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Klinische Angiologie
Info
Publiziert am: 30.11.2021

Malignomassoziierte venöse Thromboembolie

Verfasst von: Florian Langer
Die venöse Thromboembolie (VTE) ist eine häufige Komplikation bei Krebspatienten mit einer Inzidenz von bis zu 20 %. Die multifaktorielle Pathophysiologie der tumorassoziierten VTE umfasst sämtliche Aspekte der Virchow-Trias, wobei patienteneigene sowie tumor- und therapiebedingte Risikofaktoren eine Rolle spielen. Für die Therapie stehen niedermolekulare Heparine und nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulantien (NOAK) zur Verfügung. Die Therapieentscheidung beruht auf einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung unter Berücksichtigung der Patientenpräferenz. Während die orale gegenüber der parenteralen Antikoagulation mit einer verbesserten Therapiepersistenz und Wirksamkeit einhergeht, müssen unter Einnahme von NOAK ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale und urotheliale Blutungen sowie potenzielle Medikamentenwechselwirkungen berücksichtigt werden. Unter einer ambulanten Chemotherapie profitieren nur Tumorpatienten mit intermediär-hohem Risiko von einer medikamentösen Thromboembolieprophylaxe.

Einleitung

Das Trousseau-Syndrom

Der französische Arzt Armand Trousseau (1801–1867) beschrieb im Jahr 1865 erstmalig den Zusammenhang zwischen einer oberflächlichen wandernden Thrombophlebitis (Thrombophlebitis migrans) und Malignomen des Gastrointestinaltraktes. Trousseau selbst verstarb an einem Magen- oder Pankreaskarzinom, nachdem er bei sich eine entzündete, thrombosierte Vene festgestellt hatte.
Der Begriff Trousseau-Syndrom ist nicht einheitlich definiert. Während im Praxisalltag jede klinisch relevante Gerinnungsstörung bei Tumorpatienten als Trousseau-Syndrom bezeichnet wird, beschreibt der Begriff im engeren Sinne das Auftreten einer venösen Thromboembolie (VTE) als erstes Zeichen einer bis dahin okkulten Krebserkrankung (Trousseau’s sign of malignancy).
Vorübergehend wurde der Begriff um andere klinische Symptome und Laborbefunde ergänzt (z. B. Blutungen, arterielle Embolien, Zeichen einer thrombotischen Mikroangiopathie oder disseminierten intravasalen Gerinnung, nichtinfektiöse, warzige Herzklappenveränderungen) und somit zur Beschreibung eines komplexeren paraneoplastischen Krankheitsbildes verwendet (Dicke und Langer 2015).

Epidemiologie

Die VTE ist eine häufige Komplikation in der Hämatologie/Onkologie, die mit einer Inzidenz von 15–20 % bei etwa jedem sechsten Krebspatienten im Krankheitsverlauf auftritt.
Die Diagnose eines Malignoms steigert das VTE-Risiko um den Faktor 4–7, während das Auftreten einer VTE die klinische Gesamtprognose eines Krebspatienten verschlechtert.
Thromboembolische Ereignisse, sowohl im venösen als auch im arteriellen Stromgebiet, verschlechtern die Lebensqualität von Tumorpatienten und stellen neben der malignen Grunderkrankung selbst eine wichtige Todesursache insbesondere in der ambulanten Versorgung hämatologisch-onkologischer Patienten dar (Mahajan et al. 2019).

Pathophysiologie

Die Pathophysiologie der tumorassoziierten VTE ist komplex und betrifft sämtliche Aspekte der Virchow-Trias (Dicke und Langer 2015) (Kap. 20.1). Während Immobilität im fortgeschrittenen Krankheitsstadium oder nach chirurgischen Eingriffen sowie Kompressionssyndrome infolge größerer Tumormanifestationen eine Verlangsamung des venösen Blutrückstroms (Stase) bedingen, kann es durch zytotoxische Substanzen und inflammatorische Zytokine/Chemokine sowie durch Tumorinfiltration und Einbringen von Venenverweilkathetern zu Gefäßwandschäden kommen. Von zentraler Bedeutung ist jedoch die intrinsische Übergerinnbarkeit des Blutes (Hyperkoagulabilität), die wesentlich durch eine Akute-Phase-Reaktion mit Hochregulierung verschiedener Gerinnungsfaktoren (z. B. Fibrinogen, Faktor VIII) gekennzeichnet ist. Zudem setzen Tumore in unterschiedlichem Ausmaß Mediatoren frei, die über den extrinsischen (Gewebefaktor) oder intrinsischen Gerinnungsweg (Nukleinsäuren, Polyphosphate) direkt zur Hämostaseaktivierung beitragen. Typisch für die Entstehung tumorassoziierter Thrombosen ist eine konstante intravaskuläre Entzündungsreaktion unter Beteiligung von Leukozyten, Thrombozyten und Endothelzellen. Letztendlich wird das VTE-Risiko bei Krebspatienten durch patienteneigene sowie durch tumor- und therapiebedingte Risikofaktoren und zahlreiche Biomarker beeinflusst (Abb. 1).

Tumorscreening bei idiopathischer VTE

Die Wahrscheinlichkeit, dass in den ersten 12 Monaten nach einer unprovozierten VTE eine bis dahin okkulte Krebserkrankung diagnostiziert wird, liegt bei etwa 5 %. Trotzdem kann in dieser Situation nach aktuellem Kenntnisstand kein umfassendes Tumorscreening, inklusive strahlenbelastender Schnittbilddiagnostik, empfohlen werden (D’Astous und Carrier 2020). Allgemein akzeptierter Standard sind eine sorgfältige Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung, eine orientierende hämatologische und klinisch-chemische Labordiagnostik, eine Röntgen-Aufnahme des Thorax (sofern nicht bereits eine thorakale CT-Diagnostik erfolgt ist), ggf. eine Abdomensonografie sowie eine Aktualisierung der alters- und geschlechtsspezifischen Untersuchungen zur Krebsvorsorge/–Früherkennung. Ergibt sich der Verdacht auf eine bis dahin okkulte Krebserkrankung (z. B. bei Anämie oder erhöhten LDH-/Leberwerten), sollte die Indikation zur weiterführenden Diagnostik großzügig gestellt werden.
Risikofaktoren für das Vorliegen einer malignen Grunderkrankung sind beidseitige Thrombosen, aktiver Nikotinkonsum, Alter 60–75 Jahre und persistierend erhöhte D-Dimere unter Antikoagulation.

Therapie der tumorassoziierten VTE

Vitamin-K-Antagonisten

Vitamin-K-Antagonisten (VKA) haben sich in der Therapie der tumorassoziierten VTE nicht bewährt.
Cave
Im Vergleich zu VTE-Patienten ohne bekanntes Krebsleiden ist bei VTE-Patienten mit maligner Grunderkrankung unter Einnahme von VKA das Risiko für thromboembolische Rezidivereignisse etwa 3-fach gesteigert bei einem mehr als doppelt so hohen Risiko für schwere Blutungskomplikationen.
Diese ungenügende Wirksamkeit und Sicherheit sind in der nachteilhaften Pharmakodynamik und Pharmakokinetik der VKA begründet, da diese über eine Herunterregulierung der prokoagulatorischen Faktoren II, VII, IX und X nur indirekt wirken. Zudem wird in den ersten Tagen nach Einleitung oder Wiederbeginn einer VKA-Therapie über die Hemmung der Protein-C- und Protein-S-Synthese ein prokoagulatorischer Status induziert. Des Weiteren sind der verzögerte Wirkungseintritt und die vergleichsweise lange Abklingdauer bei Krebspatienten, die häufig kurzfristiger invasiver oder operativer Eingriffe bedürfen, von Nachteil. Die zahlreichen Nahrungs- und Medikamentenwechselwirkungen der VKA erfordern eine individuelle Dosistitration und erschweren in Phasen von Inappetenz, Übelkeit und Erbrechen eine stabile Einstellung der international normierten Ratio (INR) in den therapeutischen Zielbereich.

Niedermolekulares Heparin

Im Vergleich zu VKA hat sich die längerfristige Therapie einer tumorassoziierten VTE mit niedermolekularem Heparin (NMH) als vorteilhaft erwiesen.
NMH ist pharmakologisch inert, verfügt über eine klare Dosiswirkungsbeziehung und lässt sich aufgrund der kurzen Anflut- und Wirkdauer perioperativ gut steuern.
Ein international etabliertes NMH-Schema wurde in der CLOT-Studie im Vergleich zu VKA über 6 Monate geprüft (Lee et al. 2003). Dabei erhielten die Patienten über 4 Wochen einmal täglich eine therapeutische Dosis Dalteparin (200 IE Anti-Xa/kg, maximale Tagesdosis 18.000 IE Anti-Xa/kg), basierend auf der Erfahrung, dass das thromboembolische Rezidivrisiko in den ersten Wochen besonders hoch ist. Unter Berücksichtigung des anhaltend gesteigerten Blutungsrisikos erfolgte ab Woche 5 eine moderate Dosisreduktion des Dalteparins auf 150 IE Anti-Xa/kg. In der zweiten großen NMH-Studie CATCH wurde Tinzaparin in der therapeutischen Dosierung von 175 IE Anti-Xa/kg im Verglich zu Warfarin über 6 Monate getestet (Lee et al. 2015). Wenn die Ergebnisse von CLOT und CATCH zusammen mit den Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten einiger anderer, deutlich kleinerer Studien betrachten werden, ist die Antikoagulation mit NMH über 3–6 Monate im Vergleich zu VKA mit etwa 40 % weniger VTE-Rezidivereignissen assoziiert bei einem vergleichbaren Risiko für schwere Blutungen (Posch et al. 2015). Klinisch relevante nichtschwere Blutungen scheinen unter NMH seltener aufzutreten als unter VKA.
Dalteparin und Tinzaparin sind die einzigen NMH, die in Deutschland über eine formale Zulassung für die längerfristige Therapie und Rezidivprophylaxe einer tumorassoziierten VTE verfügen.

Nicht-vitamin-K-abhängige orale Antikoagulantien

Limitationen der NMH-Therapie

Für mehr als ein Jahrzehnt war die parenterale Antikoagulation mit NMH über 3–6 Monate leitlinienkonforme Standardtherapie der tumorassoziierten VTE. Versorgungs- und prospektive Beobachtungsstudien haben jedoch gezeigt, dass die Umsetzung der Leitlinienempfehlungen im Praxisalltag schwierig ist. Insbesondere die schmerzhaften subkutanen Injektionen sowie die Ausbildung größerer Weichteilhämatome oder (pseudo-) allergischer Hautreaktionen im Bereich der Einstichstellen sind neben den Arzneimittelkosten für eine verminderte Therapiepersistenz nach Beginn einer parenteralen Antikoagulation mit NMH verantwortlich (van der Wall et al. 2017).

Post-hoc-Analysen

Nachträglich durchgeführte Subgruppenanalysen der großen Zulassungsstudien haben nahegelegt, dass die direkten oralen Inhibitoren von Faktor Xa (Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban) oder Thrombin (Dabigatran) eine sichere und wirksame Alternative in der VTE-Therapie bei onkologischen Patienten darstellen könnten (Voigtlaender und Langer 2017).
Cave
Allerdings umfassten die eingeschlossenen Krebspatienten nur etwa 5–6 % der gesamten Studienpopulationen. Zudem war das Vorliegen einer aktiven Krebserkrankung bei Studieneinschluss nicht einheitlich definiert, und die Patienten wurden bei Randomisierung nicht standardmäßig nach diesem Kriterium stratifiziert.
Generell muss davon ausgegangen werden, dass die eingeschlossenen Tumorpatienten in den Studien AMPLIFY (Apixaban), EINSTEIN DVT/PE (Rivaroxaban), HOKUSAI VTE (Edoxaban) und RE-COVER I/II (Dabigatran) hinsichtlich des Schweregrads der Krebserkrankung nicht mit denen aus CLOT und CATCH vergleichbar waren. Nach Fachinformation waren die nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulantien (NOAK) bei tumorassoziierter VTE zwar nicht kategorisch kontraindiziert; es wurde aber allgemein darauf hingewiesen, dass bezüglich dieses vulnerablen Patientenkollektivs nur unzureichende Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten vorhanden sind.

Prospektive NOAK-Studien

Mittlerweile liegen mit HOKUSAI VTE Cancer (Edoxaban), SELECT-D (Rivaroxaban) sowie ADAM VTE und CARAVAGGIO (Apixaban) zumindest für die drei direkten oralen Faktor-Xa-Inhibitoren prospektiv randomisierte Studien zur Behandlung der tumorassoziierten VTE vor. Metaanalysen dieser Studien zeigen, dass die Therapie mit einem NOAK im Vergleich zur parenteralen Antikoagulation mit Dalteparin (CLOT-Protokoll) das Risiko für VTE-Rezidivereignisse signifikant reduziert, während das Risiko für klinisch relevante nichtschwere Blutungen signifikant und das Risiko für schwere Blutungen numerisch erhöht ist (Moik et al. 2020). In einigen Studien war die überlegene Wirkung des NOAK mit einer verbesserten Therapiepersistenz assoziiert. Die wesentlichen Ergebnisse der vier NOAK-Studien sind in Tab. 1 zusammengefasst.
Tab. 1
Prospektiv randomisierte NOAK-Studien zur tumorassoziierten VTE
Studienname
Jahr
Behandlungsarme§
Endpunkte, n (%)#
VTE
Rezidiv*
Schwere
Blutung
KRNS
Blutung
Gesamtmortalität
HOKUSAI VTE Cancer
2018
Edoxaban (n = 522)
41 (7,9)
36 (6,9)
76 (14,6)
206 (39,5)
Dalteparin (n = 524)
59 (11,3)
21 (4,0)
58 (11,1)
192 (36,6)
HR (NOAK vs. NMH)
95 %-KI
0,71
0,48–1,06
1,77
1,03 – 3,04
1,38
0,98–1,94
1,12
0,92–1,37
SELECT-D
2018
Rivaroxaban (n = 203)
8 (3,9)
11 (5,4)
25 (12,3)
48 (23,6)
Dalteparin (n = 203)
18 (8,9)
6 (3,0)
7 (3,4)
56 (27,6)
HR (NOAK vs. NMH)
95 %-KI
0,43
0,19–0,99
1,83
0,68–4,96
3,76
1,63–8,69
nicht berichtet
ADAM-VTE
2020
Apixaban (n = 145)
1 (0,7)
0 (0,0)
9 (6,2)
23 (15,9)
Dalteparin (n = 142)
9 (6,3)
2 (1,4)
7 (4,2)
15 (10,6)
HR (NOAK vs. NMH)
95 %-KI
0,10
0,01–0,78
0,00
0,00–
nicht berichtet
1,40
0,82–2,43
CARAVAGGIO
2020
Apixaban (n = 576)
32 (5,6)
22 (3,8)
52 (9,0)
135 (23,4)
Dalteparin (n = 579)
46 (7,9)
23 (4,0)
35 (6,0)
153 (26,4)
HR (NOAK vs. NMH)
95 %-KI
0,63
0,37–1,07
0,82
0,40–1,69
1,42
0,88–2,30
0,82
0,62–1,09
§Anzahl der randomisierten Patienten, die für die Auswertung der Wirksamkeits- und Sicherheitsendpunkte berücksichtigt worden sind
#Die Beobachtungszeit betrug 12 Monate in HOKUSAI VTE Cancer und 6 Monate in SELECT-D, ADAM VTE und CARAVAGGIO
*In ADAM VTE umfasste der Wirksamkeitsendpunkt auch Arm- und Zerebralvenenthrombosen sowie venöse Thrombosen im Splanchnikusgebiet
NOAK, nicht-vitamin-K-abhängiges orales Antikoagulanz; HR, hazard ratio; KI, Konfidenzintervall; KRNS, klinisch relevant nichtschwer; NMH, niedermolekulares Heparin; VTE, venöse Thromboembolie
Auf einige Besonderheiten der NOAK-Studien soll im Folgenden näher eingegangen werden.
HOKUSAI VTE Cancer
Studienziel war, die Nichtunterlegenheit von Edoxaban gegenüber Dalteparin bezüglich des kombinierten Endpunktes (Erstauftreten eines VTE-Rezidivs oder einer schweren Blutung) über den Studienzeitraum von 12 Monaten zu demonstrieren (Raskob et al. 2018). Die Behandlungsdauer sollte mindestens 6, nach Möglichkeit jedoch 12 Monate betragen. Die Patienten wurden anhand vorab spezifizierter Kriterien nach dem Blutungsrisiko sowie nach der Notwendigkeit einer Reduktion der Edoxaban-Dosis von 60 mg auf 30 mg täglich stratifiziert. Die Dauer der initialen parenteralen Antikoagulation vor dem Wechsel auf Edoxaban musste mindestens 5 Tage betragen, konnte jedoch nach Ermessen der Prüfärzte beliebig ausgeweitet werden. Insbesondere Patienten mit gastrointestinalen (GI) Tumoren, die etwa 30 % der gesamten Studienpopulation ausmachten, hatten unter der oralen Antikoagulation ein signifikant gesteigertes Risiko für schwere Blutungen, wobei die Kategorie der GI Tumoren neben den intraluminalen Tumoren von Speiseröhre, Magen und Dick-/Enddarm auch das Pankreaskarzinom und hepatobiliäre Tumore umfasste. Der Zuwachs an schweren Blutungen unter Edoxaban war vor allem durch subakute bis chronische Blutungen aus dem oberen GI Trakt bedingt, während akut lebensbedrohliche Blutungen mit notfallmäßiger Behandlungsindikation in beiden Behandlungsarmen vergleichbar waren. Ab Monat 3 war die orale gegenüber der parenteralen Antikoagulation mit einer verbesserten Therapiepersistenz assoziiert. Patienten mit primären Hirntumoren oder bekannten ZNS-Metastasen wurden nicht von der Studienteilnahme ausgeschlossen.
SELECT-D
Die Fallzahl der ursprünglich als Pilotprojekt konzipierten Studie wurde aufgrund langsamer Rekrutierung im Verlauf von 530 auf 400 Patienten gesenkt (Young et al. 2018). Die Randomisierung erfolgte stratifiziert nach dem thromboembolischen Rezidivrisiko, das anhand der Kriterien Krankheitsstadium, Thrombozytenzahl, Art der VTE (symptomatisch vs. inzidentell) und Tumorentität ermittelt wurde. Das Risiko für klinisch relevante Blutungen war unter Rivaroxaban im Vergleich zu Dalteparin insbesondere bei Patienten mit luminalen GI Tumoren, die etwa 35 % der gesamten Studienpopulation ausmachten, erhöht. Eine geplante Interimsanalyse nach den ersten 220 Patienten hatte diesbezüglich ein Sicherheitssignal ergeben, sodass Patienten mit Karzinomen der Speiseröhre oder des gastroösophagealen Übergangs von der weiteren Rekrutierung ausgeschlossen wurden. Die mediane Behandlungsdauer war in beiden Studienarmen vergleichbar. Tumormanifestationen im Gehirn waren kein Ausschlusskriterium.
ADAM VTE
Primäres Studienziel war, die Überlegenheit von Apixaban gegenüber Dalteparin bezüglich des Auftretens schwerer Blutungen zu demonstrieren (McBane et al. 2020). Neben einer Lungenarterienembolie (LAE) oder tiefen Venenthrombose (TVT) der unteren Extremitäten waren Thrombosen der Arm-/Halsvenen, der zerebralen Venen und venöse Thrombosen des Splanchnikusgebietes als Indexereignis und Wirksamkeitsendpunkt erlaubt. Eine bekannte Hirnmetastasierung war kein Ausschlusskriterium. Das Protokoll erlaubte eine Antikoagulation über bis zu 7 Tage vor Randomisierung. Patienten mit GI Tumoren, inklusive Pankreas- und hepatobiliärer Karzinome, umfassten 35 % der Studienpopulation. Ein vorzeitiger Therapieabbruch wurde signifikant häufiger unter Dalteparin (15 %) als unter Apixaban (4 %) beobachtet. In einer Befragung zur Lebensqualität war die orale im Vergleich zur parenteralen Antikoagulation mit einer höheren Patientenzufriedenheit und weniger Belastungen assoziiert.
CARAVAGGIO
Patienten mit primären ZNS-Tumoren oder bekannter Hirnmetastasierung waren nicht zur Studienteilnahme berechtigt (Agnelli et al. 2020). Zudem galt eine Thrombozytopenie von < 75 × 109/l als Ausschlusskriterium. Etwa 32 % der Studienteilnehmer hatten einen GI Tumor, inklusive Pankreas- und hepatobiliärer Karzinome. Vorzeitige Therapieabbrüche waren unter Apixaban seltener als unter Dalteparin. Die Anzahl schwerer Blutungen aus dem oberen oder unteren GI Trakt war in beiden Behandlungsarmen vergleichbar, während klinisch relevante nichtschwere Blutungen im Urogenitalbereich (vor allem Hämaturie) und aus den oberen Atemwegen (vor allem Epistaxis) unter Apixaban numerisch häufiger auftraten als unter Dalteparin.

Aktuelle Leitlinien- und Expertenempfehlungen

Nach aktualisierten Leitlinien- und Expertenempfehlungen zur Therapie der tumorassoziierten VTE stellt die orale Antikoagulation mit Apixaban, Edoxaban oder Rivaroxaban (zusammengefasst als NOAK) eine Alternative zur parenteralen Antikoagulation mit NMH dar (Khorana et al. 2018; Farge et al. 2019; Key et al. 2020; Konstantinides et al. 2020).
Die Therapieentscheidung sollte unter Berücksichtigung der persönlichen Präferenz und Gesundheitskompetenz des Patienten stets individualisiert getroffen und in regelmäßigen Abständen überprüft werden (Beyer-Westendorf et al. 2019).
Als generell problematisch wird der Einsatz von NOAK bei Patienten mit GI Tumoren angesehen. Insbesondere nicht operierte Karzinome von Speiseröhre, Magen oder gastroösophagealem Übergang stellen eine potenzielle Blutungsquelle dar. Gleiches gilt für das nicht operierte Harnblasenkarzinom und andere urotheliale Malignome. Es ist jedoch zu bedenken, dass auch nach Resektion luminaler GI Tumore das Risiko für Blutungen aus dem Magendarmtrakt potenziell erhöht ist, da in der adjuvanten oder palliativen Situation häufig Chemotherapeutika zum Einsatz kommen (z. B. 5-Fluorouracil, 5-FU), die als charakteristische Nebenwirkung eine toxische Mukositis verursachen, welche eine Prädilektionsstelle für Schleimhautblutungen darstellt. 5-FU wird auch bei hepatobiliären Tumoren und beim Pankreaskarzinom eingesetzt. Letztere Tumorentität birgt insbesondere im lokal fortgeschrittenen Stadium durch Infiltration von Magen, Duodenum und angrenzenden Gefäßen ein hohes Risiko für schwere Blutungen. Neben der Tumorentität spielen bei der Beurteilung des Blutungsrisikos zahlreiche andere Faktoren eine Rolle, z. B. schwere Nieren- oder Leberfunktionseinschränkungen, Thrombozytopenie, intrazerebrale Tumormanifestationen, Begleiterkrankungen des GI Traktes oder stattgehabte Blutungen. Bei hohem Blutungsrisiko wird allgemein eine parenterale Antikoagulation mit NMH bevorzugt. Zudem sind Faktoren zu bedenken, die die gastrointestinale Absorption der NOAK reduzieren können. Hierzu zählen ausgedehnte Resektionen im Magendarmtrakt, Übelkeit/Erbrechen, mechanischer oder paralytischer Ileus und toxische Schleimhautentzündungen.
Neben der Tumorentität und dem allgemeinen Blutungsrisiko sollen im Rahmen der Therapieentscheidung auch potenzielle Medikamenteninteraktionen berücksichtigt werden (Carrier et al. 2018). Dieses gilt sowohl für die spezifische Krebs- als auch für die Supportivtherapie.
Cave
In den NOAK-Studien zur tumorassoziierten VTE war eine Begleittherapie mit starken Induktoren oder Inhibitoren von CYP-3A4 und/oder P-Glykoprotein in der Regel nicht erlaubt.
Die Beurteilung der potenziellen Medikamenteninteraktionen ist im Praxisalltag schwierig. Neben der spezifischen Substanz muss das Verabreichungsschema berücksichtigt werden. Während die intravenöse Bolusinjektion eines starken Induktors/Inhibitors von CYP-3A4/P-Glykoprotein im Abstand von 2–4 Wochen wahrscheinlich keinen nennenswerten Effekt hat, kann die tägliche Einnahme eines Medikaments (z. B. Dexamethason, Tamoxifen, Tyrosinkinase-Inhibitoren) die Wirkung eines NOAK möglicherweise relevant verstärken oder abschwächen (Abb. 2). Die klinische Relevanz von potenziellen Medikamenteninteraktionen bezogen auf das Blutungs- oder thromboembolische Rezidivrisiko ist unklar. Unter Einnahme eines NOAK kann die Bestimmung des Tal- und Spitzenspiegels im Einzelfall sinnvoll sein.
Aufgrund der vergleichbaren Pharmakokinetik von NOAK und NMH ist ein Wechsel zwischen der oralen und parenteralen Antikoagulation im Praxisalltag relativ unproblematisch. Auf diese Weise kann die Art der Antikoagulation jederzeit kurzfristig an die klinische Gesamtsituation des Patienten angepasst werden.

Spezielle klinische Situationen

Inzidentelle Thromboembolien

In der Hämatologie/Onkologie wird die Diagnose einer VTE zunehmend unerwartet gestellt, z. B. im Rahmen der bildgebenden Diagnostik zur Beurteilung von Tumorstadium oder Therapieansprechen.
Im klinischen Alltag hat sich die Terminologie unerwartete oder inzidentelle VTE durchgesetzt, da der Begriff asymptomatische VTE das Risiko einer Verharmlosung des Krankheitsbildes birgt.
Zudem sind Luftnot, Fatigue, Schmerzen und Beinschwellung relativ häufige Symptome bei Tumorpatienten, wobei hinsichtlich der Ursache nicht immer eindeutig zwischen einer VTE und den Folgen der Krebserkrankung/–Therapie selbst (z. B. Anämie, Infektion, Pleuraerguss, Lungenmetastasen, Kompressionssyndrom) unterschieden werden kann. Da der Verlauf einer inzidentellen VTE bezüglich relevanter Endpunkte wie Mortalität und Rezidivrisiko mit dem einer symptomatischen VTE vergleichbar ist, sollte die Behandlung identisch erfolgen. Bei computertomografischem Nachweis einer einzelnen subsegmentalen Lungenarterienembolie ist zur Klärung der Therapieindikation eine Ultraschalldiagnostik der Bein-/Beckenvenen sinnvoll (Konstantinides et al. 2020). Bei Nachweis einer inzidentellen Thrombose im Splanchnikusgebiet ist die Therapieentscheidung stets individuell zu treffen.

Thrombozytopenie

Die Thrombozytopenie ist ein häufiger Befund in der Versorgung hämatologisch-onkologischer Patienten. Als Ursache kommen die maligne Grunderkrankung selbst oder myelotoxische Effekte einer System- oder Strahlentherapie infrage. Bezüglich der Antikoagulation bei Thrombozytopenie liegen am meisten Erfahrungen für NMH vor.
Wichtige Parameter für die Therapieentscheidung sind neben der absoluten Thrombozytenzahl das zeitliche Auftreten der Thrombozytopenie relativ zur VTE-Diagnose sowie die aktuelle Thrombuslast.
Bei einer Thrombozytenzahl von > 50 × 109/l wird eine therapeutisch dosierte Antikoagulation allgemein als akzeptabel angesehen. In der subakuten oder chronischen Phase einer VTE (d. h. VTE-Diagnose vor > 4 Wochen), geringer Thrombuslast und wenigen oder fehlenden klinischen Symptomen wird bei einer Thrombozytenzahl von 25–50 × 109/l eine dosisangepasste Antikoagulation mit NMH empfohlen, z. B. in halbtherapeutischer oder prophylaktischer Dosierung. Bei einer Thrombozytopenie von < 25 × 109/l sollte die Antikoagulation pausiert werden. In der akuten Phase einer VTE (d. h. VTE-Diagnose vor ≤ 4 Wochen) kann bei hoher Thrombuslast und/oder ausgeprägten Symptomen eine Transfusionsstrategie zur Anwendung kommen mit dem Ziel, die Thrombozytenzahl auf > 40–50 × 109/l anzuheben und auf diese Weise eine therapeutisch dosierte Antikoagulation zu ermöglichen. Ist eine Transfusionsstrategie nicht praktikabel, wird das zuvor genannte Schema zur Dosisanpassung empfohlen. Das Einbringen eines temporären Cava-Schirms bleibt Einzelfällen vorbehalten, wenn bei akuter VTE eine Antikoagulation aufgrund von Blutungskomplikationen oder einer prolongierten transfusionsrefraktären Thrombozytopenie nicht möglich ist (Moik und Ay 2020).

Port- und katheterassoziierte Thrombosen

Bei Port- und katheterassoziierten Thrombosen muss zwischen den folgenden Manifestationen unterschieden werden:
  • Intravasaler, die Vene okkludierender Thrombus, der mit typischen Symptomen wie Schmerzen, Arm-/Halsschwellung, Schwere-/Spannungsgefühl und sichtbaren Kollateralen einhergehen kann und das Risiko für eine Lungenarterienembolie birgt (Abb. 3)
  • Abscheidungsthrombus an der Außenseite des Katheterschlauches mit wenigen oder gar keinen klinischen Symptomen und in der Regel erhaltener Katheterfunktion
  • Thrombus an der Katheterspitze mit Ventilfunktion, sodass zwar eine Medikamentenapplikation, aber keine Aspiration möglich ist
  • Obstruierender Thrombus im Lumen des Katheterschlauches, der sowohl eine Injektion als auch eine Aspiration verhindert
Eine klare Indikation zur therapeutischen Antikoagulation ist nur beim intravasalen, die Vene okkludierenden Thrombus gegeben, insbesondere, wenn klinische Symptome vorliegen (siehe auch Kap. 21.1). Die meisten Leitlinien empfehlen zwar NMH als bevorzugtes Antikoagulanz; im Praxisalltag werden aber zunehmend auch NOAK in Analogie zur TVT/LAE eingesetzt. Bei regelrechter Lage, fehlenden Infektionszeichen und abklingender Symptomatik muss ein funktionstüchtiger Katheter nicht entfernt werden (Farge et al. 2019). Die Therapie sollte über mindestens 3 Monate erfolgen. Bei aktiver Krebserkrankung wird die Antikoagulation jedoch meist bis zur Katheterentfernung sowie über 4–6 Wochen danach fortgeführt.

VTE-Rezidiv unter Antikoagulation

Thromboembolische Rezidivereignisse unter Antikoagulation sind in der Hämatologie/Onkologie ein vergleichsweises häufiges Problem. Diesbezügliche Empfehlungen basieren fast ausschließlich auf Expertenmeinungen (Lee 2012; Farge et al. 2019).
Für den Praxisalltag können die folgenden vier Szenarien definiert werden:
  • Wenn das VTE-Rezidiv unter einer reduzierten NMH-Dosis aufgetreten ist, sollte die NMH-Dosis erneut auf 100 % gesteigert oder die Therapie auf ein NOAK umgestellt werden.
  • Wenn das VTE-Rezidiv unter einer therapeutischen NMH-Dosis aufgetreten ist, wird neben der Umstellung auf ein NOAK eine Steigerung der NMH-Dosis um 20–25 % empfohlen. In diesem Fall kann bei ausbleibender Symptombesserung ein Monitoring der Anti-Xa-Aktivität für eine weitere Titration der NMH-Dosis in den oberen therapeutischen oder supratherapeutischen Bereich sinnvoll sein.
  • Wenn das VTE-Rezidiv unter einem NOAK aufgetreten ist, wird die Umstellung auf NMH in therapeutischer Dosierung empfohlen (Abb. 2).
  • Wenn das VTE-Rezidiv unter einem VKA aufgetreten ist, sollte die Umstellung auf ein NOAK oder NMH erfolgen.

Dauer der Antikoagulation

Bei tumorassoziierter VTE ist die Dauer der Antikoagulation nicht abschließend geklärt. Die meisten aktualisierten Leitlinien empfehlen eine Fortführung der Antikoagulation über mindestens 6 Monate. Anschließend soll in Abhängigkeit vom Status der Krebserkrankung sowie unter Berücksichtigung von Toleranz, Blutungsrisiko und Patientenpräferenz über das weitere Vorgehen individuell entschieden werden. Mangels vergleichender Therapiestudien kommen für die Phase der Langzeiterhaltung neben NOAK und NMH auch VKA infrage.
Bei persistierender Krebserkrankung, im Praxisalltag in der Regel definiert durch das Vorhandensein einer messbaren Tumorläsion, wird die Antikoagulation in der Regel fortgesetzt.
Im Einzelfall zeigt die gute Rekanalisation einer isolierten proximalen Beinvenenthrombose möglicherweise ein ausreichend niedriges thromboembolisches Rezidivrisiko an (Napolitano et al. 2014). Ob die dosisreduzierte Antikoagulation mit einem NOAK wie Rivaroxaban oder Apixaban > 6 Monate nach der Index-VTE für ausgewählte Tumorpatienten eine Option darstellt, ist gegenwärtig unklar und Gegenstand aktueller Studienaktivitäten.

Prophylaxe der tumorassoziierten VTE

Bei tumorchirurgischen Patienten und Krebspatienten, die aufgrund einer akuten internistischen Erkrankung (z. B. Pneumonie mit eingeschränkter Mobilität) der Hospitalisierung bedürfen, ist die medikamentöse VTE-Prophylaxe klar etabliert. Standard in dieser Indikation ist NMH in einer für den Hochrisikobereich zugelassenen Dosierung. Bei größeren tumorchirurgischen Eingriffen im Bauch- oder Beckenbereich wird bei geringem Blutungsrisiko eine prolongierte NMH-Prophylaxe über 4 Wochen postoperativ empfohlen (Farge et al. 2019). Dies gilt auch für laparoskopische Eingriffe. Weniger eindeutig ist die Indikation zur VTE-Prophylaxe bei Tumorpatienten, die eine ambulante Chemotherapie erhalten.
Cave
In unselektionierten Patientenkollektiven ist die VTE-Inzidenz mit 2–4 % über 3–6 Monate nicht ausreichend hoch, um eine routinemäßige medikamentöse VTE-Prophylaxe zu empfehlen.
Zur Risikostratifizierung wurden daher verschiedene Risikomodelle entwickelt, von denen der Khorana-Score die breiteste Verwendung findet (Tab. 2).
Tab. 2
Khorana-Score zur Abschätzung des VTE-Risikos während einer ambulanten Chemotherapie
   
Punkte
Lokalisation des Primärtumors
Sehr hohes Risiko
Magen, Pankreas
2
 
Hohes Risiko
Lunge, Lymphom, gynäkologisch, urogenital*
1
Thrombozyten ≥ 350 × 109/l#
  
1
Leukozyten > 11 × 109/l#
  
1
Hb-Wert < 10 g/dl oder Einsatz von Erythropoetin#
  
1
BMI ≥ 35 kg/m2
  
1
*Mit Ausnahme des Prostatakarzinoms
#Vor Einleitung der ambulanten Chemotherapie
Niedriges Risiko: 0 Punkte, mittleres Risiko: 1-2 Punkte, hohes Risiko: ≥ 3 Punkte. BMI, Körper-Massen-Index; Hb, Hämoglobin
Bei einem Khorana-Score von ≥ 3 beträgt das VTE-Risiko in den ersten 2–3 Monaten nach Beginn einer ambulanten Chemotherapie 6–8 %. Der Khorana-Score wurde durch andere Parameter wie Biomarker (D-Dimere, lösliches P-Selektin), Chemotherapeutika (Cisplatin, Gemcitabin) oder den Allgemeinzustand des Patienten (Karnofsky Performance Status < 80 %) erweitert (Voigtlaender und Langer 2018). Ein deutlich vereinfachtes Risikomodell beruht allein auf der Tumorentität (niedriges bis sehr hohes VTE-Risiko) und der Plasmakonzentration der D-Dimere (Pabinger et al. 2018).
Bei ambulanten Tumorpatienten mit einem Khorana-Score ≥ 3 reduziert NMH das VTE-Risiko signifikant um etwa 60 % (Khorana et al. 2017). Um die Akzeptanz der VTE-Prophylaxe zu erhöhen und diese einer breiteren Patientenpopulation zugänglich zu machen, wurden die Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban 10 mg/Tag (CASSINI) und Apixaban 2 × 2,5 mg/Tag (AVERT) jeweils im Vergleich zu Placebo bei Tumorpatienten mit einem intermediär-hohen VTE-Risiko (Khorana-Score ≥ 2) getestet (Khorana et al. 2019; Carrier et al. 2019). In beiden Studien konnte das VTE-Risiko während der aktiven Behandlungsphase im NOAK-Arm signifikant um 60–85 % gesenkt werden. Schwere Blutungen waren zwar insgesamt selten, traten aber unter der Antikoagulation in etwa doppelt so häufig auf wie unter Placebo.
Aufgrund des hohen tumorbedingten VTE-Risikos empfehlen aktuelle Leitlinien beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Pankreaskarzinom eine Primärprophylaxe mit NMH, sofern das Blutungsrisiko gering ist. In den relevanten Studien CONKO-004 (Enoxaparin) und FRAGEM (Dalteparin) wurden intermediäre bis therapeutische NMH-Dosierungen eingesetzt (Pelzer et al. 2015; Maraveyas et al. 2012). Bei Tumorpatienten mit intermediär-hohem VTE-Risiko können in Abwesenheit einer aktiven Blutung oder eines hohen Blutungsrisikos Rivaroxaban oder Apixaban in prophylaktischer Dosierung zum Einsatz kommen (Farge et al. 2019). Keine der beiden Substanzen ist jedoch aktuell in dieser Indikation formal zugelassen. Zudem wird eine medikamentöse VTE-Prophylaxe bei Myelompatienten empfohlen, die immunmodulatorische Subtanzen (z. B. Lenalidomid) in Kombination mit Kortikosteroiden oder Chemotherapeutika erhalten, wobei in dieser Indikation bei geringem VTE-Risiko auch Acetylsalicylsäure (ASS) eine Option ist. Keine routinemäßige Indikation zur prophylaktischen Antikoagulation besteht nach Anlage zentraler Venen- oder Portkatheter. Diese sollten jedoch nach Möglichkeit über die rechte Seite mit korrekter Lage der Katheterspitze am Übergang zwischen oberer Hohlvene und rechtem Vorhof eingebracht werden. Die Anlage zentraler Venenkatheter an der Ellenbeuge ist zu vermeiden.
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