Unter bestimmten Voraussetzungen ist durch das
Stillen ein relativ sicherer Konzeptionsschutz gegeben (Abschn. 47.6.6: „Antikonzeption während des Stillens“). Durch den Saugreflex erhöht sich der Prolaktinspiegel bei der Mutter. Dieser bleibt bei ausreichender Stillfrequenz und Stillintensität auf gleichbleibend erhöhtem Niveau und verhindert die pulsatile Sekretion von
Gonadotropin-Releasing-Hormonen. Die Follikelbildung und die Östrogensekretion im Ovar bleiben aus, was zu einer Amenorrhö führt.
Der vorübergehende Östrogen
mangel ist die Ursache für die bei Stillenden vorhandene Trockenheit der Scheide und von
Dyspareunien. Beim
Abstillen fällt der Prolaktinspiegel rasch in den Normbereich ab, und meist findet in den nächsten 2–4 Wochen eine Ovulation
statt.
Kontrazeption und Stillen
Bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr wurden während der Stillzeit 1,7 % der Frauen in den ersten 6 Monaten, 7 % in den ersten 12 Monaten und 13 % in den ersten 24 Monaten schwanger (Short et al.
1991; Abschn. 47.6.6: „Antikonzeption während des Stillens“).
In einer Studie von Diaz et al. (
1991) betrugen die Schwangerschaftsraten in den ersten 6 Monaten 0,9 %, nach 12 Monaten 17 %. Das Konsensus-Meeting von Bellagio gibt das Risiko einer Schwangerschaft in den ersten 6 Monaten mit 2 % an, wenn voll gestillt wird und gleichzeitig eine Amenorrhö vorhanden ist (Kennedy et al.
1989).
Tritt während des
Stillens eine Blutung auf, so steigt das Risiko für eine Schwangerschaft steil an (Gray et al.
1990). Wenn nicht ausschließlich gestillt wird, nimmt das Risiko für eine Schwangerschaft ebenfalls zu. Ein 100 %iger Schutz vor einer Schwangerschaft bei nahezu voll stillenden Müttern besteht nur in den ersten 10 Wochen nach der Geburt.
Ist eine zu 100 % sichere Kontrazeption auch nach 3 Monaten erwünscht, ist im 3. Monat mit einer zusätzlichen kontrazeptiven Maßnahme zu beginnen.
Auf jeden Fall ist eine zusätzliche kontrazeptive Maßnahme erforderlich, wenn folgende Bedingungen nicht mehr erfüllt sind:
Bei den zusätzlichen kontrazeptiven Maßnahmen sind reversible und irreversible Methoden zu unterscheiden. Die Auswahl der geeigneten Methode ist individuell sehr unterschiedlich und von verschiedenen Faktoren abhängig.
Barrieremethoden
Kondom
Das Kondom ist die am häufigsten angewendete kontrazeptive Methode nach der Geburt. Bei gleichzeitigem
Stillen der Frau sind keine zusätzlichen spermiziden Substanzen erforderlich. In Zusammenhang mit dem Stillen ist das Kondom ein zuverlässiger Konzeptionsschutz, der bereits beim ersten Verkehr nach der Geburt zu empfehlen ist. Da die Vagina vielfach noch nicht so gut durchblutet und feucht ist, sind lokal Gleitmittel zu empfehlen.
Scheidendiaphragma
Das Scheidendiaphragma besteht aus einer mit Gummi überzogenen runden Drahtspirale. Es ist in verschiedenen Größen erhältlich und muss der Frau primär angepasst werden. Der Sitz ist dann richtig, wenn der hintere Rand im hinteren Scheidengewölbe liegt und wenn sich der vordere Rand hinter der Symphyse befindet; dabei muss die Portio innerhalb des Spiralringes zu tasten sein. Wird ein zu kleiner Durchmesser gewählt, so ist die Abdichtung durch das
Diaphragma unzuverlässig, dagegen verursacht ein zu großes Diaphragma ein dauerndes Druckgefühl. Wurde bereits vor der Geburt ein Diaphragma verwendet, so muss es postpartal neu angepasst werden, da anfangs meist ein größerer Durchmesser erforderlich ist. Dies sollte bei der ersten postpartalen Kontrolle nach 4–6 Wochen erfolgen.
Das
Diaphragma wird vor dem Geschlechtsverkehr eingeführt, die Liegedauer soll ≥4 h, aber nicht mehr als 12 h betragen. Beim Auftreten der ersten Menstruation ist das Diaphragma erneut anzupassen. Im Gegensatz zur Anwendung des Kondoms soll beim Diaphragma auch beim
Stillen eine spermizide Creme verwendet werden.
Die Versagerquote des Diaphragmas beträgt 2–4 Schwangerschaften pro 100 Anwendungsjahre bei zusätzlicher Anwendung einer spermiziden Creme (Döring und Schicketanz
1986).
Portiokappe
Die Portiokappe besteht aus Zelluloid- oder Plastikmaterial; sie saugt sich bei sachgerechter Applikation auf der Portio fest und bildet so einen relativ zuverlässigen Abschluss der Vagina gegenüber dem Uterus. Die Kappe wird einige Tage vor der zu erwartenden Menstruationsblutung entfernt. Die Versagerquote liegt bei 7 auf 100 Anwendungsjahre.
Wurde bereits vor der Schwangerschaft eine Portiokappe verwendet, so ist die Größe nach der Geburt neu festzulegen, da es durch die Geburt zu einer Größenveränderung der Zervix kommt. Die Anpassung erfolgt wie beim
Diaphragma 4–6 Wochen nach der Geburt. Da das Einsetzen und Entfernen jedoch meist an einen Arzt gebunden ist, hat sich diese Methode nicht durchgesetzt.
Scheidenkondom
Neue Barrieremethoden sind die „femshields“, die in Analogie zum Kondom die Scheide vollständig auskleiden. Aufgrund der Größe des Produktes (lea contraceptivum) wird der Muttermund immer ausreichend bedeckt. Das aus Silikongummi hergestellte Material kann 48 h in situ verbleiben, ohne dass dadurch seine Wirkung beeinträchtigt wird. Das Einsetzen und Entfernen kann problemlos von der Frau selbst durchgeführt werden.
Ein individuelles Anpassen ist nicht erforderlich, da sich das Kondom in seiner Größe automatisch der Anatomie anpasst. Es kann daher auch ohne Probleme post partum verwendet werden. Eine gleichzeitige Verabreichung von spermiziden Cremes wird empfohlen, ist aber nicht unbedingt erforderlich.
Intrauterinpessar
Bei entsprechender Erfahrung ist auch bei Einlage innerhalb von 48 h nach der Geburt nicht mit einer erhöhten Rate von Infektionen, Blutungen und Perforationen zu rechnen (O’Hanley und Huber
1992; Xu et al.
1994). Der Hauptnachteil einer Einlage unmittelbar postpartal ist die erhöhte Expulsionsrate (6–15 %), die geringer ist, wenn die Einlage innerhalb der ersten 10 min nach der Ausstoßung der Plazenta erfolgt (Cole et al.
1984).
Bei Einsetzen eines IUD während einer Sectio ist die Expulsionsrate niedriger als bei der unmittelbar postpartalen Anwendung. Bei prothahierten Geburtsverläufen oder nach einem vorzeitigen Blasensprung sollte aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos kein IUD gelegt werden.
Die Einlage eines IUD 1–4 Wochen post partum scheint mit einer erhöhten Perforationsrate verbunden zu sein (Sivan
1984). Üblicherweise ist daher eine Applikation 5–6 Wochen nach der Geburt im Rahmen der vorgeschriebenen Nachuntersuchung zu empfehlen.
Es gibt keinen negativen Einfluss auf die Menge oder Qualität der Muttermilch durch kupferhaltige oder gestagenhaltige IUD. Die Gestagenspiegel in der Muttermilch sind sehr niedrig und haben keine nachteiligen Folgen auf das Kind (Heikkilä et al.
1984).
Formen von Intrauterinpessaren (IUD)
Komplikationen
Ein erhöhtes Risiko einer Perforation besteht v. a. bei Zustand nach Sectio und retroflektiertem Uterus. Weiterhin ist ein stark anteflektierter Uterus mit dem Risiko einer Perforation an der Hinterwand verbunden. Das Einlegen des IUD verursacht bei sachgerechter Durchführung kaum Beschwerden, sodass bei stärkeren Symptomen immer an eine Perforationsverletzung gedacht werden muss.
Bei unmittelbar post partum gelegtem IUD ist die Expulsionsrate erhöht, jedoch treten keine verstärkten
postpartalen Blutungen oder Involutionsstörungen des Uterus auf.
Das IUD-assoziierte Infektionsrisiko wird in neueren Studien (Buchan et al.
1990) geringer eingestuft als in den früheren Arbeiten (Faulkner und Ory
1976). Entzündungen des inneren Genitales hängen v. a. mit der Einlage selbst zusammen, ansonsten ist kein erhöhtes Langzeitrisiko bei IUD-Trägerinnen festgestellt worden. Es besteht keine erhöhte Inferilitätsrate bei IUD-Trägerinnen nach Entfernung desselben (Skjeldestad
1992).
Kontraindikationen
Kontraindikationen unmittelbar post partum sind Entzündungen sowie verstärkte Blutungen oder eine fraglich vollständige Plazenta. Bei einer postpartalen Endometritis soll die Einlage erst nach Ausheilen der Entzündung nach 3 Monaten erfolgen. Ansonsten gelten die gleichen Kontraindikationen wie bei einer Einlage 6 Wochen nach der Geburt. Dazu zählen ein
Uterus myomatosus, Uterusfehlbildungen, Blutungen unklarer Genese, Kupferallergie sowie eine Antikoagulanzientherapie.
Zuverlässigkeit
Insgesamt ist das IUD als sicheres Kontrazeptivum in der Stillperiode anzusehen und hat v. a. den Vorteil, dass keine Nebenwirkungen für das Kind vorhanden sind. Es ist v. a. bei Frauen geeignet, die noch keine endgültige Kontrazeption (Sterilisation) wünschen.
Die Versagerquote des IUD ist vom Modell sowie von der Dauer der Anwendung abhängig und wird mit <1–2 auf 100 Anwendungsjahre angegeben.
Postpartale hormonelle Kontrazeption
Kombinationspräparate
Die Gabe von Kombinationspräparaten [Ethinylestradiol (EE), Gestagen] gilt in der Stillperiode als
kontraindiziert, da
Östrogene die Milchproduktion negativ beeinflussen. Sie verringern die Milchproduktion und beeinflussen die Qualität der Muttermilch. Ebenso wird ein kleiner Anteil der Steroide über die Milch ausgeschieden, sodass auch niedrig dosierte orale Kontrazeptiva nicht als Mittel der 1. Wahl in Frage kommen. Darüber hinaus ist in der Wochenbettphase das natürliche Thromboserisiko deutlich erhöht, sodass hier gänzlich, auch bei nicht stillenden Frauen, von einer oralen Kontrazeption Abstand genommen werden sollte. Neuere Kombinationspräparate, die anstatt des EE Estradiolvalerat enthalten, welches zu natürlichem
Estradiol umgebaut wird, wurden an stillenden Frauen noch nicht untersucht und sind ebenso kontraindiziert.
Gestagenpille
Ist die orale Kontrazeption indiziert, so erfolgt die Verabreichung eines ausschließlich gestagenhaltigen Präparates [Levonorgestrel 0,03 mg (Microlut, Mikro-30 Wyeth, 28 mini), Norethisteron 0,35 mg (Micronovum)]. Die Milchsekretion wird nicht negativ beeinflusst, und es sind auch keine negativen Einflüsse auf das Kind durch niedrige Gestagenspiegel in der Milch bekannt. Für einen zuverlässigen Schutz ist die tägliche Einnahme zur gleichen Tageszeit eine wichtige Voraussetzung. Zwischenblutungen können auch bei vorschriftsmäßiger Einnahme auftreten. Die wesentliche kontrazeptive Wirkung besteht in einer Veränderung des Zervixschleims (Viskositätserhöhung, Abnahme der Spinnbarkeit), die zu einer verminderten Penetration der Spermien führt. Teilweise kommt es auch zu Implantationsstörungen durch Veränderungen des Endometriums.
Desogestrel als Gestagenmonopräparat (Cerazette) führt bei vorschriftsmäßiger Einnahme zusätzlich zur Veränderung des Zervixschleims zur Ovulationshemmung.
Die Zuverlässigkeit der Minipille ist geringer als bei Kombinationspräparaten; da
Stillen die Fertilität jedoch zusätzlich reduziert, ist mit einem zuverlässigen Konzeptionsschutz zu rechnen.
Depotgestagenpräparate
Depotgestagenpräparate [Medroxyprogesteronacetat (Depot-Clinovir), Norethisteronenantat (Noristerat)] werden intramuskulär in 3-monatlichen Abständen verabreicht und gewährleisten einen sicheren Konzeptionsschutz durch eine gleichzeitig vorhandene Ovulationshemmung neben den peripheren Gestagenwirkungen.
Da die Hormonspiegel in der Milch jedoch deutlich höher sind und beim Kind ähnliche Spiegel wie bei der Mutter gefunden werden, kann die Verabreichung nur in Ausnahmefällen empfohlen werden. Für Gestagenimplantate gelten die gleichen Einschränkungen wie für die intramuskulär verabreichten Präparate. Das Gestagenimplantat Implanon (Etonogestrel) hat bei einer subkutanen
Insertion in den ersten 3 Wochen nach der Geburt einen Konzeptionsschutz von 100 %. Daten zur Sicherheit bei der Anwendung während der Stillzeit sind derzeit nicht zur Verfügung. Nach Aufklärung der Entbundenen und Überwachung des Neugeborenen ist die subkutane Implantation jedoch eine sehr zuverlässige Methode mit geringen Nebenwirkungen.
Natürliche Familienplanung
Die Methoden der
natürlichen Familienplanung sind in der Stillzeit nur begrenzt einsetzbar. Die
Temperaturmethode ist
nicht anwendbar, da eine ausreichende Nachtruhe meist nicht gewährleistet ist, sodass zusätzliche Temperaturschwankungen bestehen.
Hat die Frau bereits Erfahrung mit der Zervixschleimbeurteilung, dann kann diese Methode mit Einschränkung auch in der postnatalen Phase angewendet werden. Allerdings kann sich der Zervixschleim auch verändern, ohne dass dies mit einer Ovulation in Zusammenhang steht; die Methode ist daher erst wieder zuverlässig einsetzbar, wenn regelmäßige Menstruationsblutungen auftreten.
Postpartale Sterilisation
Die Sterilisation als Methode der Schwangerschaftsverhütung ist erst seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Die erste Sterilisation im Rahmen einer Sectio wurde
1881 von Lungren beschrieben, durchgeführt wurde die Methode jedoch bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Seit der Erstbeschreibung sind über 200 verschiedene Methoden zur Sterilisationen bei der Frau dokumentiert (Siegler und Grunebaum
1980).
Der Hauptvorteil der Sterilisation im
Wochenbett ist die Tatsache, dass die Frau die Zeit im Krankenhaus für einen Eingriff nutzen kann, für den sie sonst erneut stationär aufgenommen werden müsste. Die laparoskopische Sterilisation im Intervall ist prinzipiell zu bevorzugen; ein Eingriff im Wochenbett ist jedoch zu befürworten, wenn ein späterer Termin kaum eingehalten werden kann. Vor allem im Rahmen einer Sectio
kann der Eingriff ohne zusätzliches Risiko durchgeführt werden.
Vorbedingungen
Die Entscheidung zu einer Sterilisation
sollte bereits während der Schwangerschaft getroffen werden. Nach entsprechender Aufklärung wird eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt. Bei Sterilisation im Rahmen einer Sectio sollte eine Frist von etwa 14 Tagen zwischen Einverständnis und Eingriff liegen. Das Einverständnis des Partners ist nicht erforderlich, er sollte jedoch in die Beratung mit involviert werden, bei der v. a. die einfacher durchzuführende Sterilisation des Mannes angesprochen werden sollte. In mehreren Gesprächen ist zu klären, inwieweit die Frau trotz anderer Alternativen die Sterilisation wünscht, da der Wunsch nach Refertilisation v. a. bei einer Sterilisation im
Wochenbett deutlich höher (bis 10 %) ist als bei einer Sterilisation im Intervall (Chi-I et al.
1992).
Die Narkosetauglichkeit muss gegeben sein, wobei v. a. zusätzliche Belastungen durch einen protrahierten Geburtsverlauf oder ein vermehrter Blutverlust mit einzubeziehen sind. Bei erhöhtem Thromboserisiko ist eine effiziente Thromboseprophylaxe durchzuführen.
Operationsmethoden
Thermokoagulation und Laserkoagulation der Tube zeigten keinen Vorteil gegenüber der Elektrokoagulation.
Die Versagerquote wird mit 2–4 auf 1000 Eingriffe angegeben. Bei sachgerechter Durchführung ist die Versagerquote im Rahmen einer Sectio nicht höher als im Intervall (Husbands et al.
1970).
Anästhesie
Der Eingriff wird in Regional- (Spinal-/Periduralanästhesie) oder Allgemeinnarkose durchgeführt. Nach Möglichkeit ist die Regionalanästhesie aufgrund der geringeren Komplikationsrate zu bevorzugen. Eine Lokalanästhesie spielt in den westlichen Ländern keine Rolle, und es gibt keine sinnvollen Indikationen für dieses Vorgehen.
Komplikationen
Die
Letalität (0,2‰) im Rahmen der Tubensterilisation ist v. a. auf das
Narkoserisiko zurückzuführen. Ein großer Anteil der Sterblichkeit (bis 2/3 der Fälle) ist durch eine
Regionalanästhesie vermeidbar. Chirurgische Komplikationen werden in erster Linie durch
Blutungen und
Infektionen hervorgerufen, dabei spielen v. a. nicht rechtzeitig erkannte Schädigungen der Darmwand und von großen Gefäßen eine wichtige Rolle.
Nach Tubensterilisation ist bei Eintritt einer Schwangerschaft der Anteil ektoper Schwangerschaften erhöht. Langzeiteffekte nach Tubenligaturen werden nach wie vor kontrovers diskutiert. Ein Einfluss auf die Ovarialfunktion, prämenstruelle Symptome, Unterbauchschmerzen, Sexualverhalten konnte in Langzeitstudien nicht nachgewiesen werden (Rojansky und Halbreich
1991).