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Pädiatrie
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Publiziert am: 24.07.2024 Bitte beachten Sie v.a. beim therapeutischen Vorgehen das Erscheinungsdatum des Beitrags.

Glomerulonephritiden bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Burkhard Tönshoff
Eine Glomerulonephritis im Kindesalter präsentiert sich in der Regel mit den Symptomen Hämaturie, Proteinurie, peripheren Ödemen und häufig einer arteriellen Hypertonie. Verschiedene Faktoren können eine Glomerulonephritis auslösen, gemeinsam ist allen Formen eine glomeruläre Schädigung durch Entzündung. Die Entzündung beruht in unterschiedlichem Ausmaß auf einer Komplementaktivierung, der Infiltration von Entzündungszellen und der Freisetzung von Zytokinen und Wachstumsfaktoren. In manchen Fällen kann eine Glomerulonephritis zur irreversiblen Schädigung des Nierengewebes mit progredienter Nierenfunktionsstörung führen. Man unterscheidet primäre Glomerulonephritiden, die sich isoliert in der Niere abspielen, sekundäre Glomerulonephritiden als Folge einer Infektionskrankheit und Glomerulonephritiden bei Systemerkrankungen wie z. B. dem Lupus erythematodes.

Primäre Glomerulonephritiden

Primäre IgA-Nephropathie

Definition und Epidemiologie
Die Immunglobulin-A(IgA)-Nephropathie ist eine chronische Glomerulonephritis, die pathologisch-anatomisch durch mesangioproliferative Veränderungen und immunhistologisch durch IgA-Ablagerungen im Mesangium der Glomeruli gekennzeichnet ist (Abb. 1). Die IgA-Nephropathie ist die weltweit häufigste Glomerulonephritis. Sie tritt bei Kindern und Jugendlichen häufig mit isolierter Mikrohämaturie (bis zu 35 %) oder nichtnephrotischer Proteinurie (bis zu 30 %) auf. Unterschiede in der Prävalenz bestehen in Abhängigkeit von der geografischen Region (häufiger im Mittelmeerraum, Nordeuropa, Asien und Australien, seltener bei Afroamerikanern). Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Familiäre Fälle wurden beschrieben, sodass zumindest in einem Teil der Fälle genetische Faktoren an der Initiierung oder Progression der Erkrankung beteiligt sind.
Ätiologie und Pathogenese
Bei der IgA-Nephropathie besteht eine Dysregulation der IgA-Immunreaktionen vom Schleimhauttyp. Bei den Autoantigenen handelt es sich um eine spezifische Gruppe von O-Glykoformen des IgA1, die eine reduzierte O-gebundene Galaktosylierung der IgA1-Scharnierregion aufweisen und als Galaktose-defizientes IgA1 (Gd-IgA1) bezeichnet werden. Überschüssige Mengen dieser O-Glykoformen im Blutkreislauf, die von B-Zellen oder Plasmazellen in Schleimhäuten oder z. B. im Knochenmark produziert werden, führen bei empfänglichen Personen zur Bildung von Scharnierglykan-spezifischen Immunglobulin G (IgG) und IgA-Autoantikörpern durch B-Zellen und zur Bildung von Immunkomplexen, die sich anschließend im glomerulären Mesangium ablagern.
Die „Vier-Hit-Hypothese“ postuliert, dass eine Abfolge von vier Ereignissen eintreten muss, damit sich eine klinisch signifikante Krankheit entwickelt: Hit 1 – Erhöhte Präsenz von IgA1-Molekülen mit reduzierter O-Galaktosylierung der IgA1-Scharnierregion (Gd-IgA1) im Blutkreislauf. Hit 2 – Produktion von IgG- und IgA-Autoantikörpern, die Gd-IgA1 erkennen. Hit 3 – Bildung von zirkulierenden Immunkomplexen mit an Gd-IgA1 gebundenen IgG- und IgA-Autoantikörpern. Hit 4 – Ablagerung dieser zirkulierenden Immunkomplexe im glomerulären Mesangium, wodurch eine Nierenschädigung ausgelöst wird.
Bestimmte Umweltfaktoren können ebenfalls zur Pathogenese beitragen: Die Auslösung einer Makrohämaturie durch eine Schleimhautinfektion bei Patienten mit IgA-Nephropathie hat zu der Ansicht geführt, dass die mesangiale IgA-Ablagerung durch eine Infektion ausgelöst werden kann. Cytomegalovirus, Haemophilus parainfluenzae, Staphylococcus aureus und Toxoplasmose wurden damit in Verbindung gebracht. Die IgA-Nephropathie kann auch aus einer dysregulierten IgA-Reaktion der Schleimhäute auf Nahrungsmittelantigene und möglicherweise auf Antigene des Respirationstrakts resultieren, da seltene Assoziationen zwischen einer IgA-Nephropathie und Zöliakie bzw. chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen bestehen. Die IgA-Reaktionen der Schleimhäute auf verschiedene orale Antigene, einschließlich solcher, die in Lebensmitteln und Impfstoffen enthalten sind, sind bei Patienten mit IgA-Nephropathie im Vergleich zu den Reaktionen gesunder Personen erhöht. Die Rolle des Mikrobioms der Darmschleimhaut bei IgA-Nephropathie stößt auf zunehmendes Interesse. Das Darmmikrobiom steht in ständiger Kommunikation mit den darmassoziierten lymphatischen Geweben und moduliert die IgA-Reaktionen der Darmschleimhaut, um eine mukosale Mikroumgebung aufrechtzuerhalten, die für die Mikrobiota günstig ist. Möglicherweise ist eine Dysbiose der Darmschleimhaut einer der Faktoren, die für eine gestörte mukosale IgA-Synthese und einen Anstieg des zirkulierenden Gd-IgA1 bei IgA-Nephropathie verantwortlich sind.
Obwohl die IgA-Nephropathie als sporadisch auftretende Krankheit gilt, wurden in den Vereinigten Staaten (in Ost-Kentucky) und anderswo seltene familiäre Fälle beschrieben. Es handelt sich offensichtlich um eine genetisch heterogene Entität, die keinen klassischen Mendel’schen Erbgang aufweist, der auf einen einzigen Genort zurückzuführen ist, sondern um eine komplexe polygene Krankheit, die wahrscheinlich sowohl den Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) als auch Nicht-MHC-Suszeptibilitätsallele umfasst.
Klinische Symptome
Das klinische Spektrum der IgA-Nephropathie ist breit gefächert. Es finden sich alle Krankheitsbilder von zufällig diagnostizierter isolierter Mikrohämaturie bis zur rapid-progredienten Glomerulonephritis, die im Kindesalter seltener als bei Erwachsenen auftritt. Bei typischem Verlauf erlaubt die Kombination aus persistierender Mikrohämaturie bzw. infektgetriggerter Makrohämaturie, stabiler oder nur langsamer abnehmender Nierenfunktion sowie kleiner Proteinurie, mit relativ hoher Sicherheit eine klinische Verdachtsdiagnose zu stellen. Bei nephritischem oder nephrotischem Syndrom ist der Blutdruck leicht oder mäßig erhöht.
Diagnose
Die Diagnose basiert auf den typischen klinischen Befunden einer infektassoziierten Makrohämaturie (meist nur über 2–6 Tage) sowie auf der häufig im symptomfreien Intervall zu findenden persistierenden Mikrohämaturie. Bei 40 % der Patienten ist die Serum-IgA-Konzentration erhöht. Dieser Befund hat jedoch keine Beziehung zum Krankheitsverlauf oder zur Krankheitsaktivität. Differenzialdiagnostisch ist bedeutsam, dass bei Patienten mit IgA-Nephropathie die Makrohämaturie bereits 1–3 Tage nach einem respiratorischen oder gastrointestinalen Infekt auftritt, während das Intervall zwischen Infektion und Makrohämaturie bei der Poststreptokokken-Glomerulonephritis 1–2 Wochen beträgt. Das Komplementprotein C3 im Serum ist im Gegensatz zur Poststreptokokken-Glomerulonephritis nicht erniedrigt (Tab. 1). Diagnostisch beweisend ist nur die Nierenbiopsie, die bei persistierender Proteinurie und/oder Nierenfunktionseinschränkung indiziert ist (Abb. 1).
Tab. 1
Differenzialdiagnose der akuten Glomerulonephritis
Klinische Manifestation
IgA-Nephropathie
Poststreptokokken-Glomerulonephritis
Immunglobulin/Immunkomplexmediierte Glomerulonephritis und C3-Glomerulopathie
Antibasalmembran-Glomerulonephritis (Goodpasture-Syndrom)
Alter und Geschlecht
10–35 Jahre
2:1 männlich
Alle Altersgruppen, mittleres Alter 7 Jahre
2:1 männlich
Ab dem 10. Lebensjahr
15–30 Jahre
6:1 männlich
Akutes nephritisches Syndrom
50 %
90 %
50 %
90 %
Asymptomatische Hämaturie
50 %
Gelegentlich
Gelegentlich
Selten
Selten
10–20 %
50 %
Selten
30–50 %
70 %
70 %
Selten
Sehr selten
50 % (transient)
Selten
50 %
Andere Befunde
Latenzperiode von 3–5 Tagen nach Infekt
Latenzperiode von 1–2 Wochen nach Infekt
Selten assoziiert mit der partiellen Lipodystrophie
Lungenblutungen
Laborbefunde
Serum-IgA ↑ (40 %)
ASL-Titer ↑ (70 %)
C3–C9 ↓, normal C1, C4
C3-Erniedrigung (70–90 %), bei C3-Glomerulonephritis C3-Nephritis-Faktor positiv
Positive Anti-GBM-Antikörper
ASL Antistreptolysin-Titer, C3 Komplementglobulin C3, IgA Immunglobulin A, GBM glomeruläre Basalmembran
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem Ausmaß der renalen Symptome und den histologischen Prognoseindizes. Folgende klinische Befunde weisen auf die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Nierenfunktionsverlusts hin:
  • große Proteinurie,
  • persistierende Mikrohämaturie ohne Episoden von Makrohämaturie.
Patienten mit isolierter Mikrohämaturie, kleiner Proteinurie und normaler glomerulärer Filtrationsrate bedürfen keiner medikamentösen Therapie, sollten jedoch kindernephrologisch überwacht werden. Bei großer Proteinurie (> 500 mg/1,73 m2 KOF/Tag) müssen Angiotensin-converting-Enzym(ACE)-Inhibitoren oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten zum Einsatz kommen, die nicht nur antihypertensiv, sondern auch antiproteinurisch und nephroprotektiv wirken. Der Blutdruck ist möglichst in den mittleren Normbereich einzustellen, um die Progression der Erkrankung zu verlangsamen. Bei eingeschränkter Nierenfunktion und/oder großer Proteinurie ist zusätzlich eine immunsuppressive Therapie mit oralem Prednison indiziert. Für Patienten, die hoch dosierte Glukokortikoide nicht vertragen oder nicht erhalten wollen, sind gezielt freigesetztes Budesonid (TRF-Budesonid) oder Mycophenolatmofetil (MMF) eine Alternative. Bei rapid-progredienter Glomerulonephritis mit histologisch nachweisbaren extrakapillär-proliferativen Läsionen (Halbmonden) muss eine intravenöse Methylprednisolonpulstherapie, gegebenenfalls gefolgt von oralem Cyclophosphamid über 3 Monate, erfolgen. Die Prognose ist abhängig vom Ausmaß der histologischen Veränderungen und von einer rechtzeitig einsetzenden Therapie. Eine Tonsillotomie, die nur bei rezidivierender Angina tonsillaris indiziert ist, kann den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen.
Prognose
Die IgA-Nephropathie stellt für die meisten Patienten die Frühphase einer sich langfristig im Erwachsenenalter fortsetzenden chronischen Nierenerkrankung mit unsicherer Prognose dar. Eine terminale Niereninsuffizienz ist im Kindes- und Jugendalter selten. Der Verlauf ist meist schleichend: Nur ein Drittel der Patienten mit pädiatrischer IgA-Nephropathie erreicht eine vollständige Remission. Zehn Jahre nach Erstmanifestation sind ca. 10 % und nach 20 Jahren ca. 25 % erwachsener Patienten mit IgA-Nephropathie dialysepflichtig.

Membranöse Glomerulonephritis

Definition
Die membranöse Glomerulonephritis ist histologisch durch subepitheliale Immunablagerungen gekennzeichnet ohne wesentliche weitere Veränderungen der Glomeruli wie Hyperzellularität oder Matrixvermehrung. Sie kann prinzipiell in jedem Lebensalter auftreten, ist jedoch im Kindesalter selten. Sekundäre Formen finden sich bei Tumoren, Infektionskrankheiten (Hepatitis B oder C, kongenitale Syphilis, Malaria), bei anderen Autoimmunerkrankungen, insbesondere Lupus erythematodes, oder werden durch Medikamente wie D-Penicillamin oder Gold induziert.
Ätiologie und Pathogenese
Neben der Bildung subepithelialer Immunablagerungen mit nichtglomerulären Antigenen wurde bei primärer membranöser Glomerulonephritis im Erwachsenenalter bei ca. 70 % die Bildung subepithelialer Immunablagerungen durch direkte Bindung von Autoantikörpern an lokal exprimierte Antigene der glomerulären Epithelzelle, insbesondere den Phospholipase-A2-Rezeptor, nachgewiesen. Der Nachweis dieses Autoantikörpers hat eine hohe Spezifität und Sensitivität und korreliert mit der Krankheitsaktivität. Ein zweiter Autoantikörper richtet sich gegen Thrombospondin type-1 domain containing 7A und liegt bei ca. 10–15 % der Patienten vor.
Klinische Symptome
Bei ca. 70 % der Patienten ist ein nephrotisches Syndrom als Initialsymptom nachweisbar. Etwa 2–6 % der Fälle eines nephrotischen Syndroms im Kindesalter werden durch eine membranöse Glomerulonephritis verursacht. In 10–20 % kann auch eine makroskopische Hämaturie auftreten. Bei ca. der Hälfte der Fälle besteht eine nichtselektive Proteinurie mit einer Mikrohämaturie.
Diagnose
Die Diagnose kann nur durch eine Nierenbiopsie gestellt werden. Wichtig ist der Ausschluss sekundärer Formen, die insbesondere mit Infektionskrankheiten wie Hepatitis B und C assoziiert sind. Bei sekundären Formen werden Remissionen bei erfolgreicher Therapie der Primärerkrankung häufig beobachtet. Bei Vorliegen eines sog. Full-House-Musters in der Immunhistologie sollte an einen Lupus erythematodes im Sinne einer membranösen Lupus-Nephritis der Klasse V gedacht werden.
Therapie
Um eine Spontanremission zu ermöglichen, wird bei Patienten mit sich stabil und normal haltender Nierenfunktion und ohne wesentliche Komplikationen durch das nephrotische Syndrom zunächst eine 6-monatige Beobachtung ohne Therapie empfohlen. Die Therapie richtet sich nach dem Risiko für einen progredienten Verlauf. Risikofaktoren sind eine große Proteinurie über mindestens 3 Monate, eine eingeschränkte Nierenfunktion und ein progredienter Verlust der Nierenfunktion. In jedem Fall ist eine nephroprotektive, antiproteinurische Therapie mit einem ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten indiziert. Der Blutdruck ist in den mittleren Normbereich abzusenken. Patienten mit mittlerem oder hohem Risiko für eine Progression benötigen zusätzlich eine immunsuppressive Therapie mit Calcineurininhibitoren (Ciclosporin A oder Tacrolimus) oder dem monoklonalen Anti-B-Zell-Antikörper Rituximab. Bei Patienten mit bereits eingeschränkter oder sich schnell verschlechternder Nierenfunktion sollte eine Kombinationstherapie mit Glukokortikoiden und Cyclophosphamid oder Rituximab durchgeführt werden.

Immunglobulin/Immunkomplex-mediierte Glomerulonephritis und C3-Glomerulopathie

Definition und Epidemiologie
Das früher als membranoproliferative Glomerulonephritis (MPGN) bezeichnete Krankheitsbild wird neuerdings unterteilt in die Immunglobulin/Immunkomplex-mediierte Glomerulonephritis (früher MPGN Typ 1) und die C3-Glomerulopathie. Die Diagnose wird mittels Nierenbiopsie gestellt. Mittels Immunhistochemie und Elektronenmikroskopie wird das Krankheitsbild dann eingeteilt in eine Immunglobulin/Immunkomplex-mediierte Glomerulonephritis mit dominanter Immunglobulinablagerung und in eine C3-Glomerulopathie mit dominanter C3-Ablagerung. Die C3-Glomerulopathie wird aufgrund des Musters der C3-Ablagerungen in der Elektronenmikroskopie weiter eingeteilt in die C3-Glomerulonephritis mit Ablagerungen vor allem im Mesangium und entlang der Gefäße, und in die Dense deposit disease (DDD, früher MPGN Typ 2) mit bandförmigen Ablagerungen vor allem in der glomerulären Basalmembran. Eine Immunglobulin/Immunkomplex-mediierte Glomerulonephritis bzw. C3-Glomerulopathie sind Ursache für ca. 10 % der Fälle von nephritischem Syndrom im Kindesalter.
Ätiologie und Pathogenese
Die Immunglobulin/Immunkomplex-mediierte Glomerulonephritis ist eine chronische Immunkomplexnephritis als Folge einer langfristigen Auseinandersetzung des Organismus mit Antigenen. Sekundäre Formen treten bei Autoimmunerkrankungen, insbesondere systemischen Lupus erythematodes, Infektionskrankheiten (Shuntnephritis, Endokarditis, chronische Hepatitis B oder C) auf. Bei der C3-Glomerulopathie finden sich unter anderem komplementaktivierende Autoantikörper wie der C3-Nephritisfaktor, der durch Bindung an die C3-Konvertase des alternativen Komplementwegs den Abbau der C3-Konvertase hemmt und dadurch die Komplementaktivierung stimuliert, aber auch Autoantikörper gegen den Komplementfaktor H oder B wurden beschrieben. Bei einem Teil der Fälle (ca. 30–40 % der Fälle mit C3-Glomerulopathie) sind Mutationen in komplementinhibitorischen Proteinen (Faktor H, Faktor I) nachweisbar. Es resultiert eine ständige Aktivierung des alternativen Komplementwegs. Im Gegensatz zum atypischen hämolytisch-urämischen Syndrom findet die Komplementaktivierung aber nicht am Endothel, sondern in der Flüssigphase (Blut) statt.
Klinische Symptome
Bei Diagnosestellung weisen ca. 50 % der Patienten mit Immunglobulin/Immunkomplex-mediierter Glomerulonephritis oder C3-Glomerulopathie ein nephrotisches Syndrom auf. Eine Mikrohämaturie wird bei ca. 90 % der Patienten gefunden, ein nephritisches Syndrom bei ca. 20 %.
Diagnose
Die Diagnose einer Immunglobulin/Immunkomplex-mediierten Glomerulonephritis bzw. C3-Glomerulopathie kann nur durch eine Nierenbiopsie gestellt werden. Eine Erniedrigung des Komplementproteins C3 im Serum ist bei einem Drittel der Patienten mit Immunkomplex-mediierter Glomerulonephritis und bei zwei Dritteln der Patienten mit C3-Glomerulopathie nachweisbar. Wichtig ist, das Vorliegen einer sekundären Immunglobulin/Immunkomplex-mediierten Glomerulonephritis (insbesondere Hepatitis B und C) auszuschließen, da die Behandlung der Grundkrankheit zu einer Rückbildung der Glomerulonephritis führen kann. Differenzialdiagnostisch ist unter anderem das Vorliegen einer postinfektiösen Glomerulonephritis zu erwägen, bei der jedoch die Erniedrigung des Komplementproteins C3 im Serum nicht länger als 8 Wochen persistiert.
Therapie
Alle Patienten sollten unabhängig von der Ursache der Glomerulonephritis mit allgemeinen Maßnahmen behandelt werden, einschließlich einer Natrium- und Proteinrestriktion in der Ernährung, Blutdruckkontrolle, Minimierung der Proteinurie durch Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems und ggf. Behandlung einer Dyslipidämie. Zu den weiteren Aspekten der Therapie gehören Diuretika zur Ödemkontrolle und eine angemessene Ernährung.
Die spezifische Therapie der Immunglobulin/Immunkomplex-mediierten Glomerulonephritis bzw. C3-Glomerulopathie hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Bei sekundären Formen kann durch eine antivirale Therapie der Hepatitis eine Besserung der Glomerulonephritis erreicht werden. Standardisierte Therapieempfehlungen für Patienten mit C3-Glomerulopathie fehlen. Bei Patienten mit nichtnephrotischer Proteinurie, normaler Nierenfunktion und normalem Blutdruck wird zunächst eine nephroprotektive antiproteinurische Therapie mit einem ACE-Inhibitor durchgeführt. Bei Patienten mit C3-Glomerulapathie und mittelschwerer bis schwerer Erkrankung (Proteinurie ≥ 1,5 g/1,73 m2 pro Tag) und/oder eingeschränkter Nierenfunktion wird eine Initialtherapie mit Mycophenolatmofetil (MMF) und oralen Glukokortikoiden empfohlen Bei Patienten, deren Proteinurie oder Nierenfunktion sich nach einer sechsmonatigen MMF-Therapie nicht bessert oder deren Nierenfunktion sich vor Abschluss der sechsmonatigen Therapie rapide verschlechtert, wird unterschiedlich vorgegangen, je nachdem, ob der Patient einen genetischen Defekt des Faktors H oder es Faktor I aufweist. Bei genetischem Defekt wird ein Versuch mit einer Plasmainfusion oder einem Plasmaaustausch empfohlen, anstatt die MMF-Therapie fortzusetzen oder auf ein anderes Immunsuppressivum umzustellen. Bei Patienten, die keinen genetischen Defekt des Faktors H haben, wird die Umstellung auf Eculizumab empfohlen. Neuere Inhibitoren des Komplementfaktors B wie das oral bioverfügbare Iptacopan sind derzeit in klinischer Erprobung.
Bei Immunglobulin/Immunkomplex-mediierter Glomerulonephritis und nephrotischem Syndrom erfolgt zusätzlich die Gabe von oralem Prednison (1 mg/kg KG/Tag über ca. 3 Monate). Von manchen Autoren wird die Kombination von Prednison mit Mycophenolat-Mofetil empfohlen. Bei fehlendem Ansprechen kann auch die Gabe von Cyclophosphamid, Rituximab oder Plasmapherese erwogen werden. Bei rapid-progredienter Glomerulonephritis erfolgt eine intravenöse Methylprednisolonpulstherapie gefolgt von oralem Cyclophosphamid. Neuere Publikationen berichten auch über eine Wirksamkeit des Komplementblockers Eculizumab.

Antibasalmembran-Glomerulonephritis

Die Antibasalmembran-Glomerulonephritis ist im Kindesalter selten. Antiglomeruläre Basalmembranantikörper (Anti-GBM-Antikörper) gegen Kollagen Typ 4 induzieren eine Glomerulonephritis, die sich in der Regel als rapid-progrediente Glomerulonephritis mit glomerulärer Halbmondbildung und linearer Ablagerung von Antikörpern entlang der glomerulären Basalmembran manifestiert. Bei ca. zwei Dritteln der Patienten besteht zusätzlich eine pulmonale Beteiligung mit hämorrhagischer Pneumonitis im Sinne eines pulmorenalen Syndroms, dem sog. Goodpasture-Syndrom, da sich die Autoantikörper auch gegen Kollagen Typ 4 in der alveolären Basalmembran richten können.
Ätiologie und Pathogenese
Das Auftreten von Anti-GBM-Antikörpern kann durch eine Infektionskrankheit, insbesondere eine Influenzainfektion, getriggert werden und wird durch inhalative Noxen wie Zigarettenrauch und Exposition mit organischen Lösungsmitteln begünstigt. Die glomerulären Läsionen und ihre weitere Entwicklung von zellulären zu fibrösen Halbmonden entsprechen den allgemeinen Charakteristika einer rapid-progredienten Glomerulonephritis.
Klinische Symptome
Die renale Beteiligung manifestiert sich mit Flankenschmerzen, Hämaturie und mäßiggradiger Proteinurie. Bei ca. 50 % der Patienten besteht bereits initial eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz. Eine pulmonale Beteiligung manifestiert sich in Form von intermittierenden Hämoptysen mit flüchtigen, radiologisch nachweisbaren pulmonalen Infiltraten.
Diagnose
Die Diagnose basiert auf dem Nachweis von zirkulierenden Anti-GBM-Antikörpern und dem immunhistologischen Nachweis von linearen Immunglobulin-G-Ablagerungen entlang der glomerulären bzw. alveolären Basalmembran.
Therapie
Die Behandlung basiert auf einer Entfernung der Anti-GBM-Antikörper durch tägliche Plasmapherese oder Immunadsorption und einer intensiven immunsuppressiven Therapie mit Steroidpulsen und Cyclophosphamid. Alternativ kann der Einsatz von Rituximab oder MMF erwogen werden. Der Erfolg der immunsuppressiven Behandlung hängt von einer rechtzeitigen Diagnosestellung ab.

Sekundäre Glomerulonephritiden

Poststreptokokken-Glomerulonephritis

Streptokokkeninfektionen stellen eine der Hauptursachen für postinfektiöse Glomerulonephritiden in westlichen Ländern dar. Während in nördlichen Ländern am häufigsten eine Racheninfektion mit bestimmten nephritogenen Subtypen der β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A ursächlich ist, geht der Nephritis in südlichen Ländern oft eine Hautinfektion im Sinne einer Pyodermie oder Impetigo contagiosa voraus. Die Inzidenz der Poststreptokokken-Glomerulonephritis in westlichen Ländern ist mit der kontinuierlichen Verbesserung der Hygiene und der medizinischen Versorgung rückläufig. Im Kindesalter tritt eine Poststreptokokken-Glomerulonephritis nach ca. 10–20 % aller Streptokokkeninfektionen auf, wobei der größte Teil subklinisch verläuft und nur in ca. 0,5 % der Fälle eine klinisch symptomatische Glomerulonephritis auftritt.
Ätiologie und Pathogenese
Die Poststreptokokken-Glomerulonephritis ist der Prototyp einer Immunkomplexnephritis. Es finden sich zirkulierende Immunkomplexe mit Antikörpern gegen diverse Streptokokkenantigene. Die beiden wichtigsten nephritogenen Antigene sind der Nephritis-assoziierte Plasminrezeptor und das pyrogene Exotoxin B von Streptokokken. Auch den glomerulären Komplementablagerungen und dem entzündlichen Zellinfiltrat im Glomerulus kommt eine wichtige Rolle in der Pathogenese zu.
Klinische Symptome
Die Poststreptokokken-Glomerulonephritis betrifft überwiegend Kinder zwischen 4 und 12 Jahren mit Bevorzugung des männlichen Geschlechts. Das Intervall zur akuten Nephritis beträgt 1–2 Wochen nach streptokokkeninduzierter Pharyngitis und 3–6 Wochen nach streptokokkeninduzierter Hautinfektion. Klinisch finden sich typischerweise ein akutes nephritisches Syndrom, eine Oligurie und meist periorbitale Ödeme. Selten kann insbesondere bei arterieller Hypertonie ein enzephalopathisches Bild mit Kopfschmerzen, Somnolenz und gelegentlichen Krampfanfällen hinzutreten. Unspezifische Begleitsymptome der Glomerulonephritis sind Abgeschlagenheit, Schwäche, Übelkeit und bei 5–10 % der Patienten Flankenschmerzen, möglicherweise durch eine Dehnung der Nierenkapsel im Rahmen des akuten entzündlichen Prozesses.
Diagnose
Die Diagnose basiert auf den typischen Befunden der akuten Nephritis und erhöhten unspezifischen Entzündungsparametern wie erhöhter Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit und C-reaktivem Protein. Bei ca. 90 % aller Patienten ist ein erniedrigtes C3-Komplementprotein bzw. eine erniedrigte Komplementgesamtaktivität (CH50) im Serum zu beobachten (Tab. 1). Typischerweise normalisiert sich die C3-Konzentration im Serum innerhalb von wenigen Wochen. Bei Persistenz der C3-Erniedrigung über mehr als 8 Wochen müssen differenzialdiagnostisch eine Immunglobulin/Immunkomplex-mediierte Glomerulonephritis, eine C3-Glomerulopathie oder ein systemischer Lupus erythematodes ausgeschlossen werden. Der direkte Streptokokkennachweis gelingt nur selten. Einzelne oder mehrere Typen von Streptokokkenantikörpern sind bei praktisch allen Patienten erhöht, jedoch nicht spezifisch, da erhöhte Antistreptolysin-O-Titer auch nach Infektionen mit nichtnephritogenen Streptokokkentypen zu finden sind. Bei der pyodermieassoziierten Glomerulonephritis kommt diagnostisch einem erhöhten Anti-DNase-B-Titer eine größere Bedeutung zu. Bei einer typischen klinischen und laborchemischen Befundkonstellation kann angesichts der guten Prognose in der Regel auf eine Nierenbiopsie verzichtet werden. Indikationen für eine Nierenbiopsie sind atypische Verlaufsformen, klinische oder serologische Hinweise auf das Vorliegen einer Systemerkrankung, Oligurie über mehr als eine Woche, rapid-progredienter Nierenfunktionsverlust und Verdacht auf eine Immunglobulin/Immunkomplex-mediierte Glomerulonephritis/C3-Glomerulopathie oder Lupusnephritis.
Therapie
Die Elimination des auslösenden Antigens durch die Behandlung der zugrunde liegenden Infektion steht an erster Stelle. In der Regel wird eine Therapie mit oralem Penicillin V über einen Zeitraum von 10 Tagen verabreicht. Symptomatisch wird das typische akute nephritische Syndrom durch eine Einschränkung der Natrium- und Wasserzufuhr behandelt bei exakter Flüssigkeitsbilanzierung (Einfuhr = Ausfuhr plus Perspiratio insensibilis). Bei Oligurie und Überwässerung ist meist eine diuretische Therapie mit Schleifendiuretika erforderlich. Nur selten ist eine Dialysetherapie in der akuten Erkrankungsphase notwendig. Eine eventuell auftretende arterielle Hypertonie muss effektiv behandelt werden, um das Risiko einer enzephalopathischen Krise zu vermindern. Eine immunsuppressive Therapie mit Methylprednisolon-Pulsen ist nur in Ausnahmefällen bei pathologisch-anatomischem Nachweis von Halbmondformationen in mehr als 30 % der Glomeruli indiziert. Die Prognose ist in der Regel günstig. Eine isolierte Mikrohämaturie kann jedoch noch Monate nach der Erstmanifestation persistieren. Prognostisch besteht ein erhöhtes Risiko für einen persistierenden Nierenschaden bei fehlender Rückbildung der Proteinurie oder Nierenfunktionseinschränkung innerhalb weniger Wochen, initialer Oligoanurie für mehr als 9 Tage oder nephrotischem Syndrom. Eine chronische Nierenerkrankung resultiert in weniger als 2 % der Fälle durch eine erhebliche irreversible Schädigung funktionierender Nephrone in der Akutphase. Eine Rekurrenz der Erkrankung ist eine Rarität, eine Penicillin-Prophylaxe daher nicht indiziert.

Shuntnephritis

Ätiologie und Pathogenese
Ventrikuloatriale bzw. ventrikuloperitoneale Shunts zur Drainage eines Hydrozephalus können bakteriell besiedelt sein und dadurch eine Shuntnephritis auslösen. In ca. 70 % der Fälle findet sich als Erreger Staphylococcus epidermidis, in ca. 20 % Staphylococcus aureus.
Klinische Symptome und Diagnose
An renalen Symptomen finden sich häufig eine Mikro- oder Makrohämaturie und eine Proteinurie mit einem nephrotischen Syndrom. Neben erhöhten laborchemischen Infektzeichen sind häufig erniedrigte Komplement-C3- und -C4-Globulin-Konzentrationen im Serum nachweisbar.
Therapie
Die Infektion im Shunt ist häufig nicht medikamentös zu sanieren. Daher ist meist eine Shuntexplantation und Neuanlage erforderlich. Durch die Sanierung des Infektionsfokus ist in der Regel auch die Shuntnephritis saniert, wenn nicht schon ein chronischer Nierenschaden gesetzt worden ist.

Glomerulonephritiden bei anderen Infektionskrankheiten

Es gibt eine Vielzahl von Krankheitserregern, die eine postinfektiöse Glomerulonephritis auslösen können. In vielen Fällen kann jedoch nur die Assoziation, nicht aber eine Kausalbeziehung zwischen spezifischem Infekt und Glomerulonephritis als gesichert gelten. Eine gesicherte Kausalbeziehung wird für folgende Mikroorganismen angenommen: Streptokokken, Staphylokokken, Klebsiellen, Yersinien, Salmonellen, Treponema pallidum, Mykoplasmen, Hepatitis-B-Viren, Hepatitis-C-Viren, HIV, Zytomegaloviren, Masernviren, Candida, Plasmodium malariae und Schistosomiasis.