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Pädiatrie
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Publiziert am: 06.03.2019

Entwicklung und Funktion der Leber

Verfasst von: Thomas S. Weiß und Michael Melter
Die Leber ist das größte Stoffwechselorgan des menschlichen Körpers und erfüllt eine Vielzahl an sekretorischen und mebatolischen Funktionen wie die Synthese von Plasmaproteinen und Gallensäuren, Aufrechterhaltung der Glukose-, Aminosäuren-, Ammoniak- und Hydrogenkarbonathomöostase, sowie Bildung, Speicherung und Prozessierung von Signalmolekülen. Neben der Metabolisierung von endogenen und exogenen Substanzen gewährleistet die Leber den Intermediärstoffwechsel von Substanzen, die über den Intestinaltrakt resorbiert, metabolisiert oder gespeichert werden und stellt durch Abgabe von Substanzen die Funktionsfähigkeit der extrahepatischen Organe und Gewebe sicher. Die fetale Entwicklung ist gekennzeichnet von stetigem Organ- und Körperwachstum sowie intensiven Reifungs- und Differenzierungsprozessen des fetalen Gewebes. Die daraus resultierenden metabolischen Anforderungen werden über die Plazenta und zum Teil schon früh von der fetalen Leber übernommen. Die Expression und Aktivität der verantwortlichen Proteine unterliegen einer komplexen Regulation während der embryonalen, fetalen und postnatalen Entwicklungsphase der Leber.

Aufbau und Funktion der maturen Leber

Die Leber ist das größte Stoffwechselorgan des menschlichen Körpers. Etwa 60–70 % der Leberzellmasse eines Erwachsenen bestehen aus den Hepatozyten, in denen die allermeisten Funktionen der Leber ausgeführt werden und die daher als die eigentlichen Leberparenchymzellen gelten. Neben den Hepatozyten zählen auch die Cholangiozyten, Bestandteil des Gallengangepithels, zu den epithelialen Zellen. Die Parenchymzellen werden durch Interaktionen mit weiteren zellulären Bestandteilen der Leber vom nichtepithelialen Zelltyp ergänzt. Diese befinden sich bevorzugt entlang der Sinusoide und zusammen mit der interzellulären Matrix unterstützen sie die strukturelle Integrität und interzelluläre Kommunikation. Dabei handelt es sich um Sternzellen (Ito-Zellen, Fettspeicherzellen), Kupffer-Zellen (Gewebsmakrophagen), sinusoidale Endothelzellen (bilden fenestriertes Endothel) und Zellen des hämatopoetischen Systems. Weiterhin sind Progenitor- oder Ovalzellen im Bereich der Hering-Kanäle zu finden, welche bipotente Vorläuferzellen darstellen, die sowohl zu Hepatozyten als auch zu Cholangiozyten differenzieren können.
Die Leber erfüllt eine Vielzahl an sekretorischen und mebatolischen Funktionen wie die Synthese der meisten Plasmaproteine (z. B. Albumin, Gerinnungsfaktoren, Komplementsystem, Akutphaseproteine), Aufrechterhaltung der Glukose-, Aminosäuren-, Ammoniak- und Hydrogenkarbonathomöostase, Synthese von Gallensäuren, Bildung, Speicherung und Prozessierung von Signalmolekülen, Blutreserve, Verwertung aufgenommener Nährstoffe sowie die Metabolisierung von endogenen und exogenen Substanzen. Dass dieses Organ sowohl mit venösem Blut, welches vornehmlich von Darm, Pankreas und Milz stammt, als auch mit arteriellem Blut von der Aorta versorgt wird, erklärt seine besondere Funktion im Intermediärstoffwechsel. Zum einen werden Substanzen in variabler Qualität und Quantität über den Intestinaltrakt während der Resorptionsphase aufgenommen, metabolisiert oder gespeichert, zum anderen gewährleistet die Leber durch Abgabe der gespeicherten Substrate zur Deckung des Energiebedarfs die Funktionsfähigkeit der extrahepatischen Organe und Gewebe.
Die funktionelle Struktur der Leber wird durch eine Vielzahl an Acini gebildet. Ein Leberacinus ist definiert als eine Gewebestruktur, welche vom terminalen Ast der Portalvene und der hepatischen Arterie entlang des Sinusoids mit Blut versorgt und über den terminalen Lebervenenast entsorgt wird. Das dazwischen liegende Parenchym erstreckt sich über 20–30 Zellen, die funktionell heterogen sind, da entlang des Leberacinus ein Metaboliten-, Sauerstoff- und Hormongradient vorliegt (Abb. 1). Ausgehend von der Entfernung zum Portalfeld wird der Leberacinus entsprechend der Expression spezifischer Enzyme in 3 Zonen (nach Rappaport) eingeteilt. Periportale Hepatozyten (Zone 1) sind vor allem verantwortlich für Glykogenabbau, Glukoneogenese, Fettsäureoxidation, Gallensäure- und Bilirubinausscheidung. Perivenöse Hepatozyten in Zone 3 sind involviert in Glykogensynthese, Glykolyse, Lipogenese, Harnstoffsynthese aus Ammoniak und der Biotransformation unter anderem von Xenobiotika. Zone 2 besteht aus dazwischen liegenden Hepatozyten, die entsprechend ihrer Lokalisation in ihrer Funktion mehr dem Typ Zone 1 oder 3 entsprechen.

Funktionelle Entwicklung der Leber

Die fetale Entwicklung ist gekennzeichnet von stetigem Organ- und Körperwachstum sowie intensiven Reifungs- und Differenzierungsprozessen des fetalen Gewebes. Die daraus resultierenden metabolischen Anforderungen werden über die Plazenta und zum Teil schon früh von der fetalen Leber übernommen. Die Leber erreicht in der 9. Woche der Gestation mit 10 % des fetalen Gewichts ihre relativ maximale Größe. Sind zu Beginn im 1. Trimester noch die hämatopoetischen Zellen in der Überzahl gegenüber den kleineren unreifen glykogen-defizienten Hepatozyten, so dominieren gegen Ende des 3. Trimesters die reifen Hepatozyten, die dann an Größe zugenommen und endoplasmatisches Retikulum (ER) und Golgi-Apparat sowie eingelagertes Glykogen ausgebildet haben. Diese Änderungen korrelieren mit einer erhöhten Kapazität des hepatischen Metabolismus und Detoxifikation. Bei der Geburt entspricht die Leber 4 % des Körpergewichts im Vergleich zu 2 % beim Erwachsenen, und postnatal wird sich das Gewicht im 1. Jahr verdoppeln und bis zum 3. Jahr verdreifachen.
Die funktionelle Entwicklung der Leber wurde im Detail an Ratten untersucht, da bisher kaum Daten vom Menschen vorliegen. Sie ist gekennzeichnet durch komplexe Veränderung der embryonalen und fetalen Leberfunktion. Bestimmte Enzymaktivitäten wie die Thymidinkinase- und Ornithindecarboxylaseaktivität (Enzyme der DNA-Synthese) sind fetal erhöht und fallen während der postnatalen Entwicklung ab. Andere Enzyme, wie für die Fruktose-1,6-Biphosphatase (FBPase) und Aspartataminotransferase (AST) – beides Enzyme der Glukoneogenese – beschrieben, werden zwar fetal exprimiert, steigen in ihrer Expression aber postnatal noch weiter an. Eine weitere Gruppe von Enzymen, zu denen auch die Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase (PEPCK, Enzym der Glukoneogenese) und Uridin-5’-Diphosphatglucuronyltransferase (UGT) – Konjugationsreaktion mit Glukuronat – gehören, wird vornehmlich perinatal und postnatal weiter ansteigend exprimiert. Schließlich gibt es noch Enzyme wie die Alaninaminotransferase (ALT) und Alkoholdehydrogenase (ADH), die postnatal exprimiert werden und deren Expression im Säuglingsalter ihr Maximum erreichen. Diese schrittweise Regulation der Enzymexpression während der Leberentwicklung scheint in Abhängigkeit mit sequenziellen Änderungen von Hormonspiegeln, wie z. B. Trijodthyronin, Kortisol, Kortison und Glukagon zu stehen. Ein Großteil der zugrunde liegenden regulativen Mechanismen ist bisher noch kaum bekannt und molekulare Forschungsansätze weisen auf eine komplexe Regulation auf posttranslationaler, translationaler und transkriptioneller Ebene hin. In Bezug auf letztere spielen für die postnatale Reifung der Leber die Mechanismen der alternativen Polyadenylierung und des alternativen Splicing von RNA eine wichtige Rolle. So wurde „epithelial splicing regulatory protein 2“ (ESRP2) als eines der wenigen RNA-bindenden Proteine identifiziert, welches postnatal verstärkt induziert vorliegt. ESPR2 reguliert eine Reihe von konservierten Splicing-Prozessen in Hepatozyten, welche für die terminale Differenzierung und Reifung verantwortlich sind.

Kohlenhydratstoffwechsel

Bei der Geburt ergeben sich in Bezug auf den Lebermetabolismus große Änderungen, da die Versorgung über die Plazenta u. a. mit der maternalen Regulation der Glukosehomöostase unterbrochen wird. Mit der Geburt muss die Leber unmittelbar die Bereitstellung und Aufrechterhaltung des Glukosespiegels, des Aminosäure- und Lipidstoffwechsels gewährleisten. Die Hauptfunktion des Kohlenhydratstoffwechsels ist die Versorgung mit Kohlenstoffeinheiten und Energie, wobei die Glukose dabei eine zentrale Rolle einnimmt. Glukose kann über die Nahrung aufgenommen, in der Glukoneogenese synthesiert und als Glykogen gespeichert und daraus freigesetzt werden. Die ATP-Gewinnung aus Glukose erfordert die Aktivierung der Glykolyse, des Zitratzyklus und der oxidativen Phopshorylierung.
Der initiale Glukosebedarf wird beim Neugeborenen vor allem aus Glykogen gedeckt, da in der fetalen Leber bei der Geburt ca. 2- bis 3-mal so viel Glykogen eingelagert ist wie beim Erwachsenen. Die Aktivierung der Glykogenolyse wird bei der Geburt durch niedrige Insulin- und hohe Glukagonspiegel stimuliert. Die Glykogensynthese beginnt bereits in der 9. Woche der Gestation und die Glykogeneinlagerung erreicht ihr Maximum kurz vor der Geburt. Nach der Geburt und der Entleerung der Glykogenspeicher wird ab der 2. Woche vermehrt Glykogen in die Leber eingelagert, bei Reifgeborenen werden bis zur 3. Woche adulte Glykogenspiegel erreicht. Die zur Regulation des Glykogengehalts notwendigen Enzyme für Synthese, Einlagerung und Abbau werden erst gegen Ende der Gestation exprimiert, was wesentlich begründet, dass es besonders bei Frühgeborenen zu hypoglykämischen Zuständen kommen kann.
Eine besondere Situation hinsichtlich der Versorgung entsteht postnatal und vor der 1. Mahlzeit, da kaum Glukose und keine Ketonkörper, letztere aufgrund retardierter Ketogenese, vorhanden sind. Bei der Ketogenese werden Ketonkörper (Acetoacetat, 3-Hydroxybutyrat) aus Acetyl-CoA (aus Fettsäureoxidation) gebildet, können wie Glukose die Blut-Hirn-Schranke passieren, werden nach Umwandlung in den Zitratzyklus eingeschleust und versorgen somit vor allem das Gehirn mit Energie. In diesem „Hungerstadium“ früh postnatal wird als metabolischer Nährstoff Laktat verwendet, welches in der Leber zu Pyruvat oxidiert und für die Glukoneogenese verwendet wird. Die Glukoneogenese ist ein wichtiger Lieferant für Kohlenstoffkörper und Glukose, welche schon wenige Stunden nach der Geburt vollständig etabliert ist und zu ca. 30 % zum Blutzuckerspiegel des Neugeborenen beiträgt. Glukoneogenese und Glykogenolyse werden durch Katecholamine und Glukagon stimuliert, deren Spiegel bei der Geburt stark ansteigen.
In der fetalen Leber spielt die Glukoneogenese zur Synthese von Glukose, ausgehend von Laktat, Aminosäuren (z. B. Alanin) und anderen kleineren Verbindungen eine untergeordnete Rolle. Im Fetus liegen Bedingungen einer Hyperinsulinämie vor, und hohe Spiegel an Insulin inhibieren die Expression relevanter Enzyme der Glukoneogenese. Während der Gestation wird der Glukosebedarf fast ausschließlich über die maternale Versorgung gedeckt. Die meisten Enzyme der Glukoneogenese sind bereits fetal vorhanden und ihre Expression steigt nach der Geburt an oder wird wie im Fall der Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase (PEPCK), des Schlüsselenzyms der Glukoneogenese, peri- und vor allem postnatal stark exprimiert. Die Regulation der PEPCK-Expression ist nicht im Detail bekannt, ist aber an die sich ab dem Beginn der enteralen Ernährung verändernden Konzentrationen von Insulin (sinkt ab), Glukagon, Glukokortikoidgehalt, Thyroidhormon und Glukose (steigen alle an) gekoppelt. Weiterhin wurden eine Reihe von Transkriptionsfaktoren beschrieben, die regulatorisch an den Promoter des PEPCK-Gens binden (Glukokortikoidrezeptor (GR), „retinoic acid receptor“ (RAR), „retinoid X receptor“ (RXR), Foxo-Familie, Forkhead box, „CCAAT/enhancer-binding protein α“ (C/EBPα), „cAMP response element-binding protein“ (CREB) und „hepatocyte nuclear factor 4α“ (HNF4α)). Die Regulation der Expression relevanter Proteine für die postnatale Glukosehomöostase ist sehr komplex und in weiten Teilen noch unverstanden.
Die fetale Leber unterscheidet sich auch von der neonatalen hinsichtlich der Aufnahme und Abgabe von Glukose. Damit die Glukose intrazellular verbleiben kann, muss sie durch Kinasen phosphoryliert werden. Die Aktivität der Hexokinase, einer Kinase mit hoher Affinität zu Glukose, ist in der fetalen Leber hoch und kann damit eine Aufnahme bei niedrigen Glukosespiegeln ermöglichen. Jedoch fällt ihre Aktivität zum Ende der Gestation stark ab, und die für die adulte Leber spezifische Glukokinase, eine Kinase mit geringerer Affinität zu Glukose, wird erst zum Ende der Säuglingszeit verstärkt exprimiert. Daher kann die Glukoseaufnahme peri- und postnatal in Bezug auf ihre Kapazität zur Phosphorylierung limitiert sein. Andererseits steigt perinatal die Aktivität der hepatischen Galaktophosphokinase, welche die Phosphorylierung von Galaktose in den Hepatozyten katalysiert, stark an, um den zu erwartenden diätetischen Anstieg von Galaktose aufzunehmen. Galaktose stammt aus Laktose, das Hauptkohlenhydrat in der Frauen- und Kuhmilch. Aus Laktose können Glukose und Galaktose, welches zu Glukose konvertiert werden kann, erhalten werden. Die neonatale Leber nimmt bevorzugt Galaktose auf und stellt die Glukose den peripheren Geweben zu Verfügung.
Die fetale Leber selbst hat einen geringen Bedarf an Glukose, da sie für die Energiebereitstellung vor allem Laktat und Aminosäuren verwendet. Die Aufnahme von Glukose könnte durch ein Absenken des Glukose-6-phosphat(G-6-P)-Spiegels in der Leber gesteigert werden, da G-6-P die Aktivität der Hexokinase verringert. G-6-P kann in der Glykolyse zur Adenosintriphosphat(ATP)-Gewinnung dienen, wobei das dafür nötige Schlüsselenzym Pyruvatkinase in der fetalen Leber nur gering exprimiert wird. Ein Ausschleusen durch Dephosphorylierung verhindert die Defizienz der für die Leber und Niere spezifischen Glukose-6-Phosphatase, welche erst peri- und postnatal Aktivitäten ähnlich des Erwachsenen erreicht. Daher fließt das G-6-P in der fetalen Leber bevorzugt in den Pentosephosphatzyklus und in die Glykogensynthese ein.

Aminosäuren- und Proteinstoffwechsel

Die Energieversorgung des Fetus wird in etwa zu gleichen Teilen aus Glukose und Aminosäuren sichergestellt. Intrauterin nimmt die Leber große Mengen an Aminosäuren auf, und die hohen hepatischen Spiegel an freien Aminosäuren inklusive der essenziellen Aminosäuren, welche nach der Geburt stark absinken, dienen auch der Synthese von Glykogen und Glukose. Weiterhin ist die fetale Leber durch eine hohe Proteinsyntheseaktivität gekennzeichnet, und erhöhte Aminosäurespiegel korrelieren mit erhöhten Aktivitäten relevanter Enzyme wie der Phenylalaninhydroxylase (Synthese von Tyrosin), Serintranshydroxymethylase (Synthese von Glycin) und Phosphoserinphosphatase (Synthese von Serin). Obwohl in der fetalen Leber die Enzyme Methioninadenosyltransferase (Synthese von Homocystein aus Methionin) und Cystathioninsynthase (Synthese von Cystathionin) vorhanden sind, ist die Cystathionase (Synthese von Cystein aus Cystathionin) kaum exprimiert. Daher ist der Stoffwechsel zum Übertrag von Schwefel aus diätetischem Methionin zur Bildung von Cystein reduziert. Anderseits stehen damit vermehrt Methylgruppen aus dem Homocystein für Methylierungsreaktionen zur Verfügung, die für die Entwicklung notwendig sind. Für die fetale und neonatale Leber ist Cystein somit eine „essenzielle“ Aminosäure, und diese Annahme bestätigt sich auch in dem hohen Gehalt von Cystein gegenüber Methionin in der Frauenmilch. Ein weiterer Aspekt hoher intrauteriner Aminosäurespiegel ist der regulative Einfluss auf das Wachstum der Leber, da hohe Konzentrationen von Aminosäuren die intralysosomale Proteolyse inhibieren können.
Ein weiterer Unterschied im Aminosäurestoffwechsel der fetalen zur adulten Leber liegt in ihrer Verwendung für die Biosynthese von Nukleinsäuren. Die Karbongruppe von Serin wird in der fetalen Leber für die DNA und in der adulten Leber für die RNA-Synthese verwendet.
Zum Zeitpunkt der Geburt sind die allermeisten der den Aminosäurestoffwechsel regulierenden Enzyme bereits vorhanden. Eine Verzögerung in ihrer Expression wie z. B. von p-Hydroxyphenyl-Pyruvatoxidase, mit der Folge eines gestörten Tyrosinabbaus, kann konsekutiv zu einer vorübergehenden neonatalen Tyrosinämie führen.

Harnstoffsynthese

Bereits zu Beginn des 3. Trimesters der Gestation sind die spezifischen Enzyme des Harnstoffzyklus aktiv und so kann endogen entstandener Ammoniak, der aus dem Stoffwechsel peripherer Gewebe stammt, in Form von Harnstoff entsorgt werden. Eine weitere Möglichkeit, Ammoniak zu fixieren, bietet der Glutaminstoffwechsel. Dabei wird in einer Reaktion Glutamin aus Glutamat, α-Ketoglutarat und Ammoniak gebildet, welche durch die Glutaminsynthetase katalysiert wird. In der adulten Leber befinden sich die Glutaminsynthetase in den perivenösen Hepatozyten (sog. Scavenger-Zellen), während der Harnstoffzyklus in den periportalen Hepatozyten lokalisiert ist. Untersuchungen an fetalen Ratten zeigten jedoch eine Expression der Glutaminsynthetase verteilt auf alle Hepatozyten, und die für die adulte Leber charakteristische perivenöse Zonierung stellte sich erst postnatal ein.

Synthese von Plasmaproteinen

Die Leber synthetisiert neben Enzymen und Strukturproteinen auch Plasmaproteine. Die Regulation der Leberproteinsynthese und des Abbaus ist wenig untersucht und scheint in verschiedenen Entwicklungsphasen auch different, da exogenes cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) in der fetalen Leber die Proteinsynthese nicht wie in der adulten Rattenleber inhibiert. Schon in der frühen Phase der Gestation werden Plasmaproteine (z. B. α-Antitrypsin, Transferin, LDL/VLDL [low density lipoproteins/very low density lipoproteins], α-Makroglobulin, C1-Esterase, α1-Glykoprotein) synthetisiert, wenngleich deren Konzentrationen mit Ausnahme von α-Fetoprotein gering sind. Die Halbwertszeit von Serumalbumin beträgt bei reifen Neugeborenen 14–21 Tage, was der Halbwertszeit bei den Erwachsenen entspricht, jedoch bei Frühgeborenen nur 5–7 Tage. Bei Frühgeborenen sind die Albuminkonzentrationen im Serum wegen des schnelleren Umsatzes des Pools und möglicherweise wegen einer geringeren Syntheserate der unreifen Leber niedriger als bei reifen Neugeborenen. Komponenten des Gerinnungssystems passieren die Plazenta nicht, und sie werden bereits in der fetalen Leber ab der 10. Gestationswoche synthetisiert (Faktoren I [Fibrinogen], II [Prothrombin], V, VII, IX, X, XII und XIII). Die Plasmakonzentrationen der meisten in der Leber synthetisierten Gerinnungsfaktoren unterscheiden sich in der frühen Säuglingszeit von denen der Erwachsenen. Die Vitamin-K-abhängigen Faktoren II, VII, IX und X betragen bei der Geburt etwa 50 % des Erwachsenenwertes, während die Faktoren I und V sich nur geringfügig unterscheiden. Im Alter von 6 Monaten liegen die meisten Konzentrationen der Gerinnungsproteine im unteren Erwachsenennormbereich. Gründe für die erniedrigten Plasmakonzentrationen bei Säuglingen können eine verminderte Synthese, vermehrte „Clearence“ oder Verbrauch, aber auch Faktoren mit geringerer Aktivität sein.

Lipidstoffwechsel

Die Bereitstellung von Fettsäuren für den Fetus erfolgt einerseits durch De-novo-Synthese und andererseits durch passive Diffusion von nicht veresterten Fettsäuren durch die Plazenta oder selektiven maternofetalen Transport von physiologisch wichtigen langkettigen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Die über die Plazenta aufgenommenen Fettsäuren werden nicht an periphere Gewebe abgegeben, sondern in erster Linie in der Leber und im Fettgewebe gespeichert. Die Kapazität zur Fettsäuresynthese in der fetalen Leber ist hoch und erreicht in der Mitte der Gestation ein Maximum, um danach wieder abzufallen.
Nach der Geburt wird das in der fetalen Leber als Triacylglycerid gespeicherte Fett in freie Fettsäuren überführt und für den Eigenbedarf der Leber verwendet. Die hepatische Fettsäureoxidation erzeugt bedeutende Mengen an Energie in Form von ATP für die Leber und Ketonkörpern für die peripheren Gewebe. Die neonatale wie die adulte Leber besitzt Lipasen, die Triacylglyceride in Glycerin und Fettsäuren hydrolysieren können. Die Fähigkeit, die entstandenen Fettsäuren zu oxidieren, ist bereits innerhalb der ersten postnatalen Tage vorhanden, und somit kann die Leber einen Großteil der Ketonkörper zur Energiegewinnung anderer Gewebe bereitstellen. Die Regulation der Fettsäureoxidation und der Ketogenese wird durch Hormone des Pankreas bestimmt. Postnatal sinkt die Konzentration von Insulin und die von Glukagon steigt an. Somit liegt vermehrt cAMP vor (Insulin hemmt die Adenylzyklase zur Bildung von cAMP), das als sog. Second Messenger die Lipolyse aktiviert.
Die schnelle postnatale Aktivierung der Fettsäureoxidation ist notwendig, um die gesteigerte Glukoneogeneseaktivität zu unterstützen und somit den Blutglukosespiegel aufrechtzuerhalten. Das Stillen des Neugeborenen fördert diese Prozesse, da sich das Kolostrum aus wenig Kohlenhydraten und viel Fett zusammensetzt. Die in der Frauenmilch enthaltenen mittel- und langkettigen Fettsäuren stimulieren die Glukoneogenese, da aus ihnen die Vorstufen bereitgestellt werden, die die hepatische Glukoneogenese aktivieren. Der Anteil an freien Fettsäuren im Plasma nimmt nach der Geburt deutlich zu und variiert in Länge und Grad der Sättigung. Daraus ergeben sich für Fettsäuren unterschiedliche Funktionen: kurzkettige Fettsäuren als Wachstumsfaktoren des Intestinums, mittel- und langkettige Fettsäuren als Energiequelle, mehrfach ungesättigte Fettsäuren als metabolische Regulatoren und sehr langkettige Fettsäuren als strukturelle Komponenten von Membranen.
In fetalem Gewebe liegt eine höhere Konzentration von gesättigten gegenüber ungesättigten Fettsäuren vor, was mit der niedrigen Aktivität von Desaturasen und Elongasen korreliert. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren nimmt der Fetus in erster Linie über die maternale Versorgung auf. Die weitere Verwendung der in der fetalen Leber synthetisierten Fettsäuren ist vom Zeitpunkt der Gestation abhängig, obwohl die initiale Veresterung zur Bildung von Triacylglyceriden während der fetalen Entwicklung vorherrschend ist. Der konventionelle Transport von Fettsäuren zu anderen Geweben als LDL ist bis Ende der Gestation gering ausgeprägt und nimmt dann deutlich zu und führt so zu einer Akkumulation in der fetalen Leber. Der andere Hauptverwendungszweck der von der fetalen Leber synthetisierten Fettsäuren, vor allem in der frühen Phase der Gestation, ist die Inkorporation in Phospholipide zur Membransynthese. Die Zusammensetzung der Membranphospholipide verändert sich während der Leberentwicklung, und in der postnatalen Phase steigt der Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren deutlich an.

Biotransformation

Die Leber ist der zentrale Ort der Metabolisierung von z. B. Arzneimitteln und Xenobiotika, Konsequenzen einer hepatischen Schädigung treten diesbezüglich besonders in den Vordergrund. Eine noch nicht vollständig entwickelte Biotransformation bei Kindern kann sich durch einen reduzierten Abbau von Toxinen, aber auch durch eine ungenügende Bildung eines reaktiven Wirkstoffs zeigen. Bereits ab dem 2. Trimester sind eine Vielzahl von Enzymen des Xenobiotikastoffwechsels nachweisbar, aber auch weitere Faktoren, die den Xenobiotikastoffwechsel beeinflussen, wie Größe der Leber, Blutfluss, Bindung an Plasmaproteine spielen eine wichtige Rolle. Das Verhältnis von Leber- zu Körpergewicht ist nicht konstant, vielmehr bei Kindern und Jugendlichen größer und kann zusätzlich zu den verschiedenen Entwicklungsstadien der Stoffwechselwege die metabolischen Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern erklären. Die Biotransformation von Arzneimitteln und Xenobiotika wird über Stoffwechselwege vermittelt, die auch von endogenen Substraten genutzt werden, die in Wachstum und Entwicklung involviert sind, wie z. B. Testosteron, Progesteron, Prostaglandine, Kortisol oder Vitamin D. Daraus lässt sich ein möglicher Einfluss von Wachstum und Entwicklung auf die Biotransformation von Xenobiotika bei Kleinkindern und Pupertierenden ableiten.
Der Prozess des hepatischen Arznei- und Fremdstoffwechsels kann in unterschiedliche Phasen eingeteilt werden, wobei in der Phase I Oxidationsreduktions- und Hydrolysereaktionen, in Phase II Konjugationsreaktionen mit Sulfat, Azetat, Glycin, Glukuronsäure und Glutathion sowie in Phase III Transportprozesse aus der Zelle (kanalikuläre und sinusoidale Membran) zusammengefasst werden. Zahlreiche Enzyme der Phase-I- und -II-Reaktionen werden polymorph und abhängig von der Entwicklung exprimiert und können in ihrer Expression durch Arzneimittel, Toxine oder Umweltfaktoren induziert oder inhibiert werden. Aktivierung und Detoxifikation von Xenobiotika ist daher sowohl vom Lebensalter als auch vom Genotyp abhängig. Die Ontogenese einiger wichtiger metabolisierender Enzyme ist in Tab. 1 dargestellt und wird dabei in 3 Klassen untergliedert:
1.
hohe Expression im Fötus, jedoch postnatal sehr niedrige oder ausbleibende Expression innerhalb 1–2 Jahre nach Geburt,
Tab. 1
Lebensabschnittabhängige Expression von Proteinen der hepatischen Biotransformation (mod. nach Hines 2013 und Sadler et al. 2016)
Klasse 1
(fötal hoch, postnatal abfallend)
Klasse 2
(gleichbleibend von Gestation bis Erwachsenenalter)
Klasse 3
(fötal keine bis geringe, postnatal ansteigend)
CPYP450 Isoenzyme:
3A7,4A11, 4F12, 19A1, 51A1
CPYP450 Isoenzyme:
4A2, 4F3, 7B1, 20A1
CPYP450 Isoenzyme:
3A4, 1A2, 2C9, 2D6, 2E1, 3A5, 2B6, 2C19
ADH1
 
ADH1B, ADH1C
FMO1
 
FMO3
  
UGT1A1, UGT1A6, UGT2B7
GSTP
GSTA1, GSTA2
GSTM, GSTZ1
  
NAT2
SULT1E1, SULT1A3
 
SULT2A1
  
EPHX1, EPHX2
  
MDR1 (ABCB1)
  
MRP2 (ABCC2)
CYP450 Zytochrom-P450-Enzym; ADH Aldehyd-Dehydrogenase; FMO Flavin-Monoxygenase; UGT UDP-Glukuronyltransferase; GST Glutathion-S-Transferase; NAT N-Acetyltransferase; SULT Sulfotransferase; EPH Epoxidhydrolase; MDR Multidrug-Resistance-Protein; MRP Mutlidrug-Resistence-related-Protein
 
2.
im Fötus annähernd gleichbleibende Expression und in der Folge postnatal nur geringfügig stärker exprimiert,
 
3.
geringe Expression in später fötaler Phase und postnatal stark ansteigend.
 
Die Regulation der Genexpression der Enzyme der verschiedenen Phasen erfolgt vor allem über die Aktivierung von nukleären Rezeptoren wie „pregnane X receptor“ (PXR, auch „steroid and xenobiotic receptor“, SXR), „constitutive androstan receptor“ (CAR) und „aryl hdrocarbon receptor“ (AhR). Über die Entwicklung dieser nukleären Rezeptoren in der humanen Leber ist bisher nur sehr wenig bekannt.

Phase-I-Reaktionen

Zytochrom-P450-Enzyme

Der Hauptteil der Phase-I-Reaktionen des Xenobiotikastoffwechsels wird von Zytochrom-P450-Enzymen (CYP450) durchgeführt. Die humane CYP450-Superfamilie besteht aus 59 Proteinen, die basierend auf Homologien in 18 Familien und 42 Subfamilien eingeteilt werden. Der Großteil des Xenobiotikastoffwechsels wird von 23 Enzymen der Familien 1–3 ausgeführt, wohingegen die anderen CYP450-Enzyme in die Synthese und den Abbau endogener Signalmoleküle involviert sind. Die Kenntnis der entwicklungsabhängigen Expression der CYP-Enzyme ist für die pharmakokinetische Analyse im prä- und postnatalen Alter von großer Bedeutung. Enzyme der Phase-I-Reaktionen sind bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Gestation exprimiert, jedoch in nur geringer Konzentration, und nehmen an Aktivität und Anzahl nach der Geburt und im Laufe des 1. Lebensjahres deutlich zu.
CYP3A-Familie
Die CYP3A-Familie ist von besonderer Bedeutung, da fast die Hälfte aller bekannten Arzneimittel über ihre Enzyme metabolisiert werden. In der fetalen Leber ist das CYP3A7 mit ca. 30–50 % aller CYP-Enzyme in der Leber das häufigste Zytochrom P450, welches in den Steroidmetabolismus involviert ist und nur während der Organogenese exprimiert wird. Postnatal nimmt die Expression stark ab und ist nach 1 Jahr nicht mehr nachweisbar. CYP3A4 ist das funktionell wichtigste Enzym der Leber, über welches die meisten Arzneimittel metabolisiert werden. Die CYP3A4-Expression ist fetal und perinatal nur gering, steigt jedoch innerhalb der ersten 12 Monate auf 50–100 % an. Verschiedene Substanzen wie z. B. Phenytoin und Rifampicin können CYP3A4 induzieren, während z. B. Erythromycin und Cimetidin CYP3A4 inhibieren können.
CYP1A-Familie
Von der CYP1A-Familie wird CYP1A1 vorwiegend während der Organogenese exprimiert und ist in der Leber von Erwachsenen nicht mehr nachweisbar. Hingegen ist CYP1A2 in der fetalen Leber kaum exprimiert und die Aktivität steigt postnatal ab dem 1. Monat an. Koffein und Theophyllin sind Substrate von CYP1A2, deren vollständige Metaboliserung ab einem Alter von 4 Monaten beschrieben wurde.
CYP2C-Familie
Von der CYP2C-Familie, hinsichtlich ihrer klinisch wichtigen Substrate interessant, werden CYP2C8 und CYP2C9 in der fetalen Leber kaum und CYP2C19 (metabolisiert Omeprazol) fetal und postnatal gleichbleibend exprimiert. CYP2C9, welches die Biotransformation von Phenytoin metabolisiert, erreicht zwischen 1–6 Monaten postnatal die Aktivität von Erwachsenen. Zahlreiche Polymorphismen im CYP2C9-Gen erschweren eine pharmakokinetische Evaluierung von Wirksamkeit oder Toxizität von Arzneien wie Ibuprofen und Indometacin, welche durch CYP2C9 metabolisiert werden.
CYP2E-Familie
CYP2E1 ist verantwortlich für die Metabolisierung organischer Verbindungen wie Alkohol und ist auch an der Bildung von N-Acetyl-P-Benzoquinonimin (NAPQ) beteiligt, dem toxischen Zwischenprodukt der Paracetamolmetaboliserung. Fetal sind Aktivitäten von CYP2E1 kaum nachweisbar, sie erreichen bei 1-Jährigen ca. 40 % und erst bei 10-Jährigen das Niveau von Adulten.
CYP2D-Familie
Erst nach der Geburt findet sich eine hepatische Aktivität von CYP2D6, welches eine Vielzahl von Polymorphismen aufweist und daher eine große Variabilität zeigt. CYP2D6 metabolisiert exogene Substanzen vom Typ der Antihypertensiva und psychotropen Arzneimitteln, wie z. B. dem mittelpotenen Opioid Tramadol.

Flavin-Monoxygenasen

Die Flavin-Monoxygenasen (FMO) katalysieren die NADPH-abhängige Oxidation von Umwelttoxinen sowie einer Reihe von Xenobioatika wie Chlorpromazin und Promethazin (beides Phenothiazine). Die Expression der Isoenzyme FMO1 und FMO3 ist gegenläufig, mit einer hohen FMO1- und niedrigen FMO3-Expression während der Gestation. Postnatal ist FMO1 nach 3 Tagen nicht mehr nachweisbar, und FMO3 wird in der Leber mit ansteigender Konzentration bis zum Alter von 10–18 Jahren ab dem 1. Jahr exprimiert. Wechsel in der Expression von vorherrschenden Enzymformen wie bei FMO1 und FMO3 sowie bei CYP3A7 und CYP3A4 kennzeichnen einen Übergang in der Entwicklung der fetalen zur adulten Leber.

Phase-II-Reaktionen

Unter Phase-II-Reaktionen versteht man Konjugationsreaktionen, die von unterschiedlichen Enzymen wie Glukuronosyltransferase, Sulfotransferase, Glutathion-S-Transferasen (GST), N-Acetyltransferase und Methyltransferasen katalysiert werden. Phase-II-Enzyme sind hinsichtlich der Ontogenese weniger intensiv untersucht, jedoch weisen die bekannten Daten auf eine differenzielle Aktivität zwischen Kindern und Erwachsenen hin.

UDP-Glukuronosyltransferasen

Die Enzyme der UDP-Glukuronosyltransferase(UGT)-Familie katalysieren die Glukuroniderung von hydrophoben Xenobiotika wie die Analgetika Morphin und Paracetamol, aber auch endogenen Substraten wie Bilirubin und Ethinylestradiol. UGTs werden in die Subklassen UGT1A, UGT2A, UGT2B und UGT3A mit ihren jeweiligen Isoformen eingeteilt und bis auf wenige Ausnahmen besitzen sie eine überlappende Substratspezifität. So wird Propofol ausschließlich und Mykophenolat hauptsächlich über UGT1A9 metabolisiert. Obwohl die Ontogense der UGTs noch nicht vollständig verstanden ist scheinen alle Isoformen bei Geburt nicht oder sehr niedrig und dann erst im Laufe von Monaten postnatal verstärkt exprimiert zu sein. Am Beispiel der Chloramphenicoltoxizität konnte eine entwicklungsabhängige retardierte Aktivität der UGT belegt werden. UGT2B7 ist für die Glukuronidierung von Chloramphenicol, aber auch Morphin verantwortlich. Mittels Daten über den Morphinstoffwechsel konnte gezeigt werden, dass UGT2B7 im Fetus gering und postnatal erst zwischen dem 2. und 30. Monat auf Erwachsenenniveau exprimiert wird. UGT1A ist für die Glukuronidierung von Bilirubin verantwortlich, Mutationen führen zu einer unkonjugierten Hyperbilirubinämie, wie beim Crigler-Najjar-Syndrom und Morbus Gilbert -Meulengracht beschrieben. Inwieweit bekannte Polymorphismen bei UGT1A und anderen UGTs sowie eine überlappende Substratspezifität einen Einfluss auf den Xenobiotikastoffwechsel haben, ist noch nicht geklärt.

Glutathion-S-Transferasen

Die Konjugation von Glutathion an elektrophile Substrate wird von Glutathion-S-Transferasen (GSTs) katalysiert, von denen es 8 verschiedene Familien (z. B. GSTA, GSTM, GSTP) gibt, die alle überlappende Substratspezifität aufweisen. Es konnte eine entwicklungsabhängige Expression der GST nachgewiesen werden, ohne dass bisher eine funktionelle Signifikanz hierfür beschrieben wäre.

N-Acetyltransferasen

Unter den N-Acetyltransferasen (NAT), die die Übertragung des Acetylrests vom Kofaktor Acetyl-CoA auf nukleophile Substrate katalysieren und somit vor allem für die Entgiftung von aromatischen Aminen und Sulfonamiden von Bedeutung sind, ist besonders die NAT2 in Bezug auf die Entwicklung der Leber untersucht worden. Genetische Variabilität von NAT2 führt zu schnellem oder langsamem Azetylieren, was Auswirkungen auf die Metabolisierung z. B. des Tuberkulostatikums Isoniazid oder des Antiarrhythmikums Procainamid hat. Die fetale Leber weist nur eine geringe Aktivität auf, annähernd alle Kinder bis zum 2. Monat sind langsame Azetylierer. Bis zum Alter von 1 Jahr gibt es fast 60 % schnelle Azetylierer, und die vollständige, adulte NAT2-Kapazität wird mit 3 Jahren erreicht. Dabei weisen aber 50 % der Erwachsenen den Phänotyp langsamer Azetylierer auf.

Sulfotransferasen

Sulfotransferasen katalysieren die Übertragung einer Sulfatgruppe von 3’-Phosphoadenosin-5’-Phosphosulfat auf nukleophile Substrate wie Phenole, Alkohole und Amine. Metabolisiert werden u. a. eine Vielzahl Xenobiotika wie Paracetamol, aber auch endogene Substrate wie die Androgene Androsteron und Testosteron oder Schilddrüsenhormone. Es gibt 11 Isoformen mit überlappender Substratspezifität. Das für den Steroidmetabolismus wichtige SULT2A1 wird ab der Mitte des 2. Trimesters niedrig exprimiert und steigt dann bis auf adultes Niveau beim Neonaten an. Hingegen ist SULT1A3, welches in den Katecholaminmetabolismus involviert ist, in der frühen Phase der Gestation hoch exprimiert, fällt dann bis zur perinatalen Phase ab und ist in der adulten Leber nicht mehr nachweisbar. Die generelle Fähigkeit zur Sulfatierung ist beim Fetus und Neugeborenen früh gegeben, vor allem wenn kritische Detoxifikationsenzyme der Phase II, wie UGT, nicht vollständig entwickelt sind.

Epoxidhydrolasen

Epoxidhydrolasen hydrolysieren Epoxide, welche aus Phase-I-Reaktionen stammen, und inaktivieren die sehr reaktiven und mutagenen Epoxide. Es gibt eine zytosolische (EPHX2) und eine mikrosomale (EPHX1) Form, wobei EPHX1 vorwiegend im Komplex mit CYP450 zu finden ist. Substrate für EPHX1 sind Epoxide von Arenen, Zwischenprodukte von Antikonvulsiva, wie z. B. Phenytoin und Carbamazepin. In der fetalen Leber konnte eine mit der Gestation und Enzymkonzentration ansteigende EPHX1-Aktivität gemessen werden, die in der Mitte des 20. Trimesters etwa 50 % der des Erwachsenen entsprach.

Phase-III-Reaktionen

Über die Entwicklung der Membrantransportproteine, welche die Phase-III-Prozesse des Xenobiotikastoffwechsels steuern, ist bisher nur wenig bekannt. Das Multidrug-Resistance-Protein 1 (MDR1), welches auch P-Glykoprotein genannt wird, ist in der kanalikulären Hepatozytenmembran lokalisiert und bildet einen aktiven Transporter, der unter ATP-Verbrauch zelltoxische Substrate aus der Zelle pumpt. MDR1 (ABCB1) gehört zur Klasse B der Familie der ABC-Transporter (ATP binding cassette transporter). Expressionsanalysen von MDR1-mRNA zeigen in fetalen und neonatalen Lebern im Vergleich zu Lebern von Jugendlichen sehr niedrige Konzentrationen. Multidrug-Resistence-related-Protein (MRP2, ABCC2) ist ein weiteres Transportprotein, welches unter ATP-Verbrauch mehrfach anionische Verbindungen wie Glutathion- und Glukuronsäurekonjugate aus der Zelle schleust. Neuere Untersuchungen zeigen eine nur 50-prozentige Expression von MRP2-mRNA zur Mitte des 2. Trimesters der Gestation im Vergleich zu Erwachsenen.

Gallensäurenstoffwechsel

Bisher gibt es nur unzureichende Kenntnisse über die Kapazität der hepatischen Synthese und des Stoffwechsels von Gallensäuren während der Entwicklung. Darüber hinaus stammt dieses vorhandene Wissen ganz überwiegend aus Tiermodellen. Bereits gegen Ende des 1. Trimesters der Gestation können Gallensäuren nachgewiesen werden, vor allem Chenodesoxycholsäure und die Konjugation mit Taurin. Die Konzentrationen und die Pool-Größe sind sehr gering und steigen im Laufe der Gestation an, erreichen jedoch auch bei der Geburt wesentlich geringere Werte als bei Erwachsenen. Während des 1. Lebensjahres ist ein stetiger Anstieg der Größe des Gallensäurepools zu beobachten, dessen Regulation aber noch ungeklärt ist.
Die Synthese und der Metabolismus von Gallensäuren sind in der fetalen und neonatalen Leber deutlich verschieden zur Leber des Erwachsenen. Der wichtigste Unterschied ist die Fähigkeit zur Hydroxylierung (an C1, C4, C6) und die Bildung von Trihydroxygallensäuren, was sich z. B. durch relativ hohe Konzentrationen an Hyocholsäure (3α,6α,7α-Trihydroxycholansäure) zeigt, womit eine Ausscheidung über die Nieren erleichtert sowie das membranständige Potenzial der Gallensäuren verringert wird. Charakteristisch für die Entwicklung der Leber, vor allem bis zum 1. Lebensmonat, ist das Auftreten untypischer Gallensäuren (z. B. 1β,3α,7α,12α-Tetrahydroxy-5β-cholan-24-Säure, 7α,12α-Dihydroxy-3-oxo-5β-chol-1-en-24-Säure, 7α,12α-Dihydroxy-3-oxo-4-cholen-24-Säure), wie sie in der adulten Leber unter physiologischen Bedingungen nicht vorkommen. Ein Großteil der fetalen Gallensäuren (ca. 85 %) wird mit Taurin konjugiert, da dieses selektiv von der Plazenta transportiert wird. Die Gallensäurebiotransformation durch Amidierung und Sulfatierung ist beim Fetus, beim Neugeborenen und Säugling reduziert.
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