durch bislang unbekannte oder sich in nichtendemischen Gebieten ausbreitende Erreger verursacht werden, werden als neu bzw. wieder auftretende Infektionserkrankungen (engl. Emerging Infectious Diseases, EID) bezeichnet.
EID stellen eine ernste Gefahr für die globale Gesundheit dar. Sie werden vorwiegend von Viren zoonotischen Ursprungs verursacht. Durch virale Evolution in unterschiedlichen Spezies und Spillover-Ereignisse können diese zu unerwarteten und wiederholten Krankheitsausbrüchen in Populationen führen, in denen keine bzw. eine unzureichende Immunität gegen die jeweilige Erkrankung besteht. Aufgrund der Vielzahl der potenziell humanpathogenen Zoonosen ist ihre Surveillance dabei eine große Herausforderung. Auch die Eradikation der Pathogene ist aufgrund ihrer diversen Reservoire herausfordernd bzw. schwer möglich.
Die Anzahl und Ausbreitung von Krankheitsausbrüchen ist durch Einflussfaktoren wie die zunehmende internationale Mobilität und den Klimawandel in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Eine besondere Gefahr geht dabei von neu auftretenden Infektionserregern aus, die äußerst schwere Erkrankungen auslösen (durch die hohe Virulenz des Erregers und/oder vor dem Hintergrund einer immunnaiven Population), leicht übertragbar sind und so die Gefahr der rasanten Transmission erhöht ist (hohe Kontagiosität) und für die bislang keine (ausreichenden) kausalen Präventions- oder Therapieansätze verfügbar sind. Diejenigen Erreger, die das höchste Potenzial besitzen, internationale Gesundheitsnotlagen auszulösen (engl. Public Health Emergencies of International Concern, PHEIC), werden im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsplans regelmäßig von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als sog. Prioritätspathogene definiert (World Health Organization o. J.). Tab. 1 gibt einen Überblick über alle bislang deklarierten PHEIC.
Tab. 1
Alle Public Health Emergencies of International Concern (PHEIC) seit der Überarbeitung der International Health Regulations (IHR) der WHO (2005), welche diese erstmals definierten. Datenstand: Juli 2023. (Quelle: Centers for Disease Control)
Jahr
Public Health Emergencies of International Concern (PHEIC)
Ausbruchsregion
2009
Schweinegrippe (H1N1 Influenza)
Weltweit
2014 bis jetzt
Afghanistan, Pakistan (Wildtyp), zirkulierende Vakzin-Stämme in Afrika und Asien
2014 bis 2016
Ebola-Viruskrankheit
Westafrika
2016
Zika-Fieber
Lateinamerika/Karibik, endemisch in Afrika und Südostasien
2019 bis 2020
Ebola-Viruskrankheit
Demokratische Republik Kongo
2020 bis 2023
COVID-19
Weltweit
2022 bis 2023
Mpox
In 112 Ländern
In diesem Kapitel liegt der Fokus auf den beiden großen Gruppen dieser Prioritätspathogene: Erst werden die hochvirulenten Coronaviren und insbesondere SARS-CoV-2 diskutiert, danach werden Ebolaviren als Vertreter der Erreger viraler hämorrhagischer Fieber betrachtet. Da der Wissensstand über neu auftretende Erkrankungen quasi per definitionem einer hohen Dynamik unterliegt, ist darauf zu verweisen, dass dieses Kapitel Mitte 2023 erstellt wurde. In den Unterkapiteln wird auf Leitlinien oder weiterführende Quellen verwiesen, um die Aktualität des Textes zu gewährleisten.

Hochvirulente Coronavirusinfektionen

Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS)

Definition

SARS wird durch Infektion mit dem SARS-Coronavirus (SARS-CoV, auch: SARS-CoV-1) verursacht, welches aus der Gattung Betacoronavirus, Untergattung Sarbecovirus stammt.

Epidemiologie

SARS-CoV wird vornehmlich durch Tröpfcheninfektion übertragen. Das Virus wurde 2002 erstbeschrieben und war das erste bekannte hochvirulente Coronavirus. Es löste eine Epidemie aus, in deren Verlauf innerhalb weniger Monate über 8000 Personen erkrankten, von denen 10 % verstarben (World Health Organization 2015). Während der SARS-Epidemie (November 2002 – Mai 2003) waren insgesamt 29 Länder betroffen, wobei China und der südostasiatische Raum das Epizentrum bildeten. Auch in Deutschland wurden neun Fälle berichtet, von denen jedoch keiner tödlich verlief. Nach Ende der Epidemie sind bislang keine weiteren nennenswerten Ausbrüche aufgetreten.

Klinik

Nach Infektion liegt die mediane Inkubationszeit zwischen 4–7 Tagen. Während Berichte von asymptomatischen und mild verlaufenden Infektionen vorliegen, löst eine SARS-CoV-Infektion in der Regel ein schweres Krankheitsgefühl mit Fieber in > 90 % der Fälle und grippaler Symptomatik aus (Schüttelfrost, Myalgien, Husten, Kopfschmerzen, Diarrhoen u. a.). Schwere SARS-CoV-Infektionen verursachen atypische Pneumonien, die im Verlauf zu Hypoxie, Multiorganversagen und Tod führen können (Peiris et al. 2003).

Diagnostik

Die Verdachtsdiagnose wird durch Anamnese, klinische Symptomatik und ggf. durch den radiologischen Nachweis einer Pneumonie gestellt. Im CT stellt sich die Pneumonie i. d. R. als Milchglasinfiltrat dar. Laborchemisch können Panzytopenien, insbesondere zusammen mit einer Lymphozytopenie, sowie eine Erhöhung der D-Dimere und aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) imponieren. Der mikrobiologische Nachweis der Infektion erfolgt durch eine Reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR), i. d. R. aus Atemwegsmaterial (z. B. Nasen-Rachenabstrich) (Peiris et al. 2003). Serologien haben vor allem im Rahmen von epidemiologischen Untersuchungen einen Stellenwert.

Prävention und Therapie

Die Prävention beschränkt sich auf nichtpharmazeutische Interventionen („NPI“, z. B. Hygiene- und Isolationsmaßnahmen). Mehrere Impfstoffkandidaten gegen SARS befinden sich in der präklinischen Entwicklungsphase und boten eine wichtige wissenschaftliche Grundlage zur Entwicklung der Vakzine gegen COVID-19. Außerdem befinden sich universale (Sarbeco-)Coronavirusvakzine derzeit in Entwicklung. Aktuell sind jedoch keine lizensierten Vakzine oder Therapeutika verfügbar.

Middle East Respiratory Syndrome (MERS)

Definition

Der erste Fall von MERS wurde 2012 beschrieben. MERS entsteht durch Infektion mit dem Betacoronavirus MERS-CoV (Untergattung Merbecovirus).

Epidemiologie

MERS-CoV ist eine Zoonose, die durch infizierte Dromedare, welche als Reservoir gelten, auf Menschen übertragen werden kann. Als mögliche Infektionsquelle wird der Verzehr von unpasteurisierter Milch und Fleisch von Dromedaren bzw. der Kontakt mit ihren Körperflüssigkeiten vermutet. Eine Transmission zwischen Menschen wurde bislang vornehmlich durch engen Kontakt zu Erkrankten im nosokomialen Setting beschrieben. Alle bislang beschriebenen Fälle sind auf primäre Infektionsereignisse auf der Arabischen Halbinsel zurückzuführen. Insgesamt traten seit 2012 über 2500 Fälle in 27 Ländern (davon 3 Fälle in Deutschland) auf. Seither werden regelmäßig weitere Krankheitsausbrüche beobachtet, wobei diese oft aus limitierten Infektionsclustern in Risikogruppen (z. B. Kamel-Arbeiter:innen, Gesundheitspersonal) bestehen. Bislang gibt es limitierte Daten zum Vorkommen möglicherweise a- oder oligosymptomatischer Infektionen bzw. der Seroprävalenz in endemischen Ländern und/oder in Risikogruppen. In Saudi-Arabien, dem Land mit der höchsten Prävalenz von MERS, zeigte eine epidemiologische Studie an 10.000 gesunden Personen der Allgemeinbevölkerung eine Seroprävalenz von 0,15 %, wobei diese in Risikogruppen deutlich höher war (2,3 % in Kamelhirten und 3,6 % in (Kamel-)Schlachtbetriebsangestellten) (Müller et al. 2015). Die Sterblichkeitsrate („case fatality rate“, CFR) ist mit ca. 35 % hoch (World Health Organization 2023c) und beträgt bei komorbiden Patient:innen sogar bis zu 60 % (Shehata et al. 2016).

Klinik

Nach einer mittleren Inkubationszeit von 5–12 Tagen entwickelt die Mehrzahl der Infizierten eine grippale Symptomatik, die fast immer mit Fieber und einer atypischen Pneumonie einhergeht (Shehata et al. 2016). Analog zu Infektionen mit anderen hochvirulenten Coronaviren kann MERS ab der zweiten Krankheitswoche zu einem akuten Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS) fortschreiten.

Diagnostik

Radiologisch lassen sich atypische Infiltrate nachweisen. Laborchemisch fällt in der Hälfte der Fälle eine erhöhte Laktatdehydrogenase (LDH) auf (Shehata et al. 2016). Die Erkrankung wird durch zwei konsekutive Nachweise von viraler RNA mittels Nukleinsäureamplifikationsassays (engl. „nucleic acid amplification test“, NAAT) aus Abstrichmaterial der Atemwege diagnostiziert (World Health Organization 2018). Auch serologische Assays sind verfügbar, können aber nur zur sicheren Diagnose der Infektion genutzt werden, wenn eine Serokonversion bewiesen werden kann.

Prävention und Therapie

Aktuell sind keine wirksamen Therapien verfügbar. Zur Prävention werden NPI eingesetzt. Impfstoffkandidaten auf Vektorbasis befinden sich aktuell in frühen klinischen Studien.

Coronavirus Disease 2019 (COVID-19)

Definition

Das Betacoronavirus SARS-CoV-2 ist durch die Verursachung der COVID-19-Pandemie 2019 das der Öffentlichkeit wohl bekannteste Coronavirus.

Epidemiologie

Die COVID-19-Pandemie wurde im Januar 2020 zur internationalen Gesundheitsnotlage (PHEIC) ausgerufen. Aufgrund der raschen und flächendeckenden Verbreitung mit bis Juli 2023 über 767 Mio. dokumentierten Fällen verursacht COVID-19 weltweit eine hohe Krankheitslast. Die Fallsterblichkeit hat dabei im Verlauf der Pandemie insbesondere durch eine erhöhte Bevölkerungsimmunität (durch Infektion und/oder Immunisierung) und Virusevolution abgenommen und ist von vormals 4,5 % auf aktuell 0,1 % gesunken, wobei Morbidität und Letalität sich regional und interindividuell stark unterscheiden (Kluge et al. 2022). Aufgrund der flächendeckenden Ausbreitung in einer zunehmend immunen Weltbevölkerung unterliegt SARS-CoV-2 einem hohen Selektionsdruck. Die Entstehung von Virusvarianten wird hierbei durch öffentliche Gesundheitsorganisationen kontinuierlich überwacht. Bei „variants of interest“ (VOI) handelt es sich dabei um zunehmend zirkulierende Virusvarianten, bei denen aufgrund genetischer Veränderungen von
a)
einer erhöhten Übertragbarkeit und/oder
 
b)
einer erhöhten Krankheitsschwere und/oder
 
c)
einer erhöhten Immunevasion (und dadurch Abnahme der protektiven [Impf-]Immunität und möglicher Wirksamkeitsverlust verfügbarer Therapeutika)
 
zu rechnen ist. Wenn diese Veränderungen so ausgeprägt sind, dass sie nach Auffassung der WHO einen Einfluss auf die öffentliche Weltgesundheit haben, werden diese Varianten als „variants of concern“ (VOC) eingetuft. VOI/VOC werden nach dem griechischen Alphabet benannt und in Abhängigkeit zu bereits zirkulierenden Varianten eingeteilt. Bislang zirkulierten bzw. zirkulieren die VOC Alpha, Beta, Gamma, Delta und Omikron.

Klinik

Auch SARS-CoV-2 verursacht als respiratorischer Erreger Erkrankungen mit grippaler Symptomatik. Die Klinik ist hierbei jedoch sehr variabel und reicht von asymptomatischen über mild verlaufende Infektionen bis hin zu schweren Verläufen mit Todesfolge.
Ein hohes Patient:innenalter birgt mit Abstand das höchste Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf, aber auch eine Reihe von Komorbiditäten werden mit schwereren COVID-19-Erkrankungen assoziiert (s. Tab. 2 nach Robert Koch Institut 2021). Hierbei sind insbesondere kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen, chronische Nieren- und Lungenerkrankungen sowie relevante erkrankungsbedingte oder erworbene immunsuppressive Zustände zu nennen.
Tab. 2
Geschätzte Risiken durch Vorerkrankungen für Mortalität aufgrund von COVID-19. Datenerhebung 2020, vor Einführung von COVID-19-Vakzinen und mit der Wildtyp- bzw. D614G-Variante als dominant zirkulierender Virusvariante. Der Effektschätzer beschreibt die Stärke des Zusammenhangs zweier binärer Variablen (Odds Ratio, Risk Ratio oder Hazard Ratio). GRADE ist ein transparentes System, um die Qualität der Evidenzen in systematischen Übersichtsarbeiten einzuschätzen und in klinische Empfehlungen in Leitlinien zu differenzieren. (Adaptiert aus dem „Beschluss der STIKO zur 1. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung“ aus dem Epidemiologischen Bulletin 2021)
Krankheit/Erkrankungsgruppe
Effektschätzer (95 % KI)
Anzahl an Studien
Anzahl an Patient:innen
GRADE Evidenzqualität
Herz/Kreislauf
Arrhythmie oder Vorhofflimmern
1,37 (1,07–1,74)
2
2704
++++
1,41 (1,09–1,82)
6
8082
+++
Koronare Herzkrankheit (KHK)
1,29 (1,09–1,53)
4
5378
+++
1,11 (0,98–1,26)
8
8774
+++
Metabolismus
Diabetes mellitus
1,37 (1,22–1,56)
9
8388
++++
Übergewicht/Adipositas
1,82 (1,40–2,37)
8
9379
+++
Chronische Nierenerkrankungen
1,70 (1,46–1,97)
8
8296
++++
Chronische Lebererkrankungen
1,51 (1,21–1,88)
1
15.194
+++
Krebs
Krebserkrankungen
1,15 (1,05–1,24)
4
22.480
++++
Lunge
Asthma
0,55 (0,32–0,97)
2
1136
+++
Schwere chronische Lungenerkrankungen, z. B. COPD
1,15 (1,03–1,29)
1
8582
+++
ZNS
Zerebrovaskuläre Erkrankung/Apoplex
1,21 (0,82–1,78)
3
2942
+++
2,24 (1,06–4,72)
3
2796
+++
Immunsystem
Autoimmunerkrankung
1,19 (1,06–1,33)
1
8582
+++
Immunkompromittierung
1,39 (1,13–1,70)
1
2490
+++
Rheumatologische Erkrankung
0,87 (0,66–1,16)
1
2490
+++
1,32 (0,24–7,36)
1
614
+++
Z. n. Organtransplantation
4,20 (1,60–11,40)
1
2090
+++
Die Erkrankungsschwere kann mithilfe einer Krankheitsprogressionsskala der WHO eingeteilt werden (Tab. 3 nach WHO Working Group on the Clinical Characterisation and Management of COVID-19 Infection 2020). Diese wird insbesondere im Rahmen von klinischen Studien verwendet. Klinisch kann zwischen a- bzw. präsymptomatischen Infektionen, milden, moderaten, schweren und kritischen Krankheitsverläufen unterschieden werden. Milde Verläufe zeichnen sich durch eine grippale Symptomatik ohne Vorliegen einer Pneumonie aus. Bei moderaten Verläufen besteht radiologisch der Nachweis einer Pneumonie. Wenn zusätzlich eine Sauerstoffsupplementation erforderlich ist, spricht man von einem schweren Verlauf. Kritische Erkrankungen stellen sich mit (Multi-)Organversagen dar und benötigen eine intensivmedizinische Betreuung.
Tab. 3
WHO Krankheitsprogressionsskala einer COVID-19-Infektion. (Adaptiert nach WHO Working Group on the Clinical Characterisation and Management of COVID-19 Infection 2020)
Zustand der Patient:innen
Beschreibung
Punktzahl
Nicht infiziert
Keine Infektion, keine virale RNA detektierbar
0
Ambulante milde Erkrankung
Asymptomatisch, virale RNA detektierbar
1
Symptomatisch, selbstständige Versorgung
2
Symptomatisch, Assistenz benötigt
3
Hospitalisiert: moderate Erkrankung
Hospitalisiert, keine Sauerstoffbehandlung
4
Hospitalisiert, nasale oder maskengestützte Sauerstoffgabe
5
Hospitalisiert: schwere Erkrankung
Hospitalisiert, High-Flow oder nicht-invasive (NIV) Sauerstoffgabe
6
Intubiert und maschinelle Beatmung, pO2/FiO2 ≥ 150 oder SpO2/
FiO2 ≥ 200
7
Maschinelle Beatmung, pO2/FiO2 < 150 (SpO2/FiO2 < 200) oder
Vasopressortherapie
8
Maschinelle Beatmung, pO2/FiO2 < 150 und
Vasopressortherapie, Dialyse oder ECMO
9
Verstorben
Verstorben
10
Neben der pulmonalen Affektion ist eine neurologische Beteiligung häufig. Insbesondere eine renale, kardiale und hepatische Beteiligung sind außerdem mit einem schweren Erkrankungsverlauf assoziiert. Während der Erkrankung kann es ab der zweiten Erkrankungswoche zu einer Verschlechterung der Klinik kommen. Der Krankheitsverlauf wird daher auch in eine frühe und eine späte Phase eingeteilt, wobei in der frühen Phase die virale Replikation bzw. Abwehr, in der späten Phase die systemische Inflammation im Vordergrund steht (Feldt et al. 2020; Siddiqi und Mehra 2020). Hierdurch unterscheidet sich auch das klinische Management der Erkrankung (siehe Abschn. 2.3.5, Prävention und Therapie).
Die Rekonvaleszenzphase nach akuter COVID-19-Erkrankung ist variabel. Wenn drei Monate nach Infektion Symptome persistieren bzw. Folgeerkrankungen auftreten, wird das klinische Bild aktuell unter dem Begriff Post-COVID-/Long-COVID-Syndrom zusammengefasst. Die Prävalenz ist aufgrund von unterschiedlichen Falldefinitionen und Studiendesigns schwer zu eruieren, wird von der WHO jedoch auf 10–20 % geschätzt (World Health Organization 2022). Dabei kann Post-/Long-COVID sowohl nach milder als auch nach schwerer Erkrankung und in allen Altersklassen in Personen mit oder ohne relevante Vorerkrankungen auftreten. Die Ätiologie ist noch unklar, eine multifaktorielle Genese ist aufgrund der unterschiedlichen Patient:innenpopulationen, die Post-/Long-COVID entwickeln, wahrscheinlich. Als mögliche Mechanismen werden die Persistenz von Virus(fragmenten), eine chronische Inflammation bzw. Autoimmunität und Gewebeschäden vermutet. Die Symptomatik kann stark variieren und beinhaltet körperliche, geistige/neurologische und unspezifische Beschwerden wie Fatigue, Belastungsdyspnoe und eine eingeschränkte (körperliche und/oder geistige) Leistungsfähigkeit (Koczulla et al. 2022).

Diagnostik

Goldstandard der SARS-CoV-2-Diagnostik ist der Nachweis von viraler RNA durch NAAT aus respiratorischem Material. In der Regel werden hierzu RT-PCRs aus Nasen- und/oder Rachenabstrichen durchgeführt. Aufgrund der Vielzahl der verfügbaren Assays ist die Sensitivität der einzelnen Tests variabel, allerdings hat ein positives Abstrichergebnis – aufgrund der hohen Spezifität und Prävalenz von COVID-19 – einen hohen positiven prädiktiven Wert. SARS-CoV-2-Infektionen lassen sich so zuverlässig diagnostizieren. Dabei können Cycle-Threshhold (CT)-Werte Aufschluss über die Viruslast geben und so kann die Infektiosität des Individuums in einem gewissen Maße abgeschätzt werden. Je niedriger der CT-Wert (also je weniger PCR-Zyklen für die Amplifikation und Detektion der viralen RNA durchgeführt werden müssen), desto höher die Viruslast. Einige Assays sind zudem so validiert, dass sie nicht nur den CT-Wert, sondern auch die genaue Anzahl der viralen Kopien/ml feststellen können.
Insbesondere in immunsupprimierten Patient:innen und im Rahmen schwerer Infektionen gelingt der Nachweis von viraler RNA zudem auch aus Vollblut.
NAATs amplifizieren i. d. R. lediglich Nukleinsäuresequenzen und können daher keinen oder nur einen indirekten Aufschluss (z. B. durch Nachweis von sog. PCR Target Failures) über mögliche Virusvarianten geben. Durch die Sequenzierung des Vollvirus oder definierte Mutationen können Virusvarianten dann in einem zweiten Schritt identifiziert werden.
Für die Durchführung von Point-of-Care-Testungen (POCT) und Selbsttestungen für den Hausgebrauch stellen Antigentests eine gute Alternative zu NAAT dar, da sie breiter verfügbar, kostengünstiger und einfacher anzuwenden sind. Sie werden aus nasopharyngealen Abstrichen durchgeführt. Aufgrund der generell niedrigeren Sensitivität im Vergleich zu NAAT schließt ein negativer Antigentest insbesondere bei symptomatischen Patient:innen eine SARS-CoV-2-Infektion nicht aus und sollte bei fortbestehendem klinischem Verdacht wiederholt bzw. durch einen NAAT ergänzt werden. Serologische Assays (i. d. R. ELISA, “enzyme-linked-immunosorbent assay”) können zum Nachweis erkrankungs- oder impfinduzierter Immunantworten angewendet werden.
Zusätzlich dienen bildgebende Verfahren (Röntgen bzw. CT-Thorax) und ein hämodynamisches Monitoring zur Schweregradeinteilung einer SARS-CoV-2-induzierten Pneumonie. Laborchemische und hämatologische Marker wie D-Dimere, CRP, LDH, Ferritin und eine Lymphopenie können zusätzlich zur frühzeitigen Einschätzung der Krankheitsschwere beitragen.

Prävention und Therapie

Neben NPI stehen mehrere Impfstoffe gegen COVID-19 zur Verfügung, die unterschiedliche Impfstoffplattformen nutzen, wie z. B. inaktivierte Vollvirusimpfstoffe, Proteinsubunit-, mRNA- und vektorbasierte Impfstoffe. Sie alle induzieren eine Immunantwort gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2, teilweise zusätzlich auch gegen andere Virusproteine.
Aufgrund der weltweiten Immunisierung der Bevölkerung gegen COVID-19 innerhalb kürzester Zeit bestehen substanzielle Erfahrungen mit COVID-19-Impfstoffen. Hierauf basierend unterliegt die SARS-CoV-2-Impfstofflandschaft einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Eine Übersicht der aktuell verfügbaren Impfstoffe gibt die WHO (World Health Organization 2023b). Neben der Entwicklung neuer Impfstoffkandidaten (z. B. auf Grundlage weiterer Impfstoffplattformen) werden bestehende Kandidaten an neue Virusvarianten adaptiert. Außerdem werden ideale Impfstoffschemata wie die optimale Dosierung für einzelne Personengruppen (Kinder, immunsupprimierte Personen), der Abstand und die Anzahl von Impfungen bzw. die Notwendigkeit von Auffrischimpfungen fortlaufend untersucht und angepasst. In Abhängigkeit des jeweiligen Risiko-/Nutzenprofils werden einzelne Impfstoffe zudem für bestimmte Personengruppen präferiert eingesetzt. COVID-19-Impfempfehlungen werden daher individuell ausgesprochen und unterliegen ebenfalls einer hohen Dynamik. Die aktuellen Impfempfehlungen für Deutschland veröffentlicht die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) regelmäßig in seinem Epidemiologischen Bulletin: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Impfempfehlung-Zusfassung.html.
Die Therapie von COVID-19 richtet sich nach der Erkrankungsphase und nach den patient:innenspezifischen Risikofaktoren für einen schweren Erkrankungsverlauf. Während die Virusevolution die Effektivität der bekannten Therapien weniger beeinflusst als die Vakzineffektivität (eine Ausnahme stellen monoklonale Antikörper dar), unterliegen auch die Therapieansätze und -indikationen einer ständigen Entwicklung. Es sei daher auf die entsprechende Leitlinie der AWMF sowie die Living Guideline der WHO verwiesen (Kluge et al. 2022; World Health Organization 2023a).
Zusammenfassend wird zwischen symptomatischer und kausaler – also medikamentöser – Therapie unterschieden. Dabei bestehen kausale Behandlungsoptionen aus antiviralen und immunmodulatorischen Ansätzen.
In der ersten Erkrankungsphase (ca. erste Woche ab Symptombeginn) steht die Risikostratifizierung im Vordergrund. Bei Personen ohne Risikoprofil wird i. d. R. keine Therapie begonnen, wohingegen bei Hochrisikopatient:innen so früh wie möglich eine spezifische Therapie eingeleitet werden soll. Dies gilt unabhängig von der Symptomschwere (d. h. auch bei a- oder oligosymptomatisch Erkrankten!). Da eine Vielzahl von Risikofaktoren für schweres COVID-19 besteht (s. Tab. 2, insbesondere hohes Alter!), ist eine antivirale Therapie bei einem signifikanten Anteil der Bevölkerung indiziert. Der Stellenwert monoklonaler Antikörper hängt von der Neutralisationskapazität in Bezug auf die jeweilige Virusvariante ab. Eine generelle Therapieempfehlung für einzelne Antikörper kann daher nicht gegeben werden.
In der späteren Erkrankungsphase besteht der Fokus – zusätzlich zu supportiven Maßnahmen, die primär auf die ausreichende Oxygenierung abzielen – auf einer antiinflammatorischen Therapie. Sobald Patient:innen eine Sauerstoffsupplementation benötigen (WHO Skala 5–9), besteht eine starke Empfehlung für den Einsatz von Dexamethason. Zusätzlich kommen Interleukin (IL)-1-Antagonisten, IL-6-Rezeptorblocker und Januskinase (JAK)-Inhibitoren, insbesondere bei kritisch Erkrankten oder Patient:innen, die sich klinisch rapide verschlechtern, zum Einsatz. Dabei sollten die einzelnen Medikamente außer mit Dexamethason aufgrund des hohen Nebenwirkungspotenzials nicht miteinander kombiniert werden. Auch bei Patient:innen mit aktiven bakteriellen oder fungalen Sekundärinfektionen ist für diese Therapieansätze aufgrund des stark immunsuppressiven Effektes der Nutzen gegenüber den potenziellen Risiken abzuwägen.
Aufgrund der zahlreichen Therapiestudien konnten in der Leitlinie zur Therapie hospitalisierter Patient:innen mit COVID-19 nun auch Medikamente benannt werden, die explizit nicht zu empfehlen sind (Ivermectin, Hydroxychloroquin u. a.) (Kluge et al. 2022).
Superinfektionen können im Rahmen von COVID-19 auftreten, bestehen aber nicht regelhaft, sodass eine generelle antimikrobielle Prophylaxe nicht indiziert ist.
Eine generelle Thromboembolieprophylaxe ist ebenfalls nicht indiziert, soll aber, sofern keine Kontraindikationen vorliegen, standardmäßig bei allen hospitalisierten Patient:innen erfolgen. Sie kann außerdem ambulant bei mindestens teilweise immobilen Patient:innen mit Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf durchgeführt werden.

Virale hämorrhagische Fieber

Ebola-, Marburg-, Lassa- und Krim-Kongo-Fieber sind neu auftretende Infektionserkrankungen, die traditionellerweise als virale hämorrhagische Fieber bezeichnet werden. Sie werden durch Filoviren (Ebolavirus, Marburgvirus), Nairoviren (Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber-Virus) bzw. Arenaviren (Lassa-Virus) verursacht wird. Da Ebolafieber im englischsprachigen Raum als Ebola Virus Disease (EVD) bezeichnet wird, wird synonym für Ebolafieber auch der (passendere) Terminus Ebola-Viruskrankheit gebraucht.

Ebolafieber

Definition

Ebolafieber bzw. die Ebola-Viruskrankheit wird von Viren der Gattung Ebolavirus verursacht, welche zu den für den Menschen virulentesten Pathogenen zählen. Es werden sechs Spezies unterschieden: Ebola-Virus (EBOV, früher Zaire Ebolavirus), Sudan-Ebolavirus (SUDV), Taï-Forest-Ebolavirus (TAFV, früher Côte d’Ivoire Ebolavirus), Reston-Ebolavirus (RESTV), Bundibugyo-Ebolavirus (BDBV) und Bombali-Virus (BOMV) (Fathi et al. 2019). Für RESTV und BOMV sind bislang noch keine symptomatischen Erkrankungen im Menschen beschrieben, während EBOV, SUDV, TAFV und BDBV die Ebola-Viruskrankheit auslösen können, sich jedoch in ihrem geografischen Vorkommen, ihrer klinischen Präsentation und Virulenz unterscheiden.

Epidemiologie

Ebolaviren werden durch direkten Kontakt mit infizierten Personen oder Tieren bzw. deren Körperflüssigkeit übertragen. Dies beinhaltet nicht nur den Kontakt mit Erkrankten, sondern auch mit Kadavern sowie – sporadisch – mit Körperflüssigkeiten Genesener mit Viruspersistenz (so sind Einzelfälle einer sexuellen Übertragung beschrieben). Die Erkrankung zeichnet sich durch eine hohe Fallsterblichkeit aus. Seit der Erstentdeckung von Ebolavirus 1976 wurden multiple Ausbrüche berichtet, wobei EBOV und SUDV den Großteil hiervon verursachten. EVD-Epidemien treten vorwiegend in Subsahara-Afrika auf und konnten bislang wiederholt eingedämmt werden. Jedoch wurde spätestens durch die EBOV-Epidemie in Westafrika 2014–2016 mit über 11.000 Todesopfern das hohe Risiko, welches Ebolaviren für die globale Gesundheit darstellen, offensichtlich. Tab. 4 gibt einen Überblick über die EVD-Ausbrüche mit der jeweils assoziierten Fallsterblichkeit seit 1976.
Tab. 4
Ebolavirusausbrüche seit Erstbeschreibung der Ebola-Viruskrankheit 1976. (World Health Organization 2020; Centers for Disease Control and Prevention o. J.)
Virusspezies
Jahr
Ausbruchsort
Anzahl der Erkrankungsfälle bei Menschen
(% Todesfälle)
Ebola-Virus (EBOV)
1976
Yambuku, Republik Zaire (jetzt: Demokratische Republik Kongo, DRC)
318 (88 %)
1994
Ogooue-Invindo Provinz, Gabun
52 (60 %)
1995
Kikwit, DRC
315 (81 %)
1996
Mayibout, Gabun
37 (57 %)
1996
Booue, Gabun und Johannesburg, Südafrika
62 (74 %)
2001–2002
Ogooue-Invindo Provinz, DRC
122 (79 %)
2002–2003
Cuvette Region, DRC und Ogooue-Invindo Provinz, Gabun
143 (89 %)
2003
Mboma und Mbandza, DRC
35 (83 %)
2007
Kasai Occidental Provinz, DRC
264 (71 %)
2008/2009
DRC
32 (47 %)
2014
DRC
69 (71 %)
2014–2016
Guinea, Liberia, Sierra Leone (weitverbreitet)
28.610 (39 %)
2018–2020
DRC
3470 (66 %)
2020
DRC
130 (42 %)
2021
Guinea
23 (52 %)
2021 (Februar–Mai)
DRC
12 (50 %)
2021 (Oktober–Dezember)
DRC
11 (55 %)
2022 (April–Juli)
DRC
5 (100 %)
2022
(August–September)
DRC
1 (100 %)
Sudan-Virus (SUDV)
1976
Nzara, Maridi, Tembura, Juba, Sudan
284 (53 %)
1979
Nzara, Yambio, Sudan
34 (65 %)
2000–2001
Gulu, Masindi, Uganda
425 (53 %)
2004
Yambio, Sudan
17 (41 %)
2011
Uganda (Luwero Distrikt)
1 (100 %)
2022–2023
Uganda (Mubende, Kyegegwa und Kassanda Distrikt)
164 (47 %)
Taï-Forest-Virus
1994
Taï Nationalpark, Elfenbeinküste
1 (0 %)
Reston-Virus
1989
Reston, Virginia, USA
4 (0 %)
1992
Siena, Italien
0
1996
Alice, Texas, USA
0
2008
Philippinen
0
Bundibugyo-Virus
2007/2008
Uganda
149 (25 %)

Klinik

Nach einer mittleren Inkubationszeit von 6–12 Tagen entwickeln Infizierte erste Symptome und gelten dann als infektiös. Seroprävenlenzstudien werfen die Frage auf, ob auch a- bzw. oligosymptomatische Verläufe möglich sind, die Datenlage ist hier jedoch noch nicht ausreichend. Ob prä- oder asymptomatische Personen auch infektiös sind, ist unklar.
Da Ebolaviren einen breiten Zelltropismus haben, führt die Infektion zu weitreichenden Gewebeschäden. Typische Symptome haben daher eine große Breite und beinhalten Fieber, Kopfschmerzen bzw. neurologische Symptome, Myalgien, Abgeschlagenheit, gastrointestinale Symptome wie Durchfall und Erbrechen (Schieffelin et al. 2014) sowie in einigen Fällen das Auftreten eines makulopapulösen Hautausschlags (Bwaka et al. 1999). Die Bezeichnung von EVD als hämorrhagisches Fieber wird heute nicht mehr verwendet, da nur eine Minderheit der Patient:innen Koagulopathien und Hämorrhagien entwickeln und diese erst in späten Krankheitsstadien auftreten. Insbesondere im späteren Krankheitsverlauf kann es außerdem zu einem Multiorganversagen (Nierenversagen, respiratorische Dekompensation) kommen. Auch nach akuter Erkrankung können Symptome wie neurokognitive Einschränkungen, Arthralgien und Myalgien persistieren.

Diagnostik

Typische EVD-Symptome sowie ein epidemiologischer Link zu einem Ausbruchsgebiet oder zu einer an EVD erkrankten Person innerhalb von 21 Tagen seit Symptombeginn gelten als Definition eines EVD-Verdachtsfalles und sollten eine spezifische Diagnostik, typischerweise mittels RNA-Detektion im Blut durch NAAT, triggern. Hierbei sei erwähnt, dass die NAAT erst 72 h nach Symptombeginn sensitiv genug sind, um EVD bei negativem Testergebnis ausreichend sicher auszuschließen. Einen spezifischen laborchemischen Marker für EVD gibt es nicht. In der Laborchemie fallen – oft bereits zu Symptombeginn – jedoch häufig Blutbildveränderungen (insbesondere Lympho- und Thrombozytopenien), erhöhte Transaminasen, erniedrigte Nierenfunktionsparameter und Elektrolytentgleisungen auf (Uyeki et al. 2016).

Prävention und Therapie

Zur Eindämmung und Kontrolle von Ebola-Virusinfektionen haben Infektionskontrollmaßnahmen einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus stehen für EBOV, jedoch nicht für andere Ebolavirus-Spezies, zugelassene prophylaktische Vakzine zur Verfügung. Der attenuierte Vektorimpfstoff VSV-EBOV ist für Erwachsene und Kinder ab einem Jahr zugelassen, wird als Einmalgabe verabreicht und wird auch im Rahmen einer Postexpositionsprophylaxe verwendet, wobei die Wirksamkeit in dieser Situation unklar ist. Während die Wirksamkeit einer präventiven Impfung nahezu 100% beträgt (Fathi et al. 2019), ist die Dauer der Schutzwirkung noch unklar.
Als zweites lizensiertes Impfschema steht der Kombinationsimpfstoff Ad26.ZEBOV/MVA-BN-Filo zur Verfügung. Die Impfstoffkomponenten werden in einem achtwöchigen Abstand gegeben. Beide Komponenten sind replikationsdefiziente Vektorimpfstoffe und sind ebenfalls für Kinder ab einem Jahr und Erwachsene zugelassen. Ad26.ZEBOV exprimiert, wie auch VSV-EBOV, ein EBOV-Antigen (EBOV-Glykoprotein), während MVA-BN-Filo Antigene von EBOV, SUDV, TAFV und Marburgvirus exprimiert und daher ggf. auch eine Schutzwirkung gegen die entsprechenden Filoviren bieten könnte. Klinische Daten liegen hierzu aktuell jedoch nicht vor. Auch für Ad26.ZEBOV/MVA-BN-Filo bestehen u. a. zur der Langzeitimmunogenität des Impfstoffes noch offene Fragen; aktuell wird eine Auffrischimpfung empfohlen.
Die Grundlage der Therapie bilden ein intensives Monitoring und supportive (intensivmedizinische) Maßnahmen, um die Organfunktionen zu sichern und die teilweise extremen Flüssigkeitsverluste und damit verbundenen Elektrolytverschiebungen auszugleichen. Durch eine bedarfsgerechte supportive Therapie konnte die Fallsterblichkeit während der westafrikanischen EBOV-Epidemie stark reduziert werden (Uyeki et al. 2016). Im Rahmen dieser Epidemie konnten außerdem spezifische Therapieansätze evaluiert werden. In einer randomisierten klinischen Studie mit mehreren Therapieoptionen konnte für die Therapie mit dem monoklonalen Antikörper mAB114 und der Antikörperkombination REGN-EB3 ein geringgradiger Überlebensvorteil gezeigt werden (Mulangu et al. 2019). Für andere Ebolavirus-Spezies sind hingegen keine spezifischen Therapien bekannt und es muss davon ausgegangen werden, dass die monoklonalen anti-EBOV-Antikörper keine oder keine ausreichende Wirkung gegen andere Ebolaviren besitzen.

Was tun bei Verdacht auf eine Erkrankung durch hochpathogene Erreger?

Zur Einordnung von Symptomen, die bei entsprechender (Reise-)Anamnese bei Infektionen mit hochpathogenen Erregern auftreten können, hat das RKI einen interaktiven Leitfaden erstellt (https://multimedia.gsb.bund.de/RKI/Flowcharts/HCID-FS/#/definition). Bei begründetem Verdacht einer Erkrankung durch hochpathogene Erreger (sog. HCID, High Consequence Infectious Disease) soll die Kontaktaufnahme mit der STAKOB (Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger) des RKI erfolgen (Kontaktdaten der regional zuständigen Kompetenz- und Behandlungszentren unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Stakob/Stakob_node.html). Gleichzeitig soll das zuständige Gesundheitsamt informiert werden. Das Aussprechen eines begründeten Verdachtsfalls erfolgt dann durch den/die Amtsärzt:in.

Schlussbetrachtungen und Zusammenfassung

Durch den Ausbruch von neu auftretenden Infektionserkrankungen (EID) können internationale Gesundheitsnotlagen (PHEIC) entstehen. Die WHO evaluiert und definiert regelmäßig Pathogene, von denen aufgrund hoher Virulenz, nicht vorhandener Immunität in der Bevölkerung und/oder fehlender Therapie- und Präventionsansätze eine große Gefahr für die Weltgesundheit ausgeht und die Forschung und Entwicklung von spezifischen Medikamenten und Vakzinen daher priorisiert werden sollte. Dabei wird auch betont, dass die nächste PHEIC von einem noch unbekannten Pathogen („Disease X“) ausgelöst werden kann, und dieser Fall trat durch die SARS-CoV-2-Pandemie ein. Außerdem haben natürlich auch andere EID das Potenzial, eine PHEIC zu verursachen, wie wir beispielsweise während der Mpox-Epidemie erfahren haben. Daher ist es im Rahmen der Pandemievorbereitung wichtig,
a)
kontinuierlich neu auftretende Pathogene bzgl. des Risikos, welches sie für die globale Gesundheit darstellen, zu bewerten;
 
b)
frühzeitig an Impfstoffen und Therapeutika für priorisierte Virusgattungen zu arbeiten;
 
c)
breit anwendbare Impfstoffplattformen sowie
 
d)
Hochdurchsatz-Screeningverfahren für die Erforschung von möglichen Wirkstoffen/Therapeutika weiterzuentwickeln.
 
Von den prioritären Pathogenen wurden in diesem Kapitel die hochvirulenten Coronaviren sowie Ebolaviren im Detail besprochen. Im Rahmen der differenzialdiagnostischen Abklärung passender Symptome sollten EID – insbesondere bei erhöhtem epidemiologischem Risiko – mit bedacht werden.
Literatur
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