Epidemiologie
Die WHO geht von einer weltweiten
Prävalenz von etwa 18 Millionen infizierten Personen aus.
In Deutschland ist ein Infektionsnachweis nichtnamentlich meldepflichtig. Nach den Daten des RKI wurden im Jahr 2017 7467 Fälle gemeldet (RKI Epidemiologisches Bulletin 46/
2018). Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Anstieg um 4,2 %. Der Anstieg der Infektionen bei Männern fällt in diesem Jahr geringer aus, als bei Frauen. Allgemein ist seit 2010 ein Anstieg der Neuinfektionen zu verzeichnen. Der Anteil an betroffenen Männern ist um das 14-fache höher (17,3 pro 100.000 Einwohner), als bei Frauen (1,2 pro 100.000 Einwohner). Die höchste Inzidenz besteht bei Männern zwischen dem 30 und 39. Lebensjahr. 83,5 % der Neuinfektionen 2017 traten bei MSM auf.
Klinik
Die Erkrankung kann unbehandelt drei Stadien durchlaufen.
Primärstadium: An der Eintrittsstelle des Erregers kommt es nach einer Inkubationszeit von 3–90 Tagen zu der Entwicklung eines typischerweise schmerzlosen Ulcus, dem sogenannten Ulcus durum. Die Läsionen treten häufig genital auf, können aber je nach Infektionsweg auch extragenital das heißt oral oder anorektal auftreten. Die Läsionen sind hochansteckend. Zusätzlich kommt es zu einer regionalen Lymphknotenschwellung. Auch ohne Therapie heilen die Läsionen meist in 3–6 Wochen ab.
Sekundärstadium: Nach einer Inkubationszeit von 2–12 Wochen kann es nach einer hämatogenen Verbreitung der Erreger zu einer Infektion unterschiedlicher Organe kommen. Dies tritt bei etwa 25 % der Patienten auf. Klinisch können unspezifische Allgemeinsymptome wie Kopf- und Gliederschmerzen,
Fieber und Abgeschlagenheit auftreten. Typischerweise kann es zur Hautmanifestation dem
Roseola syphilitica, einem stammbetonten fein-makulösen nicht juckenden Exanthem, kommen. Zusätzlich kann ein plantares und palmares Exanthem auftreten, eine Beteiligung der Kopf- und Mundschleimhaut ist ebenfalls beschrieben. Des Weiteren kann eine ödematöse Tonsillitis, die
Angina specifica auftreten. Eine lang anhaltende generalisierte Lymphadenopathie tritt häufig begleitend auf. In einigen Fällen, insbesondere bei Immunsuppression, kommt es zu einer
Meningitis. Zusätzlich kann es zu einer Hepatitis, Serositis,
Osteitis oder gastrointestinalen Ulzerationen kommen. Eine renale Beteiligung ist ebenfalls möglich.
Tertiärstadium: Das Tertiärstadium kann zeitlich sehr variabel nach der Erstinfektion auftreten. Die Inkubationszeit beträgt bis zu 30 Jahren. Typischerweise kommt es als Zeichen einer chronischen Entzündungsreaktion zu der Ausbildung von Granulomen in unterschiedlichen Organen. Das Erscheinungsbild kann sich sehr unterschiedlich manifestieren. Als Hautmanifestation können Syphilome in Form von braunroten Knötchen auftreten. Bei 10 % der unbehandelten Patienten kann es zu einer
Aortitis und der Entwicklung eines
Aneurysma dissecans sowie zur Aortensklerose kommen. Typischerweise führt die unbehandelte Infektion zu einer Beteiligung des zentralen Nervensystems, der sogenannten
Neurosyphilis (siehe
Infektionen des zentralen Nervensystems). Diese kann asymptomatisch oder als aseptische
Meningitis verlaufen. Des Weiteren kann es zu einer
Enzephalitis kommen. Eine zerebrale Infektion kann sich ebenfalls als
Dementia paralytica im Sinne einer
Demenz, eines hirnorganischen Psychosyndroms, begleitet von
Halluzinationen,
Sprachstörungen manifestieren. Es kann zu einer irreversiblen Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks kommen, der
Tabes dorsalis. Klinisch äußert sich diese Manifestation mit einer Blasenentleerungsstörung, Gangataxie,
Schmerzen, Impotenz, Sensibilitätsstörungen, Areflexie sowie Störungen des Temperatur- und Vibrationsempfindens. Das Auftreten von zerebralen chronischen Entzündungsherden kann je nach betroffenen Arealen zu fokal neurologischen
Ausfällen führen.
Neben der symptomatischen
Syphilis ist eine latente asymptomatische Infektion möglich.
Bei Neugeborenen kann sich die Infektion als
Lues connata manifestieren. Die Infektion ist in 50–70 % der Fälle klinisch inapparent. Eine klinische Manifestation kann sich im Verlauf entwickeln und mit unspezifischen Symptomen wie Hepatosplenomegalie, Hauteffloreszenzen,
Ikterus, Hydrops, generalisierter Lymphknotenschwellung und einer Trinkschwäche einhergehen. Eine Spätmanifestation der
Lues connata kann sich ab dem 2. Lebensjahr an unterschiedlichen Organen zeigen. Zumeist sind das ZNS, die Augen, die Ohren, die Zähne, die Knochen, die Haut- und die Schleimhäute beteiligt.
Diagnostik
Der direkte Erregernachweis kann durch dunkelfeldmikroskopische Untersuchung oder einer PCR aus Sekret des Primäraffektes gelingen, dies sind keine Routineverfahren. Typischerweise wird die Diagnostik über einen mehrstufigen indirekten Erregernachweis durchgeführt. Der
Treponema pallidum-Partikelagglutinationstest (TPPA-Test) dient dabei zunächst als Suchtest. Ab einem Titer von 1:80 gilt der Test als positiv.
Antikörper werden in der Regel 2–3 Wochen nach der Infektion detektiert. Im Folgenden kann der
Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest (FTA-Abs-Test) als indirekter Immunfluoreszenztest mit einer Differenzierung von IgM und IgG Antikörpern als Bestätigungstest für den TPPA-Test eingesetzt werden. Zum Aktivitätsnachweis dient der
Veneral-Disease-Research-Laboratory-Test. Dieser detektiert ein
Antigen (
Cardiolipin), das Bestandteil der mitochondrialen Membran ist und unspezifisch auf einen gewebedestruierenden Prozess hinweist. Der Titer dient als wichtiger Marker für die Entzündungsaktivität der Infektion und kann als Indikation für einen Behandlungsstart und als Verlaufskontrolle der Therapie dienen. Der IgM-Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest kann zusätzlich spezifisch IgM Antikörper nachweisen und gibt bei einem positiven Befund einen Hinweis für eine frisch zurückliegende Infektion. Bei HIV-positiven Patienten oder auch gerade erfolgter Therapie kann der Nachweis noch längere Zeit positiv bleiben. Besteht der Verdacht auf eine Neurolues sollte eine
Lumbalpunktion zum Nachweis der intrathekalen Antikörperproduktion und eines entzündlichen Liquor Syndroms erfolgen.
Therapie
Die Therapie ist abhängig vom Stadium der Infektion. Im Primärstadium erfolgt die Therapie mit
Benzathin-Benzylpenicillin i.m. Als Alternative bei Penicillinallergie kann Doxycyclin oder Ceftriaxon verwendet werden. Eine Neurolues sollte intravenös mit Penicillin oder Ceftriaxon behandelt werden. Die Therapie ist in der Tab.
3 dargestellt.
Frühsyphilis | Benzathin-Benzylpenicillin 2,4 Mio. I.E. 1-0-0 (i.m.) Therapiedauer: 1 Tag Bei Penicillinallergie: Doxycyclin 100 mg 1-0-1 (p.o.) Therapiedauer: 14 Tage KI: Schwangeren, Stillzeit und Kinder | Ceftriaxon 2 g: 1-0-0, (i.v.) Therapiedauer: 10 Tag Bei Penicillinanllergie: Erythromycin 500 mg: 1-1-1-1 (p.o.) Therapiedauer: 14 Tage |
Spätsyphilis | Benzathin-Benzylpenicillin 2,4 Mio. I.E. 1-0-0 (i.m.) Therapie: an Tag 1, 8 und 15 Bei Penicillinallergie: Doxycyclin 100 mg 1-0-1 (p.o.) Therapiedauer: 28 Tage KI: Schwangeren, Stillzeit und Kinder | Ceftriaxon 2 g: 1-0-0, (i.v.) Therapiedauer: 14 Tag Bei Penicillinanllergie: Erythromycin 500 mg: 1-1-1-1 (p.o.) Therapiedauer: 28 Tage |
Neurosyphilis | Penicillin G 6 Million I.E.1-1-1-1 (i.v.) Therapiedauer: 10–14 Tage | Ceftriaxon 2 g: 1-0-0, (i.v.), initial 4 g Therapiedauer: 14 Tag oder: Doxycyclin 100 mg 1-0-1 (p.o.) Therapiedauer: 28 Tage |
Lues connata | Penicillin G 200.000–250.000 IE/kgKG/d 1. Lebenswoche in 2 Einzeldosen 2.-4. Lebenswoche in 3 Einzeldosen 5. Lebenswoche in 4 Einzeldosen Therapiedauer: 14 Tage Therapieunterbrechungen > 24 h ➔ Wiederholung der kompletten Therapie |
Eine Besonderheit stellt die Lues connata dar, hier sollte die Therapie, ab einem positiven IgM Test im kindlichen Blut oder einem Cardiolipin-Antikörper-Titer des Kindes der 4-fach höher als der mütterliche Wert ist, erfolgen.
Eine Komplikation der Therapie ist die unmittelbar nach Beginn auftretende
Jarisch-Herzheimer-Reaktion. Diese tritt meist innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Therapiestart auf, verläuft akut und meist selbstlimitierend. Klinisch präsentiert sich der Patient mit Schüttelfrost,
Kopfschmerzen, Exanthemen und
Fieber. Es können Vigilanz Änderungen, Schlaganfälle sowie Nieren- und Leberfunktionsstörungen auftreten. Die Reaktion wird durch eine überschießende inflammatorische Reaktion auf die Erregertoxine hervorgerufen. Bei schweren Verläufen sollten nicht steroidale Antiphlogistika und Steroide gegeben werden.
Prävention
Die Verwendung von Latexkondomen schützt effektiv vor einer
Syphilis Infektion. Insbesondere die Primärläsion ist hochkontagiös. Eine orale Übertragung ist durch Kontaktvermeidung mit der Läsion herzustellen. Eine Kontrolle des Therapieerfolges sollte ebenfalls durchgeführt werden. Eine Mitbehandlung des Sexualpartners sollte bei Symptomen und einer positivem Erregernachweis nach den beschriebenen Kriterien erfolgen. Ein Screening auf Syphilis sollte durchgeführt werden bei Personen mit einem Partner, der mit Syphilis infiziert war oder ist, bei MSM, bei
HIV infizierte Personen, Schwangeren, Personen mit nach einem Risikokontakt, Prostituierte oder symptomatische Personen. Bei Kontakt zu erregerhaltigen Sekreten kann eine Postexpositionsprophylaxe mit Benzathin-Penicillin erwogen werden.
Die beste Prophylaxe der Lues connata ist das rechtzeitige Erkennen und die adäquate Therapie der Schwangeren.