Allgemeine Aspekte
Hämorrhagischer Schock,
Schädel-Hirn-Trauma und Multiorganversagen (MOV) stehen als Haupttodesursachen polytraumatisierter Patienten im Mittelpunkt therapeutischer Interventionen. Transfusionsprotokolle mit definierten Zielen (bei point of care
Gerinnungsdiagnostik), permissive Hypotension („damage control resuscitation“) und differenzierte Strategien zur operativen Vorgehensweise mehrfachverletzter Patienten stellen wesentlichen Bausteine der Versorgung polytraumatisierter Patienten dar. Das Timing von Operationen ist als Risikofaktor für Komplikationen erkannt worden: so sind zu ehrgeizige und belastende Operationen für kritische Patienten zur falschen Zeit mit einer klaren Prognoseverschlechterung verbunden, andererseits ist schon lange bekannt, dass eine vermeidbare Verzögerung bei der Stabilisierung von Frakturen in stabileren Patienten nachteilhaft sind mit einer erhöhten Rate an pulmonalen Komplikationen (Pape 2007).
Die Primärdiagnostik einer abdominellen Blutung (Kap. Intensivtherapie bei Abdomialverletzungen) kann vielfach bei gegebenen technischen Voraussetzungen bereits präklinisch mit Ultraschall erfolgen („prehospital focused abdominal sonography for trauma“; p-FAST; (Walcher et al.
2006) oder e-FAST im Schockraum). Einen Überblick über die präklinische Schockraumversorgung und die erste operative Phase gibt auch die S3-Leitline „Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ (AWMF-Register-Nr. 012/019 der DGU (
2020) sowie praxisnahe bei Marzi und Rose (
2012).
Insgesamt haben die o. a. Weiterentwicklungen mit dazu beigetragen die Sterblichkeit polytraumatisierter Patienten zu senken. Im folgenden werden die Prinzipien der operativen Vorgehensweise differenziert dargestellt.
Frühstabilisierung – Weiterentwicklung des Konzeptes der Damage Control vs. Early Total Care hin zu PRISM und MuST.
Im Vergleich zu einem abwartenden Verhalten mit initialer Gips- und Extensionsbehandlung der Frakturen langer Röhrenknochen oder mit einer sofortigen Rundumversorgung sämtlicher Frakturen im Sinne der „early total care“ hat sich das Stufenkonzept zur operativen Versorgung des Polytraumatisierten mit seinem zentralen Element der Primärversorgung am Unfalltag („day 1 surgery“) unter Miteinbeziehung lebensrettender Sofortoperationen als günstiger erwiesen.
Nach der Schockraumphase muß entschieden werden, anhand welcher operativer Versorgungsstrategie der Patient therapiert wird. In der Vergangenheit wurde zwischen einer „Rundumversorgung“ aller Verletzungen („early total care“) und der Damage Control Chirurgie unterschieden, bei der nur absolut dringend notwendige Eingriffe durchgeführt wurden, ein Teil der so versorgten Verletzungen wurden dann später endgültig weiter operiert (gestuftes Versorgungskonzept).
Dieser dichotome Ansatz konnte in den letzten Jahren deutlich erweitert werden. Eine weitaus differenziertere Betrachtungsweise, welche neben der anatomischen Verletzungsschwere auch physiologische Parameter als Reaktion auf das Trauma berücksichtigen führten zur Entwicklung einer mehr dynamischen Betrachtungsweise und zur Definition der
Safe Definitive Surgery (SDS) bzw. des
Prompt Individualized Safe Management (P.R.I.S.M.). Diese Konzept berücksichtigt die hoch variable Reaktion verschiedener Patienten auf eine vergleichbare Verletzungsschwere sowie die lokalen Gegebenheiten der versorgenden Einrichtung und berücksichtigt u. a. das Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen (Giannoudis et al.
2017).
Ein weiteres Konzept welches ebenfalls eine gestufte Versorgung von Verletzungen in mehreren operativen Schritten beschreibt ist das der
musculoskeletal temporary surgery (MuST Surgery) . Hier resultiert die Indikation zur Wiederherstellung von muskuloskeletalen Verletzungen in mehreren Operationen in Bezug auf die Schwere der Extremitätenverletzung, mit Berücksichtigung der Frakturen, der Weichteile und der neuro-vaskulären Verletzungen bis hin zu Amputationsverletzungen. Dieses Konzept setzt auf DCS oder SDS auf und berücksichtigt auch lokale Gegebenheiten der isoliert zu betrachtenden Verletzung (Pfeifer und Pape
2020).
Damage Control Surgery
Das
Damage-Control-Konzept weicht dabei klar von der etablierten Standardversorgung isolierter Verletzungen ab. Zirka 13 % der polytraumatisierten Patienten qualifizieren sich für diesen Ansatz. Patienten, die nur unter kontinuierlicher, intensiver Therapie zu stabilisieren sind, oder Patienten mit einer hohen Gesamtverletzungsschwere, mit einem schweren SHT oder schwerem
Thoraxtrauma (jeweils AIS ≥3), instabilem Becken, Koagulopathie,
Hypothermie oder einer antizipierten OP-Zeit von >6 h sollten nach dem Damage-Control-Konzept behandelt werden (Pape et al.
2009; Marzi und Mutschler
1996; Asensio et al.
2001).
Die Traumaschwere sowie die individuellen biologischen Gegebenheiten sind vorgegeben, allerdings muss die operative Versorgung die zusätzliche Gesamtbelastung im Sinne des „second hit“ möglichst gering halten, aber eine suffiziente „Schadensbegrenzung“ anstreben. Am Beispiel einer penetrierenden Abdominalverletzung mit Hämorrhagie wurde das Konzept entwickelt, und in der Übersicht wird das etappenweise Vorgehen exemplarisch dargestellt.
Prinzip der Safe Definitive Surgery (SDS) bzw. des Prompt Individualized Safe Managements (P.R.I.S.M.).
In den letzten Jahren ist die Versorgungsstrategie von dem dichotomen und statischen Ansatz der Early Total Care vs der Damage Control Chirurgie hin zu einer OP Planung in Abhängigkeit von der dynamischen Entwicklung physologischer Reaktionen des Patienten auf das Trauma gekommen, hierzu zählen die
„Safe Definitive Surgery (SDS)“, welche eine mehrfache Reevaluation des klinischen Zustandes des Patienten nach Kreislauftherapie vorsieht (Pape et al.
2016):
gute Lungenfunktion und
ausgeglichene Gerinnung).
Minimalinvasive Techniken stellen führende OP Taktiken dar. Während und nach einer ersten Versorgungsserie innerhalb der ersten 24h erfolgen wiederholte Reevaluationen um das weitere operative Vorgehen innerhalb der nächsten Tage festzulegen, Folgeoperationen werden dann in Abhängigkeit von der Entwicklung der physiologischen/inflammatorischen Parametern geplant.
Die OP Strategie nach dem
Prompt Individualized Safe Management (P.R.I.S.M.) auszurichten hat zum Ziel als integrierendes Konzept den Patienten ohne Zeitverzug zu versorgen und dabei einen individualisierten Ansatz zu wählen, sowohl was die physiologische Reaktion des Patienten auf das Trauma beinhaltet als auch die lokalen Gegebenheiten des versorgenden Traumazentrums zu berücksichtigen. Die früher verwendeten zeitlichen Cut off Werte (24 h oder nach 5 tagen) um die nächste Versorgungsstufe einzuleiten werden hiervon abgelöst. (Giannoudis et al.
2017).
Eine weiterführende Auseinandersetzung mit der Thematik der Verrsorgung muskuloskelettaler Verletzungen findet sich auch bei und Balogh et al. (
2012) sowie, Pape 2019, 2021 und Pfeifer 2020
.
Geplante Sekundär-/Tertiäroperationen
Im Rahmen der Primäreingriffe wird ein Gesamtkonzept zur Versorgung der einzelnen Verletzungen erstellt unter Berücksichtigung evtl. erforderlicher Folgeoperationen (Maier et al.
2008). Hierbei sind die Konsequenzen aus dem Ersteingriff (Bauchtuchtamponade, Primärstabilisierung mit Fixateur externe etc.) zu bedenken. Zur Sanierung der Weichteilschäden werden innerhalb der ersten Tage Second-look-Operationen mit Nachdébridements durchgeführt und bis zum Erreichen gut durchbluteter Wundflächen wiederholt.
In der vulnerablen Phase der Intensivbehandlung, vor der 3. Operationsphase, sind lediglich gering belastende Maßnahmen vorzusehen, die jedoch durch Entfernung von Gewebedébris, Hämatomen und Nekrosen die Belastung des Gesamtorganismus vermindern. In der tertiären Operationsphase sind ergänzende und verzögert durchführbare Operationen wie Verfahrenswechsel und die definitive Versorgung von Frakturen des Mittelgesichts, der Hand, des Fußes oder ergänzende Osteosynthesen notwendig.
Zeitplanung
Wie im Abschn.
3.1.1.ausgeführt sollte die Zeitplanung unter Berücksichtigung der Traumaschwere und der individuellen Reaktion des Patienten auf das Trauma sowie auf die Erreichung einer Stabilisierung des Patienten durchgeführt werden. Dies soll ermöglichen auf der einen Seite bei ausgeprägter systemischer Inflammationsreaktion mit interstitieller Ödembildung mit Mehrorganversagen keine aufschiebbare Operation durchzuführen, um die systemischen Entzündungsvorgänge nicht zusätzlich zu aktivieren. Auf der anderen Seite kann jedoch nicht unbegrenzt zugewartet werden, da dies die lokalen Erfolgsaussichten, v. a. bei Gelenkverletzungen oder Weichteildefekten verringert und die Infektionsgefahr erhöht.
Bei Rückgang der Mediatoraktivierung, einer negativen Bilanz und deutlichem Trend zur Stabilisierung der Organfunktionen sind Folgeoperationen vertretbar.
Als Kriterien für die Fortsetzung der operativen Therapie im Rahmen des Ansatzes der Safe Definitive Surgery (SDS) werden genannt (Pape et al.
2016; Pape et al.
2019)
Normalisierung der Lungenfunktion
Normalisierung der Koagulopathie
Reduktion der immunologischen Belastung des Gesamtorganismus
Nach wie vor ist wegen der ungelösten Schwierigkeit, den
Immunstatus eines Patienten exakt festzulegen, eine spezifische Mediatormodulation nach Trauma nicht begründet. Die Vorstellung, durch Inhibition oder Neutralisierung eines sog. Hauptmediators die Entzündungskaskade vorteilhaft beeinflussen zu können, hat sich als falsch erwiesen. Die medikamentöse Beeinflussung der Immunkaskaden muss zudem Risikofaktoren und Vorerkrankungen (
Diabetes mellitus, Gefäße, Leber, Lunge usw.), eine veränderte Immunreaktion in Relation zum Alter und auch geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigen.
Ein Ziel aller therapeutischen Maßnahmen muss die Reduzierung der direkten und indirekten immunologischen Belastung des Gesamtorganismus im Hinblick auf eine Abschwächung und Kontrolle der systemischen Entzündungsreaktion sein. Einen Überblick über pathogenetische Faktoren des Multiorganversagen s und mögliche therapeutische Ansätze gibt Tab.
3.
Tab. 3
Übersicht über pathophysiologische Ursachen des Multiorganversagens und therapeutische Konsequenzen für dessen Verhinderung
| Ischämie/Reperfusion Inflammation, Mikro-zirkulationsstörung | | Blutstillung, Tamponade, Frakturstabilisierung | Volumen- und Transfusionsausgleich, Oxygenierung | „Second look“: definitive Blutstillung (Tamponadenwechsel, Débridement) |
Gewebetrauma (Muskel, Weichteile) | Avitales Gewebe, Minderperfusion, Superinfekion | Sterile Abdeckung | Radikales Débridement, temporärer Wundverschluss | Optimierung von O2-Angebot, Perfusion und evtl. Antibiotikatherapie | „Second look“: Débridement, Weichteilrekonstruktion |
Frakturen | Schmerz, Gewebetrauma, Mediator-aktivierung | Grobreposition, Schienung, sterile Abdeckung | Stabilisierung von Becken, Wirbelsäule, Röhrenknochen | Optimierte Pflege, Lagerungstherapie, adaptierter Analgetikabedarf | „Second look“: definitive Osteosynthesen, Verfahrenswechsel |
Verletzungen von Parenchym-organen | Direkte Mediator-aktivierung, Blutungs-schock, Hypoxie, Perfusions-störung | Organunterstützende Maßnahmen (Beatmung) | Revaskularisation, Blutstillung, Débridement | Unterstützung der Organfunktion, Beatmung, Hämofiltration, Stoffwechselsubstitution | „Second look“: definitive chirurgische Versorgung |
Gastrointes-tinale Perfusions-störungen | Persistierender Low-flow, Phagozytose,-aktivierung, Endotoxinämie, Mukosaschädigung | Volumensubstitution, Verkürzung der Schockphase | Rasche definitive Blutstillung und operative Versorgung | Frühe enterale Ernährung, Optimierung des O2-Angebots | |
Neuro-trauma | Hypoxie, Blutungen | Optimierung der Durchblutung und Oxygenierung | Entlastung von Raumforderungen | Kreislaufunterstützung, Verbesserung der zerebralen Perfusion, Oxygenierung | Rekonstruktive Eingriffe, (frontobasale Läsionen) |
Behandlungsphasen
Die klinische Behandlung des polytraumatisierten Patienten kann im zeitlichen Ablauf von Diagnostik und Therapie eingeteilt werden. Hierbei ist eine statische Herangehensweise an den Patienten aus oben genannten Gründen (siehe Abschn.
3.1 ff.) von einer dynamischeren Betrachtungsweise abgelöst worden. Der statische Ansatz unterschied zwischen der „Chirurgie am Tag 1“ mit lebensrettenden und extremitätenerhaltenden Sofortoperationen mit einer intermediären, sekundären Phase in der chirurgische Eingriff möglichst zu unterbleiben haben, diese wurde von einer rekonstruktiven, tertiären Phase ab Tag 5 abgelöst.
Die aktuell propagierte Herangehensweise verfolgt einen dynamischen Ansatz der operativen Versorgung – während bzw. nach der Komplettierung der Stabilisierungsphase im Schockraum erfolgen lebensrettende und extremitätenerhaltende Sofortoperatonen, welche aber in Abhängigkeit von der Erreichung definierter Endziele durch Transfusions-, Infusions- und Kreislauftherapie (siehe Abschn.
3.1.1) auch weitergehende Frakturversorgungen ermöglichen. In der sich anschliessendenen Intensivtherapie wird die Entscheidung zur Fortsetzung der operativen Therapie vom physiologischen Zustand des Patienten abhängig gemacht analog dem SDS und PRISM Konzept (siehe
3.1.1). Hierzu passt auch die zunehmende Anwendung des frühzeitigeren
Weanings und Herausnahme aus dem Rotationsbett im Sinne eines Fast-Track Therapiekonzeptes, was aber vor allem bei jungen Patienten ohne wesentliche Komorbiditäten gelingt (Tab.
4).
Tab. 4
Behandlungsphasen polytraumatisierter Patienten (aus Pfeifer und Pape
2020) (Mit freundlicher Genehmigung von Elsevier)
Three surgical phases: | Day 1 surgery | Intermediate phase (day 2–5) | Reconstructive phase (day 5–15) |
| Life saving procedures | Avoid definitive Surgery (DCO) | Conversion from ex. Fix. |
| Limb saving procedures | | Definitive measures |
| Major fractures: DCO none | | |
| Major extremity fractures: ETC all | | |
Dynamic Approach 2020 | | Safe definitive surgery (SDS) and PRISM | |
Less time dependent | | Physiology based decision making | |
| Completion of resuscitation, life/limb saving procedures; Fracture fixation according to physiologic parameteres | Day 2 and thereafter complete initial temporary fusions | |
Bei polytraumatisierten Patienten muss ein qualifiziertes Versorgungsteam vor Ankunft des Verletzten im Schockraum bereitstehen, Routinemaßnahmen müssen vorbereitet sowie die diagnostisch-therapeutischen Algorithmen eingeübt sein. Innerhalb des Traumateams bzw. im Schockraum leitet ein Unfallchirurg in Kooperation mit dem Anästhesisten den diagnostischen und therapeutischen Stufenplan unter Heranziehung weiterer Fachdisziplinen. Ziel der Schockraumphase ist es, die Vitalfunktionen zu stabilisieren und dabei gleichzeitig in kurzer Zeit die Diagnostik abzuschließen, um den Patienten dann gezielt der operativen Versorgung zuzuleiten. Im Einzelfall kann dies bedeuten, dass die Schockraumphase abgebrochen wird, um eine Massenblutung in der 1. operativen Phase zu kontrollieren. Ansonsten kann die Diagnostik zügig komplettiert und der Verletzte gezielt der dringlichen Operationsphase oder, bei fehlender Operationsindikation, der intensivmedizinischen Behandlungsphase zugeführt werden.
An die Schockraumphase schließt sich, abhängig von den vorliegenden Verletzungen, entweder eine operative oder eine intensivmedizinische Phase an.
Prinzipien der Primärversorgung
Für die Gesamtkoordination der operativen Polytraumaversorgung sollte ein erfahrener Unfallchirurg zuständig sein, der in engem Austausch mit den gemeinsam behandelnden Intensivmedizinern zusätzliche Fachdisziplinen hinzuzieht. In der dringlichen 1. Operationsphase sind als lebenserhaltende Maßnahmen v. a. die Blutstillung und Entlastung intrazerebraler Hämatome indiziert, gefolgt von der Stabilisierung der relevanten großen Frakturen (Femur, Tibia, Becken, WS) und der Primärbehandlung der Weichteile. Ein umfassender Überblick über die leitliniengerechte Primärversorgung findet sich bei Marzi und Rose (
2012) und in der S3-Leitlinie „Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ (AWMF-Register-Nr. 012/019; Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie
2011) gegeben.
Operative Verfahren
Bei der Primärversorgung des Schwerverletzten müssen das Versorgungskonzept, Operationsdauer, Lagerung und supportive Medikation zwischen den beteiligten Fachdisziplinen abgesprochen und koordiniert werden. Meist wird bei paralleler operativer Versorgung [z. B. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG), Neurochirurgie] in Rückenlage, teilweise mit erhöhtem Oberkörper vorgegangen. Einer progredienten
Hypothermie sollte durch Verwenden einer Wärmematte und Erwärmung von Infusionslösungen vorgebeugt werden. Die Verwendung eines maschinellen Autotransfusionssystems („cell saver“) bei „sauberen“ Verletzungen und die rechtzeitige Substitution von Plasmakomponenten oder Frischplasma vor Manifestation einer DIC müssen eingeplant werden.
Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
Extra- und intradurale
Schädel-Hirn-Verletzungen werden morphologisch-strukturell durch die CT-Diagnostik unterschieden. Die Erhebung der Glasgow Coma Scale ab der notärztlichen Versorgung zeigt bei einem Wert von <8 Punkten ein schweres SHT an.
In der 1. Operationsphase müssen intrazerebrale Raumforderungen, meist als epidurale und akute subdurale Hämatome, entlastet werden. Ohne Zeitverlust wird dies in der Regel durch osteoplastische Trepanation durchgeführt, wobei je nach örtlicher Gegebenheit auch primär eine Entlastung durch sog. Bohrlöcher erfolgen kann.
Als dringliche Operationsmaßnahmen sind in der 2. Operationsphase offene
Schädel-Hirn-Verletzungen, raumfordernde Kontusionen oder Impressionsfrakturen einzubeziehen. In dieser 2. Phase muss auch die Implantation einer intrakraniellen, möglichst intraventrikulären Drucksonde für die weitere Überwachung berücksichtigt werden, wobei als Indikationen ein GCS <8 Punkten, im CCT objektivierte Hirnkontusionen und ein Hirnödem anzuführen sind. Bei schweren intrazerebralen Verletzungen sollte nach der primäroperativen Versorgung ein Kontroll-CCT auf dem Weg zur Intensivstation durchgeführt werden, ansonsten innerhalb von 12–24 h (siehe auch Kap.
Schädel-Hirn-Trauma und Rosenfeld et al.
2012).
Mittelgesichtsverletzungen
Frontobasale Frakturen mit offener Hirnverletzung und persistierender Liquorrhö werden regelmäßig gemeinsam mit der neurochirurgischen Versorgung analog den Prinzipien der Safe definitive Surgery (SDS), Abschn.
3.1.1) plastisch verschlossen. Bei ausgedehnten Verletzungen mit der Gefahr von
Hirnabszessen oder Sinusinfektionen kann diese Versorgung, v. a. bei zusätzlichen frontalen raumfordernden Blutungen, in die dringliche Operationsphase vorgezogen werden. Isolierte
Mittelgesichtsfrakturen, mit oder ohne Schädelbasisfraktur, führen häufig zu ausgedehnten kreislaufwirksamen Blutungen aus dem Nasen-Rachen-Raum, die bereits in der prähospitalen oder Schockraumphase durch Tamponaden (Gaze, Ballonkatheter) gestoppt werden müssen. Diese Tamponaden müssen ggf. in der 2. Operationsphase komplettiert oder erneuert werden.
Offene Frakturen des Mittelgesichts (Le Fort 1–3 ) oder offene
Unterkieferfrakturen sowie Zahn- und Weichteilverletzungen können in analog den Prinzipien der Safe definitive Surgery (SDS), Abschn.
3.1.1), parallel mit weiteren Eingriffen, zumindest primär versorgt werden, wobei die Revision in der Regel von innen nach außen hin erfolgt. Aufwendige rekonstruktive Eingriffe sind ebenfalls nach Stabilisierung des Patienten früh elektiv vorzusehen (siehe auch Kap. Intensivtherapie bei Verletzungen der Kiefer- und Gesichtsregion).
Wirbelsäulenverletzungen
Bei bewusstlosen polytraumatisierten Patienten müssen neurologische Ausfälle durch instabile Frakturen oder Luxationen immer ausgeschlossen werden. Bis zum Ausschluss einer Verletzung muss die HWS im Philadelphiakragen immobilisiert werden. Bei Frakturen des thorakolumbalen Übergangs sollte bis zur Operation eine Unterstützung der Lordose durch eine Rolle erfolgen. Die therapeutischen Maßnahmen in der 1. Operationsphase zielen auf die sofortige Entlastung einer Rückenmarkkompression. Die frühzeitige, zusätzlicher Gabe von Methylprednisolon nach dem NASCI-Schema („national acute spinal cord injury“) ist immer noch Gegenstand aktueller Diskussionen, wird im eigenen Vorgehen jedoch durchgeführt (Bracken
2012; Evaniew et al.
2016).
Da bei Polytraumatisierten in der dringlichen Operationsphase keine ausgedehnten Operationen mit hohem Blutverlust durchgeführt werden können, muss die HWS möglichst von vorn dekomprimiert werden, während an der LWS Reposition und Dekompression in der Primärphase in der Regel von dorsal erfolgen.
Schwieriger sind die selteneren Verletzungen der oberen BWS, da sie häufig eine ventrale Dekompression erfordern, diese jedoch in der dringlichen Operationsphase v. a. pulmonal belastend ist. Bei klarer Kompressionssymptomatik müssen hier alternativ eine initiale dorsale Dekompression und Reposition und eine sekundäre ventrale Stabilisierung erwogen werden. (Tab.
5).
Tab. 5
Operative Maßnahmen bei Wirbelsäulenverletzungen
Inkomplette oder komplette Querschnittsymptomatik | Dekompression und Stabilisierung: HWS in der Regel von ventral; obere/untere BWS/LWS in der Regel dorsal; mittlere BWS ventral | | Komplettierung der Osteosynthese, u. U. ventrale Fusion |
Instabile Wirbelsäulenverletzung | Stabilisierung: HWS ventral; LWS dorsal; BWS selten, ggfls, minimalinvasiv perkutan | | Komplettierung der Osteosynthese |
Wirbelsäulenverletzungen ohne neurologische Ausfälle und ohne Instabilität | Konservative Unterstützung (LWS-Rolle, Philadelphiakragen) | | In Ausnahmen: Osteosynthese |
Thorax
Beim Polytrauma stehen die geschlossenen Verletzungen mit über 90 % an erster Stelle, wobei vital bedrohliche Spannungs- und Hämatothoraces bereits am Unfallort oder im Schockraum durch
Thoraxdrainagen entlastet werden müssen und unmittelbar anschließend durch eine Röntgenaufnahme kontrolliert werden sollten (siehe auch Kap.
Intensivtherapie bei Thoraxtrauma).
Die Kombination von Pneumo- und
Hämatothorax ist bei der Einlage von
Thoraxdrainagen zu beachten, ebenso wie ein möglicher Zwerchfellhochstand oder eine -ruptur. Die großlumige Drainage sollte, möglichst digital geführt, oberhalb der Mamille in der hinteren Axillarlinie nach dorsal eingebracht werden. Bei persistierendem
Pneumothorax (Röntgenkontrolle, Thoraxspiral-CT) sollte eine weitere ventrale Drainage wegen häufiger ventraler Pneumothoraces gelegt werden. Durch konsequenten Einsatz des Thorax-CT sowohl initial, als auch während der Intensivbehandlung konnten in einem hohen Prozentsatz persistierende ventrale Pneumothoraces trotz liegender Drainage festgestellt und dann zusätzlich entlastet werden.
Abdomen/Retroperitoneum
Hämodynamisch wirksame und sonografisch gesicherte abdominelle Blutungen sind, neben intrazerebralen Hämatomen, die Hauptoperationsindikation in der 1. Operationsphase (siehe auch Kap.
Intensivtherapie bei Thoraxtrauma). In ca. 60 % der Fälle handelt es sich dabei um Milzverletzungen, danach in absteigender Häufigkeit um Leber-, Mesenterial- und Darmverletzungen. Bei hämodynamisch stabiler Situation sollte jedoch bei nicht eindeutig zuzuordnender Blutung eine ergänzende Diagnostik, möglichst durch Spiral-CT mit Kontrastmittelgabe, erfolgen, v. a. um retroperitoneale Verletzungen und Verletzungen des Urogenitalsystems festzustellen und so deren gezielte Mitversorgung in der dringlichen Operationsphase zu ermöglichen. Ebenfalls ist ein differenziertes Vorgehen bei Leberrupturen mit hämodynamischer Stabilität erforderlich, auch Nierenparenchymverletzungen bei stabilen Patienten werden zunehmend konservativ und bei Notwendigwerden einer Operation wann immer möglich organerhaltend versorgt (Pfitzenmaier et al.
2009).
Minimalinvasive Operationsverfahren stellen bislang nur bei isolierten thorakoabdominellen Stichverletzungen eine Alternative dar. Im Rahmen der
Volumentherapie nach Hämorrhagie, aber auch bei größeren retroperitonealen Blutungen kann sich ein
abdominelles Kompartmentsyndrom entwickeln. Die Diagnose wird entweder eindeutig klinisch oder anhand der Druckmessung in der Blase über einen transurethralen Katheter gestellt: ein Druck >25 mm Hg zusammen mit zunehmender Organdysfunktion (Urinausscheidung <0,5 ml/kg KG/h) oder
Beatmung (p
aO
2/F
iO
2 <150 oder maximaler Beatmungsdruck >45 cm H
2O oder Herzindex <3 l/min/m
2) und verbesserte Organfunktion nach Entlastung. Die entlastende Laparatomie ist die einzige Therapieoption, der nachfolgende Bauchdeckenverschluss kann über verschiedene Techniken durchgeführt werden, wobei ein temporäre abdominelle Vacuumversiegelung auch eine gute Option mit Option eines Second Looks darstellt (Cheatham und Safcsak
2010; Cotton et al.
2011). Den einzelnen abdominellen Verletzungen ist Kap.
Intensivtherapie bei Abdominalverletzungen gewidmet, worauf hier verwiesen sei.
Becken/Sakrum
Während bei Klassifikation und Operationsindikation instabiler Beckenverletzung prinzipiell Übereinkunft besteht, herrschen unterschiedliche Auffassungen über das zeitliche und operative Vorgehen, v. a. bei hämodynamisch instabilen Patienten (Tab.
8). Die Strategie der Versorgung muss daher differenziert unter den folgenden Gesichtspunkten beurteilt werden:
Tab. 8
Versorgungsstrategie bei Beckenverletzungen
Stabile, wenig disloziierte Beckenringverletzungen v. a. A-Typen) | | Konservativ |
Symphysensprengung | Plattenosteosynthese, Fixateur externe | Plattenosteosynthese |
Laterale Kompressionstypen (B-Typ), Rotationsinstabilität | Disloziert: ventrolaterale Osteosynthese Alternativ: Reposition mit Fixateur externe | „Second look“ Verfahrenwechsel auf ventrolaterale Plattenosteosynthese |
Vertical-shear-Verletzungen + Rotationsinstabilität (C-Typen), Sakrumfraktur en | Schwere Blutung: Fix. externe, (selten)Beckenzwinge, präperitoneales Packing Gezielte Embolisatione bei arterieller Blutungsquell, Ventrale oder dorsale Osteosynthese bei akuter Blutung | Anatomische Rekonstruktion |
Obere Extremitäten
Dringliche Operationen
Verletzungen der Arme mit Ischämie oder arterieller Blutung, z. B. der A. subclavia oder A. brachialis, erfordern die unmittelbare Revaskularisation oder Blutstillung in der 1. Operationsphase. Schaftfrakturen des Humerus, offene Frakturen und Weichteilverletzungen, Luxationen oder Luxationsfrakturen sind Indikationen für die dringliche Operationsphase.
Spätere Versorgung
Alle übrigen Verletzungen, insbesondere periphere Frakturen, Sehnen-, Nerven- oder Weichteilverletzungen des Unterarms oder der Hand können häufig erst im Rahmen der SDS definitiv versorgt werden, es sei denn, die Gesamtsituation ist so stabil, dass diese Maßnahmen vorgezogen werden können. Bei diesen Verletzungen ist jedoch während der Frühstabilisierung auf eine temporäre Ruhigstellung, in der Regel durch Gipsschienen, und die Verhinderung von Sekundärschäden (Kompartmentsyndrom, Druckstellen) zu achten.
Für die Versorgung von
Humerusschaftfrakturen beim schweren Polytrauma ist alternativ der „fixateur externe“ zur Initialstabilisierung geeignet. Die Möglichkeit zur Versorgung komplexer Gelenkfrakturen, z. B. Humeruskopfluxationsfrakturen oder diakondyläre Humerusfrakturen, hängt beim schweren Polytrauma von der Kreislaufstabilität ab. Sollten diese Verletzungen nicht definitiv operiert werden können, muss aber eine achsenorientierte Reposition und Ruhigstellung, z. B. mit Gilchrist-Verband, durch Gipsschiene oder am Ellbogen mit einem gelenkübergreifenden „fixateur externe“, erfolgen.
Untere Extremitäten
Prinzipiell müssen in der ersten Versorgungsphase
Gefäßverletzungen behandelt und Extremitätenverluste durch Ischämie vermieden werden. Zur Reduktion der Systembelastung und verbesserten Intensivbehandlung müssen in der dringlichen 2. Versorgungsphase Schaftfrakturen von Femur und Tibia stabilisiert werden. In Anbetracht der hohen systemischen Belastung bei Femurmarknagelung (Fettembolie, vasokonstringierende Mediatoren bis hin zum akuten Lungenversagen) sollte jedoch bei Polytraumatisierten mit einem hohen ISS (>25 Punkte) eine primäre Femurmarknagelung, v. a. bei kurzen Schräg- und Querfrakturen oder engem Markraum, nicht durchgeführt werden. Stattdessen kann beim Polytrauma (ISS >25 Punkte) die schnelle Primärstabilisierung des Femurs mit einem „fixateur externe“ durchgeführt werden, gefolgt vom Wechsel auf einen Marknagel in der 3. Operationsphase (Maier et al.
2008; Pape et al.
2009).
Auch für Unterschenkelschaftfrakturen ist dieses Vorgehen prinzipiell anzuwenden, wobei die systemische Belastung durch die Marknagelung als wesentlich geringer – verglichen mit der Oberschenkelmarknagelung – anzusehen ist. Hier hängt die Vorgehensweise vom erforderlichen Zeitaufwand und der Frakturlokalisation ab: Bei schweren und komplexen ist auch hier die externe Fixation durchzuführen, die bei Gelenkfrakturen im Kniebereich (diakondyläre Femurfrakturen, Tibiakopffrakturen) oder Knieluxationen häufig als gelenkübergreifender Fixateur mit Transfixation montiert werden kann. In gleicher Weise sollten distale Unterschenkelfrakturen (Pilon tibiale, OSG, Rückfuß) durch Transfixation des OSG und Montage des „fixateur externe“ auf den 1. Mittelfußknochen oder auf den Rückfuß primär stabilisiert werden und können nach Erholung der Weichteile später rekonstruiert werden.
Gefäßverletzungen und Amputationen
Verletzungen großer Gefäße der Extremitäten erfordern in der dringlichen Operationsphase eine umgehende Revaskularisation. Analog muss bei Amputationsverletzungen oder drittgradig offenen Frakturen mit prolongierter Ischämie eine Wiederdurchblutung nach spätestens 4–5 h erfolgen. Eine länger dauernde Ischämiephase führt neben erheblicher lokaler Schwellung, Perfusionsstörungen und Kompartmentsyndrom zu einer vital bedrohlichen systemischen Belastung, die zu einem akuten Lungen- und Organversagen führen kann. Eine wichtige Hilfestellung bei der Entscheidung über einen Extremitätenerhalt liefert der MESS-Score (Battiston et al.
2002), wobei jedoch jeder Einzelfall differenziert betrachtet werden muss.
Übersehene Verletzungen, Patientenübergabe und Folgeoperationen
Trotz etablierter Diagnostik werden einige Verletzungen (Hand, Fuß) erst während der Intensivtherapie oder bei wiedererlangtem Bewusstsein des Patienten diagnostiziert. Alle therapierelevanten Maßgaben für die Nachbehandlung [Stabilität, Lagerung, Antibiotikatherapie, geplante Folgeoperationen oder Diagnoseschritte (Kontroll-CCT)] müssen mündlich und schriftlich angeordnet werden. Gerade die Unsicherheit über die Stabilität bereits versorgter Frakturen oder evtl. noch bestehende Instabilitäten verhindern die während der Intensivbehandlung erforderlichen Lagewechsel zur Verbesserung der Lungenfunktion und Prävention von Druckulzera. Gerade aus diesen Gründen ist die Gesamtbehandlung eines polytraumatisierten Patienten in den verschiedenen Phasen bis zur Rehabilitation in der Hand des behandelnden Unfallchirurgen, zumindest aber unter seiner maßgeblichen Einbeziehung notwendig.
Immun- und metabolismusmodulierende Therapiemaßnahmen
Entscheidend für die Minimierung der ungünstigen Auswirkungen der Gewebetraumatisierung und Voraussetzung für eine erfolgreiche Intensivtherapie des Polytraumas ist die rechtzeitige und adäquate chirurgische Versorgung. Als adjuvante medikamentöse oder apparative Verfahren werden darüber hinaus seit Jahren zahlreiche Reihe therapeutischer Ansätze diskutiert, die auf pathophysiologischen Überlegungen und erfolgreichen tierexperimentellen Untersuchungen beruhen. Leider haben alle bis zur klinischen Prüfung weiterentwickelte Substanzen, die in den posttraumatischen Verlauf eingreifen, keinen ausreichend Effekt in klinischen Studien gezeigt. Am ehesten ist dies auf die ausgeprägte Redundanz der komplexen inflammatorischen Kaskaden zurückzuführen und die Mechanismen noch nicht hinreichend verstanden. Neueste experimentelle Untersuchen zielen auf die Rolle des TLR Rezptorkomplexes, welcher eine wichtige Rolle im inflammationsgeschehen spielt (Siehe Kap. 1). Derzeit wird unter anderem die Rolle von extrazellulären Vesikeln, microRNAs, Complement und anderen
Immunmodulatoren weiter exploriert. Auch die Ansätze zur Immunmodulation durch Einsatz mesenchymaler Stammzellen, welche sich in geschädigte Organbereiche absiedeln und durch Ausdifferenzierung zu einer schnelleren Genesung beitragen könnten, stellen einen vielversprechenden Ansatz dar. Dennoch hat die Suche nach der „Golden Bullet“, also dem einen Faktor oder Medikament welche das komplexe posttraumatische Organversagen positiv beeinflussen kann, über Jahrzehnte keine tragenden Ergebnisse in der klinischen Erprobung erbracht. Letztlich ist die Verbesserung der Polytraumabehandlung bis dato auf eine bessere klinische Diagnostik, eine optimierte Therapie unter Vermeidung sekundärer Komplikationen (Volumenlimitierung, Kinetischer Therapie, fast track
Beatmung, gestuftes operatives Behandlungskonzept, verbessertes Gerinnungsmanagement, auch Tranexamsäure) zurückzuführen.
Dementsprechend existiert derzeit immer noch kein medikamentöser Ansatz zur Immunmodulation in der Therapie des Polytraumas oder des polytraumainduzierten Organversagens (Gruen et al.
2012; Sauia et al.
2017).
Die trauma- oder sepsisinduzierte Katabolie ist ein Hauptgrund für Morbidität und Mortalität. Hier ist eine frühe enterale Ernährung sinnvoll. Für den kritisch kranken Patienten ist die S2k- Leitlinie Klinische Ernährung in der
Intensivmedizin , awmf-Regisitriernummer 073-004 (letzte Fassung derzeit 2018) zu beachten (
www.awmf.org)
Hämofiltration
Die Auswirkungen einer kontinuierlichen Hämofiltration auf den Verlauf einer
Sepsis werden insgesamt kontrovers, von einigen Autoren jedoch insbesondere wegen der Möglichkeit einer proinflammatorischen Zytokinelimination günstig beurteilt. Möglicherweise führt die frühzeitige kontinuierliche venovenöse Hämofiltration (CVVH) zu einer Abschwächung des hyperdynamen Kreislaufversagens und zu einer Verbesserung der O
2-Extraktionsrate; der Stellenwert des Verfahrens ist jedoch außerhalb der Organersatztherapie im Rahmen eines akuten
Nierenversagens derzeit nicht validiert (Bauer et al.
2001).
Bewertung
Abgesehen von der Sicherstellung bzw. möglichst frühzeitigen Wiederherstellung einer ausreichenden Oxygenierung und Zirkulation zur Begrenzung ischämischer bzw. hypoxischer Schäden ist eine gesicherte, spezifische intensivmedizinische Therapie der Auswirkungen des Gewebeschadens und der unkontrollierten systemischen Entzündungsreaktion zzt. nicht bekannt. Hier scheint das Monitoring der Immunsituation in zeitlicher, örtlicher und quantitativer Hinsicht noch nicht ausreichend genau, um Schlüsse für eine gezielte Therapie ziehen zu können.