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Praktische Schmerzmedizin
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Publiziert am: 08.02.2018

Schmerztherapie bei Kindern

Verfasst von: Boris Zernikow
Schmerztherapie bei Kindern sollte immer aus einer Kombination medizinischer und psychologischer Maßnahmen bestehen. Letztere sind bei bestimmten chronischen Schmerzformen – wie den funktionellen Bauchschmerzen – die einzig etablierte Therapie. Aus Platzgründen muss sich dieses Kapitel jedoch weitgehend auf medikamentöse Verfahren beschränken.
Schmerztherapie bei Kindern sollte immer aus einer Kombination medizinischer und psychologischer Maßnahmen bestehen. Letztere sind bei bestimmten chronischen Schmerzformen – wie den funktionellen Bauchschmerzen – die einzig etablierte Therapie. Aus Platzgründen muss sich dieses Kapitel jedoch weitgehend auf medikamentöse Verfahren beschränken.

Schmerztherapie in der Neonatologie

Da Schmerzerkennung und standardisierte Schmerzmessung beim Neugeborenen ein ungelöstes Problem sind, kann der wissenschaftliche Wirknachweis für spezielle Schmerztherapiemaßnahmen erhebliche methodische Probleme aufwerfen.

Kleine schmerzhafte Eingriffe

In Tab. 1 finden sich Möglichkeiten der Schmerzreduktion bei kleineren Eingriffen in der Neonatalzeit. Wegen der fehlenden verbalen Mitteilungsfähigkeit von Früh- und Neugeborenen fußen alle Erfolgsmessungen auf Surrogatmarkern wie Veränderungen von Mimik, Schreien oder Vitalparametern. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist nicht in jedem Fall für Früh- und Neugeborene gesondert belegt. Neueste wissenschaftliche Studien legen die Interpretation nahe, dass durch die Geschmacksqualität süß die schmerztypische Mimik, nicht aber das Schmerzerleben der Neugeborenen (definiert durch „schmerzspezifische“ EEG-Veränderungen) positiv beeinflussbar ist. Ursache hierfür sind auch methodische Probleme: Bei Lumbalpunktionen verursachen Lagerung und Festhalten so viel Stress, dass die schmerzreduzierende Wirkung von EMLA („eutectic mixture of local anesthetics“) durch reines Beobachten nicht zu messen ist. Zudem belegen kontrollierte Studien für einzelne Interventionen zwar signifikante schmerzreduzierende Wirkungen bei Blutabnahmen (für reife Neugeborene: nichtnutritives Saugen – definiert über Änderungen der Mimik –, süß, Kängurukontakt, EMLA, Automatiklanzette jeweils mit Evidenzlevel 1b–1a); ob die beobachteten analgetischen Wirkungen jedoch relevant sind, bleibt unklar.
Tab. 1
Schmerzreduzierende Maßnahmen bei medizinischen Eingriffen in der Neonatalzeit
Intervention
Schmerzreduzierende Maßnahme
(Kapilläre) Blutabnahme
- Häufigkeitsreduktion von Blutabnahmen (BE) → gezielte Indikationsstellung
- Automatiklanzette anstatt Handlanzette
- Venöse statt kapilläre Blutabnahme (nur bei reifen Neugeborenen und seltenen BE (Evidenzlevel 1a)
- Geschmacksqualität süß
- Kängurukontakt mit den Eltern
- Nichtnutritives Saugen
- EMLA (ausschließlich bei venöser BE)
Lumbalpunktion
- EMLA plus Stressreduktion durch Midazolam-Einmalgabe
Endotracheales Absaugen
- Häufigkeit reduzieren
- Tubus gut fixieren
- In Ausnahmefällen Opioide1 i.v.
Intramuskuläre Injektion
- i.v.-Gabe bevorzugen
- s. oben: „Blutabnahme“
EMLA = eutectic mixture of local anesthetics
1Im Text wird nicht zwischen Opioiden und Opiaten unterschieden. Auch für Opiate wird regelmäßig der Begriff Opioid verwendet.

Intubation

Die Datenlage über Schmerzmittelapplikation zur Intubation im Neugeborenenalter ist dürftig; ein Medikationsvorschlag findet sich in Tab. 2.
Tab. 2
Kombinationsmedikation zur Intubation im Neugeborenenalter
Präparat
Dosierung
Bemerkung
Atropin
0,01 mg/kgKG i.v.
minimal 0,1 mg i.v.
maximal 0,4 mg i.v.
Einmalig
Morphin
0,1 mg/kgKG i.v.
Gegebenenfalls nachspritzen
Midazolam
0,1 mg/kgKG i.v.
Gegebenenfalls nach einigen Minuten nachspritzen
Succinylcholin
1 mg/kgKG i.v.
Oft nicht nötig

Operationen und Beatmung

Kleine Operationen

Nach kleineren Operationen im Neugeborenenalter wie Leistenherniotomien und Zirkumzisionen ist bei guter intraoperativer RegionalanästhesieSpinalanästhesie bzw. Leitungsanästhesie wie z. B. dorsaler Penisblock – eine 24- bis 36-stündige Basisanalgesie mit Nichtopioidanalgetika zu empfehlen. Paracetamol kann als Einzeldosis wie auch nach multipler Applikation bis zu einem Behandlungszeitraum von 72 h auch beim Neugeborenen als relativ sicher angesehen werden. Paracetamol als potenzieller Met-Hb-Bildner sollte nicht zeitgleich mit EMLA oder anderen Met-Hb-Bildnern appliziert werden.
Die rektale Resorptionsgeschwindigkeit von Paracetamol ist variabel, und die Zeit bis zum Erreichen der Maximalkonzentration beträgt zwischen 30 und 120 min. Die genaue Beziehung zwischen Blutspiegel und Analgesie ist noch nicht bekannt. Nach einer Sättigungsdosis von 30 mg/kgKG rektal folgen Einzeldosen von 15 mg/kgKG rektal alle (4–) 6 h (Frühgeborene: alle 8 h).

Große Operationen und Beatmung

Unumstrittene Indikationen für Opioide bei Früh- und Neugeborenen sind starker Akutschmerz, postoperativer Schmerz, ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) sowie die Palliativversorgung bei Schmerz und Dyspnoe. Der wissenschaftliche Nachweis, dass bei beatmeten Früh- und Neugeborenen die Gabe von Opioiden zur Sedierung, Synchronizitätsoptimierung zwischen Beatmung und Eigenatmung, Erleichtern der Beatmung, Schmerzstillung und Stressverminderung vorteilhaft zur Genesung beiträgt, ist noch schwach (negative Ergebnisse mehrerer randomisierter kontrollierter Studien bezüglich der primären „outcome parameters“). Pethidin wird auch bei Frühgeborenen zu toxischen Metaboliten metabolisiert, die akkumulieren und zerebrale Krämpfe verursachen können. Aus diesem Grund wird dank besserer Alternativen von Pethidin-Gaben in der Früh- und Neugeborenenmedizin abgeraten. Jede neonatologische Abteilung sollte sich auf die Verwendung einiger weniger potenter Analgetika beschränken. Mit Morphin und Fentanyl (Dosisempfehlungen in Tab. 3) bestehen weltweit die meisten Erfahrungen.
Tab. 3
Dosierungsempfehlungen für Morphin und Fentanyl in der Früh- und Neugeborenenphase. Nach kardiochirurgischen Eingriffen wird initial nur die halbe Erhaltungsdosis verwendet (i. Allg. gestörte Leberperfusion mit verlangsamtem Metabolismus). Die Dosis ist immer am Effekt zu titrieren und bei gleichzeitiger Gabe eines Sedativums zunächst zu reduzieren (Gefahr der Potenzierung von Nebenwirkungen). Bei sehr kleinen Frühgeborenen wird mit der kleinsten angegebenen Dosis begonnen. Bei ihnen ist eine lang dauernde kontinuierliche Applikation möglichst zu vermeiden (Gefahr einer nekrotisierenden Enterokolitis)
 
Frühgeborene
Neugeborene
Morphin
Indikation
Kurzeingriff, Akutschmerz
30–100 μg/kgKG i.v.
30–100 μg/kgKG i.v.
Beatmung, ECMO
SD 25–50 μg/kgKG i.v.
ED 5–10 μg/kgKG/h i.v.
SD 50–100 μg/kgKG i.v.
ED 10–20 μg/kgKG/h i.v.
Postoperativ
30–100 μg/kgKG i.v. alle 2–6 h
ED 5–10 μg/kgKG/h i.v.
50–200 μg/kgKG i.v. alle 2–6 h
ED 10–20 μg/kgKG/h i.v.
Pharmakologie
Wirkeintritt
3–5 min
Wirkdauer
Extrem variabel und abhängig von Anwendungsdauer, Reife des Neugeborenen und Schwere der Krankheit
Metabolismus
Hepatisch, mit großer interindividueller Variabilität, abgebaut zu Morphin-3-Glucuronid und Morphin-6-Glucuronid (M-6-G, analgetisch)
Renale Elimination
Nebenwirkungen
Atemdepression, Blutdruckabfall, Darmmotilitätsstörung, Harnverhalt, vermehrtes Auftreten von Nebenwirkungen bei Plasmakonzentrationen > 300 ng/ml. Durch Akkumulation von M-6-G kann es auch einige Zeit nach Beginn der Morphintherapie zu Nebenwirkungen kommen
Fentanyl
Indikation
Kurzeingriff, Akutschmerz
0,5–2 μg/kgKG i.v.
2 μg/kgKG i.v
Beatmung, ECMO
SD 2–10 μg/kgKG i.v.
ED 0,5–2 μg/kgKG/h i.v.
SD 5–10 μg/kgKG i.v.
ED 1–8 μg/kgKG/h i.v.
Postoperativ
0,5–5 μg/kgKG i.v. alle 2–4 h
ED 0,5–2 μg/kgKG/h i.v.
2–4(–10) μg/kgKG i.v. alle 2–4 h
ED 1–8 μg/kgKG/h i.v.
Pharmakologie
Wirkeintritt
Während der Applikation, da sehr lipophil
Wirkdauer
Extrem variabel und abhängig von Anwendungsdauer, Reife des Neugeborenen und Schwere der Krankheit
Metabolismus
Hepatisch zu Nor-Fentanyl in Abhängigkeit von der Aktivität des P450-Systems
Nebenwirkungen
Wie bei Morphin, häufiger: Thoraxrigidität, Glottisspasmus, Bronchospasmus
ED = Erhaltungsdosis der Dauertropfinfusion, SD = Sättigungsdosis (langsam applizieren)

Therapiesteuerung

Postoperativ empfiehlt sich zur Therapiesteuerung bei nichtbeatmeten Kindern die KUS-Skala (Abb. 1).
Bei beatmeten Neu- und Frühgeborenen kann die Sedierungs- und Schmerzskala nach Hartwig et al. (1991) eingesetzt werden (Abb. 2).

Beenden der Opioidtherapie

Wird eine Opioidtherapie schlagartig beendet, besteht die Gefahr, dass das Früh- oder Neugeborene z. T. bedrohliche Entzugserscheinungen entwickelt. Dem kann durch langsames Ausschleichen der Therapie begegnet werden.

Schmerztherapie bei schmerzhaften Eingriffen jenseits der Neonatalzeit

Schmerzhafte Eingriffe sind für Kinder nicht nur belastend; ohne entsprechende Analgesie durchgeführt, können sie erwiesenermaßen Schmerzchronifizierungsprozesse einleiten und negative Folgen für die gesunde Entwicklung des Kindes haben.

Kleine schmerzhafte Eingriffe

Während eines Krankenhausaufenthaltes gibt eine Vielzahl von Kindern kapilläre oder venöse Blutabnahmen, das Legen einer Verweilkanüle oder intramuskuläre Injektionen als die Hauptschmerzfaktoren an, auch dann, wenn sie scheinbar schmerzhafteren Eingriffen wie Operationen ausgesetzt sind oder unter starken Tumorschmerzen leiden. Der Einsatz von EMLA („eutectic mixture of local anesthetics“, Mischung aus 2,5 % Lidocain und 2,5 % Prilocain) reduziert signifikant die Schmerzen bei intramuskulären Injektionen und venösen Blutabnahmen (Evidenzlevel 1a). EMLA wird mindestens 1 h vor der Injektion unter einem Okklusionspflaster über der avisierten Einstichstelle aufgebracht – bei ambulanten Arztbesuchen idealerweise durch die Eltern zu Hause. Die Wirkung hält nach Entfernen des Pflasters noch für mehrere Stunden an.

Große schmerzhafte Eingriffe

Risiko und Sicherheit
Eine Analgosedierung zur Durchführung eines schmerzhaften Eingriffes ist nicht risikolos. Evidenzbasierte internationale Guidelines verschiedenster Fachgesellschaften finden in der klinischen Routine von Nichtanästhesisten noch zu wenig Beachtung (Überblick: Krauss und Green 2006; Philippi-Höhne et al. 2010; Neuhäuser et al. 2010).
Analgosedierung
Für Lumbalpunktionen empfiehlt sich bis zum Schulalter oder auch bei sehr ängstlichen Kindern die Durchführung einer Sedierung (plus EMLA) oder Kurznarkose. Ist das Kind ab dem Schulalter psychologischen Interventionen gegenüber offener, ist für die meisten Kinder eine Kombination aus psychologischer Vorbereitung und Begleitung – auch durch Nichtpsychologen – sowie die Applikation eines EMLA-Pflasters am schonendsten.
Für sehr schmerzhafte Eingriffe wie Knochenmarkpunktionen, primäre Wundversorgungen, Drainagenanlagen und große Verbandswechsel etc. sind Allgemeinnarkose oder Analgosedierung (Tab. 4) in Kombination mit lokal-/regionalanästhetischen Maßnahmen zu fordern. Die Kombination von Ketamin mit Midazolam scheint in der Hand von Nichtanästhesisten nebenwirkungsärmer zu sein als die Gabe von Midazolam plus starkem Opioid (Evidenzlevel 1b). Anästhesisten bevorzugen die Gabe von Propofol und einem Analgetikum (Opioid oder Ketamin).
Tab. 4
Analgosedierung durch Nichtanästhesisten für Kinder ab dem 6. Lebensmonat
Indikation
Medikament
Dosierung
Mögliche Nebenwirkungen
Prämedikation
Atropin
0,01 mg/kgKG i.v.
(Höchste Einzeldosis 0,3 mg)
Tachykardie, Unruhe
Sedierung
Midazolam
Austitrieren:
0,1 mg/kgKG i.v., ggf. wiederholen
(Höchste Einzeldosis 4 mg)
Paradoxe Reaktion, Allergie, arterielle Hypotonie, Halluzinationen
Analgesie
Ketamin
Austitrieren:
Startdosis: 0,1–1 mg/kgKG i.v.
(Höchste Einzeldosis 50 mg)
Hypersalivation, Laryngospasmus, Halluzinationen und Albträume (daher immer Kombination mit Midazolam), Hirndrucksteigerung, Tachykardie, Bluthochdruckkrisen; sehr selten Atemdepression
Lokalanästhesie
Erst EMLA, dann Lidocain 1 %
s.c. maximal 6 mg/kgKG
Bei Überdosierung: Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Erbrechen, zerebrale Krämpfe

Schmerztherapie bei akuten Schmerzen

Bei akuten Infektionserkrankungen wie Otitis media und Pharyngitis sind Schmerzen Leitsymptom. In der Kurzzeittherapie ist Ibuprofen ebenso gut verträglich wie Paracetamol (Evidenzlevel 1b), besitzt aber eine höhere analgetische Potenz (Evidenzlevel 1b) und muss nur 3-mal täglich verabreicht werden – abendlich gegeben, reicht die Wirkung oft bis zum nächsten Morgen.

Postoperative Schmerztherapie

In der postoperativen Schmerztherapie bedeutet balancierte Analgesie eine sinnvolle Kombination aus lokaler Unterbrechung der Schmerzweiterleitung und systemischer Schmerztherapie. Länger wirksame Opioide und alle Nichtopioide sollten einmalig schon während der Operation verabreicht werden, damit sie in der unmittelbar postoperativen Phase wirken können. Immer sollte die Schmerztherapie anhand der standardisiert erhobenen Schmerzwerte gesteuert werden. Für ältere Kinder empfiehlt sich die „Faces Pain Scale-revised“ (Abb. 3).
Beispiel
„Diese Gesichter zeigen, wie weh etwas tun kann (wie sehr etwas schmerzen kann). Dieses Gesicht hier [auf das Gesicht ganz links zeigen] zeigt, dass es gar nicht weh tut (schmerzt). Die anderen Gesichter zeigen, dass es mehr und mehr weh tut (schmerzt) [auf die Gesichter der Reihe nach zeigen] bis hin zu diesem Gesicht, das zeigt, dass es ganz stark weh tut (schmerzt). Zeig mir mal das Gesicht, das am besten zeigt, wie sehr es Dir (gerade) weh tut (wie stark deine Schmerzen gerade sind).“
Vergeben Sie die Punkte 0, 2, 4, 6, 8 oder 10 für die Gesichter von links nach rechts, sodass „0“= „kein Schmerz“ und „10“= „sehr starker Schmerz“ bedeutet. Vermeiden Sie Worte wie „glücklich“ und „traurig“.
Ziel dieser Skala ist es zu messen, wie die Kinder sich fühlen, und nicht, wie ihr Gesichtsausdruck ist.

Regionalanästhesie

Infiltrationsanästhesie und Nervenblockaden
Vor dem Wundschluss sollte die Operationswunde durch den Operateur mit Bupivacain 0,25 % bzw. Ropivacain 0,2 % infiltriert werden. Diese Infiltration interagiert nicht negativ mit der Wundheilung. Im Gegenteil: Bupivacain wirkt bakterizid und kann auf diese Weise lokale Infektionen verhindern helfen. Intra- oder präoperativ angelegte Nervenblockaden mit Bupivacain 0,25 % (Maximaldosis 2 mg/kgKG) haben eine Wirkdauer von 3–5 h und sind damit die beste Prophylaxe unmittelbar postoperativer Schmerzen (Tab. 5).
Tab. 5
Nervenblockaden (nach Finke 2015)
Technik
Indikationen
Bupivacain [mg/kgKG]
Wundinfiltration
Leistenbruch
1
Peniswurzelblock
Zirkumzision, Hypospadieoperation
0,5–1
Blockade N. ilioinguinalis, N. iliohypogastricus
Leistenbruch, Orchidopexie
1,5
Blockade N. femoralis
Femurfraktur
2,0
Kaudalanästhesie
Indikationen zur Kaudalanästhesie sind urogenitale und anorektale Operationen sowie Eingriffe an der unteren Extremität. Als Lokalanästhetikum kommt Bupivacain 0,125–0,25 % mit einer Dosis von 0,5 und 1,25 ml/kgKG zum Einsatz. Die Wirkdauer verlängert sich, wenn 2 μg/ml Clonidin oder 2,5–5 μg/ml Adrenalin hinzugegeben werden. Bei zusätzlicher Gabe von Morphin (30 μg/kgKG) muss eine intensive Überwachung von Kreislauf und Atmung für mindestens 12 h erfolgen.
Periduralanästhesie
Die Peri-/Epiduralanästhesie wird eingesetzt bei großen abdominellen und thorakoabdominellen Eingriffen, orthopädischen Operationen an der unteren Extremität, Amputationen einer unteren Extremität sowie bei schweren Verletzungen der unteren Extremität, die häufiger postoperativer Verbandswechsel bedürfen (Tab. 6). In der Regel werden Lokalanästhetika allein ohne Zusatz von Opioiden appliziert, da dies mit weniger Nebenwirkungen vergesellschaftet ist als deren Kombination mit Opioiden.
Tab. 6
Dosierungsvorschläge für die Periduralanästhesie mit Bupivacain und Morphin zur postoperativen Schmerztherapie. Motorik und Sensibilität müssen regelmäßig und standardisiert kontrolliert werden. Bei Gabe von Morphin ist eine intensive Überwachung von Kreislauf und Atmung notwendig, nach der letzten Gabe für mindestens weitere 12 h (mögliche Latenzzeit für das Auftreten von Komplikationen). Im 1. Lebensjahr werden nur 50 % der Dosis appliziert (nach Finke 2015)
Medikament
Bolus
[mg/kgKG]
Maximaldosis
Infusion
[mg/kgKG/h]
Maximaldosis
Bupivacain 0,25 %
0,5–1
0,4
Morphin
0,03
0,004
Patientenkontrollierte Periduralanästhesie
Die patientenkontrollierte Periduralanästhesie erfordert eine umfassende Logistik inklusive 24-h-Rufbereitschaft des Schmerzdienstes (Tab. 7).
Tab. 7
Patientenkontrollierte Periduralanästhesie
 
< 30 kgKG
≥ 30 kgKG
Medikamente
Ropivacain 0,2 %
Grundvolumen
Grundvolumen
Sufentanil
0,75 μg/ml
Parameter
Bolus
1 ml
2 ml
Kontinuierliche Infusion
0,15 ml/kgKG/h
3–5 ml/h
Sperrintervall
30 min
30 min
Nichtopioidanalgetika bei Kindern
Postoperativ lassen sich durch die Gabe von Nichtopioidanalgetika Opioiddosen reduzieren und damit opioidtypische Nebenwirkungen wie die Obstipation minimieren (Evidenzlevel 1a). Dieser Vorteil muss im Einzelfall gegen das Risiko möglicher zusätzlicher Nebenwirkungen der Nichtopioide abgewogen werden. Die Kurzzeittherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAID; „non-steroidal anti-inflammatory drugs“) wird im Allgemeinen exzellent vertragen; hier bestehen keine signifikanten Unterschiede zur Verträglichkeit von Paracetamol (Evidenzlevel 1b). Zu möglichen Nebenwirkungen der NSAID zählen jedoch eine erhöhte Nachoperationsrate nach Tonsillektomie, eine fraglich verzögerte Knochenregeneration nach Frakturen, das akute Nierenversagen bei vorbestehender Dehydratation und in absoluten Einzelfällen Magen-Darm-Blutungen.
Metamizol und Paracetamol können i.v. verabreicht werden und eignen sich daher besonders gut für die postoperative Schmerztherapie. Metamizol besitzt zudem spasmolytische Wirkungen (Tab. 8). Die Kurzzeitgabe von Paracetamol geht sicherlich nicht mit einem erhöhten Risiko eines Asthmaleidens im späteren Leben einher. Auch die häufigere Gabe von Paracetamol in den ersten zwei Lebensjahren ist nur mit einem erhöhten Asthmarisiko bei 6- bis 7-Jährigen assoziiert, wenn Paracetamol wegen respiratorischer Infektionen verabreicht wurde – also schon eine Prädisposition für das Asthmaleiden vorlag. Die Paracetamoleinnahme ist in diesem Falle kein unabhängiger Risikofaktor (Lowe et al. 2010).
Tab. 8
Analgetika der WHO-Stufe 1
Medikament (alphabetisch)
Orale/rektale Tageshöchstdosierung
[mg/kgKG/Tag]
Orale/rektale Tageshöchstdosierung bei Erwachsenen
[mg]
Dosierung
Kindgerechte Präparate (Beispiele)
Bemerkungen
3
150
In 2 Dosen
In 1 Dosis (Retardtbl.)
- Voltaren Kindersuppositorien (25 mg)
- Kleinkindsuppositorien (12,5 mg)
- Häufig gastrointestinale Nebenwirkungen
40
2400
In 3–4 Dosen
- Nurofen-Fiebersaft oder Dolormin für Kinder 5 ml = 100 mg
- Nurofen-Zäpfchen 60 mg
- Ibuprofen mit dem geringsten Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen aller NSAIDs
3
150
In 3 Dosen
In 1 Dosis (Retardtabl.)
- Saft (z. B. Indo-Paed)
- Sehr stark antiphlogistisch
Metamizol
75
5000
In 4–6 Dosen
- Tropfen (z. B. Novalgin 1 Trpf. = 25 mg)
- Supp. 300 und 1000 mg
- In der palliativen Phase am häufigsten eingesetzt
- Wirkt auch bei spastischen Schmerzen
- i.v.-Dosis entspricht der oralen/rektalen Dosierung
- Nicht in den ersten 3 Lebensmonaten
- Kreislaufdepression bei zu schneller i.v.-Gabe
- Agranulozytoserisiko im Kindesalter nicht abschätzbar
Naproxen
15
1000
In 2 Dosen
- Saft (z. B. Proxen)
- Sehr stark antiphlogistisch
Paracetamol
≤ 2 Jahre: 60, > 2 Jahre: 90
4000
In 4–6 Dosen
- Saft (z. B. Ben-u-ron 1 ml = 40 mg))
- Suppositorien (z. B. Ben-u-ron 75, 125, 250, 500, 1000 mg)
- Intravenös: Perfalgan > 1 Jahr: 4 × 15 mg; ≤1 Jahr: 4 × 7,5 mg/kgKG i.v./Tag
- Entgiftungskapazität der Leber kann durch Kachexie eingeschränkt sein
- Bei oraler/rektaler Therapie Ladungsdosis von 40 mg/kgKG sinnvoll, wenn Kind > 2 Jahre alt
Bei der Gabe von Paracetamol ist eine analgetische Wirkung postoperativ erst ab einer oralen oder rektalen Einzeldosis von 40 mg/kgKG erwiesen (Evidenzlevel 1a).
Opioide
Bei postoperativen Schmerzen sollte die Gabe von Opioiden die Regel und nicht die Ausnahme sein. Bei leichten bis mittelschweren Schmerzen kommt postoperativ eine Dauertropfinfusion (DTI) mit Tramadol, bei starken Schmerzen die kontinuierliche Gabe von Morphin oder Piritramid zum Einsatz (Tab. 9 und 10). Piritramid darf nicht mit Infusionslösungen zusammen über einen i.v.-Zugang laufen, da es zu Inkompatibilitäten kommen kann.
Tab. 9
Opioide
 
Dosierung
Max. Startdosis f. Jugendliche u. Erwachsene 1
Äquianalgetische Dosis
Beispielpräparat
1. Opioide für starke und sehr starke Schmerzen (WHO III)
Buprenorphin
Intravenös
Bolus
0,003 mg/kgKG
alle 6 h
0,15 mg
alle 6 h
0,2 mg
Temgesic-Ampullen 0,3 mg = 1 ml
PCA-Bolus
0,001 mg/kgKG
0,06 mg
DTI
0,0005 mg/kgKG/h
0,03 mg/h
Sublingual
0,004 mg/kgKG
alle 8 h
0,2 mg
alle 8 h
0,3 mg
Temgesic sublingual 0,2 mg; sublingual forte 0,4 mg
Hydromorphon
Intravenös
Bolus
0,01 mg/kgKG
alle 3 h
0,5 mg
alle 3 h
1,5 mg
Palladon Inject 2 mg = 1 ml; 100 mg = 10 ml
PCA-Bolus
0,004 mg/kgKG
0,2 mg
DTI
0,005 mg/kgKG/h
0,2 mg/h
Oral
Unretardiert
0,03 mg/kgKG
alle 4 h
1,3 mg
alle 4 h
4,5 mg
Palladon 1,3 mg; 2,6 mg
Retardiert
0,06 mg/kgKG
alle 8 h
4 mg
alle 8 h
Palladon 4 mg; 8 mg; 16 mg; 24 mg
Morphin
Intravenös2/subkutan
Bolus
0,05 mg/kgKG
alle 3 h
3 mg
alle 3 h
10 mg
MSI 10 mg = 1 ml; 20 mg = 1 ml; 100 mg = 5 ml; 200 mg = 10 ml
PCA-Bolus
0,02 mg/kgKG
2 mg
DTI
0,02 mg/kgKG/h
0,5 mg/h
Oral
Unretardiert
0,2 mg/kgKG
alle 4 h
5 mg
alle 4 h
30 mg
Morphin-Merck Tropfen 0,5 %: 16 Trpf. = 1 ml = 5 mg; 2 %: 16 Trpf = 1 ml = 20 mg
Retardiert
0,4 mg/kgKG
alle 8 h
10 mg
alle 8 h
MST Retardgranulat 20 mg; 30 mg; 60 mg; 100 mg; 200 mg
Oxycodon
Intravenös/subkutan
Bolus
0,04 mg/kgKG
alle 4 h
2 mg
alle 4 h
8 mg
Oxygesic Inject 10 mg = 1 ml; 20 mg = 2 ml
PCA-Bolus
0,02 mg/kgKG
1,3 mg
DTI
0,02 mg/kgKG/h
0,5 mg/h
Oral
Unretardiert
0,1 mg/kgKG
alle 4 h
5 mg
alle 4 h
15 mg
Oxygesic akut 5 mg; 10 mg; 20 mg
Retardiert
0,2 mg/kgKG
alle 8 h
10 mg
alle 8 h
Oxygesic 5 mg; 10 mg; 20 mg; 40 mg; 80 mg
Targin Retardtabletten 5/2,5; 10/5; 20/10; 40/20 (Oxycodon in mg / Naloxon in mg)
2. Opioide für mäßig starke und starke Schmerzen
(Eine Dosis von 10 mg/kgKG/Tag oder 600 mg/Tag sollte nicht überschritten werden) (WHO II)
Tramadol
Intravenös/subkutan
Bolus
1 mg/kgKG
alle 4 h
50 mg
alle 4 h
100 mg
Tramal 1 ml = 50 mg; 2 ml = 100 mg
PCA-Bolus
0,3 mg/kgKG
10 mg
DTI
0,3 mg/kgKG/h
10 mg/h
Oral
Unretardiert
1 mg/kgKG
alle 4 h
50 mg
alle 4 h
150 mg
Tramal Tropfen, 1 Trpf. = 2,5 mg;
Kapsel ab 50 mg
Retardiert
2 mg/kgKG
alle 8 h
100 mg
alle 8 h
Tramal long 50 mg; 100 mg; 200 mg (Retardtabletten)
Tilidin/Naloxon
Oral
Unretardiert
1 mg/kgKG
alle 4 h
50 mg
alle 4 h
150 mg
Valoron N Tropfen, 1 Trpf. = 2,5 mg
Retardiert
2 mg/kgKG
alle 8 h
100 mg
alle 8 h
Valoron N retard 50/4 mg; 100/8 mg; 150/12 mg; 200/16 mg
Für Säuglinge < 6 Monate und Kinder mit einem Körpergewicht von < 10 kg oder bei Kindern mit einem Zerebralschaden sollten die Startdosen um 2/3 auf 1/3 der hier angegebenen Dosis reduziert werden. Immer sollten die Folgedosen am Erfolg langsam titriert werden.
1Maximale Einzeldosis am Beginn einer Opioidtherapie bei älteren Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Im Falle einer Dauertropfinfusion (DTI) ist die maximale Stundenstartdosis angegeben.
2Parenteral wird Piritramid (z. B. Dipidolor) wie Morphin dosiert. Cave: Piritramid ist mit vielen Substanzen inkompatibel und sollte möglichst über einen eigenen i.v.-Zugang infundiert werden.
Tab. 10
Umstellung von oraler Morphintherapie auf TTS-Fentanyl bei Kindern
Tägliche orale Morphindosis
[mg/Tag]
Fentanyldosis
[μg/h]
Fentanyldosis
[mg/Tag]
30–5
12,5
0,3
46–135
25
0,6
Je weitere 45
Weitere 12,5
Weitere 0,3
Immer muss eine ausreichende Beurteilung von Schmerzstärke, Opioidnebenwirkungen und Vitalparametern nicht nur durchgeführt, sondern auch dokumentiert werden. Zur Schmerzmessung bis zum Alter von 4 Jahren ist die KUS-Skala (Abb. 1) anwendbar, später sollte mindestens 4-mal täglich eine Selbsteinschätzung mittels Gesichterskala erfolgen (Abb. 2). Eine schnelle Titration der Schmerztherapie nach aktuellen Schmerzwerten ist qualitätsentscheidend. In den ersten 24 h einer Opioidtherapie empfiehlt sich die Überwachung mittels SaO2-Monitor – diese Überwachung ist nur dann verlässlich, wenn die Atemluft einen Sauerstoffgehalt von 21 % hat. Ist die Atemluft sauerstoffangereichert, können auch schwere Hypopnoen mit respiratorischer Azidose unerkannt bleiben, da die Sauerstoffsättigung über die vermehrte Sauerstoffzufuhr reguliert wird und damit trotz Hypopnoe stabil bleibt. Die Überwachungsparameter einer intravenösen Morphintherapie sind die gleichen wie bei der Anwendung einer PCA.
Postoperativ werden Opioide oft nur wenige Tage eingesetzt und nebenwirkungsfrei vertragen. Bei längerer Anwendung müssen Nebenwirkungen antizipiert und aggressiv therapiert werden (Kap. „Tumorschmerz“).
Beginn einer intravenösen Morphintherapie
Morphin ist der Goldstandard der Opioidtherapie im Kindesalter, daher wird der Start einer Schmerztherapie bei starken Schmerzen anhand dieses starken Opioids exemplarisch dargestellt. 0,025 bis 0,05 mg/kgKG Morphin werden alle 10–15 min langsam i.v. appliziert. Nach Erreichen einer ausreichenden Schmerzlinderung: Dauertropfinfusion über 24 h, starten mit 0,02 mg/kgKG i.v./h. Für Schmerzdurchbrüche sollten Morphinkurzinfusionen mit 100 % der Stundendosis verordnet werden.
Beenden der Opioidtherapie
Eine Opioidtherapie von mehreren Tagen Dauer darf nicht abrupt beendet, sondern muss langsam ausgeschlichen werden (Kap. „Tumorschmerz“).
Patientenkontrollierte Analgesie (PCA)
Die patientenkontrollierte Analgesie gibt Kindern ab dem 6. Lebensjahr die Möglichkeit einer selbst bestimmten postoperativen Analgesie. Anders als im Erwachsenenalter wird die PCA mit einer niedrigen kontinuierlichen Infusionsrate kombiniert. Dadurch kommt es postoperativ zu einer besseren Analgesie und weniger Nebenwirkungen (z. B. Apnoen) als ohne kontinuierliche Infusion. Morphin hat sich als Analgetikum der Wahl für die PCA etabliert. Es ist mit vielen anderen Infusionslösungen sowie Medikamenten kompatibel und auch bei Raumtemperatur pharmakologisch stabil. Typische Einstellungen finden sich in Tab. 11.
Tab. 11
Morphin i.v.-PCA, postoperativ
Einstellung
< 50 kgKG
> 50 kgKG
Kontinuierliche Infusionsrate
0,004 mg/kgKG/h
Bolusdosis
0,02 mg/kgKG
1–2 mg pro Bolus
Sperrintervall
5–10 min
5–10 min
Schmerz- und Sedierungswerte, Atemfrequenz, Herzfrequenz, arterieller Blutdruck, arterielle Sauerstoffsättigung und Nebenwirkungen der Therapie müssen regelmäßig kontrolliert und dokumentiert werden. Für das Pflegepersonal sind Grenzwerte festzusetzen, bei deren Erreichen der Arzt zu konsultieren ist.

Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen

Mehrere hunderttausend Kinder in Deutschland leiden chronisch oder rezidivierend an Schmerzen, auch wenn sie deshalb nicht immer den Kinderarzt aufsuchen. Im Rahmen von Krebserkrankungen im Kindesalter kommt es fast immer zu stärksten Schmerzerlebnissen.

Tumorschmerzen

Die häufigsten Schmerzursachen bei krebskranken Kindern sind schmerzhafte Eingriffe, gefolgt von Therapiekomplikationen und der Erkrankung an sich. Eine regelmäßige Nebenwirkung der zytostatischen Therapie ist die Mukositis. Diese wird nach den Regeln der Akutschmerztherapie mit starken Opioiden i.v. kontinuierlich oder/und patientenkontrolliert behandelt. Chronische, lang dauernde Schmerzen treten fast ausschließlich auf, wenn der Tumor nicht oder nicht mehr auf die antineoplastische Therapie anspricht. Neuropathische Schmerzen treten bei Kindern sehr selten auf, entweder als eine Nebenwirkung der zytostatischen Therapie (v. a. von Vincristin) oder nach Nervenverletzungen im Rahmen der operativen Behandlung von Ewing- oder Osteosarkomen. Ihre Therapie unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der im Erwachsenenalter. Dosierungen für häufig eingesetzte Antikonvulsiva und Antidepressiva finden sich in Tab. 13.

WHO-Stufenschema

Das WHO-Stufenschema der Analgetika (Abb. 4) ist nicht als Leiter im engeren Sinne zu verstehen: Das Kind soll nicht jede Stufe erklimmen müssen. Vielmehr steht der Stratifizierungsgedanke im Vordergrund, d. h., falls starke Schmerzen bestehen, so ist von vornherein ein starkes Opioid zu wählen. Entwickeln sich jedoch aus mittelstarken Schmerzen wider Erwarten trotz Therapie starke Schmerzen, so sollte nicht gezögert werden, stärkere Analgetika(-kombinationen) einzusetzen. Die aktuellen WHO-Empfehlungen sehen nur noch zwei Stufen vor, da nach Meinung der WHO-Autoren nicht genügend Daten für die Verwendung von Tramadol und Tilidin bei Kindern vorliegen (http://whqlibdoc.who.int/publications/2012/9789241548120_Guidelines.pdf.).
Der Vorteil einer Kombinationstherapie aus Nichtopioid und Opioid gegenüber einer Opioidmonotherapie ist für chronische Tumorschmerzen im Kindesalter nicht bewiesen. Bei Knochenschmerzen empfiehlt sich aus pathophysiologischen Erwägungen die Kombination eines Opioids mit einem NSAID, ansonsten werden Opioide in der Tumorschmerztherapie am häufigsten und sinnvollerweise mit Metamizol kombiniert.

Beginn und Steuerung einer oralen Morphintherapie

Bei chronischen Tumorschmerzen ist in der Regel eine orale Schmerztherapie möglich. Nach der Schmerzmessung mit standardisierten Schmerzmessinstrumenten werden Morphintropfen in einer Dosis von 0,15 mg/kgKG p.o. alle 45 min bis zur Schmerzfreiheit verabreicht. Es schließt sich eine Phase an, in der über mindestens 24 h 0,15 mg/kgKG alle 4 h und zusätzlich bei Bedarf bis stündlich verabreicht wird. Die Einzeldosis sollte 5 mg Morphin nicht überschreiten. Bei Säuglingen bis zum 4. Lebensmonat wird mit einem Viertel der hier angegebenen Dosis begonnen (Tab. 9). Im zweiten Schritt wird die kumulativ bis zur Schmerzfreiheit verabreichte Dosis in 2–3 Dosen aufgeteilt und als Retardpräparat verordnet.
Für Schmerzdurchbrüche sollten immer schnellwirksame Opioide zur Verfügung stehen. Die Dosis der zusätzlichen Bedarfsmedikation richtet sich nach der aktuellen Tagesdosis und beträgt 1/24–4/24 davon.
Es existiert keine Tageshöchstdosis für Morphin. Kann mit einer Dosissteigerung eine zusätzliche Schmerzlinderung erreicht werden, ist eine Dosissteigerung angebracht.

Wechsel des Opioids oder des Applikationsweges

Beim Wechsel der Applikationswege von i.v. auf p.o. muss die Morphindosis verdreifacht, im umgekehrten Falle (p.o. nach i.v.) gedrittelt werden. Dieser Umrechnungsfaktor ist für alle starken Opioide verschieden. Beim Wechsel von einem Opioid auf ein anderes kann die äquianalgetische Dosis anhand Tab. 9 und 10 berechnet werden. Bei sehr hohen Opioiddosen (ab ca. 4 mg/kgKG orales Morphinäquivalent) wird der inkompletten Kreuztoleranz von Opioiden die Schmerztherapie zunächst mit nur 30–50 % der berechneten äquianalgetischen Dosis weitergeführt. Nie sollten zwei verschiedene starke Opioide miteinander kombiniert werden.
Eine über eine Woche dauernde Schmerztherapie mit starken Opioiden muss langsam – ausschleichend – beendet werden.

Beeinflussen der Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen einer oralen Morphintherapie sind Obstipation, Übelkeit, Harnverhalt, Sedierung und Juckreiz. Das Nebenwirkungsprofil starker Opioide ist beim individuellen Patienten oft sehr verschieden. Betrachtet man jedoch große Patientengruppen, so scheinen alle starken Opioide in gleicher Häufigkeit zu den genannten Nebenwirkungen zu führen. Es existieren vier Strategien zur Minimierung der Nebenwirkungen, die nach der Methode „Versuch und Irrtum“ ausprobiert werden müssen:
  • Dosisreduktion,
  • symptomatische Therapie (Tab. 12),
  • Wechsel des Opioids,
  • Wechsel des Applikationsweges.
Tab. 12
Begleitmedikamente bei Opioidtherapie
Indikation
Medikament
Dosis
Applikationsweg/Bemerkung
Prophylaktisch
Obstipation
Lactulose
< 3. Lebensjahr:
Start: 3-mal 2 ml
Mittlere Dosis: 3-mal 5 ml
p.o.
> 3. Lebensjahr:
Start: 3-mal 5 ml
Mittlere Dosis: 3-mal 10 ml
Macrogol
0,8 g/kgKG/Tag
p.o.
Übelkeit/ Erbrechen
Dimenhydrinat
1–2 mg/kgKG alle 6–8 h
i.v.
1–4 mg/kgKG alle 6–8 h
Maximale Tagesdosis p.o.:
2–6 Jahre 75 mg
7–12 Jahre 150 mg
p.o./Supp.
Ondansetron
0,17 mg/kgKG alle 12 h
i.v., p.o., sublingual
Therapeutisch
Obstipation
Na-Picosulfat
Kleinkinder: 4–8 Trpf./Tag
Schulkinder: 10 Trpf./Tag
p.o.
Bisacodyl
2–10 Jahre: 5 mg/Tag
> 10 Jahre: 10 mg/Tag
Supp.
> 10 Jahre p.o. (nicht mit Milch einnehmen)
Müdigkeit
Methylphenidat
0,1 mg/kgKG 2-mal täglich, morgens und mittags, damit es zu keiner Störung des nächtlichen Schlafes kommt
p.o.
Atemdepression
Naloxon
0,001–0,01 mg/kgKG
i.v. austitrieren
(Cave: Wirkdauer kürzer als z. B. bei Morphin)

Adjuvanzien

Adjuvanzien werden in der Tumorschmerztherapie bei folgenden Indikationen eingesetzt:
  • neu aufgetretene Symptome wie Schlaflosigkeit oder Angst, die ihrerseits Schmerzen verstärken können,
  • spezielle Schmerzformen wie neuropathische Schmerzen.
Wissenschaftliche Studien jenseits von Fallbeobachtungen zum Einsatz von adjuvanten Schmerzmitteln in der Kinderonkologie existieren nicht. Daher werden Daten aus der Erwachsenenonkologie extrapoliert oder es wird auf die eigene, oft nur spärlich dokumentierte Erfahrung zurückgegriffen (Tab. 13).
Tab. 13
Adjuvante Schmerzmittel
Indikation
Medikament
Dosierung
Bemerkung
- Neuropathische Schmerzen
- Schmerzbedingte Schlafstörungen
Amitriptylin
Start 0,2, Ziel 1–2 mg/kgKG/Tag p.o. abends
- Langsam ein- und ausschleichen
- Retardpräparate einsetzen
- Kardiale Kontraindikationen und Nebenwirkungen beachten (Produktinformation)
- Todesfälle bei Überdosierung und akzidenteller Einnahme durch Geschwister
- Neuropathische Schmerzen postoperativ
- Analgosedierung präfinal
1–5 mg/kgKG pro Tag i.v. als Dauertropfinfusion
- Bei höheren Dosen psychomimetische Nebenwirkungen, dann Kombination mit Midazolam (Start mit 0,1 mg/kgKG/h)
- Seltene Nebenwirkungen: s. Produktinformation
- Agitiertheit
- Übelkeit
- Schlaflosigkeit
Promethazin
0,5 mg/kgKG p.o. oder i.v. alle 6 h
- Nebenwirkungen: Dyskinesien, Obstipation, orthostatische Dysregulation
- Seltene Nebenwirkungen: s. Produktinformation
- Neuropathische Schmerzen
Schrittweise Aufdosierung auf 30 mg/kgKG/Tag innerhalb von 3 Tagen (1. Tag 10 mg/kgKG, 2. Tag 20 mg/kgKG, 3. Tag 30 mg/kgKG)
Maximaldosis 60 mg/kgKG/Tag1
- Im Allgemeinen sehr gut verträglich
- Häufigste Nebenwirkungen: Schläfrigkeit, Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtszunahme, Nervosität, Schlaflosigkeit, Ataxie, Nystagmus, Parästhesien, Appetitlosigkeit
- Seltene Nebenwirkungen: s. Produktinformation
- Infiltratives Tumorwachstum
- Kurzfristig bei Hirndruckkopfschmerz
Dexamethason
Startdosis: 6–12 mg/qm KOF/Tag p.o. oder i.v., danach langsam reduzieren
- Viele bekannte Nebenwirkungen, bei Kindern v. a. Stimmungsschwankungen (s. Produktinformation)
- Nicht a priori bei Hirndruck in der palliativen Situation einsetzen, das Tumorwachstum wird nicht aufgehalten, sondern nur kurzzeitig das Ödem verringert
- Palliative Situation mit Knochenschmerzen
Pamidronat
1 mg/kgKG alle 4 Wochen i.v.
- Häufige Nebenwirkung während der Infusion: passagere Pyrexie, grippeartige Symptome
- Seltenere Nebenwirkungen: s. Produktinformation
- Spastische Schmerzen
Butyl-Scopolamin
0,5–1 mg/kg i.v. als Kurzinfusion, Höchstdosis 20 mg
< 15 kgKG: ½ Supp. à 7,5 mg,
> 15 kgKG: 1 Supp. à 7,5 mg rektal alle 6–8 h
- Gut verträglich, schwerwiegendste Nebenwirkungen sind Überempfindlichkeitsreaktionen
- Cave: Blutdruckabfall bei i.v.-Gabe
- Seltene Nebenwirkungen: s. Produktinformation
- Angst und Schlafstörungen
Lorazepam
Startdosis 2-mal 0,5 mg/Tag p.o., maximale Dosis 0,5 mg/kgKG/Tag
- Cave: Benzodiazepine wirken nicht analgetisch und führen schnell zu Abhängigkeit
- Seltene Nebenwirkungen: s. Produktinformation
1Maximale Tagesdosis bei Erwachsenen nicht über 3600 mg, verteilt auf 3 Einzelgaben. Dosis bei eingeschränkter Nierenfunktion reduzieren.

Kopfschmerzen

Die Prävalenz der idiopathischen Kopfschmerzen scheint in den letzten 30 Jahren zuzunehmen und liegt jetzt bei 5–10 % der 7- bis 15-Jährigen. Am häufigsten treten Kopfschmerzen im Kindesalter aber sicherlich im Rahmen von Infektionen als Begleitsymptom auf.

Migräne

Die Migräneprävalenz bei 7-Jährigen beträgt ca. 5 %, sie nimmt mit dem Alter weiter zu. 10 % der Kinder mit Migräne verspüren einen solch hohen Leidensdruck und sind sozial so schwer eingeschränkt, dass sie einen Arzt aufsuchen. Es wird geschätzt, dass in Deutschland jährlich 1 Mio. Schultage wegen Kopfschmerzen versäumt werden. Bei 2/3 der Kinder persistiert die Migräne bis ins Erwachsenenalter.

Leitsymptome und Klassifikation

Der Anteil der Kinder mit Migräne ohne Aura beträgt 60–80 %. Die Diagnosekriterien der internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS) für Migräne sind Abschn.1 in Kap. „Schmerzen im Kopf- und Gesichtsbereich“, zusammengestellt. Für das Kindesalter gelten folgende Besonderheiten:
  • Attackendauer oft kürzer,
  • Lokalisation oft bilateral frontal/temporaler.
10 % der migränekranken Kinder leiden an einem der vier Migräneäquivalente benigner paroxysmaler Torticollis, benigner paroxysmaler Schwindel, abdominelle Migräne bzw. zyklisches Erbrechen,. In der aktuellen, dritten IHS-Klassifikation werden diese Migräneäquivalente unter dem Kap. „Periodische Syndrome“ http://www.ihs-klassifikation.de/de/02_klassifikation/02_teil1/01.03.02_migraine.html, die mit Migräne assoziiert sein können subsumiert.
Da die Diagnosesicherheit einer Migräne allein aufgrund von Anamnese, pädiatrischer und pädiatrisch-neurologischer körperlicher Untersuchung sowie einer augenärztlichen Untersuchung unsicherer ist als im Erwachsenenalter, ist die Durchführung einer MRT-Schädelaufnahme häufig gerechtfertigt.

Attackentherapie

(Bett-)Ruhe, Reizabschirmung und andere nichtmedikamentöse Verfahren sind einfache Interventionen, für die bis jetzt kein expliziter wissenschaftlicher Wirknachweis geführt wurde, die dem Patienten aber auf keinen Fall schaden, wenn sie nur kurz durchgeführt werden und nicht zu sozialem Rückzug führen. Die medikamentöse Behandlung orientiert sich an der Schwere und den Begleitsymptomen der Migräne. Im Status migraenosus werden auch intravenöse Medikamente wie Dexamethason eingesetzt.
Therapeutischer Eskalationsplan zur situationsgerechten Behandlung kindlicher Migräneattacken
Medikamentöse Behandlung der leichten Migräneattacke
(Evidenzlevel 1b; Definition: initial langsamer Schmerzanstieg, niedrige Intensität, fehlende oder geringe Aurasymptomatik, mäßige Übelkeit, kein Erbrechen):
  • Ibuprofen (z. B. Nurofen): 10–15 mg/kgKG/ED p.o. oder rektal (maximal 40 mg/kgKG/Tag) oder
  • Paracetamol (z. B. Ben-u-ron): 35–45 mg/kgKG/ED rektal, gefolgt von 15–20 mg/kgKG/ED alle 6–8 h (maximal 90 mg/kgKG/Tag) oder 40 mg/kgKG/ED p.o., gefolgt von 10–20 mg/kgKG/ED alle 6–8 h (maximal 90 mg/kgKG/Tag)
Medikamentöse Therapie der schweren Migräneattacke
(Evidenzlevel 1b; Definition: rascher Schmerzanstieg, hohe Intensität, ausgeprägte Aurasymptomatik, starke Übelkeit/Erbrechen, fehlende/unzureichende Wirksamkeit bisheriger Therapieversuche):
  • Wenn das Kind weiß, dass Ibuprofen oder Paracetamol i. A. bei ihm wirksam sind, eines dieser Medikamente einsetzen.
  • Bei individueller Unwirksamkeit von Ibuprofen oder Paracetamol oder bei Unwirksamkeit in der speziellen Attacke oder bei starker Übelkeit/Erbrechen und der Unmöglichkeit des Einsatzes von Suppositorien oder wenn das Kind bei vorherigen Attacken sehr gute Erfahrungen mit Sumatriptan gemacht hat: Sumatriptan (Imigran): 10–20 mg/ED nasal (maximal 40 mg/Tag) oder 15 mg/kgKG/ED s.c. (maximal 6 mg/ED, maximal 12 mg/Tag)
Reservemedikamente bei schweren und therapierefraktären Migräneattacken
(Evidenzlevel 5):
  • Antiemetikum
  • Domperidon (z. B. Motilium): 1 Trpf./kgKG/ED p.o. (maximal 33 Trpf./ED)
  • Analgetika
    • Lysinacetylsalicylat (z. B. Aspisol): 10–15 mg/kgKG/ED i.v. (maximal 1000 mg/ED)
    • Metamizol (z. B. Novalgin): 10–15 mg/kgKG/ED i.v. (maximal 80 mg/kgKG/Tag)
    • Paracetamol (Perfalgan): 15 mg/kgKG/ED i.v. (maximal 60 mg/kgKG/Tag)
  • Andere Serotoninagonisten wie Zolmitriptan (Ascotop; < 30 kgKG: 2,5 mg; > 30 kgKG: 5,0 mg)
  • Corticosteroide
    • Dexamethason (z. B. Fortecortin): initial 1,5 mg/kgKG/ED i.v., dann 0,25–0,4 mg/kgKG/ED i.v. alle 4–6 h

Migräneprophylaxe

Bei klassischer Migräne belegen Metaanalysen eine Abnahme der Attackenfrequenz durch verhaltenstherapeutisch-kognitives Training, kognitive Umstrukturierung, Entspannungstechniken, Hypnose, Biofeedback und Ausdauersport (Evidenzlevel 1a). An mehreren Zentren in Deutschland wird ein verhaltenstherapeutisch orientiertes Gruppentraining angeboten (Kontakte über den Autor).
Die Indikation für eine medikamentöse Migräneprophylaxe ist nach Meinung des Autors nur individuell zu stellen. In vielen Fällen hat eine Häufung von Migräneattacken psychosoziale Ursachen. Hier ist eine an starren Indikationslisten ausgerichtete medikamentöse Prophylaxe unsinnig. Als wirksame Migräneprophylaktika im Kindesalter gelten die in Tab. 14 aufgeführten Medikamente (die Cochrane-Analyse zeigt Evidenzlevel 1b). Bei ausgeprägter Symptomatik von Migräneäquivalenten kann als Prophylaxe Flunarizin 5–10 mg/Tag verabreicht werden.
Tab. 14
Medikamentöse Prophylaxe der Migräne im Kindesalter (nach Cochrane)
Gruppe
Substanzen (Beispiel)
Dosis
Nebenwirkungen
Kontraindikationen
β-Blocker
Metoprolol
(z. B. Beloc)
1–3 mg/kgKG/Tag in 1–2 Einzeldosen bevorzugt abends
Müdigkeit, Gewichtszunahme, Bronchospasmus, Schlaflosigkeit, abdominelle Schmerzen
Asthma, AV-Block
Propranolol
(z. B. Dociton)
1–2 mg/kgKG/Tag in 1–2 Einzeldosen bevorzugt abends
Wie Metoprolol, jedoch häufiger
Wie Metoprolol
Calciumantagonist
Flunarizin
(z. B. Sibelium)
5 mg/Tag abends zum Essen, initial nur jeden 2. Abend
Häufig Benommenheit und/oder Müdigkeit, Gewichtszunahme mit oder ohne erhöhten Appetit. Bei Langzeitbehandlung: depressive Verstimmungen, extrapyramidal-motorische Symptome. In seltenen Fällen gastrointestinale Nebenwirkungen, zentralnervöse Nebenwirkungen (Schlaflosigkeit, Angstzustände sowie Kopfschmerzen und Asthenie)

Spannungskopfschmerz

Spannungskopfschmerzen im Kindesalter sind sehr viel häufiger als die Migräne. Meist leiden die Kinder unter episodischem Spannungskopfschmerz. Gut 1/3 der betroffenen Kinder klagt während einer Phase heftiger Spannungskopfschmerzen über Übelkeit, Fotophobie oder Phonophobie. In aller Regel lassen sich die Kopfschmerzen mit nichtmedikamentösen Verfahren therapieren, die vom Kind in Gruppen- oder Einzelsitzungen erlernt werden müssen. Etwa 10 % aller Patienten in Kinderkopfschmerzsprechstunden leiden an chronischen Spannungskopfschmerzen, für die es noch keine etablierten Therapieregimes gibt.

Funktionelle Bauchschmerzen

10–25 % der Schulkinder klagen rezidivierend über Bauchschmerzen, die periumbilikal lokalisiert sind, weniger als 3 h andauern und von vegetativen Symptomen begleitet sein können. Die Differenzialdiagnose ist umfangreich.
Therapeutisch kommt verhaltenstherapeutisch orientiertes Gruppentraining wie z. B. das Bauchtänzer-Programm an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln in Betracht (Evidenzlevel 4). Nach einer Cochrane-Analyse haben diätetische Maßnahmen keinen gesicherten Effekt. Unbehandelt bleiben die Bauchschmerzen bei 1/3 der Kinder bis ins Erwachsenenalter bestehen – manchmal zeigt sich ein symptomfreies Intervall in der Pubertät. Ein weiteres Drittel der Patienten entwickelt unbehandelt nach 20–30 Jahren andere psychosomatische Beschwerden.

Muskel- und Gelenkschmerzen

Muskel- und Gelenkschmerzen im Rahmen rheumatischer Erkrankungen sollten in Spezialambulanzen behandelt werden. Hier spielt die antiphlogistische „Basistherapie“ eine überragende Rolle. Das sogenannte Juvenile Fibromyalgiesyndrom bedarf der Therapie durch ein multidisziplinäres Schmerzteam (AWMF-Leitlinie Fibromyalgie). Die häufigsten rezidivierenden Schmerzen im Bereich der Knochen oder Muskulatur sind die sogenannten Wachstumsschmerzen. In jeweils einer kontrollierten Studie zeigten die orale Selensupplementierung und ein strukturiertes Stretchingprogramm Erfolg (Evidenzlevel 1b).
Muskuläre Dysbalancen sollten durch gezielte Untersuchung ausgeschlossen oder krankengymnastisch/manualtherapeutisch beseitigt werden. Bei einem chronisch rezidivierenden Verlauf über Jahre reicht es nicht aus, die Eltern über den benignen Charakter der Erkrankung aufzuklären. In diesen Fällen bedarf es einer Betreuung durch eine Spezialambulanz mit einem multidisziplinären Team.

Leitlinien

Literatur
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Zernikow B (2015) Schmerztherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, 5. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Zernikow B, Friedrichsdorf S, Wamsler C, Michel E (2002) (deutsche Ausgabe der WHO Empfehlungen – Cancer Pain Relief And Palliative Care In Children; Übersetzung und Fußnoten der WHO Empfehlungen). Schmerztherapie und Palliative Versorgung krebskranker Kinder. Vestische Kinderklinik Datteln