Einleitung
Die antiinfektive Therapie auf der Intensivstation nimmt häufig eine eminente Rolle im Gesamtbehandlungskonzept ein und ist gleichzeitig mit multiplen Problemen behaftet, welche im behandelten Patientenkollektiv begründet liegen. Kritisch kranke Patienten erfordern in den meisten Fällen eine schnell eingeleitete kalkulierte Therapie, wenn es Hinweise auf eine akute Infektion gibt. Zudem resultieren bei Intensivpatienten aus den zum Intensivaufenthalt führenden Erkrankungen, wie zum Beispiel dem septischen oder kardiogenen Schock, oft verschiedene Organausfälle. Diese führen wiederum zu Verschiebungen der Verteilungsvolumina und somit zu Besonderheiten in
Pharmakodynamik und -kinetik, welche zusätzliche Probleme bei der optimalen Auswahl der antiinfektiven Therapie aufwerfen können (Campion und Scully
2018). In diesem einleitenden Kapitel zur Infektiologie soll ein Überblick zur Antibiotikatherapie, -prophylaxe, sowie
antimykotischen Therapie in der
Intensivmedizin gegeben werden. Auf die spezifischen Infektionen wird in den jeweiligen Kapiteln eingegangen.
Die häufigsten infektiologischen Krankheitsbilder auf der Intensivstation sind die
Sepsis und die
ambulant erworbene Pneumonie, welche weiterhin mit einer signifikanten Mortalität assoziiert sind (Cecconi et al.
2018; Theilacker et al.
2021). Zudem stellen ventilatorassoziierte
Pneumonien bei Langzeitbeatmung sowie katheterassoziierte Blutstrominfektionen bei einliegendem Fremdmaterial weitere infektiologische Problemfelder dar (Papazian et al.
2020). In den meisten Fällen ist bei Einleitung einer antiinfektiven Therapie der Erreger unbekannt, sodass diese zunächst kalkuliert erfolgen muss.
In Bezug auf die Therapie der ventilatorassoziierten
Pneumonie stellten Sandiumenge et al.
2003 die sog. „
Tarragona-Strategie“ vor (Sandiumenge et al.
2003), welche sich auch allgemein auf das Vorgehen zur Einleitung und Verwendung antiinfektiver Therapien auf der Intensivstation übertragen lässt. Sie beinhaltet 5 Leitsätze, anhand derer wir die grundsätzlichen Strategien der Antibiotikatherapie auf Intensivstationen erläutern möchten:
Grundsätzlich sollten im Rahmen dieser Strategie die Grundsätze des sog. antimikrobiellen Stewardships (ABS) berücksichtigt werden. Das AMS befasst sich mit dem rationalen Einsatz von Antiinfektiva, um der zunehmenden Resistenzentwicklung entgegen zu wirken. Hierfür kommt optimalerweise ein interdisziplinäres Team zum Einsatz (Infektiologen, Mikrobiologen, Apotheker, ABS-Experten). Mittels lokaler Verbrauchstatistiken, Überprüfung von Antiinfektivaindikationen sowie gemeinschaftlicher Diskussion von komplexen infektiologischen Fällen können somit Antibiotikaverbrauch und Resistenzentwicklung positiv beeinflusst werden (de With et al.
2018; Pickens und Wunderink
2019). Auch auf der Intensivstation nimmt dieses Konzept eine wichtige Rolle ein (Campion und Scully
2018). Hier können beispielsweise durch einen Infektiologen begleitete ABS-Visiten, hausinterne Antibiotikaleitlinien, interdisziplinäre Fallkonferenzen oder auch die Restriktion der Ausgabe von Reservesubstanzen durch das ABS-Team (sog. „Stop-Order“) eingesetzt werden.
Look at your patient
Wie in jeder Behandlungssituation steht die klinische Untersuchung an erster Stelle. Auf ihrer Basis lässt sich im Idealfall der klinische Fokus bereits eingrenzen. Häufig im Kontext einer intensivmedizinischen Behandlung sind pulmonale Infektionen,
Harnwegsinfektionen sowie katheterassoziierte Infektionen und Blutstrominfektionen (NRZ-KISS
2016). Wegen letzterer sollten einliegendes Fremdmaterial und Katheter klinisch inspiziert und gegebenenfalls gewechselt werden.
In die Auswahl der kalkulierten Antibiotikatherapie sollten auch intrinsische und extrinsische Risikofaktoren für eine Infektion mit
multiresistenten Erregern einbezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass ein großer Anteil der Infektionen, die auf der Intensivstation behandelt werden, durch Erreger ausgelöst werden, die aus der eigenen Mikrobiota (Gesamtheit der Mikroorganismen, die einen Menschen kolonisieren) des Patienten stammen. Grundsätzlich besteht besonders bei solchen Patienten ein erhöhtes Risiko für eine Progression von einer Kolonisierung zur Infektion, die in den letzten Wochen und Monaten relevant gegenüber
Antibiotika exponiert worden sind, sodass es zu einer Selektion und Überwucherung von potenziellen Pathogenen innerhalb der eigenen Mikrobiota kommen konnte. In der Regel sind dies Patienten mit schweren und/oder chronischen Komorbiditäten und/oder einer Immunsuppression. Entsteht dann bei diesen Patienten eine Barrierestörung, die das Eindringen der Pathogene in den Organismus ermöglicht, z. B. durch Operationen, Chemotherapien, Fremdkörper oder Traumata, so kann es auf Basis der bestehenden Kolonisierung zu einer invasiven Infektion kommen. Ein weiterer zentraler Aspekt ist in diesem Zusammenhang der Aufenthalt des Patienten in einem Umfeld, in dem multiresistente Erreger mit einer hohen Wahrscheinlichkeit überhaupt initial erworben werden können. Dazu zählen z. B. wiederholte Klinikaufenthalte in der Vergangenheit (unter anderem Intensivaufenthalte), die
Unterbringung in Pflegeeinrichtungen, sowie der Aufenthalt in Ländern mit einer besonders hohen Rate an multiresistenten Erregern (KRINKO (Kommission für
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention)
2012; Raman et al.
2018).
Ergänzend sollten vorherige mikrobiologische Befunde, wie
Abstriche, Punktate und Ähnliches beurteilt werden. Ist schon eine Besiedlung durch
multiresistente Erreger bekannt, können diese unter Umständen auch für die aktuelle Infektion verantwortlich sein. Dies muss bei einem fehlenden Therapieansprechen in Betracht gezogen werden. Allerdings ist von einer generellen Behandlung bloßer Abstrichergebnisse ohne passenden klinischen Fokus abzuraten.
Schließlich sind auch andere anamnestische Faktoren wie die Reiseanamnese (z. B. Typhus nach Indienaufenthalt; Scaggs Huang und Schlaudecker
2018), berufliche oder freizeitliche Exposition (z. B.
Leptospirose bei Kanalarbeitern; Haake und Levett
2015) oder Haustiere (z. B.
Bartonella henselae als Erreger der Katzenkratzkrankenheit; Okaro et al.
2021) mit in Betracht zu ziehen. Allerdings nehmen diese Erwägungen in der Akutsituation nur in seltenen Fällen einen Einfluss auf die kalkulierte Antiinfektivatherapie.
Patienten mit Immunsuppression bedürfen nicht nur wegen ihres Risikos mit
multiresistenten Erregern einer besonderen Aufmerksamkeit. Opportunistische Erreger können hier schwerwiegende Infektionen hervorrufen (z. B.
Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie bei (Humanes Immundefizienz-Virus) HIV-Patienten; DAIG
2014), oder Mukormykose bei neutropenen Patienten nach Stammzelltransplantation (Reid et al.
2020), s. unten). In solchen Situationen ist meist die Konsultation eines Infektiologen hilfreich und notwendig.
Hit hard (and early)
Für die erfolgreiche antiinfektive Therapie einer
Sepsis ist ein schnelles Vorgehen notwendig. So konnten verschiedene Studien zeigen, dass bereits eine Verzögerung der Antibiotikatherapie um eine einzige Stunde eine deutlich erhöhte Mortalität zur Folge hat (1–7 %) (Kumar et al.
2006; Ferrer et al.
2014; Bloos et al.
2017). Bei einer schweren Infektion, insbesondere der Sepsis, sollte somit die Antibiotikagabe innerhalb der 1. Stunde erfolgen. Der Leitsatz „
hit hard“ beinhaltet zudem die Notwendigkeit der Verwendung einer breit wirksamen antiinfektiven Therapie bis zum Erhalt etwaiger Erregernachweise. Hier sollten Substanzen eingesetzt werden, die in ihrem Spektrum dem Erregerspektrum des vermuteten Fokus und der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von
multiresistenten Erregern gerecht werden. Gegebenenfalls müssen in einer solchen Situation auch Kombinationstherapien ausgewählt werden (Tab.
2). Eine antiinfektive Therapie mit nur schmalem Spektrum ist in dieser Situation nicht sinnvoll. Eine Anpassung kann nach dem Erhalt eventueller Erregernachweise oder neuer klinischer oder diagnostischer Hinweise auf einen Fokus erfolgen.
Tab. 2
Wirksamkeitsspektren der wichtigsten Antiinfektiva. Die Tabelle stellt die im Rahmen einer empirischen Therapie zu erwartenden Spektren häufig genutzter
Antibiotika mit Bezug auf den grampositiven (
blau) und gramnegativen Bereich (
rot) dar. Im
grünen Bereich kann eine Wirksamkeit in der Regel erwartet werden, während im
gelben Bereich die Wirksamkeit je nach Stamm des Erregers variieren kann. Des Weiteren erfolgt eine Zuordnung der zu berücksichtigenden Spektren in Bezug auf den vermuteten Fokus und das Vorliegen einer nosokomial erworbenen Infektion. In
grau wird die
Bioverfügbarkeit bei oraler und intravenöser Gabe dargestellt
Um einen zeitigen Einsatz von antiinfektiver Therapie zu gewährleisten, wurde in einigen Notarztstandorten sogar zeitweilig der Einsatz von „Sepsis-Kits“, bestehend aus Breitbandantibiotikum und
Blutkulturflaschen, propagiert. Diese erlauben eine präklinische Diagnostik und antiinfektive Therapie. Dies hat sich allerdings bis dato nicht durchgesetzt.
Get to the point
Eine unterdosierte antiinfektive Therapie muss beim Intensivpatienten unbedingt verhindert werden. In diesem Zusammenhang gilt grundsätzlich der Leitsatz: „Überleben vor Nierenfunktion“. Allerdings sind bei hochgradig eingeschränkter GFR (
glomeruläre Filtrationsrate) ausgeprägt nephrotoxische Substanzen primär zu vermeiden bzw. einer sorgfältigen Kosten-Nutzen-Abwägung zu unterziehen. Insbesondere bei den β-Laktam-Antbiotika oder
Vancomycin kann aber meist in den ersten 24 h einer
Sepsis die normale Dosierung der Substanz verabreicht werden, um ausreichende Wirkspiegel zu erreichen. Eine falsche Vorsicht kann hier dem Patienten schaden.
Auch die Wirkmechanismen der jeweiligen Antibiotikagruppen sind bei Administrationsmodus und Infusionsdauern zu berücksichtigen. Für
Antibiotika mit zeitabhängiger Wirkung ist die Zeitdauer, in welcher sich die Wirkspiegelkonzentration oberhalb der gemessenen minimalen Hemmkonzentration befindet (Zeit über der MHK), für den Behandlungserfolg ausschlaggebend (Campion und Scully
2018). Beispiele für diese Gruppe sind typischerweise die β-Laktame (wie Carbapeneme und Acylaminopenizilline), aber auch die Makrolide (Brodt
2013) (Tab.
3). Dies spiegelt sich in der mehrmals täglichen Gabe wider, die sicherstellt, dass der rasch abfallende Spiegel immer wieder über die MHK angehoben wird. Insbesondere für die β-Laktame wurde schon frühzeitig der Nutzen einer kontinuierlichen Gabe postuliert, da in diesem Kontext regelmäßige Spiegelabfälle vermieden werden können.
Tab. 3
Einteilung von Wirkstoffgruppen in zeit- und konzentrationsabhängige Antibiotika. (Brodt
2013)
β-Laktame | Fluorchinolone |
Clindamycin | Aminoglykoside |
Makrolide | Azalide |
Oxalidinone | Metronidazol |
Fosfomycin | Daptomycin |
Auch wenn die Studienlage nicht eindeutig bezüglich der klinischen Vorteile dieser Strategie ist, konnte zumindest für die β-Laktam-Antibiotika in einer umfassenden
Metaanalyse eine verringerte Mortalität für Patienten mit einer kontinuierlichen Verabreichung gezeigt werden (26,3 % vs. 19,6 %) (Roberts et al.
2016). Allerdings sind die untersuchten Studien zum Teil bereits sehr alt, sehr heterogen im Design und häufig qualitativ nicht überzeugend. Dazu kommt, dass im Rahmen dieser Strategie auch Über- und Unterdosierungen mit den entsprechenden ungünstigen Folgen (Toxizitäten, reduzierte Effektivität) im Kontext eines veränderten
Verteilungsvolumens, z. B. im Rahmen einer
Sepsis, eines Organversagens mit Endothelschadens oder mit
Nierenversagen sowie im Kontext einer Flüssigkeitstherapie auftreten können. Daher wird die kontinuierliche Infusion von β-Laktam-Antibiotika einerseits von Experten noch sehr kontrovers diskutiert, andererseits wird sie auf einigen Intensivstationen bereits standardmäßig eingesetzt. Im Kontext dieser komplexen Diskussion empfehlen wir diese Strategie nur dann, wenn auch die Möglichkeit eines zeitnahen Therapeutic Drug Monitorings (TDM, therapeutische Spiegelmessung) besteht.
Kann die Messung von Spiegeln lokal nicht erfolgen, so kann alternativ eine verlängerte Infusion angestrebt werden. Basierend auf den eben genannten Überlegungen zur möglichst langen Überschreitung der MHK wird hier direkt im Anschluss an eine als Kurzinfusion zu verabreichende Dosis des gewählten Medikamentes eine verlängerte Infusion über bis zu 3 h durchgeführt (Vardakas et al.
2018).
Bei
Antibiotika mit konzentrationsabhängiger Wirkung ist hingegen die höchste Konzentration über der MHK entscheidend (Cmax/MHK). Es wird in der Regel eine Konzentration oberhalb der 10fachen MHK angestrebt. Wichtige Vertreter sind die Fluorchinolone oder Aminoglykoside (Brodt
2013). Die Gabe kann daher typischerweise einmal täglich als Kurzinfusion erfolgen.
Die Durchführung eines TDM kann neben der Überprüfung des Erreichens der notwendigen Wirkkonzentration auch dann sinnvoll sein, wenn Substanzen mit ausgeprägter dosisabhängiger Toxizität verabreicht werden (z. B.
Vancomycin, Aminoglykoside) (Mabilat et al.
2020). Hierbei ist die Bestimmung des Spitzenspiegels vom Talspiegel zu unterscheiden. Ersterer ist ein Surrogat für die angestrebte Wirkkonzentration, der Talspiegel hingegen eignet sich, um die Toxizität zu minimieren.
Antibiotika, bei denen ein TDM unbedingt empfohlen wird, sind die Aminoglykoside (
Amikacin,
Gentamicin und
Tobramycin), sowie die Glykopeptide (Vancomycin und
Teicoplanin). Tab.
4 zeigt eine Übersicht für anzustrebende Wirkkonzentrationen (Tal- und Spitzenspiegel) für ausgewählte Substanzen.
Tab. 4
Gängige Antiinfektiva, bei denen auf der Intensivstation ein Therapeutic Drug Monitoring (TDM) durchgeführt wird, sowie empfohlene Tal- und Spitzenspiegel. (Brodt
2013; Leistungsverzeichnis Universitätsklinikum Frankfurt 2022)
Amikacin | 5–10 μg/ml | 20–25μg/ml | Steady state nach 3 Dosen |
Gentamycin | < 2 μg/ml | 4–8 μg/ml | |
Tobramycin | 0,5–2 μg/ml | 6–10 μg/ml | Steady state nach 2–3 Dosen |
Vancomycin | 10–15 μg/ml 15–20 μg/ml (Hochdosistherapie) | < 40 μg/ml | Steady state nach 3 Dosen |
Teicoplanin | 10–20 μg/ml 20–25 μg/ml (Hochdosis) | NA | Sinnvoll nach 4 Tagen |
Zudem sind die unterschiedlichen Gewebegängigkeiten der jeweiligen
Antibiotika zu beachten: so wird zum Beispiel Daptomycin vom Surfactant in der Lunge inaktiviert und zeigt daher keine Wirksamkeit bei pulmonalen Infektionen (Silverman et al.
2005). Andere Medikamente sind hingegen so gut wie gar nicht liquorgängig (Makrolide,
Teicoplanin). Eine Übersicht zu Gewebegängigkeiten von häufig auf der Intensivstation eingesetzten Antibiotika zeigt Tab.
5.
Tab. 5
Gewebegängigkeiten ausgewählter Antiinfektiva auf der Intensivstation. (Brodt
2013; Innsbrucker Infektionsbüchlein
2015)
Piperacillin/Tazobactam | ++ | − | ++ | + | ++ | ++ |
Imipenem | ++ | − | ++ | ++ | ++ | ++ |
Meropenem | ++ | + | ++ | ++ | ++ | ++ |
| + | + | ++ | − | + | ++ |
Teicoplanin | + | − | ++ | − | + | ++ |
Linezolid | ++ | ++ | ++ | + | ++ | NA |
Azithromycin | ++ | − | ++ | + | + | + |
Clarithromycin | ++ | − | ++ | + | + | + |
Levofloxacin | ++ | + | ++ | ++ | ++ | ++ |
Schließlich ist auf der Intensivstation im Rahmen von Multiorganversagen eine
Niereninsuffizienz bis hin zur kontinuierlichen
Dialyse eine häufige Störung. Zur Behandlung einer
Sepsis ist innerhalb der ersten 24 h in jedem Fall die Verabreichung der vollen Dosis des jeweiligen Antibiotikums zu empfehlen. Im Anschluss muss jedoch in den meisten Fällen eine Dosisanpassung erfolgen. Hierbei gestaltet sich die Balance zwischen ausreichender Dosierung und Nephrotoxizität als besonders anspruchsvoll. Empfehlenswerte Tools zur Anpassung verschiedener Antibiotikadosierungen an die Nierenfunktion oder Dialyse sind
http://www.dosing.de und
http://www.thecaddy.de. Letzteres ist insbesondere für die Anpassung der Antiinfektivadosis an verschiedene Dialyseverfahren (intermittierende Dialysen, CVVH (Kontinuierliche veno-venöse Hämofiltration), CVVHD (kontinuierliche veno-venöse
Hämodialyse)) sinnvoll. Tab.
6 gibt einen Überblick über gängige Antiinfektiva und ihre Doiserung bei eingeschränkter Nierenfunktion.
Tab. 6
Anpassung einer Auswahl gängiger Antiinfektiva an die Nierenfunktion. (Frankfurter Infektionsfibel
2021)
Piperacillin/Tazobactam | 3-mal 4/0,5 g/Tag i.v. | 4-mal 4/0,5 g/Tag i.v. | 3-mal 4/0,5 g/Tag i.v. GFR > 40 keine Anpassung | 2- bis 3-mal 4/0,5 g/Tag i.v. GFR 20–40 | 2-mal 4/0,5 g/Tag i.v. GFR < 20 |
Imipenem | 4-mal 0,5 g/Tag i.v. | 4-mal 1 g/Tag i.v. | 3-mal 0,5 g/Tag i.v. GFR 30–60 | 2-mal 0,5 g/Tag i.v. | Entsprechend Dialyse |
Meropenem | 3-mal 1 g/Tag i.v. | 3-mal 2 g/Tag i.v. | 2-mal 0,5–1 g/Tag i.v. GFR 26–50 | 2-mal 0,25–0,5 g/Tag i.v. GFR 10–25 | 1-mal 0,25–0,5 g/Tag i.v. GFR < 10 |
| 2-mal 1 g/Tag i.v. | Keine | 2-mal 15 mg/kg KG | 1-mal 15 mg/kg KG | 10–15 mg/kg KG Intervall nach TDM |
| 1-mal 0,4 g/Tag (Loading, 3 mal alle 12 h) | 1-mal 0,8 g/Tag (Loading: 3–5 mal alle 12 h) | Ab Tag 4: 50 % der Normaldosis | Ab Tag 4: 33 % der Normaldosis | Ab Tag 4: 33 % der Normaldosis |
Linezolid | 2-mal 600 mg/Tag i.v. | Keine | Keine Dosisanpassung | Keine Dosisanpassung | Keine Dosisanpassung |
Caspofungin | 70 mg Loading, dann 50 mg/Tag i.v. bei Gewicht > 80 1-mal 70 mg | Keine | Keine Dosisanpassung | Keine Dosisanpassung | Keine Dosisanpassung |
Azithromycin | 1-mal 0,5 g/Tag i.v. | Keine | 1-mal 0,25–0,5 g/Tag i.v. oder p.o. | 1-mal 0,25–0,5 g/Tag i.v. oder p.o. | 1-mal 0,25–0,5 g/Tag i.v. oder p.o. |
Clarithromycin | 2-mal 0,5 g/Tag i.v. | Keine | Keine Dosisanpassung | Ab 2. Tag 50 % der Standarddosis | Ab 2. Tag 50 % der Standarddosis |
Levofloxacin | 1-mal 0,5 g/Tag i.v. | 2-mal 0,5 g/Tag i.v. | 50 % der Standarddosis | 25 % der Standarddosis | 25 % der Standarddosis |
Schließlich werden klassischerweise bakterizide und bakteriostatische Antiinfektiva unterschieden (Brodt
2013). Erstere haben einen abtötenden Effekt auf den jeweiligen bakteriellen Erreger, letztere führen zu einem Stillstand des bakteriellen Wachstums. Neuere Daten zeigen jedoch, dass es sich hierbei meist nicht um einen Klasseneffekt handelt, sondern dass diese Eigenschaft zwischen verschiedenen Stämmen desselben Erregers variieren kann (Maier et al.
2021).
Focus, focus, focus
Der letzte Punkt der Tarragona-Strategie beinhaltet die Anpassung der antiinfektiven Therapie auf ein erregerspezifisches Regime (gemeinhin „Deeskalation“ genannt, allerdings sollte man dieses Vorgehen eher als eine „Optimierung“ der Therapie betrachten). Meist sind zu diesem Zeitpunkt bereits weitere bildgebende und mikrobiologische Ergebnisse (bakterielle Kulturen, Serologien, molekularbiologische Ergebnisse) bekannt und erlauben eine spezifischere Antiinfektivatherapie. Um dieses Ziel zu erreichen ist primär natürlich eine adäquate Erregerdiagnostik notwendig. Hierbei steht die korrekte Entnahme von
Blutkulturen vor der ersten Gabe des Antibiotikums, sowie deren sinnvolle Interpretation im Vordergrund. So ist zum Beispiel ein
S. aureus in der Blutkultur immer als pathogen einzustufen, der Nachweis von koagulasenegativen
Staphylokokken jedoch nicht zwangsweise und muss im klinischen Gesamtkontext gewertet und gegebenenfalls über eine Kontrollblutkultur erst bestätigt werden (Kim et al.
2020). Zusätzlich muss die jeweilige Empfindlichkeitstestung mitbeachtet werden.