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Pädiatrie
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Publiziert am: 21.04.2015

Bakterielle Infektionen bei Kindern und Jugendlichen: Gramnegative Kokken

Verfasst von: R. Berner und H. Scholz
Die häufigsten durch Meningokokken verursachten Krankheiten sind die eitrige Meningitis und die perakut verlaufende Sepsis (mit Waterhouse-Friderichsen-Syndrom).

Meningokokken-Infektionen

Definition
Die häufigsten durch Meningokokken verursachten Krankheiten sind die eitrige Meningitis und die perakut verlaufende Sepsis (mit Waterhouse-Friderichsen-Syndrom).
Epidemiologie
Meningokokken-Erkrankungen kommen weltweit vor. Große Epidemien (Serogruppe A, C und W135) traten in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend im Meningitisgürtel der Subsaharazone und in Asien auf. Sich langsamer entwickelnde Epidemien durch den Serotyp B wurden in den letzten Jahrzehnten in Europa (Island, Norwegen, Irland, England, Spanien), den USA und Neuseeland beobachtet. Die Morbidität in Deutschland ist mit etwa 1/100.000 Einwohner/Jahr niedrig. Sie ist regional aber unterschiedlich. Am häufigsten erkranken Kinder <2 Jahren und Jugendliche. Die meisten meningokokkenassoziierten Infektionskrankheiten treten in den Wintermonaten auf.
Die einzige Infektionsquelle ist der Mensch. Etwa 10 % der Gesamtbevölkerung sind Keimträger (Kolonisation des Nasen-Rachen-Raums), in Epidemiezeiten kann die Rate bis auf 90 % ansteigen. Die Übertragung der Erreger erfolgt über Schleimtröpfchen und durch engen direkten Kontakt. Das Erkrankungsrisiko ist bei Kontaktpersonen etwa 600- bis 800-fach größer als bei Nicht-Kontaktpersonen. Nach einer 24-stündigen kausalen Therapie besteht keine Ansteckungsgefahr mehr. Die Inkubationszeit beträgt meist weniger als 3–4 Tage.
Ätiologie und Pathogenese
Neisseria meningitidis ist ein gramnegatives, diplokokkoides, häufig intrazellulär gelegenes Bakterium. Man unterscheidet 12 Serogruppen und mindestens 8 Serotypen sowie 14 Serosubtypen. Die häufigsten Serogruppen sind A, B, C, Y und W135. In Deutschland kommen vor allem die Typen B (ca. 71 %) und C (ca. 21 %) vor.
Die Krankheit verläuft in 3 Stadien:
1.
Uncharakteristische Entzündung im Bereich der Eintrittspforte (Pharyngitis)
 
2.
Bakteriämie und
 
3.
Organmanifestationen (Meningen, Haut, Gelenke, Lunge).
 
Meningokokken zeigen einen ausgeprägten Neurotropismus. Bei hoher Virulenz der Erreger kann sich eine perakute Sepsis entwickeln. Morphologisch stehen hier massive Hautblutungen und Blutungen in parenchymatösen Organen, insbesondere in den Nebennieren (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom), im Vordergrund, begleitet von einer leichten serösen Leptomeningitis. Hohe Mengen an Endotoxin, das von Meningokokken freigesetzt wird, induzieren eine Kaskade von hochinflammatorischen Reaktionen, die zur Verbrauchskoagulopathie und Kreislaufkollaps führen.
Klinische Symptome
Eine Meningokokken-Infektion kann sich klinisch vielfältig manifestieren, wobei die Ursache der sehr unterschiedlichen Verlaufsformen bisher noch nicht gut verstanden ist. Man unterscheidet folgende Formen:
1.
 
2.
Perakute Sepsis (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom)
 
3.
Mischformen (Sepsis mit Bakteriämie und Absiedelung von Meningokokken in Hautblutungen, keine Verbrauchskoagulopathie)
 
4.
Bakteriämien mit lokaler Manifestation, z. B. Arthritis, sind seltener.
 
Mit Abstand am gefürchtetsten ist die perakute Sepsis. Sie beginnt ebenso wie die Meningitis plötzlich mit hohem Fieber und reduziertem Allgemeinzustand. Meningitiszeichen wie Kopfschmerzen und Erbrechen können fehlen. Bei einem Großteil der Infizierten entwickeln sich frühzeitig Petechien und in Größe und Form variable Hämorrhagien. Bei der perakuten Sepsis nehmen die Hämorrhagien rasant zu, innerhalb von wenigen Stunden kann ein schwerer Schock mit Bewusstlosigkeit und Multiorganversagen entstehen. Eine frühe Verdachtsdiagnose im Stadium von meist hohem Fieber und (häufig) lokalisierten Schmerzen „unklarer Ätiologie“ (z. B. in beiden Oberschenkeln) – ein oder zwei kleine hämorrhagische Effloreszenzen lenken den Verdacht auf die Ätiologie – kann Gesundheit und Leben retten. Die klinische Einweisung ist bereits bei Verdacht auf eine Meningitis oder Sepsis zu veranlassen. Jede Verzögerung kann, besonders bei einer perakuten Sepsis, fatale Folgen haben.
Die Meningitis manifestiert sich mit den klassischen Meningitiszeichen. Bei Säuglingen (und Kleinkindern) fallen neben Fieber und Erbrechen schrilles Schreien, Schläfrigkeit, Krämpfe und eine vorgewölbte, gespannte Fontanelle auf.
Diagnose und Differenzialdiagnose
Für die Diagnose sind die klinischen Symptome sowie der mikroskopische und/oder kulturelle Nachweis von Meningokokken entscheidend. Das Gram-Präparat aus Liquor, Hämorrhagien und Gelenkpunktat ist immer noch die beste und schnellste Nachweismethode. Der kulturelle Nachweis gelingt nicht immer. Eine antibiotische Vorbehandlung oder Fehler bei Lagerung und Transport des Materials verringern die mikrobiologische Erfolgsquote. Liquor, Blut und Gelenkpunktat müssen daher sofort bei Raumtemperatur ins mikrobiologische Labor transportiert oder im Blutkulturmedium bei 36 °C aufbewahrt werden. Der Nachweis von bakteriellen Antigenen mittels Immunelektrophorese oder Agglutination ist möglich, für die Praxis aber nicht sehr wertvoll. Eine PCR zum Nachweis von Meningokokken-DNA aus Liquor und Blut steht in Speziallaboren zur Verfügung.
Die Unterscheidung zwischen Meningitis und perakuter Sepsis sowie Mischformen (Sepsis: Bakteriämie mit Hautblutungen ohne Verbrauchskoagulopathie) gelingt angesichts des klinischen Verlaufs sowie durch Lumbalpunktion und Laboruntersuchungen. Zur Diagnostik der Meningitis Kap. Bakterielle Infektionen des zentralen Nervensystems bei Kindern und Jugendlichen. Die perakute Sepsis ist durch Thrombozytopenie und Zeichen einer intravasalen Gerinnungsstörung gekennzeichnet. Das Liquorpunktat zeigt keine oder nur eine leichte Pleozytose und nahezu immer Meningokokken im Gram-Präparat, im Extremfall besteht ein Status bacillosus: viele Meningokokken und keine (oder eine nur sehr geringe) Zellzahlerhöhung. Bei Verdacht auf eine perakute Meningokokken-Sepsis ist daher auch bei „normalem“ Liquorpunktat nach Meningokokken im Gram-Präparat des zentrifugierten Liquors zu suchen. Die Diagnose einer perakuten Sepsis muss in einem Krankenhaus zu jeder Zeit sofort (!) möglich sein.
Differenzialdiagnostisch ist u. a. an Meningitis und Sepsis anderer Ätiologie, Endokarditis, verschiedene Purpuraformen, allergische Vaskulitis und Leukämie zu denken.
Therapie
Bei invasiven Meningokokken-Infektionen gilt Penicillin G als Mittel der Wahl, in einer Dosierung von 200.000–500.000 IE/kg KG/Tag (max. 20 Mio. IE/Tag) i. v., verteilt auf 4–6 Einzelgaben. Bei Verdacht auf penicillinresistente Stämme – hierzulande gibt es selten intermediäre Stämme – oder bei einer Penicillinallergie kann mit Cefotaxim oder Ceftriaxon behandelt werden. Initial wird bei unbekanntem Erreger die Behandlung ohnehin mit Cefotaxim oder Ceftriaxon erfolgen. Als Behandlungsdauer reichen in der Regel 5 Tage aus.
Die Behandlung der perakuten Sepsis erfolgt prinzipiell intensivmedizinisch. In der Primärphase – auch schon der präklinischen – ist die ausreichende Gabe von Flüssigkeit zur Expansion des intravasalen Volumens von entscheidender Bedeutung. Ob Glukokortikoide einen nennenswerten Nutzeffekt haben, ist nicht bewiesen, sie werden in der Sepsistherapie aber häufig gegeben. Neuere Therapieansätze, z. B. Zytokinblockade, aktiviertes oder nichtaktiviertes Protein C, haben bisher keine überzeugenden Ergebnisse erbracht. Die Behandlung mit aktiviertem Protein C ist wegen des erhöhten Blutungsrisikos heute obsolet. Die wirksamste Therapie ist neben der frühen (bereits präklinischen) Volumengabe eine kausale antibiotische Behandlung.
Prophylaxe
Jeder Patient mit einer invasiven Infektion ist nach Beginn der antibiotischen Therapie für 24 h zu isolieren.
Menschen mit engem Kontakt zu einem Patienten mit einer invasiven Meningokokken-Infektion sollten umgehend eine Chemoprophylaxe mit Rifampicin erhalten. Als enge Kontaktpersonen gelten Personen aus dem gleichen Haushalt, Kinder aus Krippen, Kindergärten, Schulen und Wochenheimen und alle Personen, die ≥4 h pro Tag an 5 von 7 Tagen vor Krankheitsbeginn mit dem Patienten zusammengelebt haben, sowie Personen mit anderweitigem engen Kontakt, wie etwa durch Mund-zu-Mund-Beatmung oder Küssen. Der Indexpatient sollte, wenn er nicht mit Cefotaxim oder Ceftriaxon behandelt worden ist, ebenfalls vor der Entlassung aus der Klinik eine Chemoprophylaxe erhalten, da die Behandlung mit Penicillin nicht zu einer Eradikation der Meningokokken in den Schleimhäuten führt. Zur Dosierung von Rifampicin Kap. Antimikrobielle Therapie bei Kindern und Jugendlichen; die Behandlung erfolgt über 2 Tage. Urin, Speichel, Stuhl und Kontaktlinsen können sich durch Rifampicin orange verfärben. Schwangere, stillende Mütter und Kontaktlinsenträger sollten kein Rifampicin erhalten; sie können stattdessen mit Ceftriaxon oder Ciprofloxacin behandelt werden.
Seit vielen Jahren gibt es einen Konjugatimpfstoff gegen Serogruppe C, seit einiger Zeit auch gegen die Serogruppen A, C, Y und W135. Die beiden auf dem Markt befindlichen quadrivalenten Impfstoffe sind für die Impfung nach dem 12. bzw. 24. Lebensmonat zugelassen. Ein Impfstoff gegen die Serogruppe B ist seit Januar 2013 durch die EMA für Säuglinge ab einem Lebensalter von 2 Monaten und älter zugelassen. Die STIKO empfiehlt die Impfung mit Konjugatimpfstoff gegen Serogruppe C für alle Kinder im 2. Lebensjahr zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Eine fehlende Impfung soll bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden. Für Risiko-Kinder (Asplenie, Komplementdefekt, Reise in Endemiegebiete etc.) wird der quadrivalente Konjugatimpfstoff entsprechend dem Zulassungsstatus empfohlen.
Prognose
Die Letalität der perakuten Meningokokkensepsis ist sehr hoch. Die Letalität der Mischformen und der Meningitis ist bei rechtzeitiger Therapie gering. Fasst man alle Meningokokken-Infektionen zusammen, beträgt die Letalität in Deutschland gegenwärtig 7–8 %. Die Meningitis heilt meist ad integrum ab, bleibende Schäden des ZNS kommen bei etwa 3 % der Kinder vor. Patienten, die eine perakute Meningokokken-Sepsis überleben, leiden nicht selten an den Folgen von Nekrosen an Haut und Akren (großflächige Hautnarben, Amputationen etc.). Weitere Komplikationen einer Meningokokken-Infektion sind Arthritis, Perikarditis, Myokarditis und Pneumonie.

Gonokokken-Infektionen

Definition
Gonokokken verursachen primär Entzündungen der Schleimhäute, vorwiegend des Urogenitaltrakts, seltener des Rektums, des Oropharynx und der Konjunktiven. Die Gonorrhö (Tripper) ist eine der ältesten bekannten Krankheiten des Menschen. Disseminierte Gonokokken-Infektionen sind eher selten.
Epidemiologie
Gonokokken-Infektionen kommen praktisch nur beim Menschen vor. Die Übertragung der Erreger erfolgt durch den Geschlechtsverkehr, während der Geburt und durch Verschmieren von eitrigem Sekret infizierter Schleimhäute. Die Altersverteilung der Gonorrhö entspricht der sexuellen Aktivität der Altersgruppen. Am häufigsten ist die Gonorrhö bei jungen Frauen und Männern. Doppelinfektionen mit anderen Erregern von Geschlechtskrankheiten sind möglich. Die Inkubationszeit beträgt 2–7 Tage.
Ätiologie und Pathogenese
Neisseriae gonorrhoeae sind gramnegative Diplokokken. Sie haften fest an Epithelien und dringen bis ins subepitheliale Bindegewebe vor. Im Blut vermögen Gonokokken nicht lange zu überleben. Die Entzündung im Urogenitaltrakt kann aszendierend fortschreiten, eine hämatogene Streuung ist selten. Im Falle einer solchen werden bevorzugt Gelenke, Sehnenscheiden, Schleimbeutel und bei einer Sepsis auch nahezu alle Organe befallen.
Klinische Symptome
Die typische Infektion des Neugeborenen ist die Gonoblennorrhö, eine purulente, oft blutige Konjunktivitis mit Chemosis und Lidschwellung. Die Entzündung kann schnell zu Ulzerationen der Hornhaut und damit zur beidseitigen Erblindung führen. Darüber hinaus kommen Skalpabszesse, Vaginitis, Arthritis, Meningitis und Endokarditis vor.
Bei einer Gonokokken-Infektion im präpubertären Alter sollte an sexuellen Missbrauch gedacht werden. Die Infektion äußert sich vor allem als Vaginitis bzw. beim Jungen als Urethritis und durch andere Affektionen des Genitaltrakts. Peritonitis, perihepatischer Abszess, Tonsillopharyngitis und anorektale Entzündungen sind selten.
Im sexuell aktiven Alter bleibt eine Gonokokken-Infektion bei Mädchen oft asymptomatisch (Abschn. Prophylaxe) oder verursacht eine Urethritis. Die Beschwerden sind meist gering, der Fluor ist serös bis eitrig. Die häufigsten Komplikationen sind Bartolinitis, Endozervizitis, Salpingitis, Oophoritis und Perihepatitis. Bei männlichen Jugendlichen beschränkt sich die Gonokokken-Infektion fast immer auf den Harntrakt, anfangs als Urethritis anterior. Die Jugendlichen klagen über Brennen beim Wasserlassen und Fluor, der zunächst eitrig ist, später glasig-schleimig wird und schließlich nur noch morgens als „Bonjour-Tropfen“ sichtbar bleibt. Häufigste Komplikationen sind Balanitis, Phimose, Urethritis posterior, Prostatitis und Epididymitis. Unbehandelt geht die Urethritis bei Mädchen wie bei Jungen nach 3–6 Wochen in ein chronisches Stadium über.
Je nach Eintrittspforte der Gonokokken kann es auch zu einer meist symptomarmen Pharyngitis und zu einer Proktitis kommen (extragenitale Gonorrhö). Die Proktitis ist beim männlichen Jugendlichen eher selten, meist handelt es sich um Homosexuelle, bei der Frau kommt sie durch das genitoanale Verschmieren häufiger vor.
Fernkomplikationen durch hämatogene Ausbreitung der Erreger sind Arthritis, die auch reaktiv sein kann und meist als Monarthritis auftritt, Synovitis, Dermatitis, Endokarditis, Meningitis und Sepsis.
Diagnose und Differenzialdiagnose
Die Erhebung einer zuverlässigen Anamnese ist oft schwierig. Mikrobiologisch sind ein Gram-Präparat aus dem entsprechenden Abstrichmaterial und eine Kultur zu fordern. Da Gonokokken empfindlich auf Austrocknung und Temperaturänderung reagieren, sind Transportmedien zu verwenden. Bewährt hat sich auch eine 24-stündige Vorinkubation vor dem Versand. Bei der Interpretation der Befunde sollte bedacht werden, dass N. gonorrhoeae mit anderen Neisserien verwechselt werden kann und dass im Rachen junger Kinder häufig nichtpathogene Neisserien vorkommen. Bei Verdacht auf Kindesmissbrauch sind daher weitere Tests anzuwenden (Serologie, biochemische Differenzierung, Nukleinsäureamplifikationsverfahren).
Differenzialdiagnostisch sind andere Erreger auszuschließen, so z. B. Streptokokken und Chlamydien bei der Gonoblennorrhö oder Streptokokken, Candida, Herpes-simplex-Virus, Trichomonaden und Enterobiusvermicularis bei der Vulvovaginitis. Außerdem ist an Fremdkörper zu denken. Bei Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch sind vor der antibakteriellen Therapie genitale, rektale und orale Kulturen auf N. gonorrhoeae anzulegen und es ist nach anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Lues, Chlamydien-Infektion, Trichomoniasis, Hepatitis B, AIDS etc. zu fahnden. Bei Verdacht auf eine Salpingitis sind Appendizitis, Harnwegsinfektion, Endometriose und Torsion einer Ovarialzyste auszuschließen; bei Jungen mit abdominaler Symptomatik ist an die Hodentorsion zu denken.
Therapie
Neugeborene mit Ophthalmia neonatorum werden stationär für einen Tag mit Ceftriaxon, 1-mal 20–50 mg/kg KG, oder mit Cefotaxim, 50–150 mg/kg KG/Tag i. v., verteilt auf 2–3 Einzelgaben behandelt. Eine alleinige topische Therapie der Gonoblennorrhö ist nicht ausreichend. Die Mütter der Kinder und ihre Sexualpartner sind zu untersuchen und ebenfalls zu behandeln.
Bei Kindern jenseits der Neugeborenenperiode und bei Jugendlichen sind Ceftriaxon oder Cefotaxim plus Azithromycin oder Doxycyclin (Kinder >9 Jahre alt) zu empfehlen. Die Kombinationstherapie kann wegen der immer häufiger vorkommenden Begleitinfektion mit Chlamydiatrachomatis sinnvoll sein. Entschließt man sich nicht zur Kombinationstherapie, sollte eine Chlamydien-Infektion ausgeschlossen werden. Bei unkomplizierten Infektionen reicht eine Einmalgabe aus: 125 mg Ceftriaxon i. v. (i. m.) oder 400 mg Cefixim p. o. plus Azithromycin oder Doxycyclin (Kinder >9 Jahre alt) über 7 Tage. Komplizierte Infektionen werden mit Ceftriaxon über 3 Tage (Konjunktivitis), 7 Tage (Arthritis), 10–14 Tage (Meningitis), 28 Tage (Endokarditis) behandelt. Der Anteil der β-Laktamase-bildenden Gonokokken-Stämme beträgt in Deutschland etwa 2 %.
Prophylaxe
Die über 100 Jahre alte Credé-Prophylaxe mit 1 %iger Silbernitratlösung innerhalb 1 h postnatal war ein Meilenstein der präventiven Medizin. Mit ihr kann mit großer Sicherheit eine Gonoblennorrhö und damit eine Erblindung verhindert werden. Die Credé-Prophylaxe wirkt auch gegen andere bakterielle Erreger einer Konjunktivitis, jedoch nicht gegen Chlamydiatrachomatis. Nachteilig ist, dass die Silbernitratlösung selbst eine schmerzhafte, etwa 2 Tage anhaltende Konjunktivitis verursachen kann. Da sich zudem das Erregerspektrum der Ophthalmia neonatorum verändert hat, wird die Credé-Prophylaxe heute nicht mehr empfohlen. Sie wird im gegebenen Falle durch antibiotikahaltige Salben wie 1 %ige Tetrazyklin- oder 0,5 %ige Erythromycinsalbe ersetzt. Neugeborene von mit Gonokokken infizierten Müttern sollten neben der topischen Augenprophylaxe i.v. mit Ceftriaxon oder Cefotaxim behandelt werden (s. oben).
Die Gonorrhö bleibt bei einem großen Teil der schwangeren Frauen asymptomatisch. Daher wird empfohlen, möglichst alle Frauen während der Schwangerschaft auf Gonokokken zu untersuchen.
Kinder mit einer Gonokokken-Infektion sind für 24 h nach Beginn der antibiotischen Therapie zu isolieren.
Prognose
Mit einer rechtzeitigen antibiotischen Behandlung kann fast immer eine Restitutio ad integrum erreicht werden. Bei einer verzögerten antibakteriellen Therapie kann es aber zur Erblindung (Neugeborene) und zur Entstehung von Narben kommen, die im Falle von Tubennarben Infertilität und ektope Schwangerschaft verursachen können.

Moraxella-catarrhalis-Infektionen

Definition
Infektionen mit M. catarrhalis betreffen im Wesentlichen den Respirationstrakt. Bei immundefizienten Patienten können vereinzelt auch systemische Krankheiten die Folge einer M.-catarrhalis-Infektion sein.
Epidemiologie
Die Epidemiologie von M.-catarrhalis-Infektionen ist noch weitgehend unerforscht. Am häufigsten erkranken Säuglinge und Kleinkinder. Moraxella catarrhalis gehört zur Standortflora des oberen Respirationstrakts des Menschen und wird von hier über Tröpfchen und Sekrete des Respirationstraktes von Mensch zu Mensch übertragen. Die Kolonisationsrate scheint hoch zu sein. Die Dauer des Trägertums und der Kontagiösität sowie die Inkubationszeit sind unbekannt.
Ätiologie
Moraxella catarrhalis, früher Branhamella catarrhalis genannt, ist ein gramnegatives kokkoides Stäbchen, das im Gram-Präparat nicht von Neisseria meningitidis und Neisseria gonorrhoeae unterschieden werden kann.
Klinische Symptome
Die häufigsten durch M. catarrhalis verursachten Krankheiten sind Otitis media, Sinusitis, Laryngitis, Tracheitis, Bronchitis und Pneumonie. Von den seltenen systemischen Krankheiten sind vor allem Sepsis, Endokarditis und Meningitis sowie Konjunktivitis bei Neugeborenen zu nennen.
Diagnose
Moraxella catarrhalis lässt sich am besten kulturell aus dem Nasopharyngealsekret und aus Punktatmaterial aus dem Mittelohr oder den Nasennebenhöhlen isolieren. Der Nachweis belegt jedoch noch keinen Kausalzusammenhang zwischen Erreger und klinischer Symptomatik. Die Unterscheidung zwischen Kolonisation und Infektion bleibt schwierig. Eine serologische Diagnostik steht nicht zur Verfügung, eine Diagnostik mittels PCR ist nicht indiziert.
Prophylaxe
Möglichkeiten der Prophylaxe sind nicht bekannt. Eine Isolierung im Krankenhaus ist nicht erforderlich.
Therapie
Etwa 60–80 % der M.-catarrhalis-Stämme produzieren eine β-Laktamase. Deshalb sind bei gegebener Behandlungsindikation Cephalosporine, Makrolide und Aminopenicillin-β-Laktamase-Hemmer-Kombinationen zu empfehlen.
Prognose
Die Prognose der durch M. catarrhalis bedingten Atemwegsinfektionen ist gut.
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (2013) Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. 6. Aufl. Georg Thieme Verlag, Stuttgart