Der
Morbus Behçet ist keine monogene hereditäre Erkrankung mit Mendel-Erbgang, das relative Erkrankungsrisiko steigt aber z. B. unter erstgradigen Verwandten erkrankter türkischer Patienten um den Faktor 11–50 (Koné-Paut et al.
1998). Bei Kindern mit Morbus Behçet ist eine positive Familienanamnese häufiger zu eruieren (in 10–50 % der Fälle) als im Erwachsenenalter (Koné-Paut
2016). Die weltweite Verteilung des HLA-B51-Antigens
in gesunden Probanden korrespondiert mit der
Prävalenz des Morbus Behçet; so sind beide Merkmale auf der südlichen Hemisphäre und in Europa nördlich des 45. Breitengrades relativ selten vertreten. Diese Korrelation gilt als Indiz, dass genetische Varianten direkt oder indirekt die pathophysiologischen Veränderungen beim Morbus Behçet beeinflussen (Mendoza-Pinto et al.
2010). In einer deutschen Studie wurde beobachtet, dass das HLA-B51-Antigen bei deutschen und türkischen Patienten mit der gleichen Frequenz nachzuweisen ist (ca. 75 %) (Kotter et al.
2004). Eine Vielzahl weiterer genetischer Assoziationen (u. a. HLA-A26, HLA-B15,
HLA-B27, HLA-B56, ERAP1, IL23R, IL10, TLR4, NOD2, MEFV) sind im Rahmen von genomweiten Assoziationsstudien beschrieben (Koné-Paut
2016) und weisen auf eine polygenetische Erkrankung hin. Aktuelle Untersuchungen belegen darüber hinaus, dass Veränderungen in Genen, welche die natürliche Immunität bei der Abwehr von mikrobiellen Bestandteilen regulieren (z. B. IL-1A/B, CEBPB-PTPN1, RIPK2 und LACC1), beim Morbus Behçet verändert sind (Takeuchi et al.
2017).
Diese Klassifikationskriterien wurden aus Daten der größten pädiatrischen Morbus Behçet-Kohorte (Paediatric Behçet’s Disease Study, PEDBD) in einem Konsensusverfahren abgeleitet. Die PEDBD-Studie ist eine Kohortenstudie mit 219 Behçet-Patienten im Kindes- und Jugendalter, die weltweit an 42 Zentren in 12 Ländern eingeschlossen wurden. Die Autoren haben
Klassifikationskriterien (Tab.
2) erarbeitet. Bei Nachweis von mindestens
3 der 6 Kriterien kann die Diagnose
Morbus Behçet mit einer Sensitivität von 77 % und einer Spezifität von 88 % gestellt werden (Koné-Paut et al.
2016).
Tab. 2
Klassifikationskriterien der Paediatric Behçet’s Disease (PEDBD) Studie (2016) (Sensitivität 77 %, Spezifität 88 %)
1. Rezidivierende orale Aphthen | Mindestens 3 Schübe in 12 Monaten | 1 |
2. Genitale Ulzeration oder Aphthen | Typischerweise mit Vernarbungen | 1 |
3. Hautbeteiligung | Nekrotisierende Follikulitis, akneiforme Läsionen, Erythema nodosum | 1 |
4. Augenbeteiligung | Uveitis anterior, Uveitis posterior, retinale Vaskulitis | 1 |
5. Neurologische Zeichen | Alle neurologischen Zeichen, mit Ausnahme von isolierten Kopfschmerzen | 1 |
6. Vaskuläre Zeichen | Venöse Thrombosen, arterielle Thrombosen, arterielle Aneurysmen | 1 |