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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 27.12.2019

Diabetes mellitus

Verfasst von: Claus Hader und Kurt Rasche
Zwischen einer Diabetes-Erkrankung nebst ihren häufigen Begleiterkrankungen einerseits und Störungen des Schlafes und schlafmedizinischen Erkrankungen andererseits bestehen zahlreiche wechselseitige Beziehungen. Eine Unterscheidung zwischen Ursachen und Folgen oder zwischen Kausalität und Assoziationen der verschiedenen Faktoren ist oft nicht möglich. Wird bei der Behandlung des Diabetes das Augenmerk auf eventuell bestehende schlafmedizinische Aspekte gerichtet, lässt sich aber die Versorgung der Betroffenen deutlich verbessern.

Synonyme

Zuckerkrankheit

Englischer Begriff

diabetes mellitus

Definition

Diabetes mellitus ist definiert als eine durch den Leitbefund chronische Hyperglykämie charakterisierte Regulationsstörung des Stoffwechsels. Es liegt entweder eine gestörte Insulinsekretion oder eine verminderte Insulinwirkung oder auch beides zugrunde. Die chronische Hyperglykämie führt über die Diabetes-spezifische Mikroangiopathie zu Folgeerkrankungen, vorwiegend an Augen, Nieren und Nervensystem. Über die Diabetes-assoziierte Makroangiopathie entstehen Folge- beziehungsweise Begleiterkrankungen vorwiegend an Herz, Gehirn, Nerven und den peripheren Arterien. Bei Diabetikern mit „Polyneuropathien“ (PNP) wird im Vergleich zu Diabetikern ohne PNP gehäuft eine Assoziation mit Obstruktiver Schlafapnoe (OSA; siehe „Obstruktive Schlafapnoe“) gefunden. Der Begriff des Metabolischen Syndroms beschreibt das gemeinsame Auftreten von Glukoseintoleranz oder Typ-2-Diabetes mit einer abdominellen Adipositas und/oder Dyslipoproteinämie und einer essenziellen arteriellen Hypertonie. Weitere Facetten des Metabolischen Syndroms sind Hyperurikämie, gegebenenfalls auch Gicht, gestörte Fibrinolyse, Hyperandrogenämie bei Frauen und Obstruktive Schlafapnoe. „Hypersomnie“ bei Diabetikern kann die Folge der obstruktiven Atmungsstörung sein. Weiterhin können eine Reihe von Diabetes-assoziierten Funktionsstörungen und Erkrankungen die Erholsamkeit des Nachtschlafs beeinträchtigen.

Genetik, Geschlechterwendigkeit

Für den Typ-2-Diabetes besteht eine genetische Determinierung, deren zugrunde liegende Faktoren im Detail noch unbekannt sind. Die genetische Penetranz ist sehr hoch. Während zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr deutlich mehr Männer als Frauen von einem Diabetes mellitus Typ 2 betroffen sind, gleicht sich die Prävalenz mit steigendem Alter zunehmend an. Neben der Altersstruktur sind Faktoren wie die Relation diagnostizierter Fälle zu unerkannten Fällen, Versorgungssituation und Risikofaktorenlast für die Prävalenz relevant. Bei OSA dominieren die Männer in allen Altersklassen, vor allem aber bei den 45- bis 65-Jährigen.

Epidemiologie und Risikofaktoren

Die Prävalenz des Diabetes mellitus in Deutschland steigt mit zunehmendem Lebensalter an. Daten aus der ehemaligen DDR (1987) ergeben in der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen eine Häufigkeit des Diabetes von 14,0 % bei Männern und 16,2 % bei Frauen. Am häufigsten kommt der Diabetes mellitus im 75.–79. Lebensjahr vor: 15,6 % bei Männern und 20,5 % bei Frauen gemäß WHO-Kriterien von 1985. Mit weiter ansteigendem Alter sinkt die Diabetes-Prävalenz wieder ab. Der Anteil bei den über 95-Jährigen beträgt 5,07 % (Männer) und 6,02 % (Frauen). Die 12-Monats-Prävalenz des Diabetes mellitus wurde in der Studie GEDA 2014/2015-EHIS durch Selbstangabe der Befragten bei den über 65-Jährigen mit 21,1 % bei Männern und 17,6 % bei Frauen beziffert. Daten aus Süddeutschland aus dem Jahr 2000 zeigen eine Diabetes-Prävalenz im 70.–74. Lebensjahr von 23,1 % bei Männern und 17,0 % bei Frauen nach den WHO-Kriterien von 1999 (Rathmann et al. 2003).
Schon 1994 wurde gezeigt, dass ungefähr jeder dritte Patient mit Diabetes mellitus unter Schlafstörungen leidet, während es in der Kontrollgruppe nur jeder zehnte war. Alter und Übergewicht sind unabhängige Faktoren, die mit Obstruktiver Schlafapnoe einhergehen. Für Diabetes konnte dies bis heute nicht zweifelsfrei belegt werden. Ein epidemiologischer Zusammenhang zwischen Obstruktiver Schlafapnoe und autonomer diabetischer Neuropathie konnte jedoch bereits Anfang der 1980er-Jahre in mehreren kleineren Studien gezeigt werden. Diese Studien ließen jedoch keine Aussage über eine mögliche Kausalität zu. Insbesondere wurde Übergewicht, das sowohl zum Diabetes mellitus als auch zur Obstruktiven Schlafapnoe prädisponiert, in den Untersuchungen nicht ausreichend berücksichtigt. Ficker et al. konnten 1998 an einer größeren Population von Diabetikern mit autonomer Neuropathie zeigen, dass Obstruktive Schlafapnoe bei ca. 26 % der Patienten mit Diabetes und autonomer Neuropathie zu beobachten war. Dabei waren schwergradige Sauerstoffentsättigungen in allen Untersuchungen selten, während die Formen der Obstruktiven Schlafapnoe mit eher niedrigem Apnoeindex, aber mit ausgeprägter Hypersomnie dominierten (Ficker et al. 1998).
Eine epidemiologische Studie aus dem Jahr 2003 zeigte, dass Menschen mit Diabetes gehäuft zentrale Atemregulationsstörungen und eine Cheyne-Stokes-Atmung aufweisen.

Pathophysiologie

Bis heute sind die zugrunde liegenden Mechanismen für den Zusammenhang zwischen schlafbezogenen Atmungsstörungen, arterieller Hypertonie, Alter und Diabetes mellitus nicht vollständig aufgeklärt. Insbesondere kann der Effekt der Adipositas als prädisponierender Faktor für OSA und Diabetes ist in seiner pathophysiologischen Bedeutung nicht präzise beschrieben werden. In den letzten Jahren verdichten sich Hinweise, dass Störungen des autonomen Nervensystems, insbesondere die veränderte Kontrolle der Sympathikusaktivität eine wesentliche Rolle für das Auftreten von OSA bei Menschen mit Diabetes spielen.
Zum Zusammenhang zwischen Diabetischer autonomer Neuropathie (DAN) und OSA wird vermutet, dass neben der Schädigung zentralnervöser Strukturen auch Störungen der Parasympathikusaktivität in den Bereichen von Nervus vagus und Nervus glossopharyngeus dabei eine Rolle spielen. Beide Hirnnerven sind an der Offenhaltung der oberen Atemwege während der Inspiration und bei der Regulation der Atmung beteiligt. Sie innervieren beispielsweise große Teile der Zungengrundmuskulatur, sogenannte Schlundschnürer wie Musculus constrictor pharyngis superior und medius inferior und die Schlundheber Musculus palatopharyngeus und stylopharyngeus. Die Steuerung der Muskelspannung erfolgt wesentlich über Propriozeptoren, die in den Muskelspindeln lokalisiert sind und auf Dehnungsreize reagieren. Über eine zentralnervös geregelte Vordehnung hat die Arbeitsmuskulatur eine optimale Spannung, um auf die motorische Innervation durch die Vorderhornzellen als Efferenzen der Willkürmotorik zu reagieren. Werden die zu den Muskelspindeln führenden empfindlichen efferenten Fasern durch eine Polyneuropathie geschädigt, sinkt der Tonus der betroffenen Skelettmukulatur. Eine gestörte Innervation der Muskulatur des „Pharynx“ kann im Schlaf zur Erschlaffung und zum Kollaps der Zungengrund- und Schlundhebermuskulatur mit Obstruktion der oberen Atemwege führen („Schnarchen“). Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Atmungsantwort auf Hypoxämie bei Diabetikern, insbesondere bei solchen mit autonomer Neuropathie, reduziert ist. Hierfür wird die Schädigung der autonomen parasympathischen Fasern verantwortlich gemacht, welche die Chemorezeptoren in der Arteria carotis innervieren. Siehe auch „Autonomes Nervensystem“.
Einige Menschen mit Diabetes weisen eine verzögerte Reaktion auf Hypoxiereize auf, was eine Erklärung für tiefere Entsättigungen bei OSA sein könnte. Dabei kommt dem Glomus caroticum vermutlich eine zentrale Rolle zu. Es handelt sich um ein pluripotentes Paraganglion, das in seiner Funktion als Chemorezeptor sowohl auf Hypoxie als auf Hypoglykämie reagiert. Hyperglykämie führt kurzfristig zu einer „down regulation“ des Rezeptors, langfristig zu einer Degeneration des Rezeptorgewebes, am wahrscheinlichsten durch mikroangiopathische Schädigung. Dieser Prozess könnte die verzögerte Antwort auf Hypoxiereize des Glomus sowohl im Rahmen des Diabetes als auch im Rahmen der Schlafapnoe erklären.
Bei Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe findet sich gehäuft eine Insulinresistenz. Diese wird zumindest teilweise durch einen erhöhten Sympathikotonus verursacht, der durch nächtliche Hypoxie und konsekutive Arousals induziert ist. OSA kann eine bereits vorhandene sympathische Dysregulation bei Patienten mit Metabolischem Syndrom verschlechtern. Es wird daher vermutet, dass die Schlafapnoe selber ein eigenständiger Risikofaktor für die Entstehung des Diabetes mellitus ist und dass eine nasale Ventilationstherapie mit Continuous Positive Airway Pressure („CPAP“) die Insulinsensitivität des Körpers verbessern kann. Hierbei ist es bisher nicht möglich zu unterscheiden, ob die Verbesserung der Insulinsensitivität aus der Reduktion nächtlicher sympathischer Aktivität oder durch die Beeinflussung konkomitierender Faktoren wie Gewichtsreduktion resultiert. Es konnte gezeigt werden, dass es bei Menschen mit Diabetes, hohem kardiovaskulären Risiko und Obstruktiver Schlafapnoe durch Einsatz einer CPAP-Therapie zum Abfall serologischer Mediatoren wie Interleukin 6, Interleukin 8 und CRP kommt. Weitere proinflammatorische Mediatoren wie Leptin, TNF-α und Interleukin-1-β sowie Sauerstoffradikale sind ohne Therapie erhöht. Es gilt somit heute als sicher, dass die Obstruktive Schlafapnoe ähnlich wie der Diabetes mellitus Typ 2 ein Risikofaktor für die Entstehung der Arteriosklerose ist und eine CPAP-Therapie auch dieses Risiko zu reduzieren vermag. Siehe auch „Atherosklerose und Obstruktive Schlafapnoe“; „Endotheliale Dysfunktion“.
Inwieweit Insulinresistenz, Adipositas oder hormonelle Störungen oder Störungen auf Zytokinebene als gemeinsame pathogenetische Grundlage von Obstruktiver Schlafapnoe und Diabetes mellitus anzusehen sind, ist noch ungeklärt. Die meisten Studien zeigen, dass rezidivierende toxische Zustände die Glukosehomöostase stören können. Auch eine Verkürzung des Schlafs sowie wiederkehrende Unterbrechungen des Schlafs können einen Einfluss auf die Glukoseregulation haben. Es findet sich somit eine cross-sektionale Assoziation zwischen Obstruktiver Schlafapnoe und Metabolischem Syndrom, die unabhängig von einer begleitenden Adipositas ist. Bis heute ist noch keine klare Aussage zur Kausalität von Metabolischem Syndrom und Schlafapnoe möglich. Siehe auch „Kardiovaskuläre Folgen der Obstruktiven Schlafapnoe“.
Experimentelle Daten aus Tierversuchen und Studien an Menschen weisen darauf hin, dass rezidivierende toxische Zustände die Glukosehomöostase stören können. Auch eine Verkürzung des Schlafs sowie wiederkehrende Unterbrechungen des Schlafs können einen Einfluss auf die Glukoseregulation haben. Ein physiologischer Anstieg der Plasmaglukose und der Insulinkonzentration findet sich typischerweise in den frühen Morgenstunden zwischen 5 und 9 Uhr. (Dawn-Phänomen). Epidemiologische Daten zeigen eine Assoziation zwischen selbst beobachteter kurzer Schlafzeit (<6 Stunden/Tag) und dem Auftreten von Diabetes mellitus. In 2 Metaanalysen aus den Jahren 2010 und 2013 wurde ein relativer Risikoanstieg für die Entwicklung eines Diabetes mellitus von 30 % gezeigt. Chronischer Schlafentzug führt zu einem Anstieg der Insulinresistenz. Es wird vermutet, dass eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems und der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (Stressachse) die beobachteten Veränderungen erklären könnte. Auch wird ein Zusammenhang zu den Hormonen Leptin und Ghrelin vermutet, die bei künstlichem Schlafentzug vermindert (Leptin) oder vermehrt (Ghrelin) ausgeschüttet werden. Dies hat vermutlich Einfluss auf das Sättigungsgefühl und führt zu einer Steigerung des Appetits und führte in Studien zu unregelmäßigen Essgewohnheiten. Auch gibt es Daten, die zeigen, dass Schlafentzug die Insulinantwort auf Glukosebelastung reduziert und mit erhöhten proinflammatorischen Zytokinspiegeln einhergeht.

Symptomatik

Schlafbezogene „Beschwerden und Symptome“ wie Insomnie und Hypersomnie sind bei Diabetikern häufig anzutreffen. So ist bekannt, dass Diabetiker häufiger Schlafmittel einnehmen als nichtdiabetische Kontrollpersonen. Die Ursachen für Insomnie sind zahlreich und insbesondere bei älteren Patienten häufig in deren Multimorbidität begründet. Infrage kommen insbesondere chronische Schmerzen (siehe „Schmerz“), „Affektive Störungen“, „Schlafbezogene Beinmuskelkrämpfe“, Symptome einer Polyneuropathie (siehe „Polyneuropathien“), „Gastroösophagealer Reflux“ und Diabetes-assoziierte Obstipation oder Diarrhoe. Mit zu den häufigsten schlafstörenden Ursachen gehören Nykturie und nächtliche Polyurie infolge Diabetes-assoziierter Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Hypertonie, Niereninsuffizienz, einer diabetogenen Blase oder einer Obstruktiven Schlafapnoe. Umgekehrt kann gestörter Schlaf körperlichen und geistigen Abbau begünstigen sowie Stimmungsschwankungen bis hin zu Angststörungen und Depression zur Folge haben (Hader et al. 2004). Die Bedeutung von Hypoglykämien auf den Schlaf des älteren Diabetikers wird in der Regel überschätzt. Während leichte Hypoglykämien wenig Einfluss auf die Schlafarchitektur zeigen, können allerdings schnelle Änderungen des Blutzuckerspiegels sogar unabhängig von der Höhe der Blutglukose zum Erwachen führen. Hypersomnie ist bei Diabetikern zum einen Folge des nicht erholsamen Schlafs durch die oben beschriebenen Schlafstörungen, andere häufige Ursachen hierfür sind auch komorbide schlafmedizinische Erkrankungen wie Obstruktive Schlafapnoe, Restless-Legs-Syndrom (RLS) und periodische Extremitätenbewegungen im Schlaf (PLMS), insbesondere bei langjährigen Diabetikern mit Polyneuropathie.

Komorbide Erkrankungen

Diabetes ist häufig mit schlafbezogenen Erkrankungen wie Obstruktive Schlafapnoe, RLS, PLMS und Insomnie assoziiert. Sowohl Diabetes mellitus Typ 2 als auch OSA sind wiederum assoziiert mit Erkrankungen und Störungen wie „Bluthochdruck“, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht und Insulinresistenz. Bei Patienten mit Diabetes mellitus wurde gezeigt, das nicht nur OSA, sondern auch einfaches Schnarchen einen Einfluss auf die Insulinempfindlichkeit, die Nüchternglukose und den HbA1c-Wert hat.

Diagnostik

Im Hinblick auf schlafspezifische Ursachen von Beschwerden steht die Anamnese im Vordergrund. Patienten mit Diabetes mellitus leiden gehäuft unter chronischen Schmerzen und depressiven Störungen, die nicht nur Folge, sondern vor allem Ursache von Schlafstörungen sind. Klagen insbesondere ältere Diabetiker über Schlafstörungen und nicht erholsamen Schlaf, sollte systematisch nach Diabetes-assoziierten Funktionsstörungen gesucht werden, die eine Interaktion mit dem Nachtschlaf haben können. Bei Patienten mit Diabetes und Polyneuropathie sollte immer nach Tagesschläfrigkeit, lautem Schnarchen und intermittierenden nächtlichen Atempausen gefragt werden, um bei Verdacht auf OSA eine Untersuchung im Schlaflabor zu veranlassen.

Prävention

Diabetes-Screening und Prävention durch Lebensstiländerung

Der Nutzen eines bevölkerungsweiten Diabetes-Screenings konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Untersuchungen aus England sowie Berechnungen auf der Datenbasis der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) kommen zu dem Schluss, dass nur ein Screening von Risikopopulationen klinisch und ökonomisch sinnvoll ist. Möglicherweise sind Scoresysteme auf der Basis von Risikoprädiktoren Glukosemessungen zur Diabetes-Prädiktion überlegen. Bei Personen mittleren Alters mit einer gestörten Glukosetoleranz („impaired glucose tolerance“, IGT), aber ohne Diabetes, lässt sich durch Änderung des Lebensstils (Lifestyle-Intervention) und/oder in geringerem Maße auch durch pharmakologische Intervention (Acarbose, Metformin) die Manifestationshäufigkeit eines Diabetes mellitus reduzieren. Eine große chinesische Studie dagegen zeigte in einem 23-jährigen Follow-up erstmals, dass aktiv begleitete Lebensstiländerungen über 6 Jahre hinweg bei früh diagnostiziertem Diabetes einen positiven Einfluss auf die Sterblichkeit haben kann.

Diabetes-Prävention durch Änderung des Schlafverhaltens

In den letzten Jahren fanden sich in großen epidemiologischen Studien immer wieder Hinweise, dass sowohl eine kurze nächtliche „Schlafdauer“ als auch repetitive Schlafunterbrechungen das Risiko erhöhen, an Diabetes mellitus zu erkranken. Nach Veröffentlichung der Nurses Health Study aus dem Jahre 2003 entstand die Diskussion über einen Zusammenhang zwischen einer kurzen Schlafdauer und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Diabetes (Ayas et al. 2003). In dieser Studie waren Daten von 70.026 Krankenschwestern ohne Diabetes-Erkrankung gesammelt worden. In dem Kollektiv fand sich bei einer Schlafdauer unter 5 Stunden ein 1,57-faches Risiko, an Diabetes mellitus zu erkranken, auch nach Korrektur für die wichtigsten Risikofaktoren. Ein Zusammenhang zwischen Übergewicht, Diabetes und kurzer Schlafdauer konnte aufgezeigt werden. Auch in einer schwedischen, in einer japanischen und in einer 2004 veröffentlichten Studie aus Boston fanden sich Hinweise, dass Menschen mit Ein- oder Durchschlafstörungen ein erhöhtes Diabetes-Risiko haben. Pathophysiologisch werden die epidemiologischen Daten dadurch erklärt, dass es durch Schlafentzug oder gestörten Schlaf zum Anstieg kontrainsulinärer Hormone im Blut kommt. So fanden einzelne Studien nach Schlafentzug sowohl eine verminderte Insulinempfindlichkeit als auch eine Störung des Insulinsekretionsmusters, wie es für die Frühstadien des Typ-2-Diabetes (Prädiabetes Typ 2, gestörte Glukosetoleranz/IGT und gestörte Nüchternglukose/IFG) typisch ist. Ob diese experimentell ausgelegten Kurzzeituntersuchungen die epidemiologischen Ergebnisse aus der Nurses Health Study, den schwedischen, japanischen und amerikanischen Untersuchungen erklären, ist fraglich. Für die Diabetes-Prävention könnte die Therapie der Insomnie eine neue Option darstellen. Siehe auch „Stress und Hyperarousal“; „Endokrinium“.
Auch sehr lange Schlafzeiten wurden mit einem erhöhten Diabetes-Risiko assoziiert. Hierbei ist zu beachten, dass diese Kohorten gehäuft Personengruppen enthielten, denen langes Schlafen aus sozialen und gesundheitlichen Gründen möglich war: Rentner, beziehungsweise Frührentner, Arbeitslose, Erwerbsunfähige, chronisch Kranke und Behinderte. Es mag angezweifelt werden, ob es möglich ist, diese Faktoren aus einer Betrachtung herauszurechnen.

Therapie

Nach Identifizierung von Schlaf störenden Einflüssen durch Diabetes-assoziierte Erkrankungen und Störungen, sind diese einer an den Ursachen orientierten Therapie gut zugänglich (Empfehlungen finden sich in der Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Diabetes im Alter“; Hader et al. 2004).

Prognose

Die Lebenserwartung von Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes ist vermindert, auch wenn der Diabetes mellitus erst nach dem 60. Lebensjahr festgestellt wurde. Dabei liegt die altersstandardisierte Mortalitätsrate für Männer höher als für Frauen. Todesursache sind im Wesentlichen die Koronare Herzkrankheit und zerebrovaskuläre Erkrankungen. Diabetiker mit autonomer Polyneuropathie weisen innerhalb der Diabetiker eine erhöhte Mortalität auf, häufig durch nächtliche Todesfälle. Da Diabetiker mit PNP gehäuft an Obstruktiver Schlafapnoe erkranken, dürfte eine adäquate Diagnostik und Therapie deren Prognose verbessern.

Zusammenfassung, Bewertung

Zwischen einer Diabetes-Erkrankung nebst ihren häufigen Begleiterkrankungen einerseits und Störungen des Schlafes und schlafmedizinischen Erkrankungen andererseits bestehen zahlreiche wechselseitige Beziehungen. Eine Unterscheidung zwischen Ursachen und Folgen oder zwischen Kausalität und Assoziationen der verschiedenen Faktoren ist oft nicht möglich. Wird bei der Behandlung des Diabetes das Augenmerk auf eventuell bestehende schlafmedizinische Aspekte gerichtet, lässt sich aber die Versorgung der Betroffenen deutlich verbessern.
Literatur
Ayas NT, White DP, Al-Delaimy WK et al (2003) A prospective study of self-reported sleep duration and incident diabetes in women. Diabetes Care 26(2):380–384CrossRefPubMed
Ficker JH, Dertinger SH, Siegfried W et al (1998) Obstructive sleep apnoea and diabetes mellitus: the role of cardiovascular autonomic neuropathy. Eur Respir J 11:14–19CrossRefPubMed
Hader C, Beischer W, Braun A et al (2004) Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter. Evidenzbasierte Diabetes-Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Diabetes Stoffwechsel 13:31–56
Rathmann W, Haastert B, Icks A et al (2003) High prevalence of undiagnosed diabetes mellitus in Southern Germany: target populations for efficient screening. The KORA survey 2000. Diabetologia 46:182–189CrossRefPubMed
St-Onge MP, Grandner MA, Brown D et al (2016) Sleep duration and quality: impact on lifestyle behaviors and cardiometabolic health: a scientific statement from the American Heart Association. Circulation 134(18):e367–e386CrossRefPubMedPubMedCentral