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Pädiatrie
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Publiziert am: 28.12.2018

Differenzialdiagnose und Notfallbehandlung von Intermediärstoffwechselkrankheiten

Verfasst von: Georg F. Hoffmann und Stefan Kölker
Immer mehr angeborene Stoffwechselkrankheiten sind erfolgreich behandelbar. Umso wichtiger ist es, die Diagnose zeitnah zu stellen, da jegliche Verzögerung des Therapiebeginns schwere irreversible Folgeschäden mit schlechter Prognose zur Folge haben kann. Dies gilt vor allem für Erkrankungen des Harnstoffzyklus, im Stoffwechsel der Aminosäuren, der organischen Säuren sowie der Fettsäuren, Glukose und der Energiehomöostase, die sich oft mit einer akuten metabolischen Entgleisung, häufig bereits neonatal, manifestieren. Hier kommt es auf jede Stunde an. Diagnostik und Einleitung der Notfalltherapie müssen ohne Verzögerung parallel erfolgen, auch nachts und am Wochenende. Für diese Weichenstellung sind noch keine differenzierten Kenntnisse über individuell seltene Stoffwechselerkrankungen erforderlich. Entscheidend sind ein frühzeitiger Verdacht auf eine angeborene Stoffwechselkrankheit, die Initiierung der metabolischen Basisdiagnostik und als erste Notfallmaßnahme insbesondere eine ausreichende Glukosezufuhr. Inzwischen werden durch das erweiterte Neugeborenenscreening, die rasche metabolische Abklärung symptomatischer Patienten sowie durch verbesserte Therapiemöglichkeiten immer mehr Kinder frühzeitig diagnostiziert (aktuelle kumulative Schätzung ca. 1:500–1:1000 Neugeborene) und erfolgreich behandelt. Die Langzeitprognose der Betroffenen hängt wiederum ganz entscheidend vom zeitnahen und verlässlichen Einsatz einer abgestuften und individuell abgestimmten Notfalltherapie ab, die entweder zu Hause durch die Familie, den primär betreuenden Kinder- und Jugendarzt, in der heimatnahen Kinderklinik (immer in enger Absprache mit einem Stoffwechselzentrum) oder im Stoffwechselzentrum durchgeführt wird.

Akute Stoffwechselentgleisung

Immer mehr angeborene Stoffwechselkrankheiten sind erfolgreich behandelbar. Die Diagnose nicht zeitnah zu stellen kann schwere irreversible Folgeschäden mit schlechter Prognose zur Folge haben. Dies gilt vor allem für Erkrankungen des Harnstoffzyklus (Kap. „Harnstoffzyklusstörungen“), im Stoffwechsel der Aminosäuren (Kap. „Aminoazidopathien“, der organischen Säuren (Kap. „Organoazidurien“) sowie der Fettsäuren, Glukose und der Energiehomöostase (Kap. „Genetische Defekte der Fettsäurenoxidation und des Ketonstoffwechsels“, Kap. „Mitochondriopathien“, und Kap. „Kreatinmangelsyndrome“), die sich oft mit einer akuten metabolischen Entgleisung manifestieren. Hier kommt es auf jede Stunde an. Diagnostik und Einleitung der Notfalltherapie müssen ohne Verzögerung parallel erfolgen, auch nachts und am Wochenende. Für diese Weichenstellung sind noch keine differenzierten Kenntnisse über individuell seltene Stoffwechselerkrankungen erforderlich. Entscheidend sind ein frühzeitiger Verdacht auf eine angeborene Stoffwechselkrankheit, die Initiierung der metabolischen Basisdiagnostik und als erste Notfallmaßnahme insbesondere eine ausreichende Glukosezufuhr (Abschn. 3). Inzwischen werden durch das erweiterte Neugeborenenscreening und die rasche metabolische Abklärung symptomatischer Patienten sowie durch verbesserte Therapiemöglichkeiten immer mehr Kinder frühzeitig diagnostiziert (aktuelle kumulative Schätzung ca. 1:500–1:1000 Neugeborene) und erfolgreich behandelt. Die Langzeitprognose der Betroffenen hängt ganz entscheidend vom zeitnahen und verlässlichen Einsatz einer abgestuften und individuell abgestimmten Notfalltherapie ab, die entweder zu Hause durch die Familie, den primär betreuenden Kinder- und Jugendarzt, in der heimatnahen Kinderklinik (immer in enger Absprache mit einem Stoffwechselzentrum) oder im Stoffwechselzentrum durchgeführt wird.
Diagnose
Entscheidend für eine erfolgreiche Diagnostik sind eine sehr sorgfältige (Familien-)Anamnese, eine gründliche klinische Untersuchung, die neben eingehenden internistischen auch neurologische und psychiatrische, z. T. auch dermatologische und ophthalmologische Befunde mit einbezieht, und ein enger und direkter Austausch zwischen dem Kliniker und dem Stoffwechselspezialisten. Seltene oder als ungewöhnlich empfundene Symptome und Befunde (z. B. ungewöhnlicher Geruch, Aversion gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln, Verfärbungen des Urins) können richtungsweisend sein.
Im Schulkindalter, in der Adoleszenz und im Erwachsenenalter sollten folgende Aspekte besonders die Diagnose einer hereditären Stoffwechselerkrankung nahelegen:
  • eine positive Familienanamnese;
  • episodische Exazerbationen und fluktuierende Krankheitsverläufe mit mittelfristigen Verschlechterungen, z. B. progrediente Organmanifestationen und speziell neurodegenerative Krankheitsverläufe;
  • Symptome, die in die Kindheit oder Jugend zurückreichen, vielleicht ohne initial bereits eindeutigen Krankheitswert erlangt zu haben bzw. als krankheitsspezifisch angesehen zu werden;
  • Krankheitssymptome mehrerer Organsysteme, besonders häufig unter Beteiligung des Nervensystems oder außergewöhnliche (komplexe) neurologische Symptomkonstellationen;
  • unerklärliche auffällige Laborparameter oder neuroradiologische Befunde.
Manifestationsalter
Akutmanifestationen angeborener Stoffwechselkrankheiten können in jedem Alter auftreten, vor allem schwer verlaufende Erkrankungen haben ihre Erstmanifestation bereits im Neugeborenen- und Säuglingsalter. Abb. 1 zeigt eine klinische Klassifikation sich akut manifestierender Stoffwechselkrankheiten mit Bezug auf das bevorzugte Manifestationsalter. Postnatal besteht fast immer ein (kurzes) asymptomatisches Intervall; Patienten entgleisen zumeist nach einem freien Intervall von Stunden bis Tagen. Typische metabolische Belastungssituationen, die metabolische Dekompensationen induzieren können, sind der postnatale Katabolismus, die Einführung von proteinreicher oder fruktosehaltiger Beikost, Inappetenz und Nahrungsverweigerung sowie gesteigerter Energiebedarf bei Infektionskrankheiten (insbesondere Gastroenteritiden), febrile Impfreaktionen, perioperative Nahrungskarenz und Unfälle. Prädilektionsalter für (rezidivierende) Stoffwechselentgleisungen sind aufgrund der geringen Katabolismustoleranz bei zugleich physiologisch abnehmendem Proteinbedarf und zunehmender Infektionsfrequenz das 2. Lebenshalbjahr sowie das Kleinkindalter.
Klinische Symptome und Differenzialdiagnose
Insbesondere bei Neugeborenen ist die klinische Symptomatik oft unspezifisch, die häufigsten Fehldiagnosen sind Sepsis oder Hirnblutung. Lethargie, Veränderungen des Muskeltonus, Nahrungsverweigerung und Erbrechen treten gehäuft auf. Bei jedem sekundären Verfall eines primär gesunden Neugeborenen muss deshalb gleichberechtigt zu anderen Ursachen eine Stoffwechselerkrankung differenzialdiagnostisch verfolgt werden. Besonders verdächtig auf das Vorliegen einer Stoffwechselkrankheit sind eine (progrediente) Enzephalopathie, eine akute Hepatopathie und/oder eine Kardiomyopathie. Bei einigen angeborenen Stoffwechselerkrankungen entsteht während einer Stoffwechselentgleisung ein charakteristischer Geruch, z. B. Maggi-artig bei Ahornsirupkrankheit oder Schweißfußgeruch bei Isovalerianazidurie und der Glutarazidurie Typ II. Da Stoffwechselkrankheiten sich prinzipiell in jedem Lebensalter manifestieren können, gelten analoge Überlegungen auch für die Zeit nach der Neonatalperiode.
Bei episodisch auftretenden Symptomen oder akuten Symptomverschlechterungen ist auf mögliche Triggerfaktoren zu achten wie Infektionen, Fieber, Impfungen, kürzlich eingenommene Mahlzeiten, Fasten oder Medikamente. Bei einzelnen Erkrankungen sind auch Verläufe mit Verschlechterung in der Kindheit und dann jahre- und jahrzehntelanger Stabilität bekannt (z. B. kongenitale Glykosylierungsstörungen [CDG], Glutarazidurie Typ I, Triosephophatisomerasemangel).

Epileptische Enzephalopathie

Epileptische Enzephalopathien bei Neugeborenen und jungen Säuglingen sind relativ häufige Notfallsituationen (Kap. „Neurologie des Neugeborenen“). Die Differenzialdiagnose konzentriert sich in der Praxis oft auf hypoxisch-ischämische, traumatische, infektiöse Ursachen sowie auf zerebrale Blutungen, Infarkte und Fehlbildungen. Die rasche Identifizierung behandelbarer Erkrankungen muss hierbei im Vordergrund stehen: Hypokalziämie, Hypomagnesiämie, Hypoglykämie (kongenitaler Hyperinsulinismus, Hypopituitarismus, Glykogenosen, Glukoneogenesedefekte, Störungen der Fettsäurenoxidation oder Ketogenese), Hyperammonämie (Harnstoffzyklusdefekte, klassische Organoazidurien, Fettsäurenoxidationsdefekte), Biotinidasemangel und andere Vitaminstoffwechselstörungen. Zusätzlich zur Bestimmung von Blutzucker und Elektrolyten, einschließlich Magnesium und Kalzium, müssen Ammoniak- und Laktatbestimmungen erfolgen und das Ergebnis des erweiterten Neugeborenenscreenings sofort erfragt bzw. als rasche Indikationsuntersuchung auf den Weg gebracht werden. Es ist zu betonen, dass eine diagnostisch richtungsweisende Hyperammonämie nicht zufällig im Rahmen einer allgemeinen laborchemischen Abklärung, sondern nur durch gezielte Diagnostik nachgewiesen werden kann.
Eine therapieresistente, bei der schweren Verlaufsform zum frühen Tode führende epileptische Enzephalopathie kennzeichnen die nichtketotische Hyperglycinämie und den sehr seltenen GABA-Transaminasemangel. Für beide Krankheiten existieren bislang keine befriedigenden Therapieansätze. Eine vergleichbare Symptomatik entwickeln Neugeborene, die an einer von Pyridoxin (Vitamin B6) oder Pyridoxalphosphat (aktivierte Form des Vitamin B6) abhängigen Enzephalopathie leiden (Pyridox[am]in-5’-Phosphat-Oxidase-Mangel). Die epileptische Enzephalopathie ist nicht mit Antiepileptika, sondern nur durch spezifische Substitution dieser Kofaktoren zufriedenstellend zu behandeln (Kap. „Vitaminresponsive Enzephalopathien bei Kindern und Jugendlichen“).
Bei jedem Neugeborenen und jungem Säugling mit schwerer Enzephalopathie (therapieresistenter Epilepsie) müssen Behandlungsversuche sowohl mit Pyridoxin (100 mg als Bolus, bei Nichtansprechen Wiederholung mit jeweils Steigerung um 100 mg bis auf 500 mg gesamt) – möglichst unter EEG-Kontrolle – als auch mit Folinsäure (3 mg/kg KG/Tag über 3 Tage) und Pyridoxalphosphat (50 mg/kg KG/Tag über 3 Tage) durchgeführt werden. Aufgrund der Möglichkeit eines Atemstillstands sollte die Gabe von Pyridoxin und Pyridoxalphosphat unter intensivmedizinischer Überwachung durchgeführt werden. Pyridoxalphosphat liegt bislang nicht als lizensiertes Medikament vor.

Neugeborenenscreening

Einige Stoffwechselkrankheiten im Galaktase-, Protein- oder Fettsäurenstoffwechsel werden mittlerweile durch das erweiterte Neugeborenenscreening mittels Tandem-Massenspektrometrie erfasst (Kap. „Neugeborenenscreening“). Ein unauffälliges Ergebnis des Neugeborenenscreenings schließt jedoch viele weitere sich möglicherweise bereits neonatal manifestierende Stoffwechselkrankheiten, z. B. Harnstoffzyklusdefekte, Propion- und Methylmalonazidurie sowie Energiestoffwechselstörungen nicht aus, da diese nicht zu den Zielkrankheiten des Neugeborenenscreenings in Deutschland gehören. Bei einigen Enzymdefekten, vor allem bei schwerer Ausprägung, können die Patienten zudem bereits vor Durchführung des Screenings oder vor Erhalt des Ergebnisses symptomatisch werden, z. B. bei der Galaktosämie. Gerade der Neonatologe muss also trotz eines erweiterten Screenings wachsam bleiben. Wurde das Neugeborenenscreening vor der aktuellen Verschlechterung des Kindes eingeleitet, soll das Ergebnis als Notfall erfragt und dem Screeninglabor eine Erweiterung des Untersuchungsauftrags erteilt werden.

Metabolische Basis- und Spezialdiagnostik

Einige über das klinisch-chemische Labor unmittelbar verfügbare Laborparameter können bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer Stoffwechseldekompensation rasch die Weichen für eine gezielte metabolische Diagnostik und Therapie stellen und gehören daher zur metabolischen Basisdiagnostik (Tab. 1). Sie müssen konsequent in jedem Alter bei jedem unklaren, schweren, sich verschlechterndem Krankheitsbild, das differenzialdiagnostisch an einen metabolischen Notfall denken lässt, bestimmt werden. Die Interpretation der Basisdiagnostik erlaubt bereits erste differenzialdiagnostische Überlegungen.
Tab. 1
Notfalldiagnostik bei Verdacht auf metabolische Entgleisung
Metabolische Basisdiagnostik (klinisch-chemisches Labor)1
Metabolische Spezialdiagnostik (Stoffwechsellabor)
- Ammoniak (Cave! Präanalytische Fehlerquellen)
Metabolisches Notfallscreening:
- Acylcarnitinprofil (Trockenblut)
- Blutzucker
- Organische Säuren (Urin)
Genügend Material asservieren (tieffrieren):
- Ketostix im Urin
- Serum (1–2 ml)
- EDTA-Plasma (1–2 ml)
- CRP
- Urin (5 ml)
Eventuell erforderliche erweiterte Spezialdiagnostik
- Carnitinstatus
- CK
- AST, ALT
- Orotsäure und Orotidin im Urin
- Plasmatische Gerinnung
- Orotsäure und Orotidin im Urin
1Die Bestimmung des Ammoniaks, der Blutgasanalyse, der Elektrolyte, des Blutzuckers und des Laktats im Blut sowie der Ketonkörper im Urin müssen ohne Zeitverzögerung rund um die Uhr verfügbar sein und die Laborergebnisse innerhalb von 30 min vorliegen
ALT Alaninaminotransferase; AST Aspartataminotransferase; CK Kreatinkinase; CRP C-reaktives Protein.

Diagnostik der Hypoglykämie

Hypoglykämien sind die häufigsten Indikatoren einer Stoffwechselentgleisung. Für viele Stoffwechselerkrankungen ist mit der Zufuhr von Glukose in Höhe der endogenen Glukoseproduktionsrate bereits die entscheidende Therapie durchgeführt: Glukoneogenesedefekte, Glykogenosen, Fettsäurenoxidationsdefekte. Beim Hyperinsulinismus (Kap. „Genetische Defekte des Monosaccharidstoffwechsels“) besteht ein signifikant erhöhter Glukosebedarf. Die oft rasche Korrektur der Hypoglykämie als wesentliche Stoffwechselpathologie der genannten Krankheiten erschwert jedoch z. T. die diagnostische Einordnung. Diagnostische Proben müssen unbedingt zum Zeitpunkt der symptomatischen Hypoglykämie abgenommen werden. Oft unterbleibt dieses bei der Notwendigkeit einer raschen Notfalltherapie und in der Regel unerwartetem Auftreten. Eine wichtige Hilfe ist ein vorab zusammengestelltes, diagnostisches Hypoglykämie-Set, das alle für die Differenzialdiagnose einer akuten Hypoglykämie diagnostisch relevanten Abnahmeröhrchen sowie eine Guthrie-Karte und einen Urinbeutel enthält. Diagnostische Hypoglykämie-Sets sollten in jeder pädiatrischen Notfallambulanz und Intensivstation bereit liegen. Der Urin, der erst nach Ausgleich der Hypoglykämie gewonnen wird, spiegelt noch die Stoffwechselsituation der Hypoglykämie wider.
Kit für die Hypoglykämiediagnostik
  • Freie Fettsäuren (FFS) und 3-Hydroxybutyrat (EDTA-Plasma oder Serum); Ketone (Urinteststreifen): Eine deutliche Erhöhung der FFS zeigt an, dass eine aktive Lipolyse eingesetzt hat und die Hypoglykämie mit einer Fastenreaktion assoziiert ist. In dieser Situation sind „normale“ (niedrige) Konzentrationen der Plasmaketone (3-Hydroxybutyrat reicht aus) und/oder ein negativer Urinstix auf Ketonkörper dringend verdächtig auf eine Störung der Fettsäurenoxidation oder Ketogenese.
  • Acylcarnitine (Trockenblutkarte oder EDTA-Plasma): Mit diesem Test werden die meisten (nicht alle) Fettsäurenoxidationsstörungen und viele Organoazidurien erkannt.
  • Hormone (Serum): Insulin ist vollständig supprimiert, wenn Blutzucker <2,5 mmol/l (45 mg/dl), Kortisol n >270 nmol/l. Jedes in der Hypoglykämie nachweisbare Insulin ist als pathologisch zu werten!
  • Laktat (Blut, Na-Fluorid-Röhrchen): Eine Erhöhung kann auf eine Leberfunktionsstörung oder gestörte Glykogenolyse/Glukoneogenese hinweisen, findet sich jedoch auch bei Organoazidopathien, nach Krampfanfall oder einer schwierigen Blutentnahme.
  • Ersatzröhrchen (Serum oder Plasma): ggf. notwendige weitere Analysen.
  • Organische Säuren (Spontanurin): diverse Stoffwechselkrankheiten, die eine Hypoglykämie verursachen können.

Diagnostik der Hyperammonämie

Aufgrund der hohen Neurotoxizität von Ammoniak und der raschen Glutaminsynthese und -akkumulation im ZNS ist das rasche Erkennen einer Hyperammonämie besonders wichtig. Ammoniakerhöhungen finden sich als Symptom einer metabolischen Erkrankung insbesondere bei Harnstoffzyklusdefekten und klassischen Organoazidopathien, aber auch sekundär bei Fettsäurenoxidationsstörungen und Energiestoffwechselstörungen. In der Blutgasanalyse liegt bei Harnstoffzyklusdefekten initial oft, aber nicht zwingend, eine respiratorische Alkalose vor. In dieser Kombination ist eine Hyperammonämie charakteristisch für angeborene Harnstoffzyklusdefekte. Bei verzögerter Diagnostik und Verschlechterung der respiratorischen und kardiorespiratorischen Situation kann die respiratorische Alkalose in eine metabolische oder gemischt respiratorisch-metabolische Azidose übergehen. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber Organoazidopathien wird dann schwieriger. Wegweisend können in dieser Situation bei Organoazidopathien der Nachweis einer Anionenlücke ([Na++K+]–[Cl+HCO3], normal <16 mmol/l) und ein positiver Ketostix im Urin sein, die ebenso wie hämatologische Auffälligkeiten (Anämie, Leukopenie, Thrombopenie) charakteristisch für viele Organoazidopathien sind.

Metabolische Spezialdiagnostik

Bei manchen Stoffwechselkrankheiten können metabolische Krisen auch ohne richtungsweisende Befunde des klinisch-chemischen Basislabors auftreten, z. B. bei der Ahornsirupkrankheit oder der Glutarazidurie Typ I. Bei verdächtiger klinischer Konstellation kann es also indiziert sein, auch bei unauffälliger Basisdiagnostik die metabolische Spezialdiagnostik (Tab. 1) zu veranlassen.
Die metabolische Spezialdiagnostik erfordert die Analyse und Interpretation durch ein spezialisiertes Stoffwechselzentrum, zu dem bei entsprechendem Verdacht frühzeitig Kontakt aufgenommen werden sollte, um das Vorgehen zu planen. Die Ergebnisse von Acylcarnitinprofil (Trockenblut), Aminosäuren im Plasma und organischen Säuren im Urin müssen möglichst schnell, spätestens innerhalb von 24 Stunden, verfügbar sein, auch nachts und am Wochenende. Mit diesen Untersuchungen lassen sich die akut interventionsbedürftigen Stoffwechselerkrankungen (Harnstoffzyklusdefekte, Organoazidopathien, Aminoazidopathien, Fettsäurenoxidationsstörungen) diagnostizieren. In Abhängigkeit von den Ergebnissen und der Gesamtkonstellation müssen diese Untersuchungen ggf. ergänzt werden. Dazu sollte schon in der Akutphase genügend Material asserviert werden. Auch bei im Intervall zuvor bestimmten unauffälligen Ergebnissen der metabolischen Spezialdiagnostik sollte diese bei einer akuten krisenhaften Verschlechterung wiederholt werden.

Probleme der Präanalytik

Probleme der Präanalytik (Abb. 2) bestehen insbesondere für das Ammoniak und Laktat. Bei den Bestimmungen der Aminosäuren und organischen Säuren sind vollständige klinische Angaben, wie Abstand zur letzten Nahrungsaufnahme und Medikamenteneinnahme, sehr wichtig.
Hinweise zur Vermeidung von Problemen bei der Präanalytik
  • Ammoniak:
    • Ungestaute Blutentnahme
    • Sofort in Eiswasser stellen
    • Innerhalb von 15 min analysieren
    • EDTA- oder Li-Heparin-Röhrchen, kein NH4-Heparin (ca. 600 μmol/l NH3)
    • Sofort wiederholen, falls eine unerklärte Diskrepanz zwischen NH3-Wert und der klinischen Präsentation besteht
    • Cave! Unterschiedliche Einheiten: μmol/L = μg/dL × 0,59
  • Aminosäuren im Plasma:
    • Blutentnahme: mindestens 3,5–4 h nach der letzten Mahlzeit (frühe postprandiale Entnahme: Erhöhung essenzieller Aminosäuren; lange Fastenphase: niedriges Profil, Erhöhung der verzweigtkettigen Aminosäuren [Leucin, Isoleucin, Valin] bei Ketose)
    • Zeitnah abzentrifugieren (Hämolyse: Arginin → Ornithin und Taurin ↑)
    • Einfrieren des Plasmas (nicht des Vollbluts, sonst Hämolyse)
    • Bei Lagerung und Versenden bei Raumtemperatur: Desaminierung von Glutamin zu Glutamat und Asparagin zu Aspartat; Cystin ↓, Alanin und Glycin ↑
  • Organische Säuren (Urin):
    • Konservierung mit 2 Tropfen Chloroform oder einigen Kristallen Natriumacid; alternativ: Versendung auf (Trocken-)Eis
    • Cave! Bakterielle Kontamination: Erhöhung von Succinat, Uracil, 2-Hydroxyglutarsäure, Methylmalonsäure und 3-Hydroxypropionsäure
  • Acylcarnitine (Trockenblut): mögliche Fehlerquellen (Abb. 2)

Diagnostik der Galaktosämie

Bei Verdacht auf klassische Galaktosämie findet sich als Schnelltest eine positive Reduktionsprobe im Urin. Diese fällt aber auch bei anderen Substanzen (z. B. Glukose) positiv aus. Bei der klassischen Galaktosämie wird das Neugeborene oft vor Ergebnismitteilung des Neugeborenenscreenings symptomatisch. Bei entsprechendem Verdacht kann die Bestimmung der Galaktosemetabolite und die Enzymaktivitätsbestimmung aus der Trockenblutkarte vorgezogen werden.

Grundzüge der Notfallbehandlung

Bei dringendem Verdacht auf eine Stoffwechselerkrankung mit akuter Manifestation muss eine kalkulierte Notfalltherapie eingeleitet werden, bevor die definitive Diagnose gestellt ist. Die folgenden Prinzipien sollten bei unklarem schwerem Krankheitsgeschehen und Verdacht auf eine Intermediärstoffwechselkrankheit initial angewendet werden:
  • Erhalt oder Wiederherstellung einer anabolen Stoffwechsellage durch hohe Energiezufuhr;
  • Reduktion der Produktion toxischer Metabolite durch vorübergehende Reduktion oder Stoppen der Zufuhr natürlichen Eiweißes;
  • Rehydratation und gegebenenfalls Azidoseausgleich.
Eine adäquate Energiezufuhr ist besonders wichtig bei Stoffwechselkrankheiten, bei denen eine anabole Stoffwechsellage erreicht werden muss, d. h. Harnstoffzyklusdefekte, Organoazidopathien, Aminoazidopathien, Oxidationsstörungen langkettiger Fettsäuren. Erforderlich ist in der Regel die parenterale Zufuhr von Glukose (ca. 12–15 g/kg KG/Tag bei Neugeborenen; ca. 8–10 g/kg KG/Tag im Kleinkindalter, 6–7 g/kg KG/Tag bei Schulkindern) kombiniert mit Lipiden (2[−3] g/kg KG/Tag), letztere nach Ausschluss einer Fettsäurenoxidationsstörung. Die exogene Zufuhr von Protein bzw. Fett muss in dieser Situation vorübergehend gestoppt werden. Mindestens genauso wichtig ist es, dem endogenen Gewebskatabolismus durch eine altersadaptierte, ausreichende exogene Energiezufuhr mittels oraler Kohlenhydratzufuhr bzw. intravenöser Glukosezufuhr, die die endogene Insulinsekretion stimuliert, entgegenzuwirken. Die Kombination aus hoher Glukosezufuhr und zusätzlicher Insulininfusion verstärkt den anabolen Effekt und ist erforderlich, wenn während einer Ketoazidose eine periphere Insulinresistenz vorliegt (z. B. bei Propion- und Methylmalonazidurie) oder die körpereigene Insulinsekretion (transient) nicht ausreicht (z. B. bei Energiestoffwechselerkrankungen). Bei Stoffwechselkrankheiten im Proteinstoffwechsel sollte zusätzlich Fett als Energieträger gegeben werden. Vor dem Einsatz von Fett sollte unbedingt eine Fettsäurenoxidationsstörung ausgeschlossen sein. Eine absolute Proteinkarenz sollte nicht länger als 24 Stunden (in Ausnahmefällen bis 48 Stunden) durchgeführt werden, da sonst ein massiver endogener Proteinkatabolismus und ein erneuter Anstieg toxischer Metaboliten droht. Innerhalb dieser Zeit sollte eine dekompensierte Stoffwechsellage ausgeglichen und die Diagnose gestellt bzw. weitgehend eingegrenzt sein. Eine länger dauernde scharfe Proteinrestriktion führt innerhalb von Tagen bis Wochen zu einer schweren Dermatitis, Acrodermatitis acidaemica (Abb. 3).
Die beschriebenen Maßnahmen erfordern vor allem bei Erstmanifestation häufig rasch eine intensivmedizinische Behandlung. Zentrale Zugänge (insbesondere bei schwerer Hyperammonämie mit der Option zur extrakorporalen Entgiftung mittels Hämodialyse oder -filtration) müssen rasch geplant werden. Besonders wichtig sind die Flüssigkeits- und Elektrolyttherapie einschließlich einer sorgfältigen Bilanzierung von Ein- und Ausfuhr. Um ein Hirnödem zu verhindern bzw. zu minimieren, sollten die Serumnatriumwerte im hochnormalen Bereich liegen.

Notfallbehandlung zu Hause

Familien diagnostizierter Patienten sollten nach ausführlicher Schulung in Kooperation mit dem Stoffwechselzentrum eine Notfalltherapie bei leichteren Verschlechterungen bereits zu Hause einleiten können. Sehr hilfreich sind Notfallausweise und schriftliche Notfallpläne. Für die Einschätzung der jeweiligen Situation ist jedoch eine aktuelle klinische Beurteilung entscheidend. Wenn das Kind nicht erbricht, seine Nahrung toleriert und es keine alarmierenden Symptome einer klinischen Verschlechterung, z. B. Azidoseatmung, epileptische Anfälle, Vigilanzstörung, zeigt, kann die Notfallbehandlung für einen eingeschränkten Zeitraum (bis zu 24 Stunden) zu Hause durchgeführt werden. Während dieses Zeitraums sollten betroffene Kinder alle 2 Stunden bezüglich der Veränderungen von Bewusstseinslage, Fieber und Nahrungstoleranz beurteilt werden. Wenn die Notfallbehandlung erfolgreich war und keine alarmierenden Symptome aufgetreten sind, soll im Anschluss hieran das ursprüngliche Behandlungskonzept über 24–48 Stunden schrittweise wieder eingeführt werden. In Tab. 2 und 3 ist ein Schema für die häusliche Notfalltherapie proteinabhängiger Stoffwechselerkrankungen zusammengefasst.
Tab. 2
Metabolische Notfallbehandlung zu Hause: Maltodextrin
Alter
(Lebensjahr
Maltodextrinlösunga
Volumen
(tägliche Zufuhr)
%
kcal/100 ml
<1
10
40
150–200 ml/kg KG
1 bis <2
15
60
100–120 ml/kg KG
2 bis <6
20
80
1200–1500 ml
6 bis <10
20
80
1500–2000 ml
≥10
25
100
1500–2000 ml
aMaltodextrinlösungen sollen alle 2 h (tagsüber und nachts!) verabreicht werden
Tab. 3
Metabolische Notfallbehandlung zu Hause: Eiweiß
Eiweiß
Vorgehen
Natürliches Eiweiß
Reduktion oder vorübergehender Stopp bis zu 24(−48) h. Anschließend schrittweise Steigerung der Eiweißzufuhr innerhalb von 1–2 Tagen
ASM
ASM sollen bei Nahrungstoleranz analog zum Normalplan fortgeführt werden
ASM Präkursoraminosäurenfreie Aminosäurenmischungen (d. h. Mischung enthält nicht die Aminosäure[n], deren Abbau bei der Krankheit gestört ist)

Notfallmedikamente

Zusätzlich zur Infusionstherapie kommen beim metabolischen Notfall verschiedene Medikamente zum Einsatz (Tab. 4). Diese sollten in jeder Klinik bzw. Intensivstation verfügbar sein.
Tab. 4
Notfallmedikamente
Medikament
Verfügbare Arzneimittel
Dosis (Notfallanwendung)
Betain (Orphan-Drug: Cystadane)
Pulver: 1 g Pulver enthält 1 g wasserfreies Betain
100–250 mg/kg KG/Tag p.o.
z. B. 5 mg – Tabletten
10–15 mg/Tag p.o.; in 1 Dosis
Carglumsäure (Carbamylglutamat; Orphan-Drug: Carbaglu, Ucedane)
200 mg – Tabletten
Initialdosis: 100–250 mg/kg KG/Tag p.o.
Diazoxid
z. B. 25 mg – Kapseln
15 mg/kg KG/Tag p.o.; in 3 Dosen
z. B. 5 mg/ml – Ampullen
15 mg/kg KG/Tag i. v.; in 3 Dosen
Folinsäure
(Ca-Folinat)
z. B. 10 mg/ml – Ampullen
3 mg/kg KG/Tag i. v.; in 1 Dosis
z. B. 1 mg/ml – Ampullen
i. v.-Bolus: 30–100 μg/kg KG (max. 1 mg);
Dauerinfusion: 5–10 μg/kg KG/h
Hydroxocobalamin
(Vitamin B12)
z. B. 0,5 mg/ml, 5 mg/ml – Ampullen
1(−5) mg/Tag i. m./i. v.; Einzeldosis
L-Arginin-HCl
L-Arginin-Hydrochlorid 21 %:
1 ml =1 mmol L-Arginin
Kurzinfusion: 2 mmol/kg KG/90–120 min;
Dauerinfusion: (1–)2(−4) mmol/kg KG/Tag
L-Carnitin
z. B. 200 mg/ml – Ampullen
i. v.-Bolus: 50 mg/kg KG (Organoazidurien);
Dauerinfusion: 50–200 mg/kg KG/Tag
Na-Benzoat
Kein lizenziertes Medikament, nur chemische Zubereitung;
10 % Lösung = 100 mg/ml
Kurzinfusion: 250 mg/kg KG über 90–120 min;
Dauerinfusion: 250-500 mg/kg KG/Tag
Na-Phenylbutyrat (Orphan-Drug: Ammonaps, Pheburane)
Pulver oder Tabletten; 1 g = 940 mg aktive Substanz
250–600 mg/kg KG/Tag p.o.; in 3 Dosen
Glycerol Phenylbutyrat (Orphan-Drug: Ravicti)
Flüssigkeit (farb- und geruchlos)
250–600 mg/kg KG/Tag p.o.; in 3 Dosen
Na-Benzoat/Na-Phenylacetat (1:1)
(Orphan-Drug: Ammonul)
Nur für die intravenöse Rescuetherapie; 10 %/10 %(w/v)-Lösung
Kurzinfusion: 250 mg/kg KG über 90−120 min;
Dauerinfusion: 250–500 mg/kg KG/Tag
Nitisinon (NTBC, Orphan-Drug: Orfadin)
2 mg – Kapseln
Startdosis: 1 mg/kg KG/Tag p.o.
Pyridoxalphosphat (aktive Form des Vitamin B6)
Kein linzensiertes Medikament, nur chemische Zubereitung
30–60 mg/kg KG/Tag p.o.; in 3 Dosen
Pyridoxin-HCl (Vitamin B6)
z. B. 50 mg/ml – Ampullen
100(−500) mg i. v.; Einzeldosis
Trometamol (TRIS-Puffer)
Zentraler Katheter erforderlich, ansonsten Gefahr der Gewebsnekrose
Äquimolar zur Pufferung bei Hypernatriämie
Medikamente i. v. in 30 ml/kg KG Glukose 10 % verdünnen und als Bypass zur laufenden Infusion geben. L-Carnitin, L-Arginin und Na-Benzoat können gemischt werden. Gesamtkalorien, Natriumgehalt und Flüssigkeitsmenge in der Einfuhrkalkulation berücksichtigen

Ammoniakentgiftung

Besonders wichtig ist die rasche Entgiftung von Ammoniak. Ammoniak muss so schnell wie möglich aus dem Körper entfernt werden, da die neurologische Schädigung direkt mit Höhe und Dauer der Hyperammonämie korreliert. L-Arginin kann bei allen Harnstoffzyklusdefekten (außer dem Arginasemangel) eingesetzt werden, da es bei diesen zur essenziellen Aminosäure wird. Natriumbenzoat und Natriumphenylbutyrat ermöglichen über die Konjugation mit Glycin bzw. Glutamin einen alternativen Stoffwechselweg zur Stickstoffelimination. Probatorisch kann zudem das Medikament Carbamylglutamat eingesetzt werden; es ist für die Dauerbehandlung bei Patienten mit N-Acetylglutamatsynthase-Mangel und für die Behandlung der akuten Hyperammonämie von klassischen Organoazidopathien zugelassen und sollte zudem für die Behandlung der akuten Hyperammonämie bei undiagnostizierten Patienten erwogen werden.

L-Carnitin

Die Gabe von L-Carnitin ist bei Organoazidopathien von großer Bedeutung zur Behebung des sekundären Carnitinmangels und zur Entgiftung der vor dem Stoffwechselblock angestauten Acyl-CoA-Ester und Erhöhung der intrazellulären Verfügbarkeit des freien CoAs. Vorsicht ist allerdings bei Verdacht auf Vorliegen einer Oxidationsstörung langkettiger Fettsäuren und Carnitinzyklusdefekten (Kardiomyopathie, Herzrhythmusstörungen!) geboten, da die Carnitingabe durch die vermehrte intramitochondriale Akkumulation langkettiger Acylcarnitine lebensbedrohliche Rhythmusstörungen auslösen kann.

Kofaktoren

Bei verschiedenen Organoazidopathien sollte ein Therapieversuch mit Kofaktoren unternommen werden. Ein Therapieversuch mit Hydroxycobalamin ist indiziert bei allen Fällen von Methylmalonazidurie, vor allem Late-onset-Formen und bei Störungen im Cobalaminstoffwechsel. Biotin ist die Behandlung der Wahl beim Holocarboxylasesynthetasemangel und beim Biotinidasemangel. Bei der Glutarazidurie Typ II sollte ein Therapieversuch mit Riboflavin gemacht werden, wobei Patienten mit neonataler Manifestation hierauf in aller Regel nicht ansprechen.

Tyrosinämie Typ I

Bei der Tyrosinämie Typ I ist Nitisinon (NTBC, Orphan-Drug: Orfadin) das Mittel der Wahl. Nitisinon verhindert durch Blockierung eines dem eigentlichen Stoffwechselblock vorangehenden Stoffwechselschritts die Entstehung der hepato- und nephrotoxischen Metabolite.

Ahornsirupkrankheit

Bei der Ahornsirupkrankheit muss frühzeitig mit der Zufuhr einer valin-, leucin- und isoleucinfreien Aminosäurenmischung begonnen werden, da diese zum Aufbau von Körpereiweiß benötigt wird und dadurch eine effiziente Senkung der im Blut erhöhten verzweigtkettigen Aminosäuren erreicht werden kann.

Homocysteinstoffwechselkrankheiten

Krankheiten im Homocysteinstoffwechsel erfordern, in Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Enzymdefekt, eine Behandlung mit Hydroxocobalamin, Folsäure, Pyridoxin, Betain und Methionin.

Hyperinsulinismus

Bei der Behandlung des kongenitalen Hyperinsulinismus kommen in der Akutbehandlung neben einer hoch dosierten, zur Normoglykämie führenden Glukosezufuhr akut Glukagon sowie Diazoxid, Octreotid und versuchsweise Nifedipin zum Einsatz.

Laktatazidose

Bei kongenitalen Laktatazidosen sollte ein Therapieversuch mit Thiamin (u. a. Kofaktor der Pyruvatdehydrogenase), Riboflavin (Kofaktor aller mitochondrialen Acyl-CoA-Dehydrogenasen) und Biotin (u. a. Kofaktor der Pyruvatcarboxylase) erfolgen. Ein sekundärer Carnitinmangel wird mit L-Carnitin ausgeglichen. Hauptziel ist die Korrektur der metabolischen Azidose mit Natriumbikarbonat bzw. Trometamol (Tris-Puffer). Dichloroacetat vermag zwar das Laktat zu senken, verbessert aber nicht langfristig den klinischen Verlauf.

Extrakorporale Entgiftung

Bei Erkrankungen vom Intoxikationstyp entscheiden die Dynamik der ersten 4–6 Stunden und das klinische Gesamtbild darüber, ob extrakorporale Entgiftungsmethoden zum Einsatz kommen müssen. Diese sollten bei Neugeborenen und Säuglingen bei Ammoniakwerten >500 μmol/l sowie im späteren Lebensalter bei jeder konservativ nicht beherrschbaren symptomatischen Hyperammonämie (d. h. bei eingeschränkter Bewusstseinslage) rasch in die Wege geleitet werden. Bei der Ahornsirupkrankheit ist eine extrakorporale Entgiftung bei Leucinwerten im Plasma von >1.500 μmol/l (20 mg/dl) frühzeitig vorzubereiten. Die Wahl der Methode – kontinuierliche venovenöse Hämodialyse, -filtration oder -diafiltration – hängt meist von lokalen Gegebenheiten und Erfahrungen ab.

Kooperation mit Stoffwechselzentrum

Diagnostik und Therapie akuter Entgleisungen von Intermediärstoffwechselkrankheiten erfordern die enge Kooperation mit einem spezialisierten Stoffwechselzentrum. Im Zweifelsfall sollte nicht gezögert werden, den Patienten zu verlegen, aber immer erst nach Einleitung der initialen Notfalltherapie mit einer adaptierten Glukoseinfusion. Von der raschen Diagnostik und unmittelbaren Therapieanpassung hängt entscheidend die Prognose des Kindes ab.
Weiterführende Literatur
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Zschocke J, Hoffmann GF (2012) Vademecum Metabolicum. Diagnose und Therapie erblicher Stoffwechselerkrankungen, 4. Aufl. Schattauer, Stuttgart